Das Gestein des Jahres 2022 – Gips und Anhydrit

Natürlich gibt es auch 2022 wieder ein Gestein des Jahres. In diesem Jahr sind es (ganz streng genommen) sogar 2, nämlich Gips und Anhydrit. Eigentlicher sind es 3 Brüder, wenn man den „gebrannten Gips“, Bassanit, mit hinzuzählen mag. Dieser hat als Halbhydrat CaSO4 x 0,5 H2O, aber hier sollen nur Gips und Anhydrit weiter behandelt werden, auch wenn der Bassanit immer mit dabei ist. Dazu unten mehr.

Monomineralische Gesteine

Dabei ist Gips ebenso wie sein Bruder Anhydrit eigentlich ja ein Mineral. Gips ist ein wasserhaltiges Calciumsulfat (CaSO4 x 2 H2O ), und der Anhydrit ist die wasserfreie Form dazu, nämlich CaSO4. Um die monomineralischen Gesteine zu benennen, wird meist ein -it an den Namen gehängt. Gesteine aus Quarz heißen folglich Quarzit, aus Amphibolen Amphibolit, aus Pyroxenen Pyroxenit.

Jetzt ist das mit unserem Mineralpaar aber etwas problematisch. Gipsit ist nicht gebräuchlich, außerdem klingt das gesprochen genauso wie ein anderes Mineral, nämlich der Gibbsit. Und der hat nun so gar nichts mit Gips zu tun. Einigen wir uns also auf Gipsstein und Anhydritstein.

Schlangengips oder auch Gekrösegips in der Barbarossahöhle. Diese seltsamen Formen entstehen vermutlich bei der Umwandlung von Anhydrit in Gips. Denkmalfotograf (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Barbarossahöhle_(20)_Schlangengips.jpg), „Barbarossahöhle (20) Schlangengips“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Mal mit, mal ohne Wasser

Gips enthält, wie oben angesprochen, Wasser. Dieses Wasser wird als Kristallwasser bezeichnet, das Wasser ist im kristallinen Festkörper gebunden. Wenn man den wasserhaltigen Gips erhitzt, entsteht erst das Halbhydrat Bassanit und bei weiterer Erhitzung und kompletten Wasserverlust Anhydrit. Das geht übrigens auch andersrum. Wenn Anhydrit mit Wasser in Berührung kommt, kann er dieses in sein Kristallgitter aufnehmen und wird wieder zu Gips. Das Ganze ist mit einer beträchtlichen Volumenänderung von bis zu 50 % verbunden. Diese Umwandlung von wasserfreiem Anhydrit zu Gips nach einer fehlerhaften Geothermiebohrung führte in Oberstaufen im Breisgau zu beträchtlichen Gebäudeschäden. Hier war eine Anhydritschicht durch die Bohrung mit Wasser in Berührung gekommen und hatte sich zumindest teilweise zu Gips umgewandelt.

Die Umwandlung von Gips in Anhydrit und umgekehrt hat aber nicht nur unangenehme Konsequenzen. Sie macht dieses Gestein auch sehr gut und sehr vielfältig verwendbar, und das bereits eine sehr lange Zeit durch die Geschichte hindurch.

Verwendung von Gips und Anhydrit

Gips und Anhydritgesteine wurden bereits in der Antike gerne verwendet. Gips als Mineral ist weich und lässt sich gut abbauen und verarbeiten, der Brennprozess macht daraus den wasserfreien Anhydrit. Bereits vor 9000 Jahren finden sich in der anatolischen Stadt Çatalhöyük Putze aus Gips. Auch im alten Ägypten war Gips bereits bekannt. Beim Bau der Cheopspyramide kam Gipsmörtel zum Einsatz.

Die längste Zeit wurde Gips bergmännisch in Steinbrüchen abgebaut, oft von Bauern, die sich in Zeiten der Unterbeschäftigung eine Verdienstmöglichkeit beschaffen mussten. Der gebrochene Gips wurde in Brechmühlen weiter zerkleinert und anschließend in Meilern oder Grubenöfen gebrannt. Der gebrannte Gips wurde meist noch mit einer Mühle weiter zu Pulver gemahlen. Das so gewonnene Produkt wurde, je nach Feinheit, als Estrichgips, für Stuck oder allgemein im Bau verwendet.

Auch heute noch wird Gips sehr vielfältig genutzt. Bekannt sind sicher die REA-Gipsplatten als Gipskartonplatten, aber auch als Gipsputz, Spachtelmassen oder Trockenestriche. Ich möchte hier auch noch einmal darauf hinweisen, dass in diesen Baustoffen zeitweise auch gerne Asbest mit verwendet wurde. Man sollte also besonders bei Baustoffen aus dem Zeitraum vor 1995 etwas Vorsicht walten lassen.

Gipshaltige Baustoffe haben einen Nachteil. Gips ist hygroskopisch, das bedeutet, er neigt bei schlechter Pflege und mangelnder Lüftung zur Wasseraufnahme und damit einhergehend zur Schimmelbildung.

Der Wassergehalt und sein geringes Gewicht helfen aber auch im Brandschutz, da im Brandfall das Kristallwasser entweicht und der entstehende Dampf auf der dem Feuer zugewandten Seite schützend wirkt.

Weitere Anwendungen von Gips sind in der bildenden Kunst für Skulpturen oder auch in der Medizin.

Gipsgewinnung

Auch heute noch wird ein Teil des benötigten Gipses bergmännisch gewonnen, aber in den letzten Jahren stammt ein großer Teil des verwendeten Gipses aus chemisch-großtechnischen Prozessen an. Darunter ist vielleicht der bekannteste die Entschwefelung von Rauchgas bei Kohlekraftwerken. Das Akronym REA bei den REA-Gipsplatten steht für Rauchgasentschwefelungsanlage.

Hier werden Schwefelverbindungen aus der Verbrennung schwefelhaltiger Kohle aus den Abgasen von Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen entfernt. Hier wird das Rauchgas in eine Waschsuspension geleitet, die Calciumcarbonat und Calciumoxid enthält. Zusammen mit den im Rauchgas enthaltenen Schwefelverbindungen entsteht so Gips, der zumindest in der Bundesrepublik mittlerweile den Hauptanteil des verwendeten Gipses ausmacht. Im Jahr 2014 wurden insgesamt 11 Mio. t. Gips verbraucht, davon stammten 7 Mio. t. aus REA-Anlagen, 4 Mio. t aus Naturgips.

Die zunehmende Verwendung schwefelarmer Kohlen ließ die Produktion von REA-Gips bereits sinken, der geplante Kohleausstieg dürfte dafür sorgen, dass auf die natürlichen Gipslagerstätten wieder ein erhöhter Druck ausgeübt wird.

Entstehung von Gipsstein

Die natürlichen Gips- und Anhyritlagerstätten sind in tropischen Flachmeeren entstanden. Sie zählen zu den sogenannten Evaporiten, also Gesteinen, die aus übersättigten Lösungen ausgefallen sind. Dabei kommt es unter lagunären Bedingungen zu einer zunehmenden Konzentration der im Meerwasser gelösten Salze, entsprechend ihrer Löslichkeit. Zuerst fallen die Karbonate aus, danach die Sulfate und zuletzt die leichter löslichen Chloride.

Der abgelagerte Gipsschlamm wurde unter Überdeckung und Entwässerung während der Diagenese in festen Gipsstein umgewandelt. Wenn die sedimentäre Auflast noch weiter zunahm, folgte die Umwandlung in Anhydrit durch den Verlust von Kristallwasser.

Gips kann aber auch als Verwitterungsprodukt sulfidischer Erze auftreten. Weiterhin entsteht Gips bei einigen untermeerischen vulkanischen Schloten, den sogenannten White Smokern. Hier trifft schwefelsäurehaltiges heißes Wasser auf Kalkstein.

Gips als Landschaftsgestalter

Gipsgestein ist, wie bereits mehrfach erwähnt, wasserlöslich. Das bedeutet, sobald er mit Oberflächen-Wasser in Berührung kommt, wird er gelöst. Dieses Verhalten hat einige Konsequenzen für Landschaften, in denen heute Gipsgestein an der Oberfläche oder zumindest oberflächennah ansteht.

Ganz ähnlich wie bei Karbonatgesteinen können sich Karstlandschaften bilden, mit allen dazugehörigen Landschaftsformen. So finden wir im Gipskarst wie z.B. die Gipskarstlandschaft in Bereich des Südharz, den Kyffhäuser oder die Rüdigsdorfer Schweiz auch Höhlen, Erdfälle, Dolinen und Schlotten. In der Barbarossahöhle im Kyffhäuser hängen eindrucksvolle Lappen aus Anhydrit von den Wänden.

Diese Gipskarstlandschaft um den Südharz ist mit ihren Magerrasen, Quellsümpfen, und Felsfluren ein abwechslungsreicher und zunehmend unter Druck stehender Lebensraum.

Die Wahl für die Gesteine 2022 hat also ein durchaus würdiges Gesteinspaar getroffen. Gips- und Anhydritgesteine sind nützliche und technisch genutzte Rohstoffe, aber gleichzeitig auch wichtig für vielfältige und wertvolle Naturlandschaften, die durch eine übermäßige Nutzung unter Druck geraten.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

6 Kommentare

  1. Sehr verständliche Einführung in die Chemie des Calziumsulfat.
    Frage: Alabaster gehört auch zu den Gipsen und der wird als Marmorersatz verwendet. Kann man Calziumsulfat und Calziumkarbonat in wasserfreier Form vermischen , wässern und ist diese Verbindung dann dauerhaft ?

    • Hallo hwied.
      Vermutlich werden inerte Füllstoffe wie zum Beispiel Kalkstein so ähnlich eingeschlossen wie bei Zement und Beton.
      Sobald der Mengenanteil von Gips zu gering wird, sinkt natürlich der Zusammenhalt.

  2. Auf einen kleinen Fehler möchte ich doch hinweisen:
    Der betroffene Ort im Breisgau heißt einfach Staufen, nicht Oberstaufen, das wäre nämlich ein anderer Ort im Allgäu! War selber in Staufen einige Jahre zur Schule gegangen und ich kenne die Geschichte.

    Freundlichen Gruß
    Arnold Tibus

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