Ein Selbstversuch: “Teacher who had sex with student should get off easy because he wanted it.”
BLOG: MENSCHEN-BILDER
Bei diesem Satz handelt es sich um eine Überschrift in einer amerikanischen Tageszeitung. Ich musste ihn dreimal lesen, bis ich ihn richtig verstanden hatte. Probieren Sie es auch. Wie viele Versuche brauchen Sie?
Teacher who had sex with student should get off easy because he wanted it.
Ich war auf der Suche nach einem schlechten Beispiel für Wissenschaftskommunikation. Das erklärt, warum ich auf die Seite der New York Post kam, einer Boulevardzeitung, die es aber immerhin schon seit dem Jahr 1801 gibt, gegründet von einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika.
Das Beispiel sollte von Computerspielsucht handeln, worüber meine Studierenden im Kurs “Philosophie der Psychologie” mit einer Gruppenarbeit Bonuspunkte für die Endklausur sammeln konnten. Und während ich einen Artikel der NYP las, in dem der (immerhin promovierte) Autor Computerspiele mit Heroin verglich – “digitales Heroin” –, fiel mein Blick auf die genannte Überschrift.
Es handelt sich offenbar um eine Geschichte über sexuellen Missbrauch. Und da “teacher” und “student” genannt werden, fand dieser an einer Schule oder Hochschule statt. Und zwar zwischen einer Person des Lehrpersonals und der Person, die hier als “student” angewiesen wird.
Sex, Missbrauch, potenziell von minderjährigen Personen aber doch zumindest jemandem in einer abhängigen Position, das klingt nach Vergewaltigung. Und das sind freilich die Ingredienzien für einen erfolgreichen Artikel: Sex & Crime. Erfolgreich in dem Sinne, dass er oft gelesen wird.
Und so kam es auch, dass er meine Aufmerksamkeit bekam, denn wegen seiner laut Angabe der Internetseite rund 80.000 Aufrufe erschien er auf der Liste der am meisten gelesenen Artikel weit oben. Auf Platz 2 folgte ein Artikel über zwei beim Wandern in Marokko ermordete junge Frauen mit rund 60.000 Aufrufen.
Was mich aber verwirrte, war die Aussage, ein Lehrer könne eine mildere Strafe für den (mutmaßlichen) sexuellen Missbrauch bekommen, weil er, also der Lehrer, den Sex wollte. Was für eine schräge Welt wäre das? Selbst für eine Boulevardzeitung.
Erst beim dritten Leseversuch kam ich auf die Idee, bei der Lehrenden Person könne es sich um eine Frau handeln, die Sex mit einem Schüler oder Studenten hatte: Das Personalpronomen “he” bezieht sich auf “student”, nicht “teacher”. Man könnte freilich auch noch an die Alternative denken, dass ein Lehrer einen Schüler verführt hatte. Diese kam mir aber erst hinterher in den Sinn.
Die Verwirrung zeigte mir also in einem Selbstversuch auf, dass ich automatisch davon ausgegangen war, der Täter müsse ein Mann sein. Das ergab aber keinen Sinn mit dem folgenden Personalpronomen. Denn warum sollte ein Täter, der die Tat wollte, auch noch eine Strafmilderung bekommen?
Da die Substantive im Deutschen anders als im Englischen oft ein Geschlecht haben – also männlich oder weiblich sind –, lässt sich der Selbstversuch nicht so ohne Weiteres in unsere Sprache übersetzen. Am nächsten käme wohl etwas wie:
Lehrer*in, der*die Sex mit einem*einer Schüler*in hatte, soll leichter damit wegkommen, weil er ihn wollte.
Wenn man diesen Satz mit etwas Hintergrundwissen über Strafrecht sinnvoll auflösen will, dann kommt man schließlich auf die für diesen Fall richtige Lösung: Lehrerin, die Sex mit einem Schüler hatte, soll leichter damit wegkommen, weil er, also der Schüler, ihn, also den Sex, wollte.
Tatsächlich geht es in dem Bericht um die 27-jährige Stephanie P., die inzwischen gestanden haben soll, mit einem 14-jährigen Schüler Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Der Kontakt war zustande gekommen, als der Schüler die Lehrerin gefragt habe, ob er sich über ihr Telefon in seinem Instagram-Account einloggen dürfe.
Später habe die Lehrerin ihm dann Nachrichten und schließlich sogar Nacktfotos von sich geschickt. Letzteres ist für sich genommen schon eine Straftat nach amerikanischem Recht. “Elektronische Übermittlung von Material, das für Minderjährige schädlich ist”, heißt es dazu im Artikel.
Daran sehen wir übrigens die amerikanische Prüderie gegenüber Nacktheit, daher auch das Nippelverbot in sozialen Medien. Dort rufen Nachbarn auch schon mal die Polizei wegen des Verdachts auf Kindesmisshandlung, wenn Eltern zusammen mit ihren Kindern baden. Andere Länder, andere Sitten.
Aber zurück zu dem Fall: Die Frau solle mit dem Vierzehnjährigen Sex in ihrem Auto gehabt sowie ihn bei sich zuhause und in einer Scheune hinter seinem Haus oral befriedigt haben. Alles zusammen könne zu einer Höchststrafe von 20 Jahren Gefängnis führen. Bei den Verhandlungen zwischen Anklage und Verteidigung stünden nun aber eher fünf bis zehn Jahre im Raum.
Die Strategie der Verteidigung sei es nun, für eine mildere Strafe zu plädieren, weil der Schüler den Sex gewollt habe. Das ist das, was die Überschrift aussagte. Ob diese Strategie aufgeht, ist jedoch unklar: Nach amerikanischem Recht ist hier Sex mit einer minderjährigen Person automatisch Sex mit einer Person, die nicht einwilligungsfähig ist – und damit juristisch eine Vergewaltigung.
So äußert sich auch ein im Artikel zitierter Jura-Professor dahingehend, es könne sich sogar strafverschärfend auswirken, dass der Junge den Sex mit der Lehrerin wollte. Dies könne nämlich bedeuten, dass die Frau den Willen des Minderjährigen manipuliert hat. Vielleicht mit ihren Nacktfotos?
Wie dem auch sei: Das Gericht wird tun, was Gerichte eben tun, nämlich nach Feststellung der Fakten- und Schuldfrage nach geltendem Recht eine Strafe festlegen. Die junge Frau wird wohl für mehrere Jahre ins Gefängnis müssen – und danach übrigens für den Rest ihres Lebens das Stigma als Vergewaltigerin tragen. In den USA werden Namen, Fotos und Adressen sexueller Straftäterinnen und Straftäter nämlich veröffentlicht. Und der Junge wird – ja, was eigentlich? Über ihn erfahren wir nichts.
Mir hat die Überschrift jedenfalls bewusst gemacht, dass ich automatisch davon ausging, wenn es im Kontext einer Schule oder Hochschule um sexuelle Misshandlung geht, dann müsse der Täter automatisch männlich sein. Das führte mit dem Sinngehalt der Überschrift und dem Personalpronomen zur Verwirrung. Andernfalls hätte ich den Artikel wahrscheinlich gar nicht gelesen, sondern mich weiter mit der Computerspielsucht beschäftigt.
Das kann einen durchaus noch einmal hinterfragen lassen, wie man über Verbrechen denkt. Und wie in unseren Medien darüber kommuniziert wird. Denn obwohl Sexualverbrechen laut amtlicher Statistik relativ selten sind – 0,8% der Fälle bezogen sich 2014 darauf –, lesen wir darüber sehr viel. Über Körperverletzungen, die mit 8,7% rund zehnmal so häufig vorkommen, lesen wir eher wenig.
Das könnte jetzt daran liegen, dass sich Sex & Crime besser verkauft als nur Crime; dass Grabschreien, sexuelle Nötigungen und Vergewaltigungen uns irgendwie mehr interessieren oder schlimmer sind als Blutergüsse, herausgeschlagene Zähne, Knochenbrüche oder Messerstiche im Körper; oder dass Sexualverbrechen unser Männer-sind-Täter-und-Frauen-sind-Opfer-Denken besser bedienen, denn das ist die einzige Kategorie, in der Frauen häufiger Opfer sind als Männer.
Für Gewalt insgesamt gilt, dass Männer die Verbrechen eher “unter sich ausmachen”. Dass sie dann 1,5-mal so häufig Opfer von Gewalt sind (Wer ist hier eigentlich das typische Opfer?), hat bisher noch keine größere Opferschutzinitiative inspiriert. Falls hier jemand ein Gegenbeispiel kennt, dann lasse ich mich übrigens gerne widerlegen.
Und das gesuchte Beispiel für schlechte Wissenschaftskommunikation zur Computerspielsucht? Das fand ich schließlich auf den Seiten der Weltgesundheitsorganisation. Doch darüber ein andermal mehr.
Stephan Schleim
was bezwecken Sie mit diesem Artikel. Das gleiche wie die New York Post?
Wahrscheinlich nicht, sollte es eine Kritik an den US Moralvorstellungen sein?
Oder wollen Sie nur ganz einfach mal das Thema Gewalt und Sex aufrufen?
Ich finde es überzogen, der Lehrerin 20 Jahre anzudrohen. Sie hat doch etwas sozial Nützliches gemacht. Wäre es besser , wenn der Schüler seine ersten Erfahrungen bei einer Prostituierten macht?
Ich finde, der Staat sollte sich nicht in alle Belange zwischenmenschlicher Beziehungen einmischen.
Christ:
“Sie hat doch etwas sehr nützliches gemacht…”
Diese Bewertung könnte für mich implizieren, dass Lehrer in Zukunft SEX als außerschulisches LehrFach anbieten.Für mich gibt es immer noch gesetzliche Normen und Werte,die auch die triebgesteuerte Lehrerin einzuhalten hat.Der Staat hat-nicht ohne Absicht -entsprechende Gesetze zum Schutz von Jugendlichen-erlassen.Der Mensch,das triebhafte Wesen, benötigt solche Gesetze,ansonsten wäre auch jede Vergewaltigung legitim…
@christ: Zweck des Artikels
Es ist die Einladung zu einem Selbstversuch, wie jemand die Überschrift auffasst; und im weiteren Sinne, wie jemand über (sexuelle) Verbrechen denkt, bzw. die Berichterstattung darüber.
@christ & Golzower: “Aufklärung”
Ich habe mir auch schon die Frage gestellt, ob die “Aufklärung” in unserer Gesellschaft so zweckdienlich ist – in dem Sinne, dass sie Menschen dazu einlädt, Sexualität als einen schönen Teil des Lebens zu erleben – oder Menschen nicht vor allem verunsichert. Vielleicht ist das auch ein Kulturunterschied, doch bei einigen jüngeren Menschen, denen ich hier in den Niederlanden schon begegnet bin, hatte ich den Eindruck, dass sie vor allem Angst haben, beim Sex etwas falsch zu machen oder sich eine Infektion zu holen oder Schwanger zu werden.
Die Handlung der Lehrerin hier als etwas Nützliches anzusehen, halte ich für sehr grenzwertig. Würden Sie das eigentlich auch schreiben, wenn es um einen Lehrer und eine Schülerin gehen würde? Dass Sie sich hier “christ” nennen, hat ja fast schon etwas zynisches, wenn man an die Missbrauchsfälle in den Kirchen denkt. Vielleicht dachten diese Menschen auch, etwas Nützliches zu tun?
Man kann sich meines Erachtens schon fragen, ob die sterilen Informationen in der Schule und dazu die überall verfügbaren Pornofilme im Internet die beste Form der Aufklärung sind… Lehrerinnen und Lehrer zu einem eher “praktischen” Unterricht einzuladen, würde sich mir aber allein schon aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses verbieten.
Darüber hinaus sollte man sich auch mal Fragen, was die Lehrerin vielleicht für ein Problem hat, wenn sie so mit ihrem 13 Jahre jüngeren Schüler Kontakt aufnimmt.
Eigentlich leicht verständlich, für im Englischen, im US-amerikanischen Englischen Erfahrene und die dort übliche Überschriftensetzung kennend.
Eine andere Verteidigungsstrategie gibt es dort wohl nicht, den Täter meinend, die Täterin in diesem Fall.
In den Staaten, die Dr. W einige Zeit besucht hat, funktioniert das Rechtswesen noch vglw. stringent, nett, dass im dankenswerterweise bereit gestellten Kommentar zuvörderst das Recht adressiert worden ist, vs. Gefühligkeit.
(Dr. W will den geschilderten Sachverhalt nicht besonders beschreien, es ist halt so in den Staaten wie es ist, juristisch vorgeschrieben, auch der Verteidigung keine Vorwürfe machen wollend, kA, wie würde ein derartiger Sachverhalt in der BRD juristisch beschieden worden, vermutlich als Missbrauch besonderer Bezüge im Rahmen sog. Schutzbefohlener?, Dr. W war längere Zeit nicht mehr in der dbzgl. Rechtslage, zehrt hier sozusagen vom Allgemeinwissen.)
Eigentlich hat Dr. W hier ein wenig Mitleid, denn ein besonderer Schaden ist nicht ergangen, wie möglicherweise so festgestellt werden könnte, diesen Einzelfall meinend, dennoch ist es cool bis angemessen, wenn Recht durchgesetzt wird, wie Dr. W findet, so dies nicht mehr allgemein der Fall zu sein scheint in liberalen Demokratien.
Dort, wo dann Recht “ausgesetzt” wird, den Rechtsstaat massiv beschädigend, Opportunität geschuldet, wie in der Merkel-BRD, zunehmend feststellbar.
Recht meint immer den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang, nie den Einzelfall, auch wenn sich dort beim Schreiber dieser Zeilen ein gewisses Bedauern einstellt, so soll doch Recht walten; Abmilderung im Strafmaß könnte über das Gnadenrecht Befugte hergestellt werden – die sich dann aber als demokratisch bestimmt gegenüber ihrer Wählerschaft zu rechtfertigen hätten, was Dr. W auch “okey dokey” findet.
Hier, bei diesem Satzabschnitt – ‘Dass sie dann 1,5-mal so häufig Opfer von Gewalt sind [.,.]’ – weiß der in den Staaten (vergleichsweise) erfahrene Webbaer nicht so recht, die Opferrate, die Abmurksrate bei Männern liegt deutlich höher, Dr. W wird bei besonderem Bedarf, sofern der Vergleich mit dem Damentum gemeint war, diesbezüglich zu belegen suchen.
MFG + schöne Weihnacht!
Dr. Weihnachtswebbaer
*
Abmilderung im Strafmaß könnte über das [für das] Gnadenrecht Befugte hergestellt werden
@Webbär: Statistik
Es ging um die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik, die ich für 2014 vorliegen hatte (man kann auch dem Link im Artikel folgen). Für Gewaltverbrechen, einschließlich Sexualstraftaten, beträgt das Männer-Frauenverhältnis auf der Opferseite 1,5:1.
Das wird in den Medien eigentlich nie thematisiert. Die Täter sind zwar auch überwiegend Männer – es trifft aber vor allem andere Männer. Die Sexualstraftaten sind die einzige Ausnahme, bei der das Geschlechterverhältnis auf der Opferseite umgedreht ist, d.h. Frauen laut Statistik wesentlich häufiger Opfer sind als Männer. Die machen jedoch nur einen relativ geringen Prozentsatz der erfassten Verbrechen aus.
@Webbär: Schüler
Sie wissen doch gar nicht, wie das für den vierzehnjährigen Jungen war.
Ich hatte mit vierzehn anderes im Kopf als Frauen. Ich erinnere mich allerdings, dass ich mit 16 mit einer Lehrerin, einer Referendarin, geflirtet habe, die dem jedenfalls nicht völlig verschlossen schien. Mehr ist aber nicht passiert.
Wie dem auch sei… Die Grenzziehungen des Gesetzes sind immer irgendwie willkürlich in dem Sinn, dass die Altersgrenzen anders sein könnten; und sich historisch ja auch verändern.
Wenn eine 15-jährige mit dem 14-jährigen Geschlechtsverkehr gehabt hätte, dann wäre das wahrscheinlich nicht als Vergewaltigung verfolgt worden. Bei einer 16- oder 17-jährigen vielleicht auch nicht. Bei einer 18-jährigen dann auf einmal aber schon?
Dabei ist wohl nicht anzunehmen, das der 14-jährige beim Kontakt mit einer 17-jährigen nicht, mit einer 18-jährigen aber auf einmal traumatisiert worden wäre. Es bleibt in dem konkreten Fall aber eine 13 Jahre ältere Lehrerin, die hier einen ihrer Schüler verführt hat.
In meinem Bekanntenkreis gab es übrigens den Fall, dass eine damals 14-jährige mit einem damals 18- oder 19-jährigen zusammen war. Der war damals Soldat, sie studierte später Kunst. Jetzt ist sie fast 40 und die beiden sind immer noch glücklich zusammen.
Webbaer (bitte ohne deutsche Umlaute, danke) bringt ad hoc und “auf die Schnelle” wie folgt bei :
-> https://ucr.fbi.gov/crime-in-the-u.s/2012/crime-in-the-u.s.-2012/tables/42tabledatadecoverviewpdf/table_42_arrests_by_sex_2012.xls
Sie dürfen bis müssen, bei derartigen Behauptungen, Datenlagen beibringen, wir sind hier ja nicht beim bundesdeutschen Nachrichtenmagazin “Spiegel”.
>:->
Es könnte sich hier um ‘Rape’ gehandelt haben, gesetzlich in den Staaten so bestimmt.
Gerne auch die Opferraten bei der FBI suchen.
MFG
Dr. Webbaer (der von Ihnen, nach näherer Beschau der Daten nicht erwartet, dass Sie bei der angemängelten kleinen Einschätzung weiter oben stehen bleiben, würde ansonsten weiter wühlen, ob der derart antu-intuitiven Aussage, wie von Ihnen beigebracht, ist abär nett)
*
ob der derart ant[i]-intuitiven Aussage
PS:
-> https://ucr.fbi.gov/crime-in-the-u.s/2016/crime-in-the-u.s.-2016/tables/expanded-homicide-data-table-3.xls
—
Männer bringen idR Männer um, auch in den Staaten, hier muss sich nicht derart irritiert werden lassen, wenn “Bärtige” anders zu handeln scheinen.
MFG
Wb (der nicht weiter nagen will an dieser Stelle, insgesamt schon dankbar ist für Primär-Inhalt; das mit der Quellenarbeit abär schon zu lernen anregt, wenn vglw. “grell” behauptet wird, Sie natürlich besonders schätzt, Herr Dr. Schleim)
Ich habe den Artikel aufgeschlagen. Mein erster Gedanke: Beim Mug shot unter der Überschrift handelt es sich um den Teacher.
Ich hab’s auch dreimal lesen müssen.
Dann dacht’ ich aber, dass es ja auch ein schwuler Schüler und sein Lehrer gewesen sein könnte.
@Webbaehr: Daten
Ich bezog mich doch auf die deutsche polizeiliche Kriminalstatistik, die ich mir 2016 für einen Artikel genauer angeschaut habe; damals lagen die Zahlen von 2014 vor.
Vielleicht verwirrt das Läser*innen und Baer*innen, dass ich über einen amerikanischen Fall schreibe, am Ende aber die deutsche Datenlage heranziehe.
Doch zum zweiten oder dritten Male: Nähere Details über die Daten beschrieb ih 2016. Man bzw. bär folge dem Link, wenn es dazu noch Fragen gibt.
@Mistelberger, Wicht: Danke für die Rückkopplung. Ich bin also nicht der Einzige.
Stephan Schleim
…etwas Zynisches. Dagegen verwahre ich mich energisch. Eine Meinung, die Ihnen nicht gefällt wird nicht automatisch zynisch. Und was Christentum mit Sex zutun hat, darüber macht das NT keine Aussage.
Wenn es Gesetze gibt, dann respektiere ich die natürlich. Aber Gesetze sind nicht für die Ewigkeit und man sollte sie reformieren, oder sogar abschaffen, wenn sie der öffentlchen Moralvorstellung widersprechen.
Was jetzt den Sex mit Abhängigen betrifft, das muss man differenzierter betrachten. Als Beispiel nenne ich einen Fall vor langer Zeit, in der Zwischenzeit verjährt, da hat eine junge Lehrerin sogar mit einem Schüler zusammen gewohnt. Als ich davon erfahren habe, fand ich das nicht ungeheuerlich , sondern sogar befreiend. Und was noch befreiender war, die Frauengruppe, die das wusste, fand das Verhältnis romantisch und keineswegs verbrecherisch. Und die Frauen haben zusammengehalten. Das war ein Fall von gelungener Integration.
Und jetzt kommen Sie. Wollen Sie hier den Moralapostel spielen.
Golzower
Der Schutz von Abhängigen muss auf jeden Fall gewahrt bleiben. Aber voreilg den Zeigefinger zu heben finde ich zu eng gedacht.
Mein erster Gedanke war, Lehrer und Schüler seien homosexuell, mein zweiter war dann “Reifeprüfung” 😀
Aber das nur nebenbei. Was die vielen männlichen Opfer angeht, so könnte die unterschiedliche Kommunikation zum Thema evtl. mit sowohl der Unschulds- als auch der Wehrlosigkeitsvermutung zusammenhängen.
Will sagen: Bei Männern gibt es m.W. relativ häufig die Konstellation, dass sich Aggressionen hochschaukeln oder dass die Taten in Situationen geschehen, in denen im Prinzip beide Beteiligte Täter sind oder an kriminellen Handlungen beteiligt und dass es letztlich kontingent ist, welcher von beiden dann als Opfer in der Statistik landet und welcher als Täter.
Auch scheint es so zu sein, dass Männer häufiger zu gefährlichen Zeiten oder an dubiosen Orten unterwegs sind und sich eher in gefährliche Situationen begeben, weil sie sich weniger als Frauen dessen bewusst sind, dass sie evtl. das schwächere Gegenüber sein könnten.
Dass Täter wie Opfer überproportional junge Männer sind, scheint mir dafür zu sprechen, dass diese Aspekte zumindest nicht weit hergeholt sind (bei Körperverletzungsdelikten sind die Zahlen und Diskrepanzen wirklich beeindruckend).
Bei Frauen wird womöglich eher vermutet, dass sie aus dem Blauen heraus angegriffen werden, also “echte” Opfer sind. Und das mag sogar stimmen – wäre vielleicht mal eine Untersuchung wert, gell.
Jedenfalls eignen sich Männer evtl. sogar mit Gründen nicht dermaßen gut als unschuldige, wehrlose Opfer, die ein ordentliches Opfer ja nun gefälligst zu sein hat.
Und jetzt mal nur um das klarzustellen: Ich sage weder, dass Frauen als Opfer immer unschuldig und wehrlos sind, noch dass alle Männer mitschuldig sind oder niemals wehrlos sind. Es sind nur meine Gedanken zu einem Phänomen (eben dazu, dass Männer als Opfer zahlenmäßig überwiegen, aber im Bewusstsein und in der Berichterstattung nicht so präsent sind).
Es würde mich interessieren, ob es dazu eigentlich Untersuchungen gibt. Vor allem aber würde mich interessieren, was Sie, Herr Schleim, von diesen Überlegungen halten.
Habe den Satz grundsätzlich im ersten Versuch verstanden, allerdings wegen der merkwürdigen Konstruktion anschliessend Kontrolle gelesen.
Dabei kam dann auch sofort die Frage in den Sinn ob Frau – Mann oder doch Mann – Mann gemeint ist.
@Christ: Zynisches und nicht Zynisches
Sie dürfen hier Ihre Meinung äußern; und ich darf das zynisch finden, wenn sich jemand Christ nennt und in einer Zeit, in der unsere christlichen Institutionen, nämlich die Kirchen, Skandal um Skandal wegen sexuellem Missbrauchs von Kindern am Hals haben – und dazu Folgeskandale wegen Vertuschungsversuchen –, die These aufzustellen, den Kindern/Jugendlichen würde man mit sexueller Verführung unter Umständen etwas Gutes tun.
Für mich versteht es sich von selbst, dass ich mit einer Studentin, die von mir noch benotet wird, keine persönliche, vor allem keine sexuelle Beziehung eingehen würde. Wie soll das gehen? Wenn sie nicht tut, was ich will, dann kriegt sie eine schlechte Note – sonst eine gute? Dafür muss ich nicht erst in unseren Ethik-Code oder das Strafrecht schauen.
Es ist korrekt, dass es Menschen gibt, und oft sind das welche, die bereits durch frühere Erfahrungen traumatisiert wurden, die den Kontakt zu älteren Menschen suchen. Wenn man jetzt mal das Lehrer-Schüler-Verhältnis außen vor lässt und auch die Frage der Einvernehmlichkeit, dann bleibt für mich die Frage, ob eine sexuelle Beziehung das Richtige ist, wenn jemand vielmehr einen Mutter- oder Vaterersatz sucht. Dass man darum nicht gleich so gut wie alle Berichte über sexuellen Kontakt kriminalisieren muss, wie das heute geschieht, versteht sich dabei für mich von selbst.
Natürlich sind sich die Menschen in solchen Situationen nicht immer dessen bewusst, was sie tun. Daher schrieb ich ja bereits, man sollte sich auch mal überlegen, was für ein Problem die im Text genannte 27-jährige Lehrerin vielleicht hat, wenn sie einem 14-jährigen Schüler Nacktfotos schickt und ihn dann verführt.
@Sojourn: Männer und Gewalt
Danke erst einmal, dass Sie hier “laut denken”.
Ich könnte mir das bei sogenannten Ultras im Sportbereich am ehesten vorstellen, vielleicht auch bei manchen Rocker-Clubs, dass sich – wohl vor allem: Männer – in der Absicht treffen, es auf eine Schlägerei ankommen zu lassen.
In der Praxis ist es doch so, dass es schnell zu einer Provokation kommen kann. Dann muss man die psychologische Möglichkeit haben, gelassen zu bleiben. Wenn man aber gelernt hat, dass man dann “seinen Mann stehen” muss, dann schaukelt sich das hoch und wird wahrscheinlich zur tätlichen Gewalt. Dann hat vielleicht immer noch einer angefangen – aber haben beide mitgemacht. Aber wie ist das mit der Verantwortlichkeit, wenn die Menschen keinen anderen Umgang gelernt haben? Keine andere “Sprache”?
Ich erinnere mich an Fasching 2004. Das war gegen Ende meines Studiums in Mainz. Meiner Erinnerung nach gab es einen Vortrag am MPI für Hirnforschung in Frankfurt oder ich machte da damals das Praktikum… Jedenfalls saß ich mit einem Buch am Mainzer Hauptbahnhof, neben einem jungen Mann mit einer Bierdose. Den provozierte meine reine Anwesenheit offensichtlich schon so, dass er zu mir sagte: “Entweder du gehst weg – oder ich schlage dich.”
Er war betrunken, hatte wahrscheinlich die Nacht durchgemacht, kleiner als ich, hatte schon Mühe mit dem Sprechen und ich war damals gut trainiert… Wer weiß… Aber ich bin dann aufgestanden und weggegangen. Was hätte es bewiesen, wenn hier irgendwer irgendjemanden geschlagen hätte? Mir tat der junge Mann eher leid.
Forschung ist mir dazu nicht bekannt. Wahrscheinlich wäre es interessant, Sozialarbeiter zu fragen, die Menschen (und dann v.a. Männern) einen konstruktiveren Weg beizubringen versuchen, wie sie mit ihrer Aggressivität umgehen können.
Sehr zu empfehlen ist hier die Dokumentation The Mask You Live in von The Representation Project. Diese macht meine Vermutung deutlich, dass wir in keiner gewaltfreien Welt werden leben können, wenn wir nicht auch etwas für bestimmte Männergruppen tun (und mit “etwas” meine ich nicht draufschlagen oder wegschließen). Manche Feministinnen haben da leider einen blinden Fleck.
Stefan Schleim,
oh je, an die Verfehlungen der Kirche habe ich damit in keinem Augenblick gedacht.
Aber der Fall mit der Lehrerin ist etwas vollkommen anderes, als Mißbrauch von Pfarrern gegen Jugendliche in kirchlichen Einrichtungen.
Und es sollte von mir auch keine versteckte Entschuldigung für die Vorwürfe gegen die Kirche werden.
Ihre Kollegin Jane Hergert hat mit dem Thema “Was ist Liebe”den Reigen eröffnet. Ich habe ihn weitergeführt, weil ich die Beziehung zwischen der Lehrerin und dem Schüler nicht auf eine reine sexuelle Beziehung reduziert haben will.
Der Volksmund sagt zu recht: ” Wo die Liebe hinfällt……”
Und das ist mein credo. Ich bin von einer Liebesbeziehung ausgegangen und da muss auch das Gesetz schweigen.
Nachtrag Stefan Schleim,
wenn man sich an der Grenze des Erlaubten bewegt, dann kann schnell ein falscher Eindruck entstehn. Ich habe jetzt selbst gemerkt, wie sich da eine Eigendynamik entwickelt.
Deswegen klinke ich mich hier aus, “bevor noch mehr Porzellan zerbrochen wird.”
Ihren Gedanken finde ich gut, dass menschliche Kontakte nicht kriminalisiert werden sollten. Das wäre dann wirklich das Ende jeder menschlichen Freiheit.
In diesem Sinne ein frohes Weihnachtsfest
Studentin für Selbstversuch gesucht 🙂
Verbotene Natürlichkeit Etwas sexuell zu begehren ist ein natürlicher Wunsch. In einer Gesellschaft in der jedoch selbst der nackte Körper mit Scham und Schande betrachtet und behandelt wird, kommt es schnell zu weit reichenden Ausgrenzungen und Verurteilungen, insbesondere wenn sexuelle Wünsche von der Norm abweichen. Gesellschaftliche Sanktionen und Strafen stehen in keinem Verhältnis zur vermeintlichen Tat(absicht).
Die Forderung, daß geschlechtsreife Menschen kein Verlangen auslösen dürfen, bis sie die „juristische“ Volljährigkeit erreicht haben, ist basisfremd und unnatürlich.
Da die Sexualität des Menschen, anders als bei Tieren, von den gesellschaftlichen und kulturellen Werten, Normen und Tabus bestimmt wird und weniger von „natürlichen“ Randbedingungen, ist der (unzensierte) Wunsch und die Neugierde des Einzelnen grundsätzlich gestört durch Zensur und Triebverachtung.
Fallbeispiele
Ein Österreicher wurde 7 Monate seiner Freiheit beraubt, weil er 35 Nacktbilder von jungen Männern auf seinem PC gespeichert hatte. Die Staatsanwaltschaft Wien klagte ihn deshalb wegen des Besitzes von Jugendpornografie (§ 207a StGB) an. Die Bilder seien pornografisch und die Burschen (über 14 und) unter 18. Das Gesetz verlangt, dass ein Alter unter 18 Jahren so weit bewiesen werden muss, dass daran keine objektiv vernünftigen Zweifel bestehen (§ 14 StPO). Der Angeklagte machte geltend, dass die beiden jungen Männer über 18 sind und beantragte zum Beweis ein Sachverständigengutachten. Außerdem gab es beim Einstieg auf die U.S.-amerikanischeGay-Erotikseite, von der er die Nacktbilder (die keine sexuellen Handlungen beinhalten) heruntergeladen hatte, den ausdrücklichen Hinweis, dass alle Personen auf „sexuell expliziten Abbildungen“ zum Zeitpunkt der Aufnahme über 18 Jahre alt waren. Schließlich wies er darauf hin, dass die Bilder nicht pornografisch sondern bloß erotisch sind.
Erektion = Pornografie Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat den Mann wegen 30 der Bilder mangels Pornografie freigesprochen. Die restlichen 5 Bilder hingegen qualifizierte es als pornografisch, weil auf diesen der Penis erigiert ist. Das ungeachtet der bisherigen österreichischen Rechtsprechung, nach der (anders als beispielsweise in Deutschland und Großbritannien, ab einem Winkel von 45 Grad) eine Erektion alleine noch keine Pornografie macht. Wegen dieser 5 (!) Bilder verurteilte das Gericht den Mann zu 7 Monaten unbedingter Freiheitsstrafe. Die beiden Burschen seien eindeutig unter 18. Ein Gutachten brauche es nicht. Der Richter meinte sogar, sie könnten unter 14 sein; im Zweifel ginge er zu Gunsten des Angeklagten jedoch von einem Alter über 14 aus. Im Berufungsverfahren holte der Angeklagte ein Gutachten eines renommierten Kinderarztes und Gerichtsgutachters ein, das sich auf Grund der kinderärztlichen Erfahrung und internationaler Literatur samt umfangreichen Reihenuntersuchungen Jugendlicher mit dem Alter der beiden Burschen auf den Nacktbildern ausführlich auseinandergesetzt hat. Auf Grund der Genitalentwicklung, der Behaarung und der Gesichtszüge kam das Gutachten zu dem Schluss, dass die jungen Männer keineswegs mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jünger als 18 Jahre sind. Sie seien zwischen 16 und 21. Mehr als 10% der 18jährigen sehen so aus wie die Burschen auf den Bildern. Das Oberlandesgericht Wien hat die Verurteilung dennoch bestätigt (OLG-Wien 04.10.2008, 19 Bs407/08d). Rund 90% Wahrscheinlichkeit sei Beweis genug. Für eine strafrechtliche Verurteilung würden Wahrscheinlichkeitsschlüsse genügen. Die RichterInnen wollten (trotz der Ergebnisse des Sachverständigen) dem Angeklagten auch nicht glauben, dass er die jungen Männer für über 18 gehalten hat. Wer solche Bilder suche, halte es für möglich, dass auf Internetseiten „mit derartigem Inhalt“ unter 18jährige abgebildet sind. Den Antrag des Angeklagten, im Rechtshilfeweg die (laut der betreffenden Webseite) in den USA befindlichen Altersnachweisen (US Code 2257 record keeping requirements) der beiden Burschen zu besorgen, hat das Oberlandesgericht abgelehnt. „Die Ausdehnung der strengen Strafbestimmungen gegen Kinderpornografie von 14 auf 18 Jahre, und damit auf die Abbildung sexuell mündiger und wahlberechtigter junger Menschen auch im privaten, nichtkommerziellen Bereich, war hoch umstritten“, sagt der Verteidiger des Mannes und Co-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS) Dr. Helmut Graupner, „Das Vielleicht- Jugendporno-Urteil zeigt nun, dass die Kriminalisierung sogar über das 18. Lebensjahr hinaus in das Erwachsenenalter hineinreicht“.
Am Beispiel der französischen Schauspielerin Eva Ionesco, kann man deutlich sehen, mit welchem ungleichen Maß gemessen wird. 1976 druckte der Playboy Nacktaufnahmen, der damals Elfjährigen. Auch heute lassen sich die Bilder unter google.de mit der Eingabe der Suchbegriffe Eva Ionesco abrufen. Somit ist Google-Deutschland im Rahmen des heutigen Strafrechts, Stichworte Kinder- und Jugendpornografie, Verbreiter von Kinderpornografie. Der Besitz der Playboyausgabe macht den Besitzer heute zum Besitzer von Kinderpornografie. Willkür bestimmt die Situation. Der Österreicher im obigen Beispiel wird seiner Freiheit beraubt, die Verantwortlichen von Google bleiben anklage- und straffrei.
Der “Fall Raoul” sorgte 1999 in ganz Europa für großes Aufsehen. Am 30. August 1999 wurde der Elfjährige Raoul Wüthrich, wohnhaft in der Kleinstadt Golden, Colorado, USA, um 22:30 im Schlafanzug in Handschellen abgeführt und verblieb dann für mehrere Wochen in Untersuchungshaft. Er soll seine Halbschwester absichtlich an der Scheide berührt haben. Damit setzte er sich dem Verdacht der “schweren Blutschande” aus. Das Kind wurde im Jugendgefängnis behandelt wie ein erwachsener Schwerverbrecher. Dort hatte Raoul mit Straftätern zu tun, die im Durchschnitt vier Jahre älter waren als er. In Hand- und Fußfesseln wurde er mehrfach dem Gericht vorgeführt. Nach jedem Besuch seines Anwalts wurde er von männlichen Aufsehern nackt ausgezogen. Anschließend suchten die Gefängnismitarbeiter in allen Körperöffnungen des Elfjährigen nach versteckten Gegenständen. Ursprünglich sollte Raoul im “Colorado Christian Home”, einer seit 1904 existierenden Therapieeinrichtung für “Sexualstraftäter” im Alter von 5-13 Jahren, für sein “krankhaftes Sexualverhalten” behandelt werden. Dort hätte er biblische Werte und den Widerstand gegen die Versuchungen des Fleisches lernen sollen. Auf den Druck ausländischer Medien (darunter auch viele “Free Raoul” Webseiten) wurde der Junge jedoch freigelassen und durfte in die Schweiz ausreisen.
Schleim, Golzower, Freyling, Dr. webbaer
Gedanken am 4. Adventssonntag zu Sex & Crime,
Gibt es etwas Emotionaleres als Sex und Crime?
Ja, das gibt es, und das ist mir gerade vorhin beim Gottesdienst in St. Ottilia klar geworden, als das Lied 437 aus dem Gotteslob gesungen wurde. Zur Klarheit hier die erste Strophe:
„ Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht, bringe ich vor Dich.
Wandle sie in Weite, Herr erbarme dich. „
Wie bekommt man den Bogen , von Sex und Crime, zur Würde des 4. Adventssontages, das den Gesetzestreuen genauso gerecht wird, wie den Freidenkern?
Es ist die Wertschätzung des Menschen,die uns den Weg finden lässt zwischen der konsequenten Einhaltung der Gesetze und der heilsbringenden Vergebung , die uns Menschen auferlegt ist.
„Herr vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“.
Wenn wir uns auf diesen Weg machen, dann müssen wir nach den Tätern und den Opfern fragen. Wer ist Täter, wer ist Opfer ? Beim Kindesmißbrauch ist das eindeutig und da besteht auch ein gesellschaftlicher Konsens.
Beim Thema „Verführung“ wird das komplizierter, so kompliziert, das die Unterhaltungsindustrie daraus ihre Motive herleitet.
Und nachdem Herr Schleim hier die Lunte angezündet hat um uns unserer Vorurteile selbst bewusst zu werden, und ich und unsere Kommentatorfreunde sich an dem Feuer erwärmt haben, möchte ich diese Lunte wieder löschen.
„Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein“, so hat es Jesus formuliert und damit der Würde des Gesetzes gehuldigt und gleichzeitig der Notwendigkeit der Gnade und Vergebung der Schuld den Vorrang eingeräumt.
Also, wie man auch immer zu der Lehrerin und dem Schüler steht, vergesst nicht die Wertschätzung
und fragt , wer ist zu Schaden gekommen. Davon würde ich es abhängig machen, wie hoch das Strafmaß für die Lehrerin ist.
@ Stephan Schleim, Männer und Gewalt
Vielen herzlichen Dank für Ihre Antwort und Reflektionen!
Ich stimme so sehr mit dem überein, was Sie zu Provokationen und dem Erlernen anderer Reaktionsmöglichkeiten sagen, dass ich erstens im Rahmen meiner beruflichen Möglichkeiten in einem Amt für Sozialplanung in dieser Richtung bereits tue, was ich kann (im Moment noch: mir in verschiedenen Runden den Mund fusselig reden) und dass ich zweitens eines ganz kristallklar deutlich machen will: In keiner Weise wollte ich den männlichen Opfern unterstellen, sie seien selbst Schuld oder würden sich sogar absichtlich in Situationen bringen, in denen sie sich schlagen können (die von Ihnen genannten Beispiele vielleicht einmal ausgenommen).
Vielmehr habe ich den Verdacht, dass sich Männer eben aufgrund der von Ihnen genannten Mechanismen wie z.B. ungünstigen Reaktionen auf Provokationen weniger gut als öffentliche Projektionsfläche von Opferbildern eignen – was eine Erklärung für deren Unterrepräsentiertheit in der öffentlichen Wahrnehmung wäre – und dass es andererseits aus dem gleichen Grund in der Prävention durchaus Sinn ergibt, zwischen Gewalt gegen Frauen und Gewalt gegen Männer zu unterscheiden. Nicht, um männliche Opfer dann zu Mittätern zu stempeln oder zu ignorieren, sondern um deutlicher zu kriegen, was hier wirklich helfen würde. Es gibt vielleicht mehr Stellschrauben, wenn es z.B. tatsächlich stimmt, dass sie ihr Umfeld sorgloser wählen oder die Wahl öfter auf “fight” statt auf “flight” (oder “appease”) fallen lassen.
Anders gesagt war es mir nicht um eine (Ab-)Wertung und Verurteilung von männlichen Opfern zu tun, sondern um eine Beschreibung, die trotz der extrem groben Vereinfachung aber hinsichtlich der Fragen, warum die Zahlen bei Männern höher sind und warum das in der Öffentlichkeit selten thematisiert wird, eventuell weiterhelfen könnten.
Ich bin sacht erschüttert, wenn das anscheinend nicht so angekommen ist, aber andererseits finde ich es auch hilfreich, weil es mir deutlich macht, worauf ich achten muss, wenn ich mir mal wieder in irgendeiner Runde den Mund fusselig rede.
Vielen Dank an der Stelle noch für den Link! Das Projekt kannte ich noch nicht (by the way: Wie immer auf Englisch. Wenn es auf Deutsch auch nur einen Bruchteil der Informationen gäbe, die es auf Englisch gibt, wäre viel gewonnen. Schön fände ich auch ein deutsches Äquivalent für “abuse”, das ebenso wie das englische Wort das ganze Spektrum umfasst und mit beiden Geschlechtern assoziiert ist, denn worüber man nicht sprechen kann, darüber wird geschwiegen.)
Zuletzt noch ein Hinweis auf das “Inside Circle” Programm im Folsom State Prison, auf das ich gerade durch den TEDx-Talk von Eldra Jackson “How to break the cycle of toxic masculinity” aufmerksam geworden bin (keine Ahnung, ob ich hier einen Link einfügen darf, im übrigen ist mein ganzes Thema hier ja auch Off Topic…)
und nun frohe Festtage!
@Sojourn: “toxische Männlichkeit”
Natürlich dürfen Sie hier Links einfügen, z.B. mit dem Knöpfchen oben. Nur sollten Sie nicht mehr als zwei Links pro Kommentar einfügen, da Sie dann wohl vom System automatisch unter Spamverdacht gestellt werden. Ich bin auch nicht mit allem hier zufrieden; aber daran lässt sich wohl nichts ändern.
Also den TED-Talk “How to break the cycle…” werde ich mir gleich anschauen. Allerdings erwarte ich nicht zu viel Gutes davon, denn bei “toxischer Männlichkeit” handelt es sich nach meinem Eindruck um einen Kampfbegriff von Feministinnen, um Männer aus der Diskussion zu drängen. (Der Vortrag ist dann auch bei TED Women erschienen. Ein TED Men gibt es wahrscheinlich gar nicht.)
Ich bedaure auch, dass es nicht alles auf deutsch gibt. Ich bewege mich ja zwischen den drei Sprachen Deutsch (v.a. mein Schreiben), Niederländisch (v.a. mein Lebensumfeld) und Englisch (v.a. mein Lehren). Das stresst manchmal ganz schön. Die verlinkte Dokumentation ist aber wirklich die Mühe wert. Jetzt müsste es ein deutsches Filmteam geben, das den Mut zo so einer Doku hat. Oder zu so einem Film wie “The Red Pill“, wo man sehr schön sieht, wie Männern von feministischer Seite der Mund verboten wird (die Doku ist übrigens von einer Frau gemacht).
Wie dem auch sei, zur Gewalt: “Härtere Urteile, härtere Strafen!”, wie man es ständig hört, helfen nur wenig (außer vielleicht im Bereich der organisierten Wirtschaftskriminalität, sprich unseren Banken und Steuervermeidern, wo die meisten Taten erst gar nicht strafbar sind). Denn erstens sind die meisten Gewaltverbrechen Affekttaten, zweitens ist bei einem Urteil die Straftat ja schon passiert und kann nicht ungeschehen gemacht werden und drittens ist dann auch das Leben der Täter*innen auf Jahre zerstört (so beginnt auch die von mir verlinkte Doku) und kostet es die Gesellschaft Jahr für Jahr zehntausende pro Person im Gefängnis bzw. der Hochsicherheitspsychiatrie.
Danke für Ihren gesellschaftlichen Einsatz, frohe Feiertage und viel Erfolg für Ihre Bemühungen im Jahr 2019!
@Sojourn: P.S. “toxische Männlichkeit”
Herzlichen Dank für den Verweis auf den TED-Vortrag, der in elf Minuten auch die zentrale Botschaft der von mir verlinkten längeren Dokumentation rüberbringt.
Dass die Gesellschaft strukturell die Gefühle der Männer unterdrückt, ist nicht nur Gift für die Männer – sondern auch für die ganze Gesellschaft.
Tja… aber auch in unserem Ministerium für Familie, Kinder usw. ist man seit vielen Jahren nicht über ein Pilotprojekt über Gewalterfahrungen (als Opfer) von Männern hinausgekommen und plant man meines Wissens auch nicht, dieser Forschung irgendeine Chance zu geben. Schlimmer noch: In den zentralen Studien auf deutscher oder europäischer Ebene werden Männer als Opfer von Gewaltverbrechen noch nicht einmal erhoben, obwohl wir in allen Statistiken sehen, dass sie die Mehrzahl der Opfer stellen.
Falls ich es hier nicht schon einmal gesagt habe: Ich glaube nicht, dass wir jemals in einer friedlichen Welt werden leben können, solange wir die Gefühle der Männer nicht ernst nehmen, uns noch nicht einmal anhören wollen.
Aber trotzdem oder gerade deshalb verbitte ich mir die Rede der “toxischen Männlichkeit”, denn wahre Männlichkeit ist für mich niemals giftig, sie wird allenfalls gesellschaftlich so gemacht.
Was für eine Schlussfolgerung für Heiligabend, während draußen die Glocken läuten.
@Stephan Schleim, “toxische Männlichkeit”
Ja! Genau.
Ich stimme Ihnen nach wie vor vollumfänglich zu, und zwar mit Emphase – falls es daran auch nach dem zweiten Text von mir Zweifel gab, so liegt das an Mängeln in meiner Darstellung, nicht am Dissens in der Sache.
Was die Begrifflichkeit angeht, bin ich mir nicht sicher, ob wir unter “toxischer Männlichkeit” das Gleiche verstehen. Also, wenn Sie nicht den No-True-Scotsman-Fehlschluss begehen vermute ich, Sie verstehen, es gäbe so etwas wie Männlichkeit und von dieser würde behauptet, sie sei toxisch. Ich glaube aber gar nicht, dass es so etwas wie “Männlichkeit” gibt, das dann Eigenschaften haben könnte, sei es toxisch oder toll oder sonstwas.
Ich meine mit “toxische Männlichkeit” entsprechend etwas anderes, nämlich ein Männlichkeitskonzept (samt resultierenden Denk- und Verhaltensweisen und Erlebensbegrenzungen), das toxisch ist. Also nicht die Männlichkeit ist toxisch, sondern das, worauf das Etikett “Männlichkeit” gepappt wird. Entsprechend ist nicht die Männlichkeit Ziel der Kritik, sondern die Toxizität des Missverständnisses, das Bezeichnete sei Männlichkeit. Ich hoffe, ich konnte mich einigermaßen deutlich ausdrücken…
Jedenfalls scheint es mir unangebracht zu sein, überhaupt von der Existenz von etwas wie “Männlichkeit” auszugehen.
That being said stimme ich Ihnen zu, dass der Begriff “toxische Männlichkeit” womöglich nicht so gut geeignet ist, um hilfreich ins Gespräch zu kommen. Ich benutze manchmal “Männlichkeitsmythen”, aber da ist mir der Fokus zu sehr auf den Ursachen und zu wenig auf der Ebene dessen, was dann in der Welt zu beobachten ist. Irgendwelche Vorschläge…?
Wie auch immer, was die Rufe nach “härteren Urteile, härteren Strafen” angeht, kann ich gar nicht aufhören zu schreien. Wenn ich solche Rufe höre, sind das Momente, wo ich mich frage, ob ich eigentlich auf dem richtigen Planeten lebe oder versehentlich in ein bizarres Paralleluniversum gerutscht bin. Es ist so absurd, dass ich gar nicht wüsste, wo ich anfangen sollte (und deshalb meist einfach verstumme).
Zuletzt – zwei Links gehen ja – möchte ich noch auf das einzige mir bekannte deutsche Buch zum Thema Männlichkeit verlinken, das mir Hoffnung macht:
Ach, und das noch, der Link, den Sie zu “The Mask You Live In” eingebaut hatten, leitete mich zuerst mal auf die Seite von Justin Baldonis “We are man enough” Website. Ich hatte vor einem Jahr dessen TedTalk “Why I’m done trying to be man enough” gesehen, welchen ich als guten Ansatz einsam bejubelt hatte, ohne jedoch von “We are man enough” zu wissen. Geschweige denn von den Projekten, die damit assoziiert sind, wie eben z.B. das Representation Project. Also ein doppeltes Danke dafür!
Und nun… kann ich gar nicht sagen, wie viel mir dieser Dialog bisher schon wert war. Nicht nur wegen des Materials und der vielen Denkanstöße und Hinweise, sondern auch weil ich mich jetzt zumindest auf diesem Feld nicht mehr gar so allein fühle. Danke Ihnen! Fröhliche Weihnachten 🙂
P.S. Mir ist gerade klar geworden, warum ich aufhören sollte, mir den Mund fusselig zu reden und zu versuchen, Projekte an den Start zu kriegen. Hat lange genug gedauert…: Ich bin eine Frau. Dies alles sind Themen, die von Männern angesprochen werden müssen.
P.P.S.:
Mir fällt gerade auf, dass man den letzten Post schnell wie “beleidigte Leberwurst” lesen kann. Das Gegenteil ist der Fall, tatsächlich war’s “Heureka!” und Erleichterung: Je mehr Punkte jemand auf der Männlichkeitsskala nach dem Standardmodell erzielt, desto mehr Wumm hat’s, wenn er für Flexibilisierung eintritt und desto eher darf er davon sprechen, dass Männer auch Opfer sind. Jemand, der da wenig Punkte kriegt (Frauen null), würde der Sache meinem Verständnis nach zumindest derzeit noch eher schaden. Das zu sagen heißt für mich nicht, sich darüber zu beklagen, sondern nur, es zur Kenntnis zu nehmen und erstmal woanders weiterzumachen.
@Sojourn: Männlichkeitsmythen
Das Wort gefällt mir. So ist das mit der 1) toxischen Männlichkeit oder 2) dem Patriarchat für mich ein Männlichkeitsmythos; aber eben nicht der Einzige, geschweige denn der Schönste!
Ich will für mich selbst entscheiden, was Männlichkeit bedeutet – und mir das weder von radikalen Feministinnen auf der einen noch von Ultra-Hooligans auf der anderen Seite vorschreiben lassen.
“Das Patriarchat” kostet erst einmal das Leben von Männern. So sieht man auch in vielen Ländern, die patriarchischer organisiert sind, dass Männer dort sehr viel früher sterben (als Soldaten im Krieg, durch übertriebenes Risikoverhalten, durch starken Alkohol-/Drogenkonsum). Insofern stimmt es sogar, dass Gleichberechtigung auch im Interesse von Männern ist. Gleiche Rechte und Pflichten für alle, gemäß ihren Möglichkeiten, das wäre doch mal ein Ziel, auf das sich alle Menschen verständigen können sollten. Davon sind wir aber noch weit entfernt.
Ich fand das Beispiel mit den Boko-Haram-Terroristen in der Doku sehr erschreckend: Die sind radikal gegen westliche Bildung (das bedeutet der Name) und brachten Jahre lang Jungen um – Mädchen ließen sie meistens laufen. Das interessierte aber so gut wie keinen. Dann entführten sie einmal Mädchen (2014), nachdem sie wieder alle Jungen umgebracht hatten, und es gab einen internationalen Aufschrei; wohlgemerkt, nur wegen der Mädchen. Da sieht man, was Terroristen tun müssen, um in die Medien zu kommen.
Nun gut. Ich denke, mein Punkt ist deutlich: Es wäre schön, in einer gewaltfreien Welt für alle Menschen zu leben.
Sie kamen hier übrigens gar nicht beleidigt rüber. Berichten Sie doch gerne bei Gelegenheit einmal etwas über Ihre Projekte. Viel Erfolg! Und dieses Interview (und das zugrunde liegende Buch) “Eindeutig ein Stellvertreterkrieg” mit einer österreichischen Psychologin und Beraterin dürfte für Sie interessant sein; endlich mal etwas in deutscher Sprache. Ansonsten könnten Sie mal auf Cuncti über Männlichkeit lesen.
Seit ich Breitbart in meinen Lesezirkel aufgenommen habe irritiert mich eine derartige Überschrift genau null.
Und ja, wir Breitbart leser sind regelmäßig (den Kommentaren nach zu urteilen) schockiert über den Zustand des Landes.
“Ich will für mich selbst entscheiden, was Männlichkeit bedeutet – und mir das weder von radikalen Feministinnen auf der einen noch von Ultra-Hooligans auf der anderen Seite vorschreiben lassen.”
Da haben sie ja Glück von der Transsommunity populär vertreten zu werden. =)