Der isländische Walfang ist beendet (Teil 1)

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Island ist neben Norwegen eines der wenigen Länder, die bis jetzt noch Großwale jagen. Oder jagten.
Im Juni setzte die isländische Fischereiministerin Svandís Svavarsdóttir den Walfang 2023 auf große Wale bis zum 31.08. aus. Die wissenschaftlichen Untersuchungen der Veterinärbehörde hatten ergeben, dass zu viele Wale einen langsamen und qualvollen Tod sterben, der nicht mehr zu rechtfertigen sei. Wie schnell ein Meeressäuger nach dem Schuss stirbt, ist etwa am Pegel der Streßhormone im Blut erkennbar, an der Dauer der Jagd und der Menge der Harpunenköpfe sowie ihrer Position im Wal.
Manche Wale seien bis zu fünf Stunden verfolgt worden und hätten in dieser Zeit Todesangst gehabt. Der angeblich sicher und schnell tötende Schuss mit der Harpunengranate sei diesem Anspruch des schnellen und humanen Töten nicht gerecht geworden: Einige Wale sind bis zu fünfmal von Harpunengranaten getroffen worden, bevor sie dann nach oft stundenlangem Todeskampf endlich starben. Eigentlich sollte dieses Geschoß sofort nach dem Eindringen in den Körper durch eine Explosion einen neurologischen Schock verursachen und den Wal fast sofort töten. Dafür müsste es allerdings in Kopf oder Nacken treffen, nahe des Zentralnervensystems – und nicht in den Bauch.
Die wissenschaftlichen Untersuchungen haben klar gezeigt, dass der Tod oft nicht so schnell eintritt, wie die Walfänger behaupten.
Dass 2022 von 148 geschossenen Finnwalen 73% Weibchen waren, von denen 11 trächtig waren und eines säugte, also ein Kalb führte, sorgt für zusätzliche Aufregung und verstößt gegen ethische Grundsätze.
Ökonomisch sei der Walfang ohnehin nicht mehr interessant und auch in Island war die Akzeptanz dafür stark zurückgegangen: Nur noch 34 % der Bevölkerung unterstützen dies.

Tweet des Wal-Experten Erich Hoyt vom 20. Juni 2023

In den meisten Medien wurde nur kurz über das vermutliche Ende des isländischen Großwalfangs berichtet, darum möchte ich als “Wal-Sachverständige” hier Hintergrundinformationen geben.

Die meisten anderen Walfangnationen haben sich spätestens mit dem Walfang-Moratorium der Internationalen Walfang-Kommission (International Whaling Commission, IWC) von 1982, das 1986 in Kraft trat, vom Töten und Verarbeiten großer Wale zurückgezogen.
Die IWC (International Whaling Commission) managt den Walfang und legt Quoten fest. Das war 1946 notwendig geworden, weil die Walbestände stark überfischt waren. Ende der 60-er Jahre wandelte sich die Einstellung vieler Menschen zu Walen und die Walschutzbewegung formierte sich. In den 70-er Jahren wandelte sich auch die Einstellung innerhalb der IWC – immer mehr Staaten wollten keine Wale mehr töten, sondern schützen. So kam es 1982 zu einem Moratorium, einer Übereinkunft zum Aussetzen des kommerziellen Walfangs von Bartenwalen und Pottwalen. Alle Quoten wurden auf Null gesetzt.

IWC-Mitglieder durften zwar auch danach noch kommerziellen Walfang betreiben, mussten dabei aber durch Forschung nachweisen, dass ihre Jagdquoten nicht den Bestand gefährden. Norwegen führt offiziell und unter allen Auflagen der IWC einen kleinskaligen kommerziellen Walfang in norwegischen Hoheitsgewässern fort. Sie schießen jährlich eine kleine Quote Zwergwale und müssen stetig nachweisen, dass der Nordatlantikbestand dadurch nicht gefährdet ist. Liefern sie keine Nachweise, schrumpft die Quote automatisch –  entsprechen der Revised Management Procedure (RMP).Allerdings steht für deren Umsetzung in einem Revised Management Scheme (RMS) immer noch die Zustimmung der Kommission aus. Es gibt nämlich noch keine Einigung über zusätzliche nichtwissenschaftliche Auflagen wie die Inspektion und Beobachtung.
Island hatte sich wegen solcher Restriktionen zunächst aus der IWC zurückgezogen und ist 2002 unter Vorbehalt wieder eingetreten: Der kommerzielle isländische Walfang würde wissenschaftlich überwacht und, solange kein RMS verhandelt sei, fortgesetzt (Die Verhandlungen zum RMS stecken seit 2006 fest).

So konnten die Walfangboote der nordischen Insel weiterhin nicht nur Zwergwale sondern auch die wesentlich selteneren Finnwale töten.

Tweet von @Evie_Hourglass: Das Bild zeigt einen angelandeten toten Finnwal.

2018 befeuerte der Abschuss eines Finnwal-Blauwal-Hybriden noch einmal die Diskussion und verursacht in und außerhalb Islands Empörung (Mehr dazu in Teil 2). Dann wurde für 2019 und 2020 trotz Quote die Fangsaison abgesagt. Danach nahm nur das Hvalur hf Unternehmen den Walfang 2022 wieder auf.

Insel im Nordatlantik, umgeben von Meeresschätzen

In den kühlen Gewässern des Nordatlantiks leben viele Meeressäuger und andere Meerestiere ganzjährig oder in manchen Monaten. Waren die Bewohner  der kargen Insel bis vor einigen Jahrzehnten noch arm, herrscht mittlerweile Wohlstand, nicht zuletzt durch die Fischerei. Außerdem hat der Walfang auf Island keine Tradition. Touristen sind auf der eiskalten Insel die größte Konsumentengruppe für Zwergwal-Fleisch, Blubber und Fleisch von Finnwalen wird vollständig exportiert.

Trotzdem hat Island weiterhin Walfang betrieben, für Finnwale und Zwergwale werden jährlich Quoten festgesetzt.
Der Bestand von Zwergwalen wurde 2010 im Nordatlantik auf 180.000 geschätzt, sie sind nicht gefährdet. Neuere Schätzungen aus norwegischen Gewässern kommen zum gleichen Ergebnis – allein in norwegischen Gewässern leben wohl über 100.000 der nur acht Meter großen Bartenwale.
Die über 20 Meter langen Finnwale hingegen sind weniger zahlreich. Ihr Bestand im zentralen Nordatlantik wird auf 25.800 geschätzt, sie sind als gefährdet (Vulnerable), darum sind sie in den meisten Ländern streng geschützt. Dennoch setzte Island in den meisten Jahren für diese Art eine Quote von über 100 Tieren fest.
Blauwale sind besonders streng geschützt, ihr Bestand wird für den Nord-Atlantik auf nur noch 1000 bis 2000 Tiere geschätzt. Diese größten und mittlerweile seltenen Wale stehen auch in isländischen Gewässern unter Schutz. Wie Buckelwale, Nördliche Glattwale und Grönlandwale dürfen nicht geschossen werden, nach Artikel 3 und 10 der Isländischen Walfang-Verordnung.

Teil 2 folgt

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Auf dem Science-Blog „Meertext“ schreibe ich über meine Lieblingsthemen: Biologie, Zoologie, Paläontologie und das Meer. Wale, Fische und andere Meeresgetüme. Tot oder lebendig. Fossile Meere, heutige Meere und Meere der Zukunft. Die Erforschung, nachhaltige Nutzung und den Schutz der Ozeane. Auf der Erde und anderen Welten. Ich berichte regelmäßig über Forschung und Wissenschaft, hinterfrage Publikationen und Statements und publiziere eigene Erlebnisse und Ergebnisse. Außerdem schreibe ich über ausgewählte Ausstellungen, Vorträge, Bücher, Filme und Events zu den Themen. Mehr über meine Arbeit als Biologin und Journalistin gibt´s auf meiner Homepage “Meertext”.

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