Missverständnisse verstehen

Eigentlich wollte ich diesen Blog ja dazu nutzen, um endlich einmal ein bisschen mit den vielen Vorurteilen, Halbwahrheiten und Klischees bezüglich der Neurowissenschaften aufzuräumen. Doch erstens kommt es anders und zweitens etc pp…

Bei meinem letzten Beitrag hier habe ich darüber geschrieben, dass so viele noch immer nicht einsehen wollen, dass Depressionen nicht nur „ein bisschen traurig sein“ bedeutet und dass stattdessen diesen und allen anderen „psychischen Erkrankungen“ greifbare, physische Mechanismen den Symptomen zu Grunde liegen, die nicht durch einfaches „zusammenreißen“ abgeschüttelt werden können. Ich wollte für ein bisschen mehr Verständnis für die Patienten und Akzeptanz für diese Erkrankungen werben, und verdeutlichen, dass diese eben keine Krankheiten zweiter Klasse sind. Zugegebenermaßen war ich bei den Kommentaren – sollte es überhaupt welche geben – auf eine Diskussion zu dem Thema physische vs. psychische Krankheiten eingestellt, oder eventuell auf ein paar Erfahrungsberichte. Doch stattdessen durfte ich ungläubig verfolgen, wie sich eine handvoll interessierter Leser in maximal tangentialen und tendenziell irrelevanten Aspekten des Textes verstrickte und sich gegenseitig zwecks unterschiedlicher Meinungen angingen. Woraufhin ich mir die Frage stellen musste: habe ich meinen Text so unklar formuliert, dass die Gesamtaussage untergeht? Warum stößt sich der geneigte Leser an scheinbar unwichtigen Textstellen? Und wie schnell entsteht so ein Kommunikationsproblem? Es wird ständig und überall über so vieles auf so vielen Kanälen gesprochen, aber bei jedem kommt es anders an. Kein Wunder also, dass jeder in seiner ganz eigenen Welt lebt.

(http://lefunny.net/quotations-2013/)

Wie einfach es sein kann, wichtige Informationen zu verpassen und in seiner eigenen Parallelwelt zu leben habe ich vor ein paar Wochen in Berlin selbst erlebt: Der erste große Herbststurm, Orkan Xavier, zog mit voller Wucht über Norddeutschland hinweg. Dabei hat er mehrere Menschenleben und Tierleben gefordert, und fast nebenbei das norddeutsche Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn lahmgelegt. In Berlin wurde zudem zum ersten mal nicht nur der S- und U-Bahn Verkehr, sondern auch der Busverkehr eingestellt. Mit anderen Worten: die Stadt war vom Orkan stillgelegt worden. Berlin hat dieses Jahr zwar schon einiges an Unwetter und Starkregen über sich ergehen lassen müssen, doch die Ausmaße und Folgen von Xavier scheinen viele überrascht zu haben, einschließlich mich selbst. Ein großer Forschungscampus, das Max Delbrück Center, liegt beispielsweise an der nordöstlichen Stadtgrenze und viele Mitarbeiter sind auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Die allermeisten von ihnen saßen nach dem Orkan ohne Vorwarnung auf dem Campus fest. Hat hier ebenfalls niemand den Sturm und seine Ausmaße kommen sehen?

Am nächsten Tag tauschte ich mit Kollegen Erfahrungsberichte aus, wie es jeder nach Hause geschafft hatte – für einige war es eine sechsstündige Odyssee. Andere wunderten sich, warum manch einer sich nicht besser vorbereitet hatte, schließlich „wurde es ja überall so angesagt und davor gewarnt“. Überall angesagt und davor gewarnt? Ich halte mich für einen gut informierten Menschen, verfolge die Nachrichten verschiedener Quellen, lese mehrere Zeitungen, informiere mich auf internationalen Nachrichtenportalen und folge auch in den Sozialen Medien etlichen lokalen, nationalen und internationalen Informationsportalen. Und dennoch: dass Orkan Xavier mehr sein würde als ein typisch-ungemütlicher Herbststurm ist völlig an mir vorbeigezogen. Obwohl die Informationen durchaus vorhanden waren und auch verbreitet wurden, sind sie nicht bei mir und augenscheinlich auch bei vielen anderen nicht angekommen – woran lag und liegt das?

Ein paar Tage zuvor, während der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober, sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von den Mauern im Kopf, die leider viel zu oft inzwischen die realen Mauern ersetzen oder gar verstärken. Gemeint war: inzwischen lebt jeder in seinen eigenen Filterblasen und Echokammern vor sich hin, unterstützt von einigen wenigen Gleichdenkenden, und blickt verwundert und herablassenden auf die anderen. Denn diese anderen sehen die „Wahrheit“ einfach nicht – offensichtlich sind sie zu dumm dafür. So oder so ähnlich scheint  zumindest oftmals die Argumentation.

Dabei betreibt jeder bereits durch seine Wahl der Informationsportale und der Accounts denen er/sie auf den Sozialen Netzwerken folgt, eine Art Vorsortierung der Themen und der Darstellung aktueller Events – selbst wenn man einer vermeintlich großen Bandbreite folgt. Und sogar die öffentlich-rechtlichen Medien, die eigentlich besonders neutral und vielseitig über Geschehnisse berichten und diskutieren sollen, sahen sich auf Grund ihrer angeblich einseitigen Berichterstattung vor der Bundestagswahl erheblicher Kritik ausgesetzt. Denn nach wie vor ist es für etwa 87% der Wahlberechtigten unbegreiflich, wie dieses Ergebnis zustande kommen konnte. Doch sind einseitige Filterblasen und vorsortierte Berichterstattungen in den letzten sechs Monaten wirklich die alleinigen Gründe für diesen Wahlausgang? Machen wir es uns damit nicht viel zu einfach?

Viel wichtiger wäre es doch, hinter den eigenen Filterblasen hervorzuschauen und zu versuchen, die Hintergründe des anderen zu verstehen, um dann eine vernünftige Diskussion auf Augenhöhe zu führen. Dazu reicht es jedoch nicht, immer mehr Portalen und „News-Outlets“ zu folgen – wie viele verschiedene Nachrichten kann ein Mensch pro Tag überhaupt aufnehmen? Nein, wir sollten wieder öfter zurück zu den Basics gehen und einfach miteinander reden. Hätte ich vor Orkan Xavier einfach mal wieder mit den Kollegen über das Wetter gesprochen, wären die Warnungen vermutlich auch bis zu mir durchgedrungen. Hätten die Medien zu einem Dialog mit potenziellen „Alternativ-Wählern“ angestoßen, statt diese nur bloßzustellen, hätten diese womöglich keine deutlich zweistellige Wählerschaft gewinnen können.

Allerdings halte ich es auch für unfair, im Nachhinein den Medien die alleinige „Schuld“ am Wahlausgang in die Schuhe zu schieben. Der Missmut vieler Bürger, der sie zu ihrer Wahlentscheidung geführt hat, stammt nicht aus einer eventuell einseitigen Berichterstattung vieler Medien in den letzten sechs Monaten, sondern aus einem verlorenen Vertrauen in die Politik und in alteingesessene Strukturen. Das rechtfertigt in meinen Augen natürlich keinesfalls die Wahl dieser Partei. Und dennoch: die Holzhammermethode „alle, die rechts wählen sind dumm“ hilft niemandem. Es ändert nichts am Wahlausgang und vergrößert nur den Graben zwischen allen Beteiligten.

Anstelle sich also weiter gegenseitig für dumm zu erklären, weil das Gegenüber die eigene Wahrheit nicht erkennt, könnte ein Gespräch IRL (in real life) durhaus für Abhilfe sorgen. Ganz ohne online-Zynismus und Smiley-Sarkasmus. Unter vier Augen, Frage und Antwort: Worauf basiert Deine Meinung? Was sind Deine Informationen? Hast Du diese Informationen schon gehört: …?

Ich bin nicht naiv. Nur durch ein paar Gespräche wird ein Extremist nicht zum Pazifist. Aber wer selber aus seiner Filterblase herauslugt, bringt vielleicht nicht nur seine eigene, sondern auch eine der anderen zum platzen. Für ein Miteinander mit weniger Mauern – in den Köpfen oder IRL.

Ich bin gespannt auf die Kommentare…

 

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Judith M. Reichel hat ihre Doktorarbeit auf dem Themengebiet der Neurobiologie/ Neuropsychiatrie absolviert und ging anschließend für eine Postdoc-Stelle nach New York. Dort angekommen verschob sich ihr Interesse immer mehr in Richtung Wissenschaftskommunikation, und sie sammelte erste Erfahrungen als Gast-Bloggerin für verschiedene etablierte Seiten. Schließlich entschloss sie sich dem Labor den Rücken zu kehren und kam als Wissenschaftsredakteurin zurück nach Deutschland. Inzwischen arbeitet Sie als wissenschaftliche Referentin im Bundesforschungsministerium (BMBF), schreibt hier aber privat. Judith twittert als @worklifesthg und ist auf LinkedIn zu finden.

23 Kommentare

  1. Zurück zu den BASICS, eine Neuordnung des materialistischen Fortschritts, OHNE …, für zweifelsfrei-eindeutige Wahrheit, für Möglichkeiten in geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstsein, anstatt systemrational-egozentriertes / KRANKMACHENDES “Individualbewusstsein” im nun “freiheitlichen” Wettbewerb um konfusionierenden KOMMUNIKATIONSMÜLL.

    Meine Vorschläge für ein menschenwürdigeres Zusammenleben, sind auf Grundlagen des unverfälschten Christentums und des reformierbaren Sozialismus basiert, doch beide Ideale sind dem Zeitgeist entsprechend entstellt, konfusioniert und gelten als gescheitert, so dass ich hier, ACHTUNG, nun auch als
    TROLL bezeichnet werde.

    Die URSACHE aller symptomatischen Probleme unseres konsum- und profitautistischen “Zusammenlebens” in “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei”, ist der nun “freiheitliche” WETTBEWERB.

  2. “Hätten die Medien …, statt diese nur bloßzustellen, …”

    “nur” ist schon mal falsch formuliert. Aber nun mal ehrlich, wer hat denn immernoch lust an einer Kommunikation, wo es weiterhin einzig um die Wahl zwischen Pest und Cholera geht? Da greift doch ganz LOGISCH die unverarbeitete / gepflegte BEWUSSTSEINSSCHWÄCHE, der Gewohnheits- und Wohlstandsmenschen dieser Welt- und “Werteordnung”, die in ANGST, GEWALT und “Individualbewusstsein” auf Sündenbocksuche funktioniert!?

    BLOßSTELLEN ist das Mittel der SYSTEMRATIONALITÄT!!!

  3. Ja, es kommt sehr oft auf die Interpretation einer Aussage an, das sehen sie richtig. Und scheinbar ganz harmlose Aussagen können sehr verschieden interpretiert werden. Beispiel ihre Aussage zu Depressionen und Schizophrenien

    Ich wollte für ein bisschen mehr Verständnis für die Patienten und Akzeptanz für diese Erkrankungen werben, und verdeutlichen, dass diese eben keine Krankheiten zweiter Klasse sind.

    Schizophrenie scheint für sie keine Erkrankung zweiter Klasse zu sein, weil (wie sie schreiben):

    Bei einer Schizophrenie hingegen liegen genetische Veränderungen vor , die entweder vererbt wurden oder spontan im Mutterleib entstehen.

    Die meisten unserer Mitmenschen werden allerdings nicht mehr Mitgefühl sondern mehr Abstand, mehr Distanz zu Schizophrenen entwickeln, wenn sie annehmen, diese Menschen seien grundsätzlich falsch verschaltet, genetisch falsch programmiert, wie sie schreiben. Wenn schon ist es genau umgekehrt: Wenn sie annehmen, auch sie als jetzt völlig normaler Mensch könnten an Schizophrenie erkranken, dann entwickeln sie schneller Mitgefühl mit an Schizophrenie erkrankten, denn es könnte auch ihr Schicksal sein, es könnte das Schicksal einer genetisch normalen, durchschnittlichen Person sein. Tatsächlich ist es ja so, dass Psychiater, die an die genetische Bedingtheit der Schizophrenie glauben, im allgemeinen wenig von psychologischer Unterstützung und viel von medikamentöser Behandlung der Schizohphrenie halten – und umgekehrt. Das Thema Schizophrenie wurde beispielsweise im scilogs-Artikel “Es gibt keine Schizophrenie” abgehandelt. Der dort vorgestellte Psychiater Professor Jim van Os, sagt zur Diagnose “Schizophrenie” genau das, dass es problematisch ist, dies als rein genetisches Schicksal zu sehen (Zitat Jim van Os):

    Viele betrachten Schizophrenie als chronische Hirnerkrankung, vor allem in der wissenschaftlichen Psychiatrie. Kernsymptome sind Halluzinationen und Wahnvorstellungen, Desorganisation im Denken und Verhalten sowie ein Motivationsverlust, der sich zum Beispiel darin ausdrückt, dass jemand nicht mehr gut für sich sorgt. Dieses Bild der Störung geht oft mit einer negativen Prognose einher, das heißt, dass sich der Zustand der Patientin oder des Patienten nicht mehr verbessert.

    Nun ja, man könnte immer noch Mitgefühl mit einem an Schizophrenie Erkrankten haben, wenn man an eine zutiefst organische Ursache, eine bestimmende Genetik glaubt, etwa in dem Sinne “Dieser arme Mensch, für den ist das Leben nun vorbei”, doch die Frage ist natürlich ob das überhaupt stimmt, ob Schizophrenie ein chronischer Zustand ist in dem jemand gefangen bleibt.

    Sie schreiben noch:

    Woraufhin ich mir die Frage stellen musste: habe ich meinen Text so unklar formuliert, dass die Gesamtaussage untergeht? Warum stößt sich der geneigte Leser an scheinbar unwichtigen Textstellen?

    Doch diese Textstelle ist überhaupt nicht unwichtig. Mindestens für jemanden der die Diskussion um psychiatrische Erkrankungen wie Depression und Schizophrenie kennt. Denn die meisten Menschen verbinden sehr viel damit ob etwas umwelt- oder genetisch bedingt ist. Das sollten sie eigentlich wissen. Diese Diskussion gibt es auch bezüglich Intelligenz und man kann sogar sagen, dass eher linksorientierte, an das Primat des Sozialen Glaubende dazu neigen Intelligenz umweltbedingt zu sehen, während eher Konservative, rechts orientierte an die Dominanz der Gene glauben.

  4. @MH

    Zustimmung, aber somit ist mal wieder offensichtlich, dass wir VORRANGIG ein grundsätzlicheres Problem unseres “Zusammenlebens” zu kommunizieren haben!?

  5. Inzwischen lebt jeder in seinen eigenen Filterblasen und Echokammern vor sich hin
    In den USA ist das schon längst so. Sozialliberale, urbane, demokratisch stimmende US-Amerikaner haben praktisch keinerlei Gemeinsamkeiten mehr mit konservativen, auf dem Land (in den fly-over states) lebenden US-Amerikanern. Das gegenseitige Verständnis füreinander ist auf dem Nullpunkt, die Vorstellungen über das Richtige und die Zukunft der USA liegen meilenweit auseinander und sogar Fakten werden ideologisiert, was soweit geht, dass das, was für die einen Fakten sind, für die anderen als Verschwörungen gelten. Es sind zwei verfeindete Lager entstanden, die dummerweise im gleichen Staatsgebilde existieren – mindestens jetzt noch, wo es noch keine Teilung der USA in einen Bible-Belt und den Rest gibt.
    Dabei ist es keinesfalls so, dass die sogenannten Hinterwälder, die einzige Schuld tragen. Untersuchungen zeigen, dass heute die Meinungsfreiheit von Linksliberalen weit mehr in Frage gestellt wird, als von Konservativen. An US-Universitäten kommt es nun regelmässig vor, dass Personen mit angeblich konservativer oder reaktionärer Gesinnung keine Redeerlaubnis mehr erhalten. Nur schon vor 10 Jahren war das noch völlig anders. Leider schwappt diese Haltung auch nach Europa herüber. Denn Europa wird letztlich viel stärker von dem beeinflusst, was in den USA passiert, als den meisten bewusst ist. Sogar die, die sich antiamerikanisch geben – in D eine verbreitete Haltung – werden letztlich in ihrem Denken von Entwicklungen in den USA bestimmt – ohne dass sie es selber merken. Denn die Kultur in der gesamten westlichen Welt wird schon lange von den USA dominiert, von ihren in den Kinofilmen und US-Serien gesetzten Themen und nicht mehr von Goethe und Co.
    Ja, man kann ohne weiteres sagen: Die meisten Menschen verstehen die Welt nicht, sie durchschauen nicht, wie die nichttechnischen Dinge funktionieren und sie glauben nicht, dass das was sie Denken von anderen für sie gedacht wurde – obwohl es genau so ist, denn nur wenige Gedanken sind bis ins letzte selbst gedacht. Fast alle Menschen sind nicht Akteure, sondern Reagierende und die Agenden werden nicht von Ihnen sondern von anderen gesetzt – wobei die Anderen auch ein Kolletiv sein können.

  6. Filterblasen

    Ich kann mit diesem Begriff wenig anfangen. Es sind wohl so etwas wie „Informationsblasen“ gemeint, die dadurch entstehen sollen, dass es (in den aufgesuchten Internetportalen bzw. in den konsumierten Medien) keine Meinungs- bzw. Informationsvielfalt gibt. Oder durch unsere selektive Wahrnehmung von Information.

    Letzteres scheint mir eher hin zu kommen.

    Sie fragen:

    Doch sind einseitige Filterblasen und vorsortierte Berichterstattungen in den letzten sechs Monaten wirklich die alleinigen Gründe für diesen [Bundestags]Wahlausgang?

    .
    Ich denke nicht, dass der Erfolg der AfD auf einseitige Berichterstattung zurückzuführen ist. Wohl eher auf die Häufigkeit der Nachrichten über diese Partei und deren Personal. Ob die Medienpräsenz der AfD aber wirklich höher war als die von den Grünen oder der FDP weiß ich nicht. Wenn auch das AfD-Thema Flüchtlinge medial schon sehr im Vordergrund stand — zumindest nach meinem Empfinden, gezählt habe ich hier nichts.

    »Hätten die Medien zu einem Dialog mit potenziellen „Alternativ-Wählern“ angestoßen, statt diese nur bloßzustellen, hätten diese womöglich keine deutlich zweistellige Wählerschaft gewinnen können.«

    Dazu hätte man aber die „Filterblasen“ dieser Wähler durchstoßen müssen. Wie soll das gehen? Die Fakten sind im Grunde ja bekannt, aber man kann halt niemanden zwingen, sie anzuerkennen.

    • @Balanus (Zitat):

      Dazu hätte man aber die „Filterblasen“ dieser Wähler durchstoßen müssen. Wie soll das gehen?

      Filterblasen entstehen, wenn man unter Gleichgesinnten bleibt und gleich Gesinnte können es nun mal besser miteinander, in vielen Fällen leben sie sogar am gleichen Ort. Die AfD-Wähler beispielsweise sind in bestimmten Landesteilen gehäuft und teilen eine ganze Weltsicht. Sie lesen auch die gleichen Zeitungen und freunden sich mit Ihresgleichen an – oder sie “entfrienden” sich, wenn sie anderer Gesinnung sind. Die sozialen Medien verstärken die Auftrennung in verschiedene Gesinnungskreise, denn in den sozialen Medien wird man aufgefordert seine Meinung kund zu tun (mit Like etc) und damit ordnet man sich selber in einen Gesinnungskreis ein.

      Echokammern haben es dort am schwierigsten, wo man einer Begnegnung nicht aus dem Weg gehen kann, wo man also mit Leuten anderer Gesinnung zwangsweise zusammenleben muss und mit ihnen auskommen muss. Doch genau diese Zwangssitutationen nehmen immer mehr ab. Das geht so weit, dass ein Kind am Schluss eine Schule besucht, in der alle gleich denken, weil die Eltern das so wollen und sie das Kind zu den richtig Denkenden, den mit der richtigen Gesinnung in die Schule schicken.

      • @Martin Holzherr

        »Filterblasen entstehen, wenn man unter Gleichgesinnten bleibt und gleich Gesinnte können es nun mal besser miteinander, in vielen Fällen leben sie sogar am gleichen Ort. «

        Keine Frage, man ist gerne unter Gleichgesinnten. Und dass es innerhalb eines Vereins (Schützen oder Gesang oder …) oder am Stammtisch zu einer Verstärkung bestimmter politischer Auffassungen kommen kann, scheint mir nachvollziehbar.

        Aber das bedeutet ja nicht, dass die Leute von den übrigen Informationen aus den Medien, die nicht zur Gesinnung passen, abgeschnitten sind. Sie sind da, werden aber ignoriert.

        Deshalb die Frage: Ist die sogenannte „Filterblase“ im Kopf der Menschen zu verorten (selektive Wahrnehmung), oder ist sie ein mediales Phänomen, also eine selektive Bereitstellung von bestimmten Informationen und Inhalten, z. B. auf bestimmten Internet-Plattformen.

        • @Balanus: Beides. Im Kopf gibt es die Confirmation bias, in den Medien gibt es immer mehr Alternativmedien, welche genau das medial verbreiten, was die eigene Meinung bestätigt. Das ist neu. Auch schon früher gab es weltanschaulich und politisch unterschiedlich ausgerichtete Medien, aber heute gibt es über Nachrichten auf Facebook die ultimative Möglichkeit in sehr viel mehr Bereichen genau den Mist herauszusuchen und zu liken, der einem selbst passt. Es wird immer einfacher, sich eine eigene Welt zu schaffen – eine Welt, die man aber nicht einsam und allein bewohnen muss, denn über Internetbekanntschaften kommen auch bei abstrusen Meinungen plötzlich sehr viele Leute zusammen.
          Dazu empfehle ich den Artikel “Fake News” In sozialen Netzwerken Dort liest man unter anderem, dass ein beträchtlicher Teil des Internetverkehrs sich um Verschwörungstheorien und Fake News dreht. Die Faker und Verschwörer sind dabei deutlich aktiver als die “Normalos”. Klar ist das Leben der Verschwörer (vermeintlich) aufregender als der, die glauben alles verlaufe in normalen Bahnen.

  7. Eines steht doch mal fest: Das ständige Analysieren, Klassifizieren und Schuld suchen bringt uns nicht weiter, besonders wo ziemlich deutlich ist, das ALLE gewählten “Verantwortungsträger” auch nur Treuhänder und Fachidioten ihrer beschränkten Interessen und Ismen sind, die auf die Ansprache der konfusionierten Masse nicht oder ebengleich reagieren!?

    Demokratie braucht demokratische Grundlagen, wie Volkseigentum und von Manipulation und Korruption befreite Wertigkeiten, nicht ein imperialistisch-faschistisches Marionetten-Theater mit ständig wechselnden Unwahrheiten!?

  8. Zum Wahlausgang:
    Besonders in der Flüchtlingspolitik haben alle Regierungsparteien (mit Ausnahme von Frau Merkel: “Wir schaffen das!”) – fast nur Signale der Unfähigkeit und Hilflosigkeit gezeigt. (Die dann von den Medien auch weiterverbreitet wurden.) Deswegen sind diese Parteien auch alle abgestraft worden. Und besonders Seehofer hat mit seinen Attacken gegen die Bundesregierung (an der die CSU beteiligt war), diese ständig als unfähig dargestellt – er war damit der beste Werber für die AfD.

    Hätten die Regierungsparteien mehr Signale der Zuversicht gezeigt, wäre die Wahl wohl anders ausgegangen.

    Auch nach der Wahl geht es genau so weiter: Die SPD wollte angeblich soziale Verbesserungen erreichen, wenn sie wieder an die Regierung kommt. Aber dadurch dass sie sich sofort in die Opposition verzogen hat, hat sie jede Glaubwürdigkeit verspielt. Denn sie hätte eigentlich als Partner in einer großen Koalition dieses Mal eine besonders gute Verhandlungsposition gehabt. Dass die SPD diese einmalig gute Chance nicht nutzt hat, um soziale Verbesserungen zu erzielen, zeigt, dass sie kein wirkliches Interesse daran hat.

    • @KRichard: Seehofer glaubt an viele konservative CSU-Wähler mit Fremdenangst, die man nicht einfach durch Durchhalteparolen besänftigen kann. Es gibt einige Hinweise, dass er durchaus recht hat, dass also die Angst vor der “Flüchtlingsschwemme” recht tief sitzt. Die SPD wiederum befürchtet als Koalitionspartner einer von Merkel geführten Koalition ihr Profil zu verlieren. Zurecht, denn Merkel hat fast alle SPD-Forderungen in den CDU/CSU-Wahlprogrammen aufgenommen und damit die SPD überflüssig gemacht.

      • Wenn die Regierungsparteien sich ständig gegenseitig Unfähigkeit vorwerfen – statt Zuversicht zu vermitteln ´es gibt große Probleme, aber wir können sie gemeinsam bewältigen´ – dann muss man sich nicht wundern, wenn die Wähler dies auch glauben und andere Gruppen/Parteien wählen.

        Wenn man Parteien nicht mehr zutraut, dass sie Probleme bewältigen können, dann werden sie für die Wähler uninteressant. Die Strategie Seehofers, eine Regierung als unfähig darzustellen – in der die CSU mitregiert – ist ja fehlgeschlagen, wie die AfD-Ergebnisse in Bayern zeigten.

        Wenn die bisherigen Volksparteien wirklich Interesse daran hätten, wieder glaubwürdiger zu werden, dann wäre ein erster Schritt, dass man gegenseitig mehr Höflichkeit und Respekt zeigt – also gute Manieren.

  9. Mannomann, jetzt haut ihr euch wieder die pseudoexpertisen Spekulationen und Verschwörungstheorien um die Ohren, wie im MULTISCHIZOPHRENEN Parlamentarismus 😎

  10. Zitat Judith Reichel: „Viel wichtiger wäre es doch, hinter den eigenen Filterblasen hervorzuschauen und zu versuchen, die Hintergründe des anderen zu verstehen, um dann eine vernünftige Diskussion auf Augenhöhe zu führen. Dazu reicht es jedoch nicht, immer mehr Portalen und „News-Outlets“ zu folgen – wie viele verschiedene Nachrichten kann ein Mensch pro Tag überhaupt aufnehmen? Nein, wir sollten wieder öfter zurück zu den Basics gehen und einfach miteinander reden.“

    Das habe ich versucht mit der in den Medien und Sozialnetzwerken extrem echauffiert diskutierten Thematik „Der Islam gehört zu Deutschland“, und zwar einzig durch Informationen, die in gar keinen deutschen Medien zu finden sind und sich in gar keinen „Filterblasen“ befinden, weil es Basics aus meinen persönlichen Erfahrungen als Französin in Deutschland (seit mehr als 40 Jahren) sind.

    Ich habe meinen Blog-Eintrag Natürlich gehört der Islam zu Deutschland bei Facebook gepostet, neulich und auch schon vor einem Jahr, und der Tenor der Reaktionen war gar nicht echauffiert wie sonst immer bei dieser Thematik, sondern eher nach dem Motto: “Ah, das wusste ich bis jetzt nicht, das habe ich nie so gesehen wie wir in Deutschland mit der Religionsfreiheit umgehen, doch ein bisschen anders als in Frankreich“. Nur Basics-Informationen, auf Augenhöhe, und eine ganze Menge Aggressivität und „Dummheiten“ ist ausgeblieben. Nur durch Informationen, die man nicht in den Medien findet.

  11. Internet/Mobilfunk haben zusammen viel mehr an der Diskussionskultur geändert als vielen bewusst ist. Dies macht der Spektrum der Wissenschaft – Artikel Internet FAKE NEWS IN SOZIALEN NETZWERKEN im Heft vom November 2017 deutlich, ein Artikel, der von einem Mitglied des Labors für Internetsoziologie in Lucca (Toscana), Italien erstellt wurde. Dort liest man beispielsweise, dass heute 2.8 Milliarden Menschen in den sozialen Medien aktiv sind und dass in Deutschland die Nutzer der sozialen Medien im Durchschnitt 4 Stunden und 42 Minuten im Internet verbringen – und das pro Tag (davon 1 Stunde über ein mobiles Gerät und 3 1/2 Stunden über ein stationäres Gerät).
    Hier ein paar ihrer Resultate:
    – Internetnutzer, die alternativen Quellen folgen (Chemtrails, Verschwörungstheorien, Desinformation) neigen am ehesten dazu, Post von Trollen (absichtlichen Täuschern/Aufmischern) zu liken und weiterzuverbreiten.
    – Internetnutzer, die vermeintliche Manipulationsversuche durch klassische Medien am aufmerksamsten verfolgen, sind dieselben, die abschichtlichen Falschmeldungen am ehesten Glauben schenken.
    – Nutzer von vorwiegend wissenschaftlichen Quellen kommentieren Posts aus alternativen Quellen nur in 9.7% ihrer totalen Posts und Nutzer von vorwiegend alternativen Quellen kommentieren Posts aus wissenschaftlichen Quellen nur gerade in 0.92% der Fälle. Mit andern Worten: Wer “atlernativen” Quellen folgt ist praktisch nicht mehr erreichbar für wissenschaftliche Gegendarstellungen
    – Unter den italienischesprachigen Facebook-Nutzern folgen dreimal soviel Verschwörungsinhalten wie wissenschaftlichen Informationsquellen.
    – Facebook-Nutzer mit extremen Vorstellungen (Verschwörungstheoretiker etc.) haben praktisch nur Facebook-Freunde die die gleichen Vorstellungen teilen. Allgemein gilt: Je aktiver ein polarisierter Interntnutzer ist, desto ähnlicher sind die Profile seiner Facebook-Freunde.
    – Follower von konspirativen Inhalten, die aufklärerischen Posts ausgesetzt sind glauben mit 30% grösserer Wahrscheinlichkeit an die Verschwörungen, die sie verbreiten und konsumieren als solche, die keine aufklärerischen Posts erhalten

    Der Artikel endet mit dem Satz:
    Vielleicht ist es an der Zeit, den Begriff des Informationszeitalters fallen zu lassen und stattdessen das Zeitalter der Leichtgläubigkeit auszurufen.

    Mein eigenes Fazit: Menschen brauchen ständig Korrektive um überhaupt normal zu sein, normal zu bleiben. Ohne das Korrektiv der Wirklichkeit, der Wahrheit, neigen sehr viele Menschen dazu, Wahnvorstellungen zu folgen und sich immer mehr in diese Wahnvorstellungen hineinzusteigern. Ich wundere mich inzwischen überhaupt nicht mehr darüber, dass vor ein paar Jahrhunderten regelmässig Hexen verbrannt wurden. Das könnte auch heute wieder passieren – wenn es keine Korrektive gäbe.

    • @MH

      Ständige Korrektive – Der durch systemrationale Bildung abhängige / gefügig gemachte Wohlstands-/Gewohnheitsmensch kann an Reizüberflutung durchknallen, aber in “Normalität” auch an der ständig härter gestalteten Wirklichkeit (die Korrektive der Zeiten des Wirtschaftswunders und der “sozialen” Errungenschaften)!? 😎

    • Gegen Verschwörungstheorien reichen manchmal einfache Fragen: z.B. zeigte ein Mann auf seinem Mobilphone den Kontoauszug eines Ayslanten herum – wo dieser 1700 Euro überwiesen bekommen hatte. Er regte sich furchtbar darüber auf – weil seine eigene Rente deutlich geringer war.

      Als ich ihn fragte – wie groß die Asylantenfamilie ist, für die dieser Betrag reichen muss, wurde er nachdenklich: ´Du hast recht, daran habe ich gar nicht gedacht´.

  12. Wahrscheinlich haben auch alle Flüchtlinge der “Dritten Welt” nur Wahnvorstellungen von DER WAHRHEIT und brauchen deshalb vor allem die Korrektive der Systemrationalität???

  13. Zitat:

    Eigentlich wollte ich diesen Blog ja dazu nutzen, um endlich einmal ein bisschen mit den vielen Vorurteilen, Halbwahrheiten und Klischees bezüglich der Neurowissenschaften aufzuräumen.

    Klar, weil sie selber auf diesem Gebiet gearbeitet haben und zwar in den USA und im psychiatrisch/neurologisch/klinischen Umfeld dort gehört es zum festen, nicht mehr hinterfragten, quasi wissenschaftlich gesicherten Hintergrund, dass (Zitat) folgendes gilt:

    Bei einer Schizophrenie hingegen liegen genetische Veränderungen vor , die entweder vererbt wurden oder spontan im Mutterleib entstehen.

    Doch womöglich unterwerfen sie sich hier selber einem Klischee, einem nur halbwegs gesicherten Wissen, jedenfalls wenn man den Aussagen von Professor Jim van Os glaubt, der im Interview “Es gibt keine Schizophrenie” der Auffassung von Schizophrenie als hirnorganischer Veränderung mit inhärent schlechter Prognose entgegentritt.
    In diesem Blogbeitrag mit dem Titel “Missverständnisse verstehen” offenbaren sie in der Einleitung zudem eine Selbstgewissheit was die Gesichertheit ihres eigenen Wissens und die angeblichen Vorurteile des typischen Publikums betrifft, die meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt ist. Sie schreiben: dass so viele noch immer nicht einsehen wollen, dass Depressionen nicht nur „ein bisschen traurig sein“ bedeutet und dass stattdessen diesen und allen anderen „psychischen Erkrankungen“ greifbare, physische Mechanismen den Symptomen zu Grunde liegen, die nicht durch einfaches „zusammenreißen“ abgeschüttelt werden können.
    Doch: Ist das überhaupt die verbreitete Auffassung? Glauben die meisten Menschen Depressionen bedeute “ein bisschen traurig” zu sein und glauben die meisten Menschen, psychischen Erkrankungen liege nur eine Art Verstimmung zugrunde aber kein wirklich physisches Korrelat? Ich behaupte: Nein, das ist nicht so. Es ist allein deshalb nicht so, weil sehr viel mehr Menschen, nämlich bis fast die Hälfte, in ihrem Leben zeitweise schwer psychisch beeinträchtigt sind. In meiner Bekanntschaft gibt es zwei Grundschullehrer und beide haben während ihrer Berufsausübung schon ein “Burning Out” erlebt und da ich sie selbst während diesen Phasen getroffen habe kann ich mit ziemlicher Bestimmtheit sagen, dass “Burning Out” nichts anderes ist als eine Depression und dass solch eine Depression eben alles andere ist als nur eine Verstimmung, sondern eine schwere Beeinträchtigung, die tatsächlich arbeitsunfähig macht. Ich würde sogar behaupten, dass meine Beobachtung in meinem persönlichen Bekanntenumfeld repräsentativ ist. Dies zeigt beispielsweise die Seite des National Health Institutes Any Mental Illness (AMI) Among U.S. Adults. Dort liest man:
    – Psychische Erkrankungen sind in den Vereinigten Staaten weit verbreitet.
    – Unter Psychischer Erkrankung wird hier folgendes verstanden:
    Eine psychische, Verhaltens- oder emotionale Störung (mit Ausnahme von Störungen der Entwicklung und des Substanzkonsums); Aktuell diagnostiziert oder innerhalb des letzten Jahres; und von ausreichender Dauer, um die in der 4. Auflage des Diagnostischen und Statistischen Handbuchs für psychische Störungen (DSM-IV) festgelegten diagnostischen Kriterien zu erfüllen.
    – Die Prävalenz einer solchen psychisch Störung im Jahr 2015 ist gemäss DSM-IV 21% bei Frauen, 14.3% bei Männern

    Mit anderen Worten: Allein im Jahr 2015 findet sich aktuell oder im Verlauf des letzten Jahres bei einem Fünftel (Frauen) bis einem Siebtel (Männer) eine aktuelle oder im letzten Jahr diagnostizierte psychische Störung gemäss DSM-IV.

    Angesichts dieser Tatsache ist es nicht glaubhaft, dass das Gros der Bevölkerung nichts davon wisse und psychische Erkrankungen nicht richtig einschätze.

  14. Zitat Judith Reichel: „Wie einfach es sein kann, wichtige Informationen zu verpassen und in seiner eigenen Parallelwelt zu leben habe ich vor ein paar Wochen in Berlin selbst erlebt […] Dabei betreibt jeder bereits durch seine Wahl der Informationsportale und der Accounts denen er/sie auf den Sozialen Netzwerken folgt, eine Art Vorsortierung der Themen und der Darstellung aktueller Events – selbst wenn man einer vermeintlich großen Bandbreite folgt. Und sogar die öffentlich-rechtlichen Medien, die eigentlich besonders neutral und vielseitig über Geschehnisse berichten und diskutieren sollen, sahen sich auf Grund ihrer angeblich einseitigen Berichterstattung vor der Bundestagswahl erheblicher Kritik ausgesetzt. […] Viel wichtiger wäre es doch, hinter den eigenen Filterblasen hervorzuschauen und zu versuchen, die Hintergründe des anderen zu verstehen, um dann eine vernünftige Diskussion auf Augenhöhe zu führen.“

    Auch gegenüber den Wählern, die (vermeintlich?) aus Hass die Berichtserstattungen zustimmen, die zur Fremdenfeindlichkeit anstiften, habe ich versucht, eine Kommunikation auf Augenhöhe zu erstellen und sie aus bestimmten Filterblasen rauszuholen, und zwar wiederum mit Informationen, die nirgendwo in den Medien zu finden sind.

    Ich habe meinen Blog-Eintrag Ich bin viel bunter, als ich aussehe bei Facebook gepostet.

    Es gab keine echauffierten Reaktionen, geschweige denn Hasstiraden.

    Die Mehrheit der Menschen kennt wohl lückenlos die Namen ihrer 4 Großeltern und wie sie aussahen. Aber wer kann behaupten, er kenne lückenlos die Namen seiner 8 Ur-Großeltern und wie sie aussahen? Geschweige denn seiner 16 Ur-Ur-Großeltern?

    Vielleicht habe ich dadurch Teilnehmer dazu gebracht, über sich selbst und über Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nachzudenken. Und wenn es nur ein einziger sein sollte, dann wäre ich glücklich darüber.

    • Zitat:

      wer kann behaupten, er kenne lückenlos die Namen seiner 8 Ur-Großeltern und wie sie aussahen? Geschweige denn seiner 16 Ur-Ur-Großeltern?

      Nun, das sind die meisten Isländer, die das behaupten können, denn die Verwandtschaft sämtlicher Isländer ist im IslendingaBok – dem Buch der Isländer festgehalten. Die Isländer gehören zudem zu den genetisch am besten untersuchten Menschen der Welt. Wenn man etwas über die Erblichkeit von Depression oder Schizophrenie wissen will, dann findet man es mit ziemlicher Bestimmtheit in den dekodierten Gensequenzen der deCODE-Datenbank, welches die Genome fast aller Isländer umfasst.

      • Ja, es ist wohl so, dass bei Populationen, die in geographisch isolierten Gebieten über Jahrzehnte gelebt haben, zwangsläufig Inzucht stattgefunden hat, die man zum Beispiel bei der Erblichkeit von Krankheiten erkennen kann.

        Ich hatte zum Beispiel in Hamburg eine junge Arbeitskollegin und Freundin, die aus dem Gebiet Teufelsmoor bei Bremen stammte. Dieses Sumpfgebiet war über Jahrzehnte isoliert und die Kommunikation zwischen Dörfern war sehr erschwert, es gab keine Straßen, die Kommunikation erfolgte nur durch kleine Kahne. Die Menschen in den isolierten Dörfern haben in einem Umkreis von vielleicht 20-40 km geheiratet, über Jahrhunderte. Die Freundin erzählte mir, dass alle aus diesem Gebiet wussten, dass sie irgendwie über vielleicht nur 5 oder 6 Generationen rückwärts verwandt waren, ohne es rekonstruieren zu können. Sie sagte zum Beispiel „Bei mir im Dorf heißen wir fast alle Schulze“ 😉 Sie erzählte auch, dass in diesem Gebiet überdurchschnittlich oft Menschen mit einer geistigen Behinderung geboren werden. Obwohl das Gebiet jetzt von der Infrastruktur her durch Trockenlegung erschlossen wurde und lange nicht mehr isoliert ist, sagte mir die Freundin, sie würde nie im Leben einen Jungen aus diesem Gebiet heiraten, im Gymnasium wussten sie alle, dass sie irgendwie verwandt waren. Eine Freundin von ihr hat doch einen Mitschüler geheiratet, von ihren zwei Kindern wurde leider eins mit geistiger Behinderung geboren.

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