Der furchtbarste Gottesstaat der Geschichte

BLOG: Landschaft & Oekologie

Unsere Umwelt zwischen Kultur und Natur
Landschaft & Oekologie

Dieser Beitrag ist off topic, es geht also nicht, wie sonst, um mein eigentliches Thema „Landschaft und Ökologie“ und auch nicht um den Naturalismus.

Ich weiche aus gebotenem Anlaß davon ab. Zur Zeit geht eine Welle der Islamfeindlichkeit durch das Land, auf den Straßen tobt ein – zahlenmäßig bisher glücklicherweise sehr kleiner – Mob und im Internet ein weit größerer, der den Islam als Religion des Krieges und des Terrors darstellt, der unser friedliches, zivilisiertes christliches Abendland überrollt und hier wie dort, wo er herkommt, mit der Errichtung von „Gottesstaaten“ droht.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin kein Pazifist, ich bin vielmehr der Meinung, daß der IS mit militärischen Mitteln nicht nur bekämpft, sondern vernichtet werden muß wie seinerzeit der Nationalsozialismus, ich halte es für dringend geboten, die Kurden mit Waffen zu unterstützen, und die Haltung der USA und vor allem die der Türkei halte ich für skandalös. Aber nun zu einem anderen Gottesstaat.

Es war der furchtbarste aller Zeiten, und er ist noch gar nicht so lange her. Die Schätzungen über die Zahl der Opfer – durch die Errichtung und die Vernichtung dieses Staates – reichen von 20 bis zu 50 Millionen. Das hat also die Größenordnung eines Weltkriegs. Dennoch hat in der europäischen und amerikanischen Kultur fast niemand davon gehört, bzw. man hat es erfolgreich verdrängt. Das ist kein Wunder, denn dieser Gottesstaat war nicht islamisch, sondern christlich. In aller Kürze (hier, in einem Artikel auf Zeit.de, findet man Näheres; die Literatur ist umfangreich):

Es handelt sich um das sog. Taiping-Reich bzw. den Taiping-Aufstand. Um 1850 bildete sich unter dem Einfluß vor allem amerikanischer Missionare in China eine radikale christliche Bewegung. Die “Gotteskrieger” eroberten rasch ein riesiges Gebiet und brachten jeden um, der sich nicht bekehren lassen wollte. Die Hälfte der Opfer ließ dabei ihr Leben. Die andere Hälfte wurde bei der Niederschlagung des Aufstandes durch die kaiserliche Zentralmacht getötet. Anfang der 60er Jahre war das „Himmlische Reich des ewigen Friedens“ vernichtet.

Die abendländischen christlichen Mächte waren anfangs angetan von dem, was da in China geschah, wandten sich davon aber später ab und beteiligten sich zum Teil an der Niederschlagung des Aufstands. Man fand so allerlei, was die Distanzierung erlaubte, was es ermöglichte, diese Religion als nicht wirklich christlich zu bezeichnen. Z. B. nannte sich der König dieses Staates bald “zweiter Sohn Gottes” (also nicht nur Stellvertreter Gottes); typische Sektenmerkmale halt, aber eben Merkmale einer christlichen Sekte.

Heutige Christen werden durch die Bank sagen: In der Tat, das war nicht christlich, das war eine Perversion des Christentums. Dieses ist eine Religion des Friedens und der Liebe, nicht des Terrors. Dann sollten sie aber so konsequent sein und das allen anderen auch zugestehen: Der IS ist nicht islamisch, sondern eine Perversion des Islam, der Stalinismus ist nicht kommunistisch, sondern eine Perversion des Kommunismus, die Zustände in den englischen Bergwerken und Fabriken des 18. Jahrhunderts, in denen kein Kind das Erwachsenenalter erreichte und die im Besitz liberaler Bürger waren, waren eine Perversion des Liberalismus. Historisch gesehen ist es jedoch leider anders gewesen, als es dem zugegebenermaßen im Kern oder von der Ursprungsmotivation her menschenfreundlichen Wesen dieser Religionen und Ideologien gemäß wäre.

Angemessener als sich im Namen eines wahren Christentums usw. von derlei Greueln zu distanzieren (was natürlich auch seine Berechtigung hat), als den Eindruck zu erwecken, damit habe man gar nichts zu tun, scheint es mir, sich den historischen Tatsachen zu stellen. Es waren Christen damals in China. Aus der gleichen Lehre, die manche dazu bringt, ein Leben in Nächstenliebe zu führen, zogen sie andere Konsequenzen, die sich offensichtlich auch ziehen lassen. Und aus der gleichen Lehre, aus der unsere wahren Kommunisten ihre humane Utopie entwickeln, gegen die Diktaturen in Südamerika um Freiheit kämpfen usw. zogen die Stalinisten andere Folgerungen. „Das waren welche von uns“ scheint mir die angemessene Haltung; saßen sie doch einige Jahrzehnte vorher noch im selben Raum, diskutierten und schmiedeten Pläne und merkten gar nicht, daß sie verschiedenen Lehren anhingen. Man lernt auf diese Weise, was das eigene Denken alles an Abgründen enthält, in die man leicht stürzen kann.

Was man aber vor allem lernen kann, ist dies: Auf die Lehre in der Undifferenziertheit, wie sie mit Begriffen wie Christentum, Islam, Kommunismus oder Liberalismus bezeichnet ist, kommt es im Hinblick darauf, ob die Lehre zur Begründung der schlimmsten Untaten taugt, praktisch überhaupt nicht an. In anderer Hinsicht können diese Unterschiede der Lehren natürlich schon von Bedeutung sein. Beispielsweise läßt sich die außerordentliche Dynamik der abendländischen Gesellschaft sicher nicht ohne Berücksichtigung der besonderen Struktur des christlichen Denkens, wie sie etwa der Islam oder der Hinduismus nicht hatten, erklären. Aber eben: Wenn es um die Begründung von Untaten geht, kommt es darauf nicht an. Aus der Lehre läßt sich das Gegensätzlichste machen, wenn man nur will; meist nicht ohne weiteres, es erfordert vielmehr oft langwierige Denkanstrengungen, erfordert den Umbau von nicht selten großen Teilen des Denkgebäudes, um wieder ein einigermaßen widerspruchsarmes Denken in dem jeweiligen System zu erlauben. Aber es ist nicht unmöglich, es gelingt oft genug. – Aber worauf kommt es dann an? Das hätte ich gern diskutiert.

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Ich habe von 1969-1973 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der FU Berlin Biologie studiert. Von 1994 bis zu meiner Emeritierung im Jahre 2011 war ich Inhaber des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der Technischen Universität München. Nach meinem Studium war ich zehn Jahre lang ausschließlich in der empirischen Forschung (Geobotanik, Vegetationsökologie) tätig, dann habe ich mich vor allem mit Theorie und Geschichte der Ökologie befaßt, aber auch – besonders im Zusammenhang mit der Ausbildung von Landschaftsplanern und Landschaftsarchitekten – mit der Idee der Landschaft. Ludwig Trepl

285 Kommentare

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  2. Die Anschläge in Paris stellen auch das Selbstverständnis des Westens in Frage – und das in doppelter Hinsicht. Einerseits in Hinsicht auf die Universalität der Ziele, die wir in unserer Gesellschaft anstreben und andererseits in Hinsicht auf die Reproduktionsfähigkeit und die Nachhaltigkeit unserer Gesellschaftsform.
    Für was kämpfen wir wirklich, wenn es um Wohlstand, Freiheit, Gleichberechtigung und Fortschritt geht?
    Wir hier haben fast alles: Freiheit, Reichtum, Frieden und können doch durch Terror begangen durch Wenige zutiefst verunsichert werden. Vor allem wenn wir den Anschlag als Angriff auf unser “System” auffassen. Denn für viele sind das Leben in Frieden und Freiheit selbstverständlich, gar langweilig geworden. Gerade auch weil wir glauben, besser gesagt vor den Anschlägen noch glaubten, die Geschichte auf unserer Seite zu haben. Eine Geschichte die zu immer mehr Optionen, Wahlfreiheit und Gleichberechtigung aller, auch der Frauen, der Homosexuellen, der Immigranten führe.
    Viele spüren in ihrem Leben aber wenig von Freiheit und Aufklärung und anderen zelebrierten Werten des Abendlandes. Immerhin haben wir
    den Kampf gegen die Sowjetunion schon gewonnen, weil der Westen und die Sowjetunion letztlich das gleiche Ziel anstrebten, nämlich Wohlstand für alle, aber nur der Westen diesem Ziel näher kam. Für die anderen Ziele und Werte aber, für Freiheit, Individualismus und Pluralismus kämpfen wir kaum, wir nehmen sie als selbstverständlich und viele fragen sich “Freiheit für was und wozu?”. Ist es die Freiheit zwischen 20 Automodellen und hunderten von Küchengarnituren entscheiden zu können? Letztlich dominiert eine Konsumhaltung. Doch Konsum allein befriedigt nicht. Damit einhergehend nimmt auch die Fähigkeit Konflikte zu erkennen und auszuhalten eher ab, was zu falscher Toleranz und Permissivität führt. Falsch, weil diese Toleranz und Permissivität das Resultat von Konfliktvermeidung und Problemleugnung ist. So tolerieren wir dann Zustände wie die Banlieues oder den empfundenen und auch praktizierten Judenhass der Muslime, weil es uns nichts angeht und wir uns bitte schön nicht darum kümmern wollen.
    Das Erstarken der Muslime, ihre mögliche zukünftige demographische Dominanz stellt aber auch die Zukunft unserer Gesellschaftsform in Frage. Doch darauf möchte ich später eingehen. Zuerst geht es mir um die Meinungsfreiheit.

    Freiheit der Rede versus Respekt für Andersdenkende
    Charlie Hebdo ist ein Kind der antiautoritären, provokativen, niemanden respektierenden 1968er Generation, einer Zeit die wir heute desillusioniert sehen und deren Nachfolger nun selber zum Establishment gehören. Doch vieles an der 1968er-Bewegung ist genuin westlich, individualistisch, aufklärerisch und stellt wie schon Sokrates alles lustvoll in Frage in einer Weise, die für andere schmerzhaft sein kann. Heute provoziert dieser Geist nicht mehr die Leute im Westen (nicht einmal die Konservativen) sondern alle Muslime[ 1] und besonders jene, die sich auf die Urtexte und die Urgesellschaft des Islam beziehen. Damit offenbart sich die tiefe Kluft zwischen der abendländischen Kultur und einer Kultur, die sich an ihrer Vergangenheit orientiert, weil sie keinen Weg in die Moderne gefunden hat.

    Dass fehlender Respekt für den Propheten in Fatwas und in Terrorakten, begangen in kaltblütiger Erhabenheit, mündet, ist nicht neu, wie die Fälle Salman Rushdie und Theo von Gogh, aber auch Jyllands-Posten und Hebdo (Brandanschlag 2011 nach Erscheinen von Charia Hebdo) zeigen.
    Wie reagieren? Wie die beiden Güter, Meinungsfreiheit und offene Rede auf der einen Seite, Respekt für Andersdenke auf der andern Seite, gegeneinander ausbalancieren.
    Die Antwort wurde von England, Frankreich, Deutschland und Kanada schon lange vor diesen Anschlägen und sogar vor dem zunehmenden Kultur-Clash zwischen Islam und Westen gegeben. Schon um Antisemitismus und um dem Holocaust-Leugnen entgegenzutreten wurde die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Am längsten hielt sich die bedingungslose freie Rede, auch die Irr- und Hassrede noch in Grossbritannien. Bis dann Tony Blair die Gesetze verschärfte um eine Handhabe gegen islamistische Hassprediger zu haben. Doch weder der Antisemitismus noch die Fanatisierung von Muslimen noch die Islamophobie wurden durch diese Einschränkungen der freien Rede wirklich zurückgedrängt. Lohnt es sich also nicht oder ist es sogar falsch, die freie Rede einzuschränken, selbst wenn es eine Hassrede ist? Historisch gesehen stimmt es, dass Hassreden und Verunglimpfungen Ereignissen wie dem Holocaust, der Vertreibung der Juden aus Spanien 1492 oder dem Bürgerkrieg in Ruanda zwischen Tutsis und Hutus vorausgingen. Nur wissen wir 1) nicht, ob Holocaust, Progrome und Rassenkriege ausgeblieben wären wenn es eine Zensur gegeben hätte und 2) waren die deutsche Vorkriegsgesellschaft, die spanische Gesellschaft zur Zeit der Inquisition und die ruandische Gesellschaft an und für sich nicht freiheitlich eingestellt. Möglicherweise wäre es besser, die bedingungslose freie Rede wieder zuzulassen unter der Voraussetzung, dass 1) es ein Gegendarstellungsrecht gibt und dass 2) dies in einer Zivilgesellschaft passiert, in der besonnene Leute sich dem Hass entgegenstellen.

    Steht der Westen vor dem Aus – so wie einst Rom
    Auch wenn die Angst davor, dass hier in Europa bald mehrheitlich Muslime leben, unbegründet ist, so könnte unsere Kultur und Zivilisation dennoch dem Untergang geweiht sein. Nur schon die niedrigen Geburtenraten weisen darauf hin. Das weckt ganz neue Ängste und Vorstellungen in uns. Könnte es sein, dass unsere Kinder als letzte Mohikaner durch das Leben ziehen, dass sie Europa sogar verlassen müssen oder sich einer neuen Mehrheitskultur anpassen und unterordnen müssen, die keine der Werte wie Freiheit, Individualität und Fortschritt hochhält. Was wenn es eben nicht so ist, dass wir Westler die hippen Menschen sind, die sich immer weiter vorantreiben, was wenn wir eher in der Situation von Briten kurz vor dem Untergang des Commonwealth sind? Das scheint zuerst vielen erschreckend. Doch es könnte so sein. Sich das bewusst zu machen kann uns auch anspornen bewusster zu leben und vom platten Konsumismus wegzukommen.

  3. Haben die Disputanten hier schon den Artikel zur Attrativität des IS in Spektrum.de, gelesen, freigeschaltet auf der homer-page von Scilogs? (“Islamischer Staat. Warum ist der Dschihad so anziehend?”)
    http://www.spektrum.de/news/islamischer-staat-warum-ist-der-dschihad-so-anziehend/1327255

    Er ist sehr interessant, weil er den dunklen Seiten des Menschen nachspürt und dabei u.a. auch auf die Theorie des Erhabenen von Burke zurückgreift, den ich bislang mehr mit Ästhetik als mit Poltiik in Verbindung gebracht habe (ich habe ihn aber bislang auch nur in kurzen Auszügen gelesen).

    • “nun, wenn Sie bei den Pfingstbewegungen so streng sind, dann…”
      würde ich sie auf der Ebene, um die es bei der Verdrängung der Erinnerung an das Taiping-Reich geht, selbstverständlich zu den Christen rechnen.

  4. Vom Beitrag von @Irena möchte ich einiges unterstreichen.

    Auch ein Breivik hätte, würde man ihm ein weiteres Opfer zu den 77 zur Last legen, Anspruch auf eine angemessen genaue Untersuchung der Anschuldigung. Kann diese im Fall “Taipeng” als geleistet gelten?

    Die Lehre von “Taipeng” scheint mir (ich möchte das noch einmal sagen), auch wenn sie christliche Versatzstücke enthält, weit entfernt von allem, was als “christlich” gelten kann, auch weit entfernt von den jenseits der Anerkennungsgrenze sich befindenden dem Christentum benachbarten Religionen wie Zeugen Jehovas und Mormonen. (Wer bezweifelt die Christlichkeit der Pfingstbewegungen?)

    • „Die Lehre von “Taipeng” scheint mir (ich möchte das noch einmal sagen), auch wenn sie christliche Versatzstücke enthält, weit entfernt von allem, was als “christlich” gelten kann“

      Es mag ja sein, daß eine vernünftige Untersuchung zu diesem Ergebnis käme. In meinem Nordkorea-Beispiel käme eine vernünftige Untersuchung auch nicht zu dem Ergebnis, daß die dortige Staatsdoktrin irgend etwas mit dem Marxismus und über diesen mit der europäischen Aufklärung zu tun hat. Aber auf anderer, politischer Ebene, nicht der Ebene, auf der man Theorien als Theorien vergleicht, gibt es eben doch Verbindungen. Mein Hauptpunkt bleibt aber nach wie vor die Motivation, aus der heraus man das vergißt: Es soll nichts mit uns zu tun haben, man will davon nichts wissen. Da reicht es, wenn der Name Christentum fällt.

      Wer bezweifelt die Christlichkeit der Pfingstbewegungen?“

      Ich. Wenn man einmal diesen auf individuellen Erfolg getrimmten amerikanisierten heidnischen Hexenzauber in Film oder im Leben gesehen hat, dann kann man doch gar nicht mehr auf den Gedanken kommen, das hätte irgendeine Ähnlichkeit mit dem, was man unter Christentum kennt; auch zu dem, was zu den historischen Wurzeln solcher Bewegungen gehört, etwa dem Pietismus, sind die Verbindungen ganz, ganz dünn.

  5. „Sie meinen, vom Taiping-Reich weiß keiner, weil es sich in einer fremden Kultur abspielte, auch wenn der Anstoß von Amerika ausging.“

    Nein, nicht das meinte ich. Ich hatte schon in meine erste Post beschrieben das Beispiel/Assoziation mit der Entdeckung Amerika. Es war die Wikinger, die es erstmals entdeckten. Dennoch erst seit Kolumbus begann das „Ping-Pong-Spiel“ der Wechselwirkung, das Amerika und Europa zum Ganzen verband. Und zwar auf viel engere Weise als es in Orient und fernen Osten passiert.

    So etwa eine Entdeckung eines Wissenschaftlers, die er in einer Schublade bewährt, ist noch keine Entdeckung. Sie muss von der Gesellschaft bzw. Wissenschat wahrgenommen werden. Es war aber mit Taiping-Aufstand eben nicht der Fall. Darum geht mir.

    Man kann eine wissenschaftliche Entdeckung auch nach vielen Jahren seit dem Tod des Urhebers finden und veröffentlichen. Auf die Weise wird es doch wahrgenommen. Es ist anscheint gerade, was Sie tun wollen. Dennoch wie schon gesagt, finde ich die Wahrnehmung, die sie erzeugen wollen, fragwürdig. Es muss noch bewiesen werden, dass die Taiping-Aufstand im Namen des Gottes geführt wurde. Aus meiner genannten Lektüre habe ich es nicht entnommen. Das Gegenteil, man sieht politische soziale Ursachen… Zum Anderem die Frage lautet, wo endet eine Religion und beginnt die andere. Auch Judentum, das Christentum und Islam inspiriert hat, wurzelt in noch tiefere Vergangenheit. Die Grenzen verschmelzen, gerade wenn man ideellen Inhalt betrachtet…

    —–
    In Ihren Antwort schreiben Sie viel mit „hätte“, „wäre“. Es mag intellektuell ein Spaß zu machen, mit Geschichte hat es nicht zu tun. Es ist so passiert, wie es passiert. In Westen man hat kaum Kenntnis von dem Aufstand bekommen. Es war kein Internet, Telefon, Radio, Fernseher, Photo-, Videoaufnahmen-Möglichkeiten, meistens Menschen waren analphabet. Westen war mit seinen Problemen beschäftig: die Verarbeitung der französischen Revolution, der Aufstände, die wie Lauffeuer gerade um dieser Zeit sich ausbrachten. Die Monarchien hätten Angst für ihre Existenz (vielleicht auch deshalb Solidarität mit Qing-Monarchie), das Christentum hat seine Führerschaft aufgegeben. Wem sollte die spärliche Nachrichten aus fernem China auf diesem Hintergrund interessieren?! Wem sollten sie Erwecken für die Verantwortung?


    Und am Ende noch eine Bemerkung, die ich vorher versäumt hatte. Im Grunde versuchen Sie aus der gleiche Perspektive Geschichte zu betrachten, wie es derzeitige antiislamistische Bewegungen machen. Nur s. z. aus negativ-Perspektive, also müssen Christen ihre eigene Vergangenheit verarbeiten, bevor auf Andere mit Finger zeigen. Ich denke, es ist ein Irrweg, weil im Grunde übernehmen Sie ihre Denkschemata. Da müssen Sie auch nicht wundern, wenn Diskussion abgedriftet worden ist.

    Der Akzent muss liegen, dass die Absolitisierung JEDER Idee (nicht nur religiöser!) ist verheerend. Ich hatte eine sehr nachdenkliche Diskussion über die Bewertung eines Überläufers aus DDR, der auf dem Weg 2 Patrouille-Menschen erschossen hat. Es war erstaunlich viel, die mit These einverstanden waren, dass der, wer in Weg zur Freiheit steht, kann bzw. darf erschossen werden. Wenn ich solche extreme Ansichten treffe, bin ich fassungslos und kann nur sagen: ich will in dieser Welt der Freiheit nicht leben.

    Nicht das Täter, der eigentlich als gewöhnlicher Krimineller sich entpuppt hat, macht mich fassungslos. Es sind die Menschen, die die Rechte des Menschen (eine Idee, ein Ideal) stellen über das Leben des Menschen. Auf diesem Hintergrund relativiert sich der religiöse Hintergrund der islamischen Terroristen.

  6. Frohes neus noch Herr Treppl!
    Was folgt sind 2 einigermassen passende Fragmente aus Blogkommentaren zweier unterschiedlicher Blogs, geschrieben noch vor den jüngsten Ereignissen in Belgien. Dies als eine art Antwort auf Ihren Verdacht bezüglich “Zur Zeit geht eine Welle der Islamfeindlichkeit durch das Land,” Meiner Meinung nach ordnen Sie das nicht richtig ein und richten mit Ihrer pauschalierenden Haltung auf allen Seiten mehr Schaden Nutzen an, denn bestehende Probleme müssen angesprochen werden dürfen, ohne gleich als Rassist oder Rechtsradikaler diffamiert zu werden.
    Blogkommentator DH
    “Schon paradox , weil die Kritik an Migranten schwer gemacht wird , kann sich Antisemitismus in neuerer Form ausleben , die politische Korrektheit schützt die Antisemiten , weil sie keine Faschisten aus dem Abend- sondern aus dem Morgenland sind.”
    meine Antwort:
    So sieht es aus. Ich denke es gehört schon ein gewisser Mut dazu sich in bestimmten Vierteln von Paris Brüssel oder auch Berlin als Anhänger jüdischen Glaubens kenntlich zu machen. Das darf doch nicht wahr sein!
    Kein Mut gehört hingegen dazu, hierzulande alles was mit Pegida zu tun hat pauschal in die rechtsextreme Schublade zu stecken. Da kann man sich mit gerechtem Zorn als guter und weltoffener Demokrat fühlen ohne weiter zu differenzieren. Nicht dass bei den Pegidaaufmärschen nicht auch stramme Antisemiten, Islamophobe oder auch lupenreine Rassisten mitliefen. Es dürfte jedoch jeweils eine Minderheit sein, pro Individuum unterschiedlich ausgeprägt. Allen gemein dürfte eine gewaltige Politikverdrossenheit sein. Und falls man die Gründe hierfür weiterhin ignoriert bekommt man in Deutschland nicht nur einen politisch gestärkten Bernd Lucke, sondern womöglich einen Geert Wilders. (Flexibel wie Lucke ist, kann der auch ganz schnell mutieren fürchte ich)
    Blogkommentator Heino
    “Ich halte es mit Sinn, der über Einwanderer sagt, “Ich vermute per Saldo immer noch einen großen Gewinn”. Dennoch gibts auch, wenn man nicht saldiert, einen Teilbereich, wo es einen Verlust gibt. Wieso braucht man für diesen Teilbereich keine Anpassung der Politik? Wieso reicht es hier, wenn man lediglich das Bewusstsein für das Fehlen eines Problems schafft?”
    meine Antwort
    Ja, das ist es, was ich auch nicht verstehe. Deutschland profitiert enorm von qualifizierten und/oder hochmotivierten Einwanderern. Und genau diese leiden am meisten darunter, wenn keine notwendigen Anpassungen stattfinden. Es gibt massenhaft Beispiele von Flüchtlingen die in kürzester Zeit Deutsch lernen, einen Job bekämen, wenn sie denn dürften, die aber nach Rechtslage wieder “nach Hause” geschickt werden. Auf der anderen Seite gibt es offensichtlich auch einen Asylmissbrauch. (Missbrauch im rechtlichen Sinne. Verständnis habe ich für jeden, der hier sein Glück sucht weil er zu Hause keine Perspektive sieht.)Zumeist handelt es sich um junge Männer die Ihre Pässe verbrennen. Die haben ja nur die Wahl kriminell zu werden, oder sie werden abgeschoben. Natürlich gibt es hier Handlungsbedarf.
    Ich erinnere mich an einen jungen sympathischen Kollegen aus Marokko, es ist etwa 5 Jahre her. Er sagte, ohne dass jemand das Thema angeschnitten hätte, er schäme sich für viele Marokkaner die sich hier (Frankfurt) herumtrieben, diese wären Kriminelle und würden auch in Marokko keinen Job finden. Ich war damals ziemlich perplex und es tat mir vor allem leid, dass er glaubte sich irgendwie vor uns Eingeborenen rechtfertigen zu müssen.
    Etwas dezidierter zum Thema notwendige Modernisierung des Islams, ein Interview mit dem liberalen Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide aus der FAZ
    http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/interview-mit-islamwissenschaftler-khorchide-13369952.html

    • Sie zitieren @DH:
      Ludwig Trepl, @ ralphg:

      
”Schon paradox , weil die Kritik an Migranten [gemeint sind nicht Migranten, sondern Immigranten] schwer gemacht wird, kann sich Antisemitismus in neuerer Form ausleben, die politische Korrektheit schützt die Antisemiten, weil sie keine Faschisten aus dem Abend- sondern aus dem Morgenland sind.”


      Ich gebe @DH völlig recht. Was man „politische Korrektheit“ nennt, ist eine Pest. Und in der Tat: In den islamischen Ländern hat sich ein Haß gegen die Juden aufgebaut, der für diese äußerst gefährlich ist. Dennoch, man darf nicht gleichsetzen, was nicht gleichzusetzen ist: Man darf nicht der Religion des Islam die Schuld geben. Denn es ist kein wie auch immer begründeter religiöser Antijudaismus. Für die Moslems waren die Juden nicht das Volk der Gottesmörder, wie sie es für die Christen an die 2000 Jahre lang waren. Die Juden waren einfach Ungläubige mit Buchreligion wie etliche andere auch und wurden entsprechend als Untertanen minderen Ranges behandelt.

      Mit dem Rasse-Antisemitismus des NS hat der heute in den islamischen Gesellschaften aufgekommene Judenhaß auch nichts zu tun, er ist von völlig anderer Struktur. Für den NS steckt das Judentum in der Natur (Rasse) des Juden, es ist auf keine andere Weise als durch dessen physische Vernichtung zu besiegen. Für den christlichen Antijudaismus wie für den islamischen, ja auch für den heute unter Moslem verbreiteten Judenhaß gilt das nicht: Die individuelle Bekehrung ist ein Ausweg. Man darf das nicht billigen, weil es nämlich der einzige Ausweg ist, aber man darf auch nicht den gewaltigen Unterschied übersehen.

      Der heutige Judenhaß in den islamisch geprägten Ländern hat eine ganz andere Ursache: einen konkreten Konflikt um ein Stück Land. Das Ausmaß des sich daraus entwickelnden Hasses mag dennoch nicht geringer sein, als wenn noch religiöse und ideologische Begründungen dazukommen, das zeigt die Geschichte an vielen Beispielen, wo sich an einem von beiden Seiten beanspruchten Stück Land – oft mythologisch überhöht – blutigste Feindschaft aufbaute.

      Aber dennoch: Praktisch-politisch hätte eine Niederlage Israels sehr wahrscheinlich Folgen, die einem zweiten Holocaust nahekämen. Eine (weitere) Niederlage an Israel angrenzender arabischer Staaten hätte solche Folgen nicht. Für mich hat das – damit hier keine Unklarheiten aufkommen – (ethisch) notwendige politische Konsequenzen: Israel muß hochgerüstet sein, so daß es, wie bisher, unbesiegbar ist. Man kann meinetwegen gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete sein, aber nicht gegen Waffenlieferungen an Israel. Das ist unabhängig von einer besonderen deutschen Verantwortung.

      Was man gegen die Bedrohung der Juden durch Muslime auf europäischen Straßen tun sollte, darum geht ja die ganze Diskussion zu diesem Blogartikel, jedenfalls die Diskussion, die ich anstoßen wollte. Da kann es nicht gegen eine Religion gehen, sondern nur gegen Fanatismus jeder Art.

  7. Sie meinen, vom Taiping-Reich weiß keiner, weil es sich in einer fremden Kultur abspielte, auch wenn der Anstoß von Amerika ausging. Aber nun stellen Sie sich doch mal die einfache Frage:

    Was wäre, wenn diese Bewegung auf islamische Missionare zurückgegangen wäre und ansonsten die Geschichte – was ja alles andere als undenkbar wäre – ganz genauso abgelaufen wäre? Gerade heute wären die Zeitungen und vor allem die Internetkommentare voll davon.

    Sie betonen immer, daß die Taipingbewegung nicht auf die westliche Kultur gewirkt hat. Darum geht es doch gar nicht, sondern daß sie auf das Selbstverständnis der Christen hätte wirken müssen.

    Ja, natürlich, „Auf westliche Seite sahen einige, insbesondere Missionare, in den Taiping die Gründer eines neuen, christlichen Chinas“, und es waren nur einige. Es wären viel mehr geworden, wenn sich die Sache anders entwickelt hätte, wenn man gesehen hätte, daß die kaiserliche Regierung ohnehin keine Chance hat, diese Bewegung aufzuhalten. “Die Tatsache, dass auf der Seite der Qing-Regierung westliche Söldner (mit der Duldung ihrer Regierungen) gekämpft hatten, zeigt auch nicht gerade, dass man „gemeinsame Verantwortung“ trug.” Natürlich trug der Westen keine gemeinsame Verantwortung damals, zumal die ganze Zeit durch, der verhielt sich, wie es gerade opportun war.

    Aber wie kommen Sie darauf, daß das mit der gemeinsamen Verantwortung so gemeint gewesen sein könnte? Die Christen tragen eine gemeinsame Verantwortung für alles, was die Christen anrichten, auch z.B. heute für christlich begründete Todesurteile gegen Homosexuelle in Afrika. Natürlich muß man sich davon distanzieren, aber nicht in der Art “damit habe ich nichts zu tun, das sind andere”. Das gilt, nebenbei, für den Islam ganz genauso. Natürlich trägt er als ganzes eine Verantwortung dafür, daß es den IS gibt, daß so etwas aus seinen Reihen entstehen konnte. Natürlich ist es andererseits auch richtig zu betonen: Der wahre Islam ist anders; aber er hat die Pflicht, sich um die Ursachen dessen zu kümmern, was alles in seinem Rahmen möglich wurde. So wie auch die heutigen Linken die Pflicht haben, sich darum zu kümmern, wie all das möglich wurde, begründet mit Einsichten, die sie doch jetzt noch teilen, was da vor einigen Jahrzehnten geschah.

    • “Die Christen tragen eine gemeinsame Verantwortung.” Aber wo sind die Christen? Und wo die Muslime? Die sogenannten Muslime in Deutschland sind zu weniger als der Hälfte religiös und wie es bei den Christen steht kann man ja aus dem Bekanntenkreis erfahren.

      Heute trägt diese gemeinsame (und letztlich sogar jede Verantwortung) wohl die Weltgemeinschaft. Die Idee einer Weltgemeinschaft lebt in einigen UNO-Organisationen und dem Vokabular und der Sprache die dort für Weltangelegenheiten geschaffen wurde.

      Leider wird diese von humanitären Ideen getragene Vision gerade heute auf die Probe gestellt durch Bevölkerungsgruppen, die vorgeben nichts zu halten von Freiheit, Demokratie, Menschenrechten und Fortschritt. Vielleicht sind es nur selbsternannte Sprecher, die auf Freiheit und Demokratie spucken, vielleicht aber ist dieser Verzicht auf Demokratie, Freiheit und ein Leben unter Menschenrechten ein Wunsch vieler.

  8. „Interessant ist aber vor allem der Abwehrreflex, der sich in Ihrem Kommentar zeigt; Ich habe oben schon mal darüber geschrieben: Um Gottes Willen, damit haben wir nichts zu tun.“
    Da haben Sie mich falsch verstanden. Es war ein Funke des Christentums, ohne Frage. Nur schreiben Sie „verdrängen der Ereignisse“. Was verdrängt man? Erst wusste man nicht, weil man sich nicht direkt betroffen fühlte. Es ist doch normal, dass man für eigene Geschichte mehr interessiert als für fremde. Beginnt man für fremde sich interessieren, dann nimmt man zum Kenntnis.
    Mit der „Verdrängung“ interpretieren Sie schon, dass die Taiping-Bewegung auf irgendwelche Weise auf westliche Kultur gewirkt hat und wir nur verdrängen es.
    „”man verstand sich als Christen und wurde in den christlichen Ländern auch so verstanden. Es gehört in die gemeinsame Geschichte all derer, die sich Christen nennen, in die gemeinsame Verantwortung.”„
    Ich habe ihren Artikel kurz nach der Lesung der Geschichte des 19.Jhd von J. Osterhammel entdeckt. Daher hatte ich schon über Taiping-Aufstand gewusst. Er schreibt, dass Taiping war eine charismatisch inspirierte Bewegung, aber keine messianische Sekte… Auch über angeblich „in den christlichen Ländern so verstanden“ hält sich nach dieser Quelle nicht aufrecht: „Auf westliche Seite sahen einige, insbesondere Missionare, in den Taiping die Gründer eines neuen, christlichen Chinas“. Die Tatsache, dass auf der Seite der Qing-Regierung westliche Söldner (mit der Duldung ihrer Regierungen) gekämpft hatten, zeigt auch nicht gerade, dass man „gemeinsame Verantwortung“ trug.
    “…anders als etwa die Massaker der Spanier unter den südamerikanischen „Heiden“, von denen weiß im Abendland jeder.
    Sehen Sie kein Unterschied, ob es eine westliche Idee von lokalen Kräften mißbraucht für einen Blutbad wurde oder wenn die Westler (s. z. in ihrem materiellen Gestalt) diesen Blutbad einrichten? Zum Anderem hat Niederlassung der Spanier es zum Teil unserer Kultur gemacht, wenn es auch durch Befruchtung mit indigene Kultur eine Variation würde.

  9. Das Taiping-Reich entspricht dem heutigen Kalifat. Christentum (Taiping) und Islam (Kalifat) können also ähnliche Monster gebären. Dies ist die Aussage von Hans Magnus Enzensberger in seinem Spiegel-Essay (gedruckter Spiegel)Der vergessene Gottesstaat

    Man hat dem Anführer des Taiping-Aufstands Hong Xiuquan vorgeworfen, dass sein Kreig um Rückfall in ein “finsteres Mittelalter” führe und China ins Chaos stürze. Aber das war nur die halbe Wahrheit; denn ganz im Gegenteil war er bestrebt, ein funktionierendes Staatwesen aufzubauen, In siner Hauptstadt umgab er sich mit ienem Stab von Ministern, Beratern und Bürkokraten. …

    Ganz ähnliches wird vom neu errichteten Kalifat im Irak und Syrien berichtet. Und wiederum analog zum islamischen Staat lassen sich durchaus Verbindungen zwischen Christentum und Taiping-Reich herstellen

    Doch Buch und Schwert waren nicht Hong Xiuquans einzige Waffen. Auch auf alte Vorstellungen des Urchristentums griff er zurück und erklärte: “Das Land soll von allen bebaut, der Reis von allen gegessen, die Kleidung von allen bebaut, der Resi von allen gegesen, die Kleidung von allen getragen und ds Geld von allen ausgegeben werden.”

    Ähnlich wie heute die Hisbollah im Libanon, liess Xiuquan (Taiping-Herrscher) für die Kranken Spitäler bauen. Um für den Nachschub zu sorgen, legte er Strassen an. Frauen wurden zum Gehorsam angehalten aber auch als Attentäterinnen eingesetzt.

    Was will uns Hans Magnus Enzensberger sagen und was können wir selbst aus den Parallelen schliessen. Wohl dies: Jihad und islamischer Staat sind nicht allein mit dem Konstrukt Islamismus/Islam zu erklären. Der Taping-Aufstand entstand wie der Jihad und islamische Staat in einer Zeit der sozialen und politischen Verwerfungen und beide benutzen/benutzten die Reiligion als Ordnungsinstrument mangels anderer Instrumente in einer Umgebung wo Vertrauen fehlt und der Staat schwach ist (das war der damalige chinesische Staat).

  10. Vergessener Taiping-Aufstand

    Derzeit ist in den Medien ja wieder des Öfteren von religiös motivierten Gewalttaten die Rede. Bezogen auf das Christentum scheint in der Tat der Taiping-Aufstand (bislang?) kaum eine Rolle zu spielen. Erwähnt wurden z. B. in einer Fernsehsendung stattdessen die Kreuzritter und der Nordirlandkonflikt.

    Ich habe mal in (einfachen) Lexika aus den 1070er Jahren nachgeschaut. In einem findet man zum Stichwort Taiping u.a.:

    … die Losung des chin. Bauernaufstandes 1850-54 [sic!] (Taipingbewegung), der v. a. agrarkommunist. Ziele verfolgte.

    In einem anderen Lexikon hatte die Taiping-Revolution immerhin einen eigenen Eintrag. Ein Auszug (unter Auslassung von Zeit und Ort):

    […] Unter ihrem Führer, Hung Siukiian, wurden, beeinflußt von christl. Ideen, in dem von Rebellen beherrschten Gebiet revolutionäre soziale Maßnahmen durchgeführt (u. a. gemeinsames Eigentum, Landreform, Gleichstellung der Frau). Die Revolution, deren Ablauf u. Unterdrückung 20 Mill. Menschen das Leben gekostet haben soll, wurde von Truppen des Kaisers mit Unterstützung von England u. Frankreich niedergeschlagen.

    Das religiöse Moment spielt in diesen beiden Einträgen demnach eine untergeordnete Bedeutung. Wie kam es zu dieser Einschätzung? Wurde vielleicht, speziell aus westlich-christlicher Sicht, die christlich-religiösen Aspekte des Aufstandes mehr als Mittel zum (weltlichen) Zweck gesehen, aber nicht als wesentliches Ziel (also die Errichtung eines „Gottesstaates“)?

    Bei Schilderungen von historischen Ereignissen stellt sich ja generell die Frage, wo die Tatsachen enden und die Interpretationen und Wertungen beginnen.

    • Ludwig Trepl, @Balanus:

      „Das religiöse Moment spielt in diesen beiden Einträgen demnach eine untergeordnete Bedeutung. Wie kam es zu dieser Einschätzung?“

      Das findet eine einfache Erklärung: Die Einträge stammen aus den 70er Jahren. Kein Religionskrieg, auch die europäischen des 17.u 18. Jahrhunderts nicht, wurden damals, jedenfalls in den Publikationen mit einiger Verbreitung, als Religionskriege erklärt – nach dem Marx’schen Basis-Überbau-Muster. Es ging immer um Politisches, Ökonomisches und Soziales, die Beteiligten deuteten das halt dann mit den Mitteln, die für sie zufällig bereitlagen, und die waren früher im allgemeinen religiöser Art.

      Das ist ja auch nicht falsch, aber es übersieht das Eigengewicht des Religiösen für die Beteiligten. Wir können uns heute keine Vorstellung mehr davon machen, in welchem Maße die Sorge um das Seelenheil, die Angst vor der ewigen Verdammnis oder die Aussicht auf die ewige Glückseligkeit des Denken und das Fühlen der Menschen bestimmten. Und wenn dann einer kommt und sagt, es ist vergebliche Mühe, um das zu erlangen der Kirche möglichst viel Geld zu spenden, wenn er sagt, Gott ist gnädig – wenn ihr nur recht glaubt, dann konnte das eine gewaltige Wirkung haben. Symbolische Kleinigkeiten wie „Abendmahl in beiderlei Gestalt“ erhielten dadurch eine realpolitische Bedeutung, die keineswegs hinter der zurückstehen mußte, daß man eventuell durch die Aufteilung des Landes der Großgrundbesitzer profitiert.

      Erklärungsbedürftig scheint mir dagegen, daß man sich heute, wo man wieder heftig um den Eigenwert des Religiösen diskutiert und der „Kampf der Kulturen“ wieder Aufschwung hat, der Taiping-Aufstand als Religionskrieg weiterhin (vollständig, ein Enzensberger bringt da keinen Sommer) vergessen blieb. Da scheint mir die einzige einleuchtende Erklärung, daß das Abendland halt ein Interesse an der Verdrängung hat, gerade heute, wo die Hetzpropaganda in die Richtung geht, daß es nach den Juden und den Russen wieder einen neuen Urgrund von allem Bösen gibt, den Islam.

  11. @Ludwig Trepl
    “Erwartet hatte ich auch, daß man das vollständige Verdrängen jener Ereignisse in China in der gesamten westlichen Welt für diskussionswürdig hält (garantiert hat niemand unter den Lesern je davon gehört, die meisten werden sich wohl in ein paar Wochen nicht mehr erinnern). Doch darauf ging nicht einer ein”
    Ich habe zu spät Ihren Artikel entdeckt. Ich denke, es geht weniger um Verdrängen. Es geht um die Auswirkung der Geschehnisse auf die Kultur, die dem ein Anstoß gab. Ich meine das Christentum, das den Führer des Taiping-Aufstandes inspiriert hat. So ähnlich, mag es auch Andere sein, die Amerika erst betreten haben, dennoch entdeckt hat es Columbus, weil das Geschehen eine Rückkoppelung auf die Kultur der Entdecker geschafft hat. Im Gegensatz zur seinen Vorgängern, deren Entdeckung sich im Nebel aufgelöst hat. Eine Entdeckung wird erst zur Entdeckung, wenn sie von Umwelt als solche zur Kenntnis genommen wird (=hat auf sie Auswirkungen). So ist Taiping-Aufstand, obwohl es das blütigste bekannte Bürgerkrieg war (man rechnet mit 20-30 Mio Opfer und es mit Technik des 19.Jhd.!!!) nur von seiner unmittelbaren Umwelt „zum Kenntnis“ genommen war. Auf europäische Gesellschaft hatte es keinerlei Auswirkungen.

    Zu sagen, dass es eine Sekte des Christentums war, ist auch zweifelhaft, besonders wenn man davon ableiten will, wie blutig das Christentum seinerzeit war. Da sehe ich die Brutalität eher daran, dass hier auf einem historischen kulturellen Boden zwei(!) Religionen – alte und neue – zusammenstößen. Der Anführer hat sich als junge Bruder von Jesus Christus gesehen. Ich würde eher es als ein gescheiterter Versuch neue Religion zu gründen. Letztendlich begann auch Christentum als eine Sekte. So war auch Islam eine Sekte, die von Judentum inspiriert wurde.

    Im Grunde aber ich bin ihrer Meinung: das Christentum kann keineswegs als „unschuldig“ betrachten werden. Es war zu viel Blut vergossen im Namen des Christus. Nur denke ich eben nicht, dass Taiping-Aufstand geeigneter Beispiel dafür ist.

    • @Irena.

      Der Taiping-Aufstand ist gewiß kein typisches Beispiel für die blutige Geschichte des Christentums, aber er ist doch das blutigste Beispiel, und er ist noch nicht lange her, und er ist vollkommen vergessen – anders als etwa die Massaker der Spanier unter den südamerikanischen „Heiden“, von denen weiß im Abendland jeder. Man kann davon in der Tat nicht ableiten, „wie blutig das Christentum seinerzeit war“, denn es war untypisch. Die typischen blutigen Exzesse, die durch der Christentum begründet waren, waren vorbei, das Christentum hatte seine Rolle als kulturelle Führungsmacht in Europa bereits verloren und spielte, was nun wieder die blutige Seite angeht, nur eine Begleitrolle für die ökonomisch (liberal und auch rassistisch) begründeten Greuel etwa in Afrika (Kongo).

      Aber das Taiping-Reich war doch vom christlichen Amerika aus inspiriert, man verstand sich als Christen und wurde in den christlichen Ländern auch so verstanden. Es gehört in die gemeinsame Geschichte all derer, die sich Christen nennen, in die gemeinsame Verantwortung. Sie sehen die „Brutalität eher daran, dass hier auf einem historischen kulturellen Boden zwei(!) Religionen – alte und neue – zusammenstoßen.“ Das kann man so nicht sagen. Es gab dort kein alte Religion in dem Sinne, wie wir das im Westen gewohnt sind. Es gab parallel mehrere Weltanschauung, Weisheitslehren und Ritalsysteme, die man durchaus mischen konnte. In dieses Geflecht hätten sich die Taiping-Christen einfügen können, aber das taten sie nicht.

      Daß man in so einem Sekten-Christentum Merkmale findet, die einem, von den offiziellen, mehr oder weniger staatschristlichen Gewohnheiten her gesehen nicht so recht christlich vorkommen wollen („Der Anführer hat sich als junge Bruder von Jesus Christus gesehen“) ist für das Sektenchristentum normal. Bei der heute bei weitem am schnellsten wachsende christliche Bewegung der Welt, die nach ernstzunehmenden Prognosen bald die zahlenmäßig stärkste Konfession der Welt sein werden, den Pfingstlern, haben viele „normale“ Christen auch ein Problem damit, sie als Christen zu akzeptieren.

      Interessant ist aber vor allem der Abwehrreflex, der sich in Ihrem Kommentar zeigt; Ich habe oben schon mal darüber geschrieben: Um Gottes Willen, damit haben wir nichts zu tun. Ich kenne das an ganz anderer Stelle von mir selbst: Man verweist auf Nordkorea. Das ist ein sich marxistisch begründender Staat, und der Marxismus ist eine der prominenten Resultate der europäischen Aufklärung. Da kann man sehen, wohin die Aufklärung führt. So kann man es von konservativer Seite immer wieder hören. Reflexartig verteidige ich meine Aufklärung: Was hat Nordkorea mit dem Marxismus zu tun? Dieses Land ist doch eine orientalische Despotie, die sich aus irgendwelchen außenpolitischen Gründen das Wort „Marxismus“ aufgeklebt hat, ohne daß das von Bedeutung wäre. So ist unsere Aufklärung wieder reingewaschen. Man soll aber lieber den Balken im eigenen Auge suchen statt den Splitter im Auge des Nachbarn.

      • “Der Taiping-Aufstand […] ist vollkommen vergessen”

        Hans Magnus Enzensberger erinnert sich an die Geschichte. Er beschreibt den Aufstand im neusten Spiegel einem Millionen-Publikum.

  12. Ludwig Trepl, @Holzherr: Historische Schuld und Personifizierung.

    Ich halte nichts davon, historischen Personen in der Weise, wie Sie es permanent tun (…dass der Prophet Spötter getötet hat oder Martin Luther gegen die Juden anschrieb ….”), besondere Schuld zuzuschreiben. Weil Sie da sehr hartnäckig sind, will ich meine Gründe etwas erläutern. Es sind vor allem zwei, und zwar von ganz verschiedener Art.

    Erstens, man lenkt von der eigenen Schuld ab. Hitler hat den Krieg angefangen, Hitler hat die Juden umgebracht usw. – man kennt das ja. So redeten die Deutschen und so reden sie zum Teil immer noch, um davon abzulenken, daß sie, die Deutschen (was natürlich nicht heißt, jeder einzelne) es waren, nicht ein Einzelner (eher gegen ihren Willen). Die Christen waren allesamt Judenhasser, manche ein wenig mehr, manche ein wenig weniger als Luther, aber im Prinzip unterschied man sich da kaum. Davon soll der ständige Verweis auf Luther ablenken, der nur das Pech hat, berühmt zu sein.

    Zweitens, bezogen auf Mohammed ist das eine ganz unhistorische Betrachtungsweise. Die Schriften, die man ihm zuschreibt, sind Dokumente des Übergangs von Stämmen von einem barbarischen Zustand in den eines Kulturvolkes, so gesehen durchaus vergleichbar mit der Ilias oder dem Nibelungenlied oder auch den fünf Büchern des Moses. Solche Texte bestehen aus mythischen Welterklärungen, aus Götter- und Heldensagen und aus mehr oder weniger historischen Berichten. Die Helden waren für einen heutigen Menschen so gut wie alle Monstren schlimmster Art. Achilles metzelte alles nieder, was ihm vor die Speerspitze kam, und dafür wurde er von dem Kulturvolk der Griechen über tausend Jahre aufs Höchste verehrt. Und auch wenn er nichts als eine Erfindung gewesen sein sollte: Die realen Helden, an die sich die Dichtungen anlehnten, waren ganz genauso.

    Die Situation bei der Entstehung des Islam war aber in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Vor allem die geographisch-kulturelle Umgebung – im wesentlichen christlich und „zivilisiert“ – machte den Unterschied aus. Darum ist das Gründungsdokument des Islam auch nicht einfach ein Heldenepos plus Göttermythen, sondern eine heilige Schrift, die mit den bestehenden heiligen Schriften konkurrierte.

    Und diese Mohammed zugeschriebene heilige Schrift war von gewaltiger historischer Wirkung, und zwar vor alem von positiver. Sie formte in extrem kurzer Zeit aus Barbarenstämmen ein Staatsvolk. Nicht wie bei Dschingis Khan zogen sich die Stämme in ihren alten barbarischen Zustand zurück, nachdem sie die halbe Welt unterworfen hatten. Sie gingen auch nicht wie spätere Mongolen (in China) oder etliche Germanenstämme in den unterworfenen Kulturvölkern auf. Sondern sie schufen ein Reich, das nicht nur riesig und übermächtig war, sondern für ein halbes Jahrtausend eindeutig die kulturelle Führung (zumindest westlich von China) übernahm. Nichts von dem, was später, ab dem Hoch- und Spätmittelalter, als „Fortschritt“ begann und sich im „Abendland“ abspielte, wäre möglich geworden, wenn nicht in der Zeit größter geistiger Finsternis in Europa in den islamischen Ländern eine kulturelle Blüte geherrscht hätte. Bekannt ist ja, daß die griechische Tradition, die Tradition des freien Denkens, die ich für die größte Errungenschaft aller Zeiten halte, ohne die islamische Vermittlung nicht auf die spätere abendländische Kultur gekommen wäre. Aber auch unabhängig davon waren die Leistungen der damaligen islamischen Kultur außerordentlich.

    Ich wüßte nicht, wen man als Staatsmann höher schätzen sollte als Mohammed. Dschingis Khan? Sicher nicht. Alexander? Augustus? Kaum. (Vgl. dazu das berühmte „Helden“-Buch von Thomas Carlyle.)

    Wenn man irgendwo historische Schuld und Versagen „des Islam“ suchen will, dann am Ende dieser Blütezeit. Die islamische Welt versank in einer geistigen Dunkelheit, wie es die Welt des orthodoxen Christentums einige Jahrhunderte vorher getan hatte, und beide kamen da nicht mehr heraus (anders als der Katholizismus, der aus seiner früh- und hochmittelalterlichen Finsternis herausfand). Ich habe leider keine Ahnung, was die Ursachen waren, aber sicher ist das gut erforscht.

    Wenn etwas zu kritisieren ist, dann nicht Verhalten und Aussagen immer schuldbeladener großer historischer Gestalten (großer, also nicht solcher Figuren wie der Borgia-Päpste oder auch Hitler), sondern der Fundamentalismus, der heute aus ihrem Verhalten und ihren Worten Gebote macht, die man buchstabengetreu zu befolgen hat.

    • @Trepl: Es geht eben nicht um Schuld, Herr Trepl. Luther und der Koran sind aber Inspirationsquellen und Referenzpunkte für Leute, die Feindbilder aufbauen wollen. Wer den Hass auf Juden begründen will, kommt damit, dass schon der Kirchenvater Luther die Lügen der Juden erkannt habe und die Obrigkeit aufgerufen habe etwas gegen die Juden zu unternehmen. Dito für den Koran.

      Es ist zudem schwierig die Instrumentalisiserung Luthers oder des Korans für den Judenhass zu unterbinden solange diese Quellen als unantastbar und heilig gelten. Es bräuchte bereits einen aufklärerischen Ansatz a la Kant, einen Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, ein Ende der kritiklosen Übernahme von Inhalten aus als heilig bezeichneten Büchern um Hass und Feindschaft gegenüber Andersgläubigen einzudämmen.

      Wie wichtig ein aufklärerischer Ansatz ist zeigt gerade ihre Argumentation für den Islam.
      Historisch gesehen hat der Koran und der Islam wie sie richtig schreiben ein Volk von Stämmen zivilisiert und unter einer Idee geeint. Sogar die Stellung der Frau wurde verbessert (und der Prophet hat vorbildlich seiner Frau Aischa erst im Alter von 9 Jahren beigewohnt obwohl er sie schon mit 6 Jahren geehelicht hat) Heute aber bedeutet die wörtiche Interpretation des Korans (Koraninterpretation: Tafsir) das genaue Gegenteil. Diese wörtliche, kritiklose Übernahme ist im islamischen Kulturraum immer noch die Regel.

      Im übrigen widersprechen sie sich selbst Herr Trepl, wenn sie einerseits keine Schuld für Hass und Krieg bei den heiligen Schriften und den Religionsgründern sehen wollen, dann aber in diesem Blogeintrag den chinesischen Taiping-Aufstand als Auswirkung christlicher Schriften darstellen.

  13. Wir Christen

    Auch nach längerem Nachdenken bekomme ich zwei Aussagen aus dem Blog-Beitrag nicht so recht unter einen Hut.

    Zum einen heißt es, dass, wenn man mit Blick auf die Taiping-„Gotteskrieger“ von einer »Perversion des Christentums« spricht, das konsequenterweise auch allen anderen zugestehen sollte, die im Namen einer Religion oder Ideologie Greueltaten begehen.

    Das ist im Grunde genau das, was ich tue und andere vernünftige Menschen mMn auch tun sollten.

    Demgegenüber soll es aber angemessener sein, sich der historischen Tatsache zu stellen und anzuerkennen, dass die „Gotteskrieger“ damals in China tatsächlich Christen waren.

    Das ist zwar einerseits kaum zu bestreiten (denn wer sich als Christ bezeichnet, hat als Christ zu gelten), andererseits aber werden, nach meinem Empfinden, bei dieser Sichtweise tendenziell alle Christen, Juden, Muslime, …, über einen Kamm geschoren, und das ist doch genau das, was kein vernünftiger Mensch wollen kann und in allen seriösen Medien zu Recht verurteilt wird.

    Dabei rede ich keineswegs einer „Distanzierung“ das Wort. Ich finde es im Gegenteil bedauerlich, dass »in der europäischen und amerikanischen Kultur fast niemand davon gehört« bzw. »es erfolgreich verdrängt« hat, denn es handelt sich um ein extrem eindrückliches Beispiel für die Gefahren, die von religiösen oder ideologischen Extremisten und Fanatikern ausgehen kann. Zumindest religions-und ideologiefeindliche Menschen scheinen mir keinen Grund zu haben, die Ereignisse um den Taiping-Gottesstaat zu verdrängen, ganz im Gegenteil.

    • @ Balanus
      Das scheint mir in der Wirklichkeit kompliziert und verwirrend und nicht nur von mir kompliziert und verwirrend dargestellt. Aber ein bißchen dürfte es sich doch aufhellen lassen.

      Eine „Perversion“ ist etwas nur vor dem Hintergrund einer „wahren“ Ideologie oder Religion. Nun gibt es diese nicht als ein eindeutiges Faktum, sondern immer nur aus der Perspektive einer bestimmte Interpretation. Zwar kann die mit den Fakten nicht beliebig umgehen – aus Zeus läßt sich nun mal kein „Schöpfer Himmels und der Erden“ machen –, aber zur Interpretation bleibt immer noch genug. Am christlichen Gott läßt sich extrem verschiedenes machen, je nach dem man etwa seine Allmacht, seine Vernunft oder seine Liebe in den Vordergrund stellt, nichts davon ist einfach falsch. Also: Dem Begriff der Perversion läßt sich ein subjektiver Aspekt nicht nehmen. Vielleicht könnte man sagen: das wahre Christentum usw. – wenn es denn nicht völlig wertfrei als historisches Faktum nehmen will, sondern unter Berurteilung dessen, was es von uns verlangt – hat zur Voraussetzung, daß es von „wahren Menschen“ (wahrhaftigen, aufrichtigen …) interpretiert wird.

      „Das ist zwar einerseits kaum zu bestreiten (denn wer sich als Christ bezeichnet, hat als Christ zu gelten), andererseits aber werden, nach meinem Empfinden, bei dieser Sichtweise tendenziell alle Christen, Juden, Muslime, …, über einen Kamm geschoren, und das ist doch genau das, was kein vernünftiger Mensch wollen kann und in allen seriösen Medien zu Recht verurteilt wird.“

      Wenn man statt „über einen Kamm scheren“ schreibt „den gemeinsamen Kern herausstellen“ (oder ist hier „Schnittmenge“ besser?), wird es schon akzeptabler. Dann sagt man nämlich nicht: Ihr seid doch alle gleich, sondern fordert auf, doch mal nachzusehen, wo in dem gemeinsamen Kern die Gefahrenpunkte liegen.

      Um mal den Kommunismus zu nehmen: Liegen nicht in der Idee der sozialen Gerechtigkeit, die verehrungswürdige Kommunisten wie Rosa Luxemburg und Verbrecher wie Stalin eint, Uneindeutigkeiten, an denen man aufpassen muß? Und wo genau liegen dann die Stellen, an denen der vollständige Bruch erfolgen muß? Die nicht-katholischen Christen sind alle im Ökumenischen Rat vereint. Keiner würde sich einfallen lassen, den anderen abzusprechen, Christ zu sein – nicht nur, weil der sich selber so nennt, sondern weil er auch etwas glaubt, was der Meinung aller nach essentiell das Christentum ausmacht? Aber was die typischen deutschen Protestanten vertreten – Frauen als Bischöfe, Schwulenehe usw. – würde ein russischer oder ägyptischer Orthodoxer ist Teufelszeug zurückweisen. Aber das liegt offenbar nicht auf der Ebene, auf der sich für ihn entscheidet, ob einer als Christ gelten darf. Obwohl es knirscht, bleibt man sogar in einer Organisation zusammen.

      Besonders wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang, was ich oben öfter schon mal angesprochen habe: Die Bedeutung der differenzierten Diskussion (auch mit sich selber), um Dinge wie das „Michael-Kohlhaas-Syndrom“ zu vermeiden, also Engführungen und Zuspitzungen des Guten an einer Sache unter einem einzigen Gesichtspunkt.

  14. Ludwig Trepl, @Joker: Würde, Fraiheit usw.:

    „”können Sie andeuten, wie Sie sich das vorstellen?”[Zitat von mir] Es wird zur Zeit schon im Namen der Freiheit und der Sicherheit gefoltert und getötet.“

    Ja sicher. Und es war ja auch üblich zur Kolonialzeit, daß man, weil ein Stamm gegen die Menschwürde verstieß (etwa einen „Weißen“ an den Marterpfahl band), zur Strafe ganze Dörfer zu massakrieren. Aber Ihre Kritik trifft die von Ihnen allein zugelassenen wohldefinierten Begriffe ganz genauso. Auch deren Wohldefiniertheit und die Einigkeit hinsichtlich der Definition ist nur scheinbar oder temporär.

    Das gilt auch für vermutlich die meisten naturwissenschaftlichen Begriffe, die Naturwissenschaftler wissen es nur nicht. Fragen Sie mal mehrere Biologen, was „Population“ bedeutet. Sie werden grundverschiedene Definition bekommen, aber die meisten werden dazu sagen „in der Wissenschaft versteht man unter Population…“ Sie wissen einfach nicht, daß es außerhalb ihrer Subgemeinde anders zugeht als innerhalb. Und wenn man sich auf eine einzige Definition “einigt”, kann man leicht die ganze Wissenschaft ruinieren.

    Aber wir haben es mit unseren Ideen mit einem ganz anderen Fall zu tun. Man findet definitionsgemäß in der empirischen Welt keine volle Entsprechung, man kann nicht, wenn’s gar nicht anders geht, notfalls mit dem Finger darauf zeigen und sagen: Das hier ist ein Fall von wahrer Freiheit, Freundschaft, Liebe, Gerechtigkeit ….; der Idee der Freiheit usw. kann keine realer Fall entsprechen – definitionsgemäß nicht. Sie haben regulativen, nicht konstitutiven Charakter.

    Dennoch sind diese Ideen unverzichtbar. Wenn man sie als metaphysische Begriffe formuliert (so daß man fragen kann: „gibt es Freiheit“, so wie „gibt es Gott“), dann wird man auf diese Fragen nie eine Antwort finden (sagt zumindest Kant), aber dennoch ist es uns unvermeidlich, sie zu stellen. Das ist kein psychologisches oder sonst ein Problem, bei dem man sagen könnte: lassen wir es doch einfach. Sondern es ist ein logisches (ein Problem nicht der formalen Logik, sondern der Transzendentallogik oder Erkenntnistheorie). Die Vernunft als „Vermögen zu schließen“ führt notwendig zu diesen Fragen, so wie auch etwa auf die Frage „gibt es einen allerersten Anfang“. Aber sie ist nicht in der Lage, diese Fragen zu beantworten, sie kann sie nur in „sinnvolle“, nämlich „regulative“ Fragen transformieren.

    So ist es also mit Freiheit, Würde usw. bestellt. Sie wollen sie nicht auf Fahnen haben, ja, „vielleicht sollte man Fahnen nur noch spärlich einsetzen.“ Ja, vielleicht, spärlich; man könnte ja mal damit anfangen, daß man alle Fußballfahnen außer der von Hertha BSC verbietet. Aber bei unseren Begriffen? War es alles in allem nicht ein Segen, daß man „Freiheit“ im 18. Jahrhundert zum Fahnenwort machte? Auch wenn zu Beginn des nächsten Jahrhunderts sowohl die Tiroler als auch ihre französischen Feinde unter der Fahne der Freiheit kämpften und ganz verschiedenes damit meinten, und heute die Liberalen mit „Freiheit“ im wesentlichen die Freiheit eines Großkapitalisten meinen, die ihm Untergebenen in Unfreiheit zu halten (für die Freiheit hat man ja die „Freizeit“). Und was die Würde angeht: Hätte man das nicht auf die Fahren schreiben sollen, als man in jenem Jahrhundert entdeckte, daß es außer der „Amtswürde“, von der ein Ratsherr oder gar ein Kurfürst viel mehr hat als ein Bauer, auch eine „Menschenwürde“ gibt, die allen gleichermaßen zukommt – obwohl dies Fragen aufwarf, die man nicht so ohne weiteres beantworten konnte.

    „Wenn Menschenwürde nur dafür stehen würde, sozusagen als Abkürzung und sprachliche Vereinfachung, für alles das, auf was wir uns verständigen, was wir uns gegenseitig zugestehen, auch dem Feind, dann könnte ich mit dem Begriff leben.“

    Wenn Sie hinter „verständigen“ noch ein Wort hinschreiben, nämlich „sollen“, bin ich halbwegs einverstanden. Aber bleiben wir doch beim Eingeführten. Würde hat, „was über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet“ (Kant, Grundlegung).

    • @ Ludwig Trepl

      “Aber Ihre Kritik trifft die von Ihnen allein zugelassenen wohldefinierten Begriffe ganz genauso.”

      Verwechseln Sie mich? Kein Begriff verfügt über eine von mir sanktionierte Definition. Zumindest über keine, die ihn ganz allgemein zu einem wohldefinierten Begriff werden lassen würde. Das gilt selbstverständlich auch für alle Begriffe aus dem Bereich der Naturwissenschaften, insbesondere deren sogenannte “grundlegende” Begriffe.

      Umgekehrt ist die Menge der von mir zugelassenen Begriffe sehr viel größer als sie offensichtlich vermuten. Ich sehe z.B. keine Möglichkeit, wie man alleine mittels naturwissenschaftlicher Begriffe ein Grundgesetz basteln könnte – befindet sich überhaupt ein einziger solcher Begriff im Gesetzestext? – und möchte es doch nicht missen.

      Ein Begriff sollte sich meiner Meinung im Kontext bewähren, in dem er gebraucht wird. Da habe ich meine Zweifel, was den Würde-Begriff im Artikel 1 des GG angeht. Ob er sich auf einer Fahne bewährt, wird die Zukunft zeigen. Um den IS zu vernichten, werden wir “Vernunftkrieger” zumindest erst Mal keine 20 Millionen töten müssen, da bin ich optimistisch.

  15. „Was sollen wir Christen nun tun mit diesem verdammten, verworfenen Volk der Juden?“ schreibt Martin Luther und schlägt seiben Schritte als “scharfe Barmherzigkeit” vor:
    – ihre Synagogen niederbrennen
    – ihre Häuser zerstören und sie wie Ziegeuner in Ställen und Scheunen wohnen lassen
    – ihnen ihre Gebetbücher und Talmudim wegnehmen, die ohnehin nur Abgötterei lehrten
    – ihren Rabbinern das Lehren bei Androhung der Toesstraffe verbieten
    – ihren Händlern das freie Geleit und Wegerecht entziehen
    – ihnen das “Wuchern” (Geldgeschäft) verbieten, all ihr Bargeld und ihren Schmuck einziehen und verwahren
    – den jungen kräftigen Juden Werkzeuge für körperliche Arbeit geben und sie ihr Brot verdienen lassen

    Religiös motiverter Hass hat den grössten Multiplikationsfaktor
    In einer Religion/Konfession verankerte Texte, gar etwa vom Religionsgründer geschriebene, die Hass predigen, haben viel stärkere Wirkungen als analoge Bücher von nicht religiös beeinflussten und legitimierten Autoren. Ganz einfach weil die Religion und die religiös legitimierten Texte im Leben von religiösen Menschen eine weit wichtigere Rolle spielen als Romane und andere Werke zur Unterhaltung.

    In Martin Luther und die Juden wird darüber berichtet, wie Martin Luther Judenschriften über Jahrhunderte hinweg ihre Wirkung entfalteten. Dies erkannte schon Josef von Rosheim, der 1543 den Stadtrat von Strassburg bat, Luthers Schrift “Von den Juden und ihren Lügen” zu verbieten:

    Niemals zuvor habe „ein Hochgelehrter solch grob unmenschlich Buch mit Scheltworten und Laster uns armen Juden auferlegt, von dem sich, Gott weiß es, in unserem Glauben und in unserer Jüdischkeit in der Tat auch nicht das Geringste finden läßt.

    Sogar im 20. Jahrhundert legitimierten Antisemiten ihren Antisemitismus noch mit Martin Luthers Schriften und bestimmt kam es nicht selten vor, dass Judenhass auch von der Kanzel gepredigt wurde.

    Genau das gleiche Phänomen sehen wir in Bezug auf den Judenhass im islamischen Raum. Er ist dort bis in den hintersten Winkel, bis nach Indonesien oder Somalia verbreitet – auch in Gebieten, in denen es gar keine Juden gibt. Auch hier sind es in der Religion verwurzelte Texte, die das ermöglichen.

    • Herr Holzherr, vielleicht haben Sie recht und Luther war neben guter Arbeit eine Schmutztasche besonderer Güteklasse, wenn gefolgt werden darf, dem was Sie zitieren; was aber fehlt ist die Quellenarbeit, tss, tss,
      MFG
      Dr. W

  16. @Martin Holzherr

    »Es ist höchste Zeit um die Religion zu delegitimieren.«

    Das hat man im Kommunismus doch getan. Herausgekommen sind dabei Stalin und Pol Pot, beispielsweise, und die Erfindung des kapitalistischen Kommunismus in China. Die Pervertierung von ideellen Werten in ihr Gegenteil, wo diese als Doktrin in der Praxis institutionalisiert werden, betrifft nicht ausschliesslich die “klassischen” Religionen. Darauf will Herr Trepl unter anderem wohl auch hinaus, was in der Diskussion aber nicht nennenswert aufgegriffen wurde.

    • Es ist richtig, dass Religion nur ein Beispiel für alle möglichen Verirrungen des menschlichen Geistes ist. Damit wären wir wieder bei der Diskussion um Vernunft und Rationalität. Zunächst muss der Mensch die Welt richtig erkennen, das ist das Wesen der Wissenschaft und ihrer Erkenntnisse. Dazu gehört die Interpretation, die Abstraktion und die Ordnung der Beobachtungen durch den Verstand, mit der sprachlichen Beschreibung von Kausalitäten und Gesetzmäßigkeiten. Dann kann Mensch daran gehen, sein Leben zu bewältigen, zu planen und zu gestalten. Dann kann er Werkzeuge schaffen, um das Leben zu erleichtern und zu verschönern. Schließlich kann er ihm vielleicht sogar einen Sinn geben, in der Emotionalität, in der Kreativität, in der Solidarität, in der Intellektualität.

      Zuvorderst sollte sich der Mensch von den vorwissenschaftlichen Fiktionen oder Phantasien als Pseudoerklärungen der Welt lösen. Aus falschen Erklärungen ergeben sich falsche Vorstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen, ergeben sich Unvernunft und Irrationalität. Da Wahrnehmung und Verstand immer der Möglichkeit des Irrtums ausgesetzt sind und die Welt nicht statisch ist, darf Wissen nicht dogmatisiert werden, sondern muss immer wieder überprüft und der Kritik unterzogen werden. Die größte Gefahr für die Vernunft ist der Wahrheitsanspruch, allen voran der Wahrheitsanspruch der Religionen. Religion und Vernunft sind unvereinbar, auch wenn die Theologen verzweifelt versuchen, die Glaubenslehren zu rationalisieren.

      • Ludwig Trepl, @ Anton Reutlinger: „Religion und Vernunft unvereinbar“:

        @Chrys möchte bezüglich der Antwort auf Ihre These „Religion und Vernunft sind unvereinbar“ „gerne [mir] das Wort … überlassen.“

        Vielleicht mache ich es noch, momentan bin ich gesundheitlich nicht zu etwas Vernünftigem in der Lage. Darum mache ich etwas, was ein aufgeklärter Mensch nicht tun sollte: Ich rufe Autoritäten an; dies deshalb, weil Sie, Herr Reutlinger, offenbar glauben, die stärkeren Bataillone auf Ihrer Seite zu haben.

        Diejenigen unter den Aufklärern, die „Religion und Vernunft sind unvereinbar“ unterschrieben hätten, waren wenige und es waren die kleineren Geister dieser Bewegung. Die meisten bedeutenderen Aufklärungsdenker hätten protestiert; sie waren das, was man heute einen „frommen Menschen“ nennen würde, waren „Gläubige“. Und diejenige Art von Religionskritik, die heute in Mode ist und an die auch Sie sich anlehnen, ist das, was Marx – in einer nach-aufklärerischen Zeit, als es in der Tat sehr viele Atheisten gab – „Vulgärmaterialismus“ und „Abspülicht vom Aufkläricht“ nannte.

        Natürlich „sollte sich der Mensch von den vorwissenschaftlichen Fiktionen oder Phantasien als Pseudoerklärungen der Welt lösen.“ Aber da geht es nicht um Fragen der Religion, sondern da steht einfach veraltete Wissenschaft (oft aus Mythologien übernommen) gegen nicht veraltete. Sie verwechseln da Religion mit den Denkgebäuden, die sich gewisse soziologische Gebilde, bei uns meist Kirchen genannt, geschaffen haben.

        In der Gegend religiöser Fragen führt dagegen Ihr Gedanke: „… um das Leben zu erleichtern und zu verschönern. Schließlich kann er ihm vielleicht sogar einen Sinn geben“….

        Die Frage ist nämlich: Kann er ihm einen Sinn geben, wenn es nicht („objektiv“) bereits einen hat? Wenn nur er seinem Leben Sinn „gibt“ und er selbst hat keinen, dann ist auch der Sinn, den er „gibt“, keiner. – Die Frage muß keine religiöse Antwort haben, sie ist aber mit Sicherheit keine, die die Objektwissenschaften beantworten könnten. Sie ist auf jeden Fall eine reflexionswissenschaftliche. Vielleicht läßt sie sich reflexionswissenschaftlich nicht nur stellen, sondern auch beantworten, vielleicht aber auch nicht, sondern man landet doch wieder nur bei der Religion (oder tauscht nur Worte aus, nicht den Inhalt). Auf jeden Fall kann man es sich damit nicht so einfach machen.

    • @Chriys: Leider haben sie recht: Gegen die Religionen zu sein schafft selbst noch keine bessere Welt. Für normal Informierte hat sich die Religion zudem schon längst selbst deligitimiert.

      Der religiöse Glaube schafft tatsächlich eine Gemeinschaft von Menschen, die sich gegenseitig vertrauen einfach dadurch dass sie an das selbe glauben. Ich behaupte: Diese Funktion der Religion und vor allem des gemeinsam geteilten Glaubens ist notwendig um eine echte Gesellschaft zu schaffen, eine Gesellschaft, die nicht nur auf brutaler Durchsetzung des Gesetzes oder auf brutaler Durchsetzung der Machtansprüche von Partikulärinteressen bestimmter Gesellschaftsgruppen dient.

      Eine säkular humanistisch orientierte universalistische Glaubensgemeinschaft hat sich in der Tat gebildet. Sie ist charakterisiert durch den Glauben an die Möglichkeit eines besseren Lebens und Zusammenleben aller Menschen unabhängig von ihrer Kultur und Relgion. Dazu braucht es bessere Lebensbedingungen, mehr Bildung und Partizipation und mehr Inklusivität. Leider erfüllt diese Art des Glaubens und der Glaubensgemeinschaft nur eine sehr schwache Bindung zwischen den Gläubigen. Die traditionellen Glaubensgemeinschaften mit ihrer Tendenz andere auszuschliessen schaffen sehr viel engere Bindungen. Es kommt also schon darauf was man glaubt. Berührt der Glaube existenziell wichtige Aspekte des menschlichen Lebens – wie die Frage nach dem Weiterleben nach dem Tode – so hat dieser Glaube mehr Kraft als der nichtreligiöse Gutmenschenglaube, es lohne sich für ein besseres Leben aller einzusetzen.

    • Pervertierung von ideellen Werten in ihr Gegenteil (…)

      Keine Ahnung worauf Herr Trepl genau ‘hinaus will’, auch bei der Gegenrede Herrn Reutlingers, der derart feststellt: ‘Religion nur ein Beispiel für alle möglichen Verirrungen des menschlichen Geistes (…)’ weiß der Schreiber dieser Zeilen “nicht so recht”.

      Es liegt erst einmal weder bei der Unterwerfung (“Islam”), noch bei der pseudo-humanistischen Betrachtung Dritter ‘Pervertierung’ vor, sondern Bemühung.

      Dass welche, die den I, der zu D gehören soll, S(uboptimal) finden, liegt in der Natur der Sache, es besteht diesbezüglich hier keine Notwendigkeit freisinnigen, linken oder gar rechten (“Konservativen”) in die Karre zu fahren, wenn sie im Kern rechthabend notieren.
      Weil sie als Rechte, Linke oder sonstwie ungünstig aufgestellt scheinen.

      MFG
      Dr. W (der Ihre Arbeit, ‘Chrys’ aus der Ferne beobachtet)

      • * freisinnigen, linken oder gar rechten (“Konservativen”) Kräften

        MFG
        Dr. W (der im Abgang noch notiert, wie hilfreich eine Korrekturfunktion womöglich wäre)

    • @Anton Reutlinger

      »… Religion und Vernunft sind unvereinbar, …«

      Das wird Herr Trepl mit Hinblick auf Kants ethischen Rationalismus vermutlich etwas anders sehen, und ich würde gerne ihm das Wort dazu überlassen.

      Klar sein sollte jedenfalls, dass die Rede vom “Vernuftglauben” sich stets auf die praktische Vernunft, die Ethik bezieht, und moralische Gewissheit lässt sich weder durch logisches noch empirisches Wissen begründen oder rechtfertigen. Etwa die Menschenwürde, die sich die Deutschen ganz vorne in ihre Verfassung geschrieben haben, wird nirgendwo im deutschen Staats- und Verfassungsrecht als Begriff exakt definiert, was auch so beabsichtigt ist. Das Hantieren mit dergestalt undefinierten Begriffen wäre mit logisch-empirischer Methodik offensichtlich unvereinbar. Dennoch wird man vernünftigerweise (sic!) nicht fordern, dass die Menschenwürde da gestrichen werden sollte, mit dem Argument, Menschenwürde sei halt nicht wissenschaftl. fundiert und daher als ein irrationales Hirngespinst abzutun.

      • Damit bin ich völlig einverstanden. Selbstverständlich müsste man zuerst das Wesen von Religion näher bestimmen. Ob es auch vernünftige Religionen gibt oder geben könnte, sei mal dahingestellt. Vernunft zeigt sich letztlich im Handeln, wobei in jeder Gemeinschaft das ethische Handeln im Mittelpunkt steht. Das zentrale Problem ist die Bestimmung ethischen Handelns ohne die Annahme höherer Autoritäten oder Wesen, eben die für Religionen spezifische Vorannahme, die dann verbindliche Normen nach sich zieht. Die Menschen müssen im gesellschaftlichen Diskurs selber aushandeln, welche Normen als vernünftig und welche davon als verbindlich gelten sollen. Dazu haben sie Verstand und Bewusstsein, Sprache und Logik, Intuition und Emotion, Wissenschaft und Philosophie. Der Irrtum ist, es ginge nicht ohne Religion, denn Religion ist letztlich auch nur von Menschen begründet.

        In der Tierwelt hat die Evolution für moral-analoges Verhalten gesorgt, das im menschlichen Bewusstsein als Willensfreiheit neutralisiert ist. Es gibt keine biologische Auszeichnung für Höherwertigkeit oder Minderwertigkeit. Mit dieser Gegebenheit und Herausforderung muss die Menschheit zurechtkommen. Fiktionen oder Legenden sind keine Lösung, sondern willkürliche Selbsttäuschung und Volksverführung, weshalb ihre Wirkung als religiöser oder ideologischer Extremismus oftmals in das Gegenteil umschlägt.

        • Es steht natürlich ausser Frage, dass ein nachweislich inszenierter Betrug wie e.g. Die Schwindelgrotte von Lourdes ein Schlag ins Gesicht jeglicher Vernunft ist. Mir ist schleierhaft, wie so etwas mit “christlicher Ethik” eigentlich vereinbar sein soll.

          Allerdings dürfte es schwierig sein, daran etwas zu ändern. Die Pilgerindustrie von Lourdes ist immerhin der zweitgrösste Faktor im französischen Fremdenverkehr, und darauf wird man auch im laizistischen Frankreich aus ganz praktischen Gründen schwerlich noch verzichten können.

          • @Chrys
            Lourdes ist keine Schwindelgrotte!
            Sie haben schon einmal dieses Gerücht hier auf scilogs in die Welt gesetzt. Ich weiß jetzt nicht auf Anhieb wo.
            Über die Interpretation des Außergewöhnlichen an dem Ereignis mag man sich streiten. Und man wird es aus naturwissenschaftlicher Sicht in Zukunft vielleicht auch noch anders oder besser erklären können, aber von Schwindel kann nicht die Rede sein.

            Es dürfte doch klar sein, dass man gegen so etwas immer auch zu Felde zieht und scheinbar glaubwürdige Geschichten und Zeugen für sie erfindet, die das Ungwöhnliche dementieren sollen.
            Und klar hängen sich da auch miese Trittbrettfahrer dran.

        • Die beste Erklärung für das Phänomen Religion ist für mich die durch die Religion geschaffene Gemeinschaft. Diese “Gemeinschaft im Geiste” basiert auf übereinstimmenden Haltungen zu vielen Fragen, auch moralisch/ethischen Fragen und nicht mehr nur auf familiären/verwandtschaftlichen Beziehungen oder der Beziehung, die durch wirtschaftliche Abhängigkeit geschaffen wird. Damit schafft die Religion, der gemeinsame Glaube auch erstmals einen grösseren Kulturraum, denn typischerweise ist der religiöse Glaube nicht auf ein Dorf oder eine kleine Region beschränkt sondern umfasst grössere Gebiete. Menschen aus dem Gebiet der gemeinsamen Religion haben allein dadurch schon einen Verständigungsbasis die über die gemeinsame Sprache hinausgeht, die einen Konsensus umfasst.

          Die Frage nach der vernünftigen Religion kann mit dem Hintergrund dieser Erklärung der Relgion als Gemeinschaftsstifter so formuliert werden: Eine Religion ist “vernünftiger”/rationaler, wenn sie eine vorteilhaftere Form der Gemeinschaft stiftet als es eine Konkurrenzreligion tut.

          Die Erklärung der Religion als Gemeinschaftsstifter erklärt auch recht gut, warum die Religion in fortgeschrittenen und wohlhabenden Gesellschaften an Bedeutung verliert. Offensichtlich ist die christliche oder muslimische Gemeinschaft in einer solchen Gesellschaft nicht mehr im Vorteil gegenüber anderen, informelleren Formen der Gemeinschaftsbildung. Unter ärmeren Bevölkerungsschichten oder bei Bevölkerungsgruppen, die sich ausgegrenzt fühlen, spielt die Reilgion dagegen in einigen Fällen weiterhin eine wichtige Rolle.

          Ich sehe also die Rolle der Religion vor allem im Schaffen von gegenseitigem Vertrauen. Das ist etwas Immaterielles aber enorm wichtiges um Transaktionen zu ermöglichen, die über einen unmittelbaren Austausch hinausgehen. Das ist übrigens mit ein Grund, dass aufwendige Sakralbauten wie Kathedralen überhaupt gebaut werden. Diese preisen nämlich nicht nur Gott sondern auch – und wohl vor allem – die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die es ermöglicht ein Vorhaben über Jahre bis Jahrzehnte gemeinsam zu verfolgen.
          Wie wichtig Vertrauen als Basis von langfritigen Transaktionen ist, lässt sich auch am Kreditwesen erkennen, welches erst im späten Mittelalter in Oberitalien entstanden ist. Kredit ist dabei nichts anderes als das lateinische/italienische Wort für Vertrauen.

          Dieses Vertrauen existiert in fortgeschrittenen Gemeinschaften auch ohne gemeinsame Religion. Etwas anderes Gemeinsames ist an die Stelle der Religion getreten.

          • Ludwig Trepl, @ Holzherr: Religion der „bildungsfernen Schichten“.

            „Unter ärmeren Bevölkerungsschichten oder bei Bevölkerungsgruppen, die sich ausgegrenzt fühlen, spielt die Religion dagegen in einigen Fällen weiterhin eine wichtige Rolle.“

            Sie irren sich völlig. Der für Sie sicher erstaunliche soziologische Befund ist: Religion ist in Gesellschaften wie der unseren so gut wie ausschließlich eine Sache des Bildungsbürgertums. Es gibt so gut keine Angehörigen ärmerer Bevölkerungsschichten mehr in den Gemeinden, außer als Karteileichen. Der Atheismus dagegen ist, zusammen mit der „Esoterik“, heute die Religion der sog. bildungsfernen Schichten.

          • Ludwig Trepl, @ Holzherr:

            „Eine Religion ist “vernünftiger”/rationaler, wenn sie eine vorteilhaftere Form der Gemeinschaft stiftet als es eine Konkurrenzreligion tut.“

            Nein, dann ist sie nur vorteilhafter für die Gemeinschaft. Sie begehen den üblichen utilitaristischen Fehler, reduzieren Vernunft auf Vorteil, womit aber das Wesen dessen, was wir Vernunft nennen, verfehlt ist.

            Das dickste Problem in ihrer Definition ist jedoch, daß sie sich selbst im Rahmen des Naturalismus nicht durchhalten läßt. Das haben viele naturalistische/positivistische Denker erkannt und formuliert: Die Rede von „vorteilhaft für die Gemeinschaft“ ist sinnlos, bzw. ist ein Ideologem. Etwas kann beispielsweise vorteilhaft sein, eine bestehende Ordnung zu stabilisieren, aber nachteilig für die Entstehung einer neuen Ordnung, die aus dem Interesse anderer Individuen die vorteilhaftere oder einfach bessere ist. Bzw. der Begriff „Gemeinschaft“, so gebraucht, setzt ein Übersubjekt voraus, einen göttlichen Beobachter außerhalb der Welt.

      • “Das Hantieren mit dergestalt undefinierten Begriffen” ist der verzweifelte Versuch dem Münchhausen-Trilemma zu entkommen. Eine Flucht ins Unklare, Schwammige, Diffuse. Die “Menschenwürde” dient als nicht erkennbare, nicht bestimmbare Letztbegründung (kein Dogma, kein unendlicher Regress, kein Zirkel). Sie wirkt dann durch “Die normative Kraft des Kontrafaktischen”.

        Nicht nur religiöse Texte lassen sich bei Bedarf sehr eigenartig interpretieren. Mal sehen, was alles im Namen der Menschenwürde noch möglich ist.

        Einige, meiner Einschätzung nach, sehr vernünftige Rechtswissenschaftler (Namen müsste ich noch raussuchen) sind daher auch der Meinung, das Grundgesetz sollte auf diesen Begriff verzichten. Es sollten statt dessen dort nur klarere Normen verankert werden, wie z.B. ein Folterverbot. Und selbst dieses ist, wie wir wissen, verhandelbar.

        “Die Menschen müssen im gesellschaftlichen Diskurs selber aushandeln, welche Normen als vernünftig und welche davon als verbindlich gelten sollen. Dazu haben sie Verstand und Bewusstsein, Sprache und Logik, Intuition und Emotion, Wissenschaft und Philosophie.” (@Anton Reutlinger)

        Amen.

        • @ Joker: Menschenwürde unklarer Begriff?

          „”Das Hantieren mit dergestalt undefinierten Begriffen” ist der verzweifelte Versuch dem Münchhausen-Trilemma zu entkommen. Eine Flucht ins Unklare, Schwammige, Diffuse. Die “Menschenwürde” dient als nicht erkennbare, nicht bestimmbare Letztbegründung (kein Dogma, kein unendlicher Regress, kein Zirkel). Sie wirkt dann durch “Die normative Kraft des Kontrafaktischen”.“

          Sie irren sich. Mir fällt jedenfalls auf die Schnelle kein Begriff ein, der in der einschlägigen wissenschaftlichen Diskussion – d. h. hier im wesentlichen der Ethik-Diskussion – mit größerer Präzision gebraucht würde als dieser. Das heißt nicht, daß der Gebrauch einheitlich, unumstritten wäre, das ist ein ganz anderes Thema. Es heißt auch nicht, daß er diejenige Art von Präzision hat, die ein Begriff der Objektwissenschaften haben muß. Daher kommt wohl Ihr Irrtum: Sie – und Ihre Gewährsleute – verorten den Begriff da, wo er nicht hingehört, und können dann mit ihm nichts anfangen. Aber über diesen Punkt ist die Diskussion längst hinaus.

          • @Ludwig Trepl

            “Sie irren sich.”

            Zum Glück stehe ich mit meinem Irrtum nicht alleine da. Zumindest @Chrys weiß ich hier noch an meiner Seite. Von ihm hatte ich das Zitat ja übernommen, “mit dergestalt undefinierten Begriffen”.

            “Mir fällt jedenfalls auf die Schnelle kein Begriff ein, der in der einschlägigen wissenschaftlichen Diskussion – d. h. hier im wesentlichen der Ethik-Diskussion – mit größerer Präzision gebraucht würde als dieser.”

            Es freut mich zu hören, dass es da offensichtlich Fortschritte gegeben hat, die mir leider entgangen sind. So laß ich noch vor kurzem: “Vieles an der groben Charakterisierung der Menschenwürde ist klärungsbedürftig” [1].

            “Es heißt auch nicht, daß er diejenige Art von Präzision hat, die ein Begriff der Objektwissenschaften haben muß.”

            Da er im Grundgesetz auftaucht, wäre es aus Sicht einiger Juristen wünschenswert, wenn er zumindest diejenige Art von Präzision gewinnen könnte, die ein juristischer Begriff haben sollte. “Aber bereits Kants Schüler Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) ist sauer aufgestoßen, dass man mit diesem Begriff der Menschenwürde allerlei Schindluder treiben und nahezu jedes beliebige Verhalten ächten kann.” [2]

            Und ich meine, wenn die Menschenwürde (was immer das ist) ein so hohes Gut wird, dass es gilt, sie unter allen Umständen zu wahren, dann lässt sich in deren Namen eben auch einiges Verhalten rechtfertigen. Vielleicht sogar Verhalten, wie wir es auch im furchtbarsten Gottesstaat der Geschichte erlebt haben. Und hinterher wird es den Verfechtern des Begriffs klar: “In der Tat, das war nicht menschenwürdig, das war eine Perversion der Menschenwürde.”

            Gute Besserung.

            [1]
            Stoecker R. Die philosophischen Schwierigkeiten mit der Menschenwürde – und wie sie sich vielleicht auflösen lassen. ZiF-Mitteilungen. 2010;2010(1):19–30.
            http://pub.uni-bielefeld.de/publication/2450088

            [2]
            Dahl, Edgar. Die Würde des Menschen ist antastbar!
            http://www.spektrum.de/alias/essay/die-wuerde-des-menschen-ist-antastbar/1019958

          • Eine kurze Erläuterung zur Menschenwürde als einem staats- und verfassungsrechtlichen Konzept hatte ich von hier, wo es u.a. heisst:

            Eine exakte Definition der Menschenwürde existiert in Deutschland nicht.

            Nach meinem Verständnis wir in Art. 1 des deutschen Grundgesetzes eine ethische Wertsetzung vorgenommen, zusammen mit der normativen Selbstverpflichtung, diesem Wert diskursiv Bedeutung zu verleihen. Es wird damit also zur Aufgabe gemacht, den gesellschaftlichen Diskurs über Menschenwürde zu führen, und in diesem fortwährenden Diskurs soll der Begriff dann immer wieder konkret als Massgabe und Orientierung für praktisches Handeln ausgestaltet werden.

            Im Gegensatz dazu mögen sich einige ja einen Pflichtenkodex als Verfassung wünschen, eine Sammlung quasi-algorithmischer Regeln, die auch ein Automat oder Zombie befolgen könnte. Ich meine, wer solches wünscht, hat die dem Art.1 zugrundeliegende Absicht überhaupt nicht verstanden.

        • Ludwig Trepl, @ Joker: Menschenwürde

          „So laß ich noch vor kurzem: “Vieles an der groben Charakterisierung der Menschenwürde ist klärungsbedürftig”

          Ich hatte auch eben einen Aufsatz mit dieser Stoßrichtung in der Hand. Aber ich glaube, das können wir klären. Sie meinen, vermute ich: Wenn, in der politischen Diskussion sowieso, aber auch in der wissenschaftlichen (das heißt hier: philosophisch-ethischen und rechtsphilosophschen) von „Menschenwürde“ die Rede ist, dann ist dem Redner selbst oft unklar, was er da genau meint. Dem Redner selbst – verschiedene Redner dürfen den Begriff natürlich verschieden gebrauchen, wenn sie nur wissen, wie sie ihn genau gebrauchen. Da haben Sie sicher recht.

          Ich habe dagegen betonen wollen, daß es Arbeiten/Reden usw. gibt, in denen das nicht so ist, ja daß unser Begriff zu denen gehört, die besonders gut in seinen Facetten, Bezügen usw. ausgeleuchtet sind, mit denen man besonders „präzise“ umgegangen ist. Schon als er erstmals mit Gewicht in der wissenschaftlichen Diskussion auftauchte, ist das geschehen: Als es darum ging, die verschiedenen „Formeln“ des kategorischen Imperativs zu entwickeln. – Bei dem, worauf es mir ankam, ist es nicht wichtig, ob ein Begriff in 1000 wissenschaftlichen Arbeiten „undefiniert“ gebraucht wird; wenn er nur in einer Arbeit präzise und differenziert gebraucht wird, dann reicht das, dann ist er für die Wissenschaft nicht mehr undefiniert.

          Nicht so leicht einig werden wir uns wohl darin: Sie meinen, daß so ein Begriff „zumindest diejenige Art von Präzision gewinnen könnte, die ein juristischer Begriff haben sollte“. Doch unser Begriff ist nicht von der Art und hat auch im juristischen Kontext nicht die Rolle, die juristische Begriffe – beispielsweise „Raubmord“ – haben sollten. Er gehört, wie z. B. auch „Gerechtigkeit“ oder „Freiheit“, in den Umkreis dessen, was die „Rechtsidee“ ausmacht. Deren Funktion ist die eines Korrektivs eines jeden bestehenden Rechts, und Recht (wie auch Moral), das nicht nur beliebige Setzung sein soll und damit auch im Prinzip jedes Unrecht umfassen kann, ist ohne diese Idee nicht möglich. Und diese Idee kann nicht irgendwie endgültig formuliert/definiert werden, ganz einfach deshalb, weil wir sie in ihrer Vollendung nicht kennen (können). Sie ist aber, das gehört zu ihrem Wesen, auf ständige Verbesserung (auf den Versuch ihrer „Vollendung“) angewiesen.

          @Chrys hat etwas ähnliches geschrieben bezogen auf das Grundgesetz: “Es wird damit also zur Aufgabe gemacht, den gesellschaftlichen Diskurs über Menschenwürde zu führen …“ Ich will nur noch darauf aufmerksam machen, daß das nicht das Grundgesetz tat, weil es ihm so gefiel, es hätte auch lassen können. Sondern jedes Recht fällt in sich zusammen, das hier (der Sache nach) anders verfährt. Es kann zwar als „Recht“ bestehen in diesem Sinne, daß es halt die Beziehungen der Menschen durch äußeren Zwang regelt, aber es läßt sich nicht mehr gegen „Unrecht“ absetzen. Seit dem Nationalsozialismus liegt das offen auf der Hand.

          Sie schreiben nun, „wenn die Menschenwürde (was immer das ist) ein so hohes Gut wird, dass es gilt, sie unter allen Umständen zu wahren, dann lässt sich in deren Namen eben auch einiges Verhalten rechtfertigen. Vielleicht sogar Verhalten, wie wir es auch im furchtbarsten Gottesstaat der Geschichte erlebt haben.“ Ich kann mir das zwar nicht vorstellen (können Sie andeuten, wie Sie sich das vorstellen?), aber immerhin, mit der Freiheit haben wir das ja erlebt. Auch die Nazis und die Kommunisten kämpften für die Freiheit. Aber das ermöglicht es nicht, auf den Begriff der Freiheit als zentralen Begriff des politischen Lebens zu verzichten, sondern verweist nur auf die Unverzichtbarkeit der Arbeit an diesem Begriff.

          • “können Sie andeuten, wie Sie sich das vorstellen?”

            Es wird zur Zeit schon im Namen der Freiheit und der Sicherheit gefoltert und getötet. Mit Beteiligung der Bundeswehr, die ja ans Grundgesetz gebunden ist, dient das dann nicht auch schon zur Verteidigung der Menschenwürde? Sind unsere derzeitigen Feinde nicht deswegen unsere Gegner, weil sie die Würde des Menschen immer wieder missachten? Jetzt lassen Sie das Ganze einfach gedanklich noch etwas eskalieren.

            “die Unverzichtbarkeit der Arbeit an diesem Begriff”

            Warum sollten wir uns an einen Begriff klammern oder uns an diesem abarbeiten? Es geht doch vielmehr um das Handeln, was sollen wir tun? Wenn wir spezifischere Begriffe finden, einfacher zu handhabende, dann sollten wir getrost diese in unseren Diskussionen und Gesetzen benutzen, und den unhandlichen entsorgen (oder ihn dort belassen, wo er funktioniert, in der Philosophie Kants).

            Wenn Menschenwürde nur dafür stehen würde, sozusagen als Abkürzung und sprachliche Vereinfachung, für alles das, auf was wir uns verständigen, was wir uns gegenseitig zugestehen, auch dem Feind , dann könnte ich mit dem Begriff leben. Mir scheint aber der Begriff verleitet zur Hypostasierung und passt nur zu einem Werterealismus oder-absolutismus.

            Vielleicht würden wir uns in den meisten Fällen ganz ähnlich entscheiden, in denen moralische Fragen sich auftun (ich bin auch kein Pazifist), würden unsere Handlungen nur unterschiedlich begründen . Über diese Differenzen hinweg, ist das Gemeinsame an der Entstehungsgeschichte unserer Überzeugungen zu erahnen: “den gesellschaftlichen Diskurs über Menschenwürde zu führen” (@Chrys); “Arbeit an diesem Begriff” (Ludwig Trepl); “Die Menschen müssen im gesellschaftlichen Diskurs [Normen] selber aushandeln” (@Anton Reutlinger); “[Normativer] Relativismus ist nicht Beliebigkeit, er ist harte Arbeit” (Joker).

            Frohes neues Jahr.

          • @Joker

            »Warum sollten wir uns an einen Begriff klammern oder uns an diesem abarbeiten?«

            Jeder ideelle Wert, auf den man sich berufen will, erfordert es, dass man sich an ihm abarbeitet. Wer sich Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit auf die Fahne schreibt, hat damit auch noch nicht gesagt, was das konkret bedeuten soll. Mit einem Blick auf die Geschichte liesse sich doch für jeden dieser Begriffe scheinbar ebenfalls beklagen, “dass der Begriff viel zu beliebig verwendet werden kann, als dass man sich auf ihn berufen sollte.”

            Edgar Dahl, der das in dem verlinkten Spektrum-Aufsatz so in bezug auf die Menschenwürde formuliert, hat dabei überdies “bioethische Debatten” im Focus und schreibt in seinem Aufsatz auch:

            Natürlich will ich mit alldem nicht sagen, dass wir den Begriff der Würde ein für alle Mal aus unserem Vokabular streichen sollten. Noch viel weniger will ich behaupten, dass wir ihn aus unserer Verfassung eliminieren müssen.

          • @Chrys

            “Wer sich Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit auf die Fahne schreibt, […]”

            Damit hast Du vermutlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Begriffe und Symbole, die sich auf Fahnen wiederfinden, sind geeignet verheerendes anzurichten -egal ob politische oder religiöse. Vielleicht sollte man Fahnen nur noch spärlich einsetzen, dann weiß das Heer nicht, wo es sich sammeln soll, eine kritische Masse kann nicht entstehen.

            “Mit einem Blick auf die Geschichte liesse sich doch für jeden dieser Begriffe scheinbar ebenfalls beklagen, “dass der Begriff viel zu beliebig verwendet werden kann, als dass man sich auf ihn berufen sollte.””

            Ja, und ich beklage es.

            Man sollte sich nicht auf Begriffe berufen. Sie dienen nur dem Diskurs, sollen ihn ermöglichen, aber nicht bestimmen.

      • @Joker

        »Die “Menschenwürde” dient als nicht erkennbare, nicht bestimmbare Letztbegründung (kein Dogma, kein unendlicher Regress, kein Zirkel).«

        Du verstehst oder deutest Verpflichtung als Letztbegründung?

        Das scheint mir dann auch eine sehr eigenartige Interpretation zu sein.

        • @Chrys

          “Du verstehst oder deutest Verpflichtung als Letztbegründung?”

          Woraus schließt Du das denn? Verpflichtungen gibt es, Letztbegründungen nicht.

  17. Ich behaupte: es ist kein Zufall dass der Prophet Mohammed und Martin Luther gegen Ende ihres Lebens von einem ethisch reinen Deutschland (judenfreien) bezugsweise einer ethisch reinen arabischen Halbinsel (befreit von Andersgläubigen) träumten. Ethisch rein trifft es nicht ganz, denn es wir nicht eine Ethnie gesäubert, sondern eine Religionsgemeinschaft von Andersgläubigen befreit. Martin Luther endete in seiner Neugründung einer Kirche also dort wo die katholische Kirche schon lange angekommen war: bei der religiösen Säuberung. Diese ereignete sich unter katholischer Herrschaft immer wieder in Form von Pogromen oder Vertreibungen.

    • @ Herr Holzherr :
      Luther war ‘antijudaistisch’, vergleiche mit ‘antisemitisch’, das die Herkunft oder Rasse oder “Rasse” meint.
      Einige meinen, dass das eigentliche Verdienst Luthers darin besteht aufmüpfig gewesen (und damit durchgekommen) zu sein, dass er wie andere Reformatoren, die später kamen, die Grundlage für die jetzige, die “westliche” [1] Zivilisation gelegt hat, das generelle Zulassen von Kritik, wie abwegig sie auch dem Bestimmenden vorkommen mag, meinend.

      So wie der Schreiber dieser Zeilen gelernt hat, war Luther supremazistisch, vgl. ‘Supremacy‘, nicht ‘rassistisch’, wie es auch die von Ihnen verwiesene Religion oder Politiideologie nicht ist.

      MFG
      Dr. W

      [1] ‘westlich’ ist hier, wie immer, der “ein wenig” irreführende Code, die Richtungsangabe meinend, für diejenigen Systeme, die den Ideen und Werten der Aufklärung folgend gesellschaftlich implementieren konnten

      PS:
      Eine Stärke des Christentums war vielleicht das Völkerübergreifende, insbesondere Paulus hat hier gewirkt, er hat die Missionierung des Nicht-Judentums eingeleitet.
      Eine großartige Idee, wie der Schreiber dieser Zeilen findet, also aus systematischen und aus kulturellen Gründen hauptsächlich (natürlich nur), Völkergrenzen übergreifend.

      • Luther hat die erste grosse Revolution in der Moderne angeführt: die Befreiung von der kirchlichen Hierarchie. Von nun an stand der Gläubige in direktem Kontakt zu Gott und war nicht mehr auf die Vermittlung durch Klerus und Papst angewiesen. Die zweite grosse Revolution der Moderne – die französische Revolution – hat dann auch die weltliche Hierarchie niedergerissen und Fürsten und Königen den Laufpass gegeben oder sie schlicht enthauptet.

        Luthers Haltungen und Meinungen in Bezug auf die jüdischen Mitbürger waren mehr als antijudaisch (das trifft für die katholische Kirche zu), sie waren rassistisch und er sprach von der Pestilenz, die die Juden für Deutschland darstellten und sprach davon, die Juden seien Deutschlands Unglück.

        • @ Holzherr :
          Ihr Kommentatorenfreund bezog sich auf sein Allgemeinwissen und auf diese oben webverwiesene Aussage:
          ‘Konsens besteht heute weitgehend darin, dass Luthers Aussagen zu Juden nicht rassistisch, aber konstant antijudaistisch waren.’

          Sie dürfen natürlich gerne anderweitig belegend werden…

          MFG + schöne Grüße in die Schwyz,
          Dr. W

        • PS:
          Neben der Zersetzung der Lehrmeinung der Römischen Kirche, die als ‘erste große Revolution’ verstanden werden könnte, durch Luther, wäre vielleicht doch als ‘zweite große Revolution’ Derartiges zu notieren:
          ‘Der erste dokumentierte Hinweis auf die Bezeichnung United States of America liegt in einem anonym [Hervorhebung: Dr, W] verfassten Essay, das am 6. April 1776 in der Zeitung The Virginia Gazette in Williamsburg, Virginia veröffentlicht wurde. Im Juni 1776 fügte Thomas Jefferson die Bezeichnung „UNITED STATES OF AMERICA“ in Großbuchstaben in den Titel seines ursprünglichen Entwurfs der Unabhängigkeitserklärung ein.’ (Quelle)

          Ansonsten müssten Sie sich als Schwyzer nicht kleinmachen, voraufklärerische Demokratie gab es im alten Griechenland, im Lateinischen und in der Schwyz.

        • Luther war auch nichts anderes als ein weiterer Spalter für den nun “freiheitlichen” Wettbewerb um “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei”, bzw. für die zeitgeistlich-kreislaufende Dummheit im geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” (Evolutionssprung) – “Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

          Der Kurfürst war Luthers Sklaventreiber / zeitgeistlicher Zuhälter 😉

    • Ach, Herr Holzherr, jetzt hören Sie doch endlich einmal auf, immerzu zu Dingen Ihren Kommentar abzugeben, von denen Sie einfach überhaupt nichts verstehen. Ich weigere mich, auf diesen Quatsch einzugehen.

  18. @Martin Holzherr

    da ich das gerade beim posten sehe…..

    “Andersgläubige werden prinzipiell ausgeschlossen und bei Bedarf auch massakriert. “

    ich kann mich jetzt zwar im weiteren nicht mehr näher darauf einlassen, aber das “prinzipiell” Herr Holzherr geht absolut daneben. Menschen die so denken und, wo es die Gelegenheit gibt, danach handeln, gibt es in allen gesellschaftlichen Formierungen. Das ist eine urmenschheitliche Not. Und dass man sich mit solchem Denken hinter hehrem und heiligem Outfit verstecken kann, weiß auch jeder.
    Es ist aber äußerst unverantwortlich, wenn sie ob solch möglicher übler Praktiken das Kind der Religion mit dem Bade ausschütten wollen, von wegen “delegitimieren”!

    Was Sie vielleicht in Bezug auf die Religionen meinen, kann damit zu tun haben – und das wird insbesondere beim Chrtistentum so sein – dass in einer besonders auf friedliches Miteinander ausgerichteten Gemeinschaft die vom Naturell her Gewalttätigen, die nicht ausreichend lernen solche negativen Energien in sich selber zu bewältigen, besonders unter Druck geraten und sich dann deshalb verstecken und ein heiliges Schutzmäntelchen umlegen. Das zu überwinden ist ein langer gesellschaftlicher Prozess, der von allen viel Geduld braucht. Einer trage darin des anderen Last, heißt es. Dass dieses bewusste Mittragen solchen gemeinsamen Leids in der modernen säkularen Gesellschaft immer weniger geschieht, genau das ist – wenn es so bleibt – ihr Untergang. Das heißt der Untergang ihrer bisher so hart errungenen Freiheit. Auch Sie sollten aufpassen, dass Sie nicht mit an diesem Ast sägen. …..auf dass man dann mühsam wieder ganz von vorne anfangen muss.

    “Religionen haben es immer wieder verstanden niedere Motive zu cachieren und höhere Ziele vorzutäuschen, wo es beim besten Willen keine gibt.”

    Das tun nicht die Religionen, sondern bestimmte Menschen in den Religionen und überall. Wahrscheinlich sind Sie einer von denen, der zwar so veranlagt ist, der aber in jungen Jahren den Mut hatte, vor sich selber ehrlich zu sein und auf das Schutzmäntelchen zu verzichten. Das kann – je nach Charakter – ein guter erster Schritt sein, aber der zweite sollte denn doch möglichts auch folgen: nicht das Ausleben sondern die wahre Überwindung der agressiven Veranlagung.
    Eine gute Übung für’ s Alter anstatt gegen die vorzugehen, die den Menschen genau dabei zu helfen bemüht sind.

    Ich bin der Meinung, dass die Menschheit insgesamt in der Überwindung dieser negativen Energien im Stillen aber sehr wohl schon beachtliche Fortschrtitte gemacht hat, auch wenn das nicht überall und vor allem noch nicht in der Öffentlichkeit so offen zutage tritt. Solche Infos hört man aber eben weniger in den Mainstreammedien, die eher auf Reißerischeres aus sind.

    Papst Benedikt schreibt in einem seiner Bücher, dass die globale Perspektive oft eine sehr andere ist als die nationale, wie etwa in Deutschland. Sie werden in Ihrer Situation auch sicher nicht die weltweite Perspektive eines Papstes haben können, der – wie er schreibt – durch viele unmittelbare persönliche Kontakte aus aller Welt gerade in solche Seiten der weltweiten Entwicklung einen ganz anderen Einblick haben kann.

  19. Gewalt gegen andere Gruppen ist im Christentum nicht seltener als im Islam sagt uns Ludwig Trepl zurecht. Das liegt daran, dass Glaube und Religion eine ganz andere Aufgabe haben als Gläubigen einen Sinn im Leben zu geben und ein Leben über den Tod hinaus zu versprechen. Es verhält sich ähnlich wie bei romantischer Liebe, zweigeschlechtlicher Partnerschaft, Sex und Fortpflanzung. In der romantischen Liebe wird uns der Himmel auf Erde versprochen, doch letztlich läuft es auf Sex und Fortpflanzung heraus. Ebenso versprechen die Religionen den Gläubigen einen Sinn im Leben und ein Leben über den Tod hinaus. Doch es geht beim Glauben um etwas ganz Anderes, nämlich um die Bildung einer Gemeinschaft von Menschen, die einander vertrauen und die zusammen durch dick und dünn gehen. Andersgläubige werden prinzipiell ausgeschlossen und bei Bedarf auch massakriert. Religionen haben es immer wieder verstanden niedere Motive zu cachieren und höhere Ziele vorzutäuschen, wo es beim besten Willen keine gibt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Männlichkeitskult im Islam. Der typische männliche Muslim ist harten alkoholischen Getränken im Kreise von Gleichgesinnten – anderen harten Männern – nicht abgeneigt, auch Pornographie erfreut sein Herz, doch das geschieht alles im kleinen Kreis. Nach aussen gibt er sich als fromm, gottesfürchtig, als Familienmensch und als Beschützer seiner Frau, die er vor neugierigen Blicken hinter langen Gewändern und einem Schleier verbirgt. Sein frommes Leben nach den Gesetzen des Islams ist in Wirklichkeit nichts als Tarnung für ein Leben indem er sich nimmt, was er braucht. Bei den meiste Christen war es früher nicht viel anders. Auch hier dient die Religion als Schutzschild um viele höchst profane Gedanken und Aktionen zu legitimieren. Es ist höchste Zeit um die Religion zu delegitimieren. Nicht jede Niederträchtigkeit, nicht jede Bosheit wird dadurch gut, dass man sie zur heiligen Sache erhebt.

    • @ Holzherr:

      Da rast er aber, der Stammtisch. So geballt bekommt man’s selten. Und wie er sich auskennt, unser Kreuzritter! „Der typische männliche Muslim ist harten alkoholischen Getränken im Kreise von Gleichgesinnten – anderen harten Männern – nicht abgeneigt, auch Pornographie erfreut sein Herz, doch das geschieht alles im kleinen Kreis.“ Darf ich daraus schließen, daß Sie öfter mal mit typischen männlichen Muslimen durch die Kneipen ziehen und anschließend ins Bordell gehen? Oder woher haben Sie Ihr Wissen?

      Die Krönung ist aber der Satz „Bei den meisten Christen war es früher nicht viel anders.“ Man muß zweimal hinschauen: „früher“, da steht tatsächlich „früher“. Der heutige christliche Mann mag keine harten alkoholischen Getränke und Pornographie erfreut nicht „sein Herz“ (genau, das ist der Körperteil, der durch Pornographie „erfreut“ wird).

      Und wenn Sie meinen sollten, daß in manchen (früher mal) christlichen Ländern es der Männlichkeitskult heute schwer hat: Die allermeisten Christen leben in Lateinamerika, in Afrika südlich der Sahara und im östlichen Europa, also da, wo Homosexualität zum Teil schwer bestraft wird und wo es unvorstellbar ist, daß es in den Kirchen Pfarrerinnen gibt. Ich kann nicht erkennen, daß dort in puncto Männlichkeitskult irgendein nennenswerter Unterschied zu islamischen Ländern besteht. Aber es muß heute nun mal der Muselmann sein mit seinem Bart. Vor einigen Jahrzehnten war es bei Leuten Ihrer Grundeinstellung der Jud’. Danken Sie für die Gnade der späten Geburt

  20. Ganz knapp gefragt: was sind die Kriterien, um von einem “christlichen Gottesstatt” zu sprechen? – Ich will _keinesfalls_ auf die bekannte Argumentation hinaus “weil die und die unchristlichen Untaten begangen wurden, kann es sich nicht um Christen handeln”. Aber andere, davon unabhängige Kriterien sollte es doch geben. Was man von der “Lehre” erfährt, ist christlich grenzwertig, ich kann nicht finden, daß es halt bei christlichen Sekten so vorkommen kann.

    Ganz formalistisch (vielleicht absurd): eine Taufe kannte die Bewegung anscheinend. Wurde diese von den anderen christlichen Gemeinschaften anerkannt oder wäre sie anerkannt worden, wenn die Lehre bekannt gewesen wäre? – Falls die Antwort ja lautet, muß man m.E. allerdings von Christen reden.

    • @ Zabki

      Es gibt keinen christlichen Gottesstaat, so etwa wie das jüdische Volk sich rundum als auch staatliches Gottesvolk versteht. Bei den Juden ging es geschichtlich berechtigt um ganz was anderes als dann später bei den Christen.

      Alle getauften Christen zusammen sind dennoch nie ein weltlicher Gottesstaat. Jesus sagt deutlich: mein Reich ist nicht von dieser Welt…sonst würden meine Soldaten für mich kämpfen. Er hat eben keine solchen weltlichen Soldaten und will und wollte sie nie. Das wäre ja absolut kontraproduktiv.

      Die ‘Gotteskrieger’ vom Taiping-Reich mögen von einem Gottesstaat gesprochen haben, waren es aber gewiss nicht, auch wenn alle ‘Bürger’ getaufte Christen waren. Ich denke, der Begriff ist hier aber auch nicht so wichtig, sondern das, was da konkret gelaufen ist.
      Die Missionare, die dies taten, kamen weit weg von Rom (Internet etc. gab es nicht) und China war auch weit weg von Rom.

      Die konkreten geschichtlichen Ursachen müsste man tatsächlich mal näher untersuichen. Aber für die die Hauptursache solcher Exzesse muss man nicht in der Vergangenheit forschen. Man sollte besser ihre modernen Gewänder erkennen lernen.

      • @Eli Schalom

        Vom Begriff “christlicher Gottesstaat” hatte ich nur den Bestandteil “christlich” in Augenschein genommen, und war – als mindest-notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung – auf das absurd-formalistische Kriterium “anerkannte Taufe” verfallen, wenn denn hier zu Recht die moralischen Gesichtspunkte außer Betracht zu bleiben haben. – Zu “Gottesstaat” möchte ich mich mangels Kompetenz gar nicht äußern.

      • @ Eli :

        Es gibt keinen christlichen Gottesstaat, so etwa wie das jüdische Volk sich rundum als auch staatliches Gottesvolk versteht.

        Jein.

        Das ‘jüdische Volk’ konzentriert sich, sofern hier korrekt gefolgt werden konnte, im Sinne eines sogenannten Zionismus auf die Staatlichkeit Israels als eine Art Rückzugsgebiet,
        Israel ist in diesem Sinne nicht als Gottesstaat zu betrachten, auch weil die Fraktionen innerhalb des Judentums höchst abweichend voneinander oder höchst zerstritten sind.
        So etwas gilt als Zivilisationsmerkmal, als ‘E pluribus unum’; übrigens kann ein wohlverstandener Multikulturalismus nur so funktionieren.

        Hmm, hmm, also die seinerzeitigen päpstlichen Befugnisse, u.a. auch das Mittelalter betreffend, gingen schon ein wenig Richtung ‘Gottesstaat’, auch die Krönungen von Königen betreffend.
        Korrekt bleibt natürlich, Sie hatten es weiter oben schon erwähnt, das schöne Gotteswort ‘Mein Reich ist nicht von dieser Welt!’ – es bleibt korrekt anzunehmen, dass das Christentum duozentrisch, konkret: anthropo- und theozentrisch gewirkt hat.

        Irgendwo hier könnte der Samen der jetzig gegebenen Zivilisation liegen.

        MFG
        Dr. W

    • „Ganz formalistisch (vielleicht absurd): eine Taufe kannte die Bewegung anscheinend. Wurde diese von den anderen christlichen Gemeinschaften anerkannt oder wäre sie anerkannt worden, wenn die Lehre bekannt gewesen wäre? – Falls die Antwort ja lautet, muß man m.E. allerdings von Christen reden.“

      Da haben Sie recht: Das ist absurd. Die katholische und die lutherische Kirche erkennen die Taufe der Baptisten und der anderen von ihnen „Wiedertäufer“ genannten Konfessionen und Sekten nicht an. War darum Martin Luther King kein Christ? Der erkennt die Taufe eines Lutheraners im Säuglingsalter nicht an. Wird er deshalb einen Lutheraner für keinen Christen halten?

      Das Entscheidende ist, daß die Taiping-Bewegung als US-Export entstanden ist, amerikanische evangelikale – wie wir heute wohl sagen würden – Missionare haben sie ins Leben gerufen. Ansonsten müßte man bei den Kriterien, um von einem “christlichen Gottesstaat” zu sprechen, über Inhalte des Christentums sprechen, also etwa die Relevanz eines persönlichen Gottes, die Erlösung der Menschen von den Sünden durch den Opfertod Jesu’ usw. Ganz einfach ist das nicht, denn es gibt etliches, was sich weithin als essentiell in den Köpfen festgesetzt hat, was aber in Wirklichkeit nur die Meinung einer Fraktion in den Fraktionskämpfen der ersten Jahrhunderte war, oft nur einer Fraktion unter mehreren katholischen, ohne daß man einen vernünftigen Grund nennen könnte, die Unterlegenen – etwa die Arianer – nicht als Christen zu bezeichnen.

      Wenn @Eli Schalom schreibt „Es gibt keinen christlichen Gottesstaat“, dann hat er, so, wie er es hier meint, sicher recht. Aber ich habe das Wort nur aus dem banalen Grund gewählt, daß es in den Medien zur Bezeichnung von totalitären (falls dieses Wort paßt, nach Hannah Arendt sicher nicht) Staatsgebilden gebraucht wird, die sich religiös begründen. Und es wird immer so getan, als ob die allesamt muslimisch wären. Aber nach dem, was die Medien meinen mit dem Begriff, waren natürlich auch der Taiping-Staat, aber auch die Täufer-Kommune von Münster, Genf unter Calvin und genau genommen auch die puritanischen Gemeinschaften in Neuengland „Gottesstaaten“.

      • @Ludwig Trepl
        “Die katholische und die lutherische Kirche erkennen die Taufe der Baptisten und der anderen von ihnen „Wiedertäufer“ genannten Konfessionen und Sekten nicht an”.
        M.W. durchaus, nur die Bewegungen der Wiedertäufer-Tradition haben Problem mit der Anerkennung der Taufe der “großen” Konfessionen, soweit diese als Kindertaufe gespendet wurde. – Ob die Taufe der Arianer anerkannt wurde, war auf die Schnelle von mir nicht zu ermitteln, jedenfalls hat Konstantin der Große sich von einem Arianer taufen lassen. –

        Ob es angemessene Ausdrucksweise ist, daß die Taipeng-Bewegung von “evangelikalen Missionaren ins Leben gerufen” wurde, davon bin ich aufgrund der bisherigen geringen Informationen nicht überzeugt. Haben diese Missionare den Taipeng-Führer in seiner Selbsternennung als “zweiten Sohn Gottes” bestärkt?

        Ich erinnere mich an eine Aussage aus einem anderen Faden (sinngemäß) “selbstverständlich war es das Recht der Sklaven, ihre Herren aufzuhängen”. Wieviel der Opfer der Taipeng-Aufstände sind einem solchen Recht und entsprechenden Gegenmaßnahmen geschuldet?

        • Ludwig Trepl, @ zabki: Christen und Rote Khmer

          „selbstverständlich war es das Recht der Sklaven, ihre Herren aufzuhängen”. Wieviel der Opfer der Taipeng-Aufstände sind einem solchen Recht und entsprechenden Gegenmaßnahmen geschuldet?“

          Ich vermute, Sie wissen nicht, welchem Muster Sie da folgen. Es geht Ihnen immer nur darum, die Schuld vom Christentum wegzuschieben, denn Sie sehen sich selber als Christ. Ich erzähle Ihnen darum aus meinem Leben:

          In den 70er Jahren brachten die Roten Khmer Millionen von Menschen in Kambodscha um. Ich war damals, wie recht viele meiner Generation, begeisterter Maoist, die Roten Khmer galten auch als Maoisten. Ob zu recht, weiß ich nicht, wir jedenfalls nahmen sie als solche. Es durfte also nicht wahr sein, daß die das gemacht haben. Dafür suchte man und auch ich Argumente und fand sie auch. Eines war: Die Ermordeten waren größtenteils Stadtbevölkerung, die Mörder Bauern. Die Bauern haßten, dort wie an so vielen Orten, die Städter. Sie brachten sie um, sowie sie die Gelegenheit dazu sahen. Die Bauern waren es also, nicht die Roten Khmer. Denen kann man allenfalls vorwerfen, daß sie das Massaker nicht entschlossen genug verhinderten oder gar, daß sie es schlau, denn es lag in ihrem Interesse, geschehen ließen. Wie es war, weiß man nicht. Die Sache war halbwegs entschuldigt.

          Dazu paßt ein Bericht eines amerikanischen Journalisten (John Reed, glaub ich), der auf dem „langen Marsch“ in China dabei war. Die kommunistische Armee eroberte ein Gebiet, verteilte das Land der größeren Grundbesitzer an die Bauern und wollte die Grundbesitzer töten. Den Bauern genügte das nicht. Sie wußten: Solange es Erben gibt, haben sie das Land nicht sicher. Sie bestanden darauf, daß auch die potentiellen Erben getötet werden. Die kommunistischen Führer, gebildete Städter, waren entsetzt. Aber sie konnten sich gegen den Willen der Bauern nicht durchsetzen. Die gesamte Grundbesitzerschicht, bis zum kleinsten Säugling, wurde ausgerottet.

          So funktionierte das in unserem/meinem Kopf. Ich hoffe, es gibt ihnen zu denken. Suchen Sie nicht länger nach Ausreden. Ich weiß auch nicht, was die Missionare zur Selbsternennung des Taipeng-Führers als “zweiten Sohn Gottes” gesagt haben. Ziemlich sicher waren sie dagegen, es paßte ja zu ihrem eigenen Programm kaum. Aber es ist völlig egal. Es interessiert nur als Ausrede. Die Bewegung verstand sich als christlich und wurde in Europa so verstanden. Das reicht. „Wir“ waren das – solange wir uns dem nicht stellen.

      • @Ludwig Trepl

        “Wenn @Eli Schalom schreibt „Es gibt keinen christlichen Gottesstaat“, dann hat er, so, wie er es hier meint, sicher recht.”

        hm… aber Sie wussten vor meiner Schreibpause gewiss schon, dass ich eine ‘sie’ bin, oder? …vormals @’Grenzgängerin’….?

        Dass Sie den Gottesstaat wie beschrieben meinten, war mir schon klar. Habe auch nur spontan reagiert, weil @Tabki Taufe und Gottesstaat gedanklich zusammenzuführen schien.

        Die Taufe ist jedenfalls kein ‘Einbürgerungsakt’ in einen irdischen Gottesstaat.
        ‘Einbürgerungsakt’ in das, was Jesus mit ‘Reich Gottes’ bezeichnet schon eher. Aber das ist ein größeres Thema.

        Ihnen gute Besserung und eine besser verträgliche, erfolgreiche Therapie.

  21. Ludwig Trepl:
    Allgemein und abschließend: Zu den Kommentaren dieses Artikels.

    Ich frage mich, wozu ich den Artikel überhaupt geschrieben habe. Fast keiner bezieht sich in der Diskussion darauf. Hätte ich nur geschrieben: „Hier ist Platz zu Meinungsäußerungen über Gott und die Welt und den Terrorismus“, wäre das Ergebnis vielleicht das Gleiche gewesen.

    Was habe ich geschrieben? Ich habe bewiesen, daß der derzeitige islamistische Terrorismus seine Ursache nicht darin haben kann, daß die Religion, aus der er sich rechtfertigt, besonders gewaltverherrlichend ist. Denn eine andere Religion, die jedenfalls ihren Gläubigen als ganz und gar nicht gewaltverherrlichend gilt, hat noch schlimmere terroristische Exzesse hervorgebracht. Ich habe geschrieben, daß das doch Anlaß sein sollte, darüber nachzudenken, was denn dann die Ursache solcher Abstürze sein könnte, wenn sie schon in der jeweiligen Religion im allgemeinen nicht liegen können. Ich habe, weil das sonst garantiert auf eine falsche Fährte führen würde, darauf hingewiesen, daß es bei politischen Weltanschauungen ganz entsprechend ist. Jedes Kind hat in der Schule der sozialistischen Länder über die Zustände in den englischen Bergwerken des 18. Jahrhunderts erfahren, aber keines ein Wort über die sehr ähnlichen Zustände in sibirischen Arbeitslagern des 20. Jahrhunderts.

    Erwartet hatte ich auch, daß man das vollständige Verdrängen jener Ereignisse in China in der gesamten westlichen Welt für diskussionswürdig hält (garantiert hat niemand unter den Lesern je davon gehört, die meisten werden sich wohl in ein paar Wochen nicht mehr erinnern). Doch darauf ging nicht einer ein.

    Man diskutierte statt dessen über allgemeine Fragen der Religion und spezielle der christlichen oder des Schriftinterperetierens, oder man hetzte, wie der Pöbel seit eh und je (oder man hetzte den Pöbel), gegen den einen Feind da draußen. Einst war es „der Franzos“, der an allem Bösen in der Welt schuld war, dann „der Jud“, auch „der Russ“ ist es mal gewesen. Jetzt ist’s halt der Muselmann. Beweisen durch „Tatsachen“ ließ es sich immer.

    Es ist schön, daß die Diskussion offenbar jetzt zu Ende ist. Sie war unerquicklich.

    • @Ludwig Trepl

      “Ich habe geschrieben, daß das doch Anlaß sein sollte, darüber nachzudenken, was denn dann die Ursache solcher Abstürze sein könnte, wenn sie schon in der jeweiligen Religion im allgemeinen nicht liegen können. “

      kann es sein, dass Sie meinen obigen langen Kommentar nicht gelesen haben? Ich bilde mir jedenfalls ein auf einen Kernpunkt eingegangen zu sein. Vielleicht nicht ganz der, den Sie erwartet haben, aber doch einen zentralen Punkt.

      • Ja, den habe ich in der Tat nicht gelesen, weil es mir in den Tagen vor Weihnachten extrem schlecht ging und dich den heiligen Abend im wesentlichen in der Notaufnahme der Klinik verbracht habe, in der ich jetzt immer noch liege. (Nicht verschweigen will ich, daß es mich berührt hat wie vielleicht nie etwas in meinem Leben, als ich hörte, daß man meiner in der Fürbitte des Gottesdiesntes persönlich gedacht hat als einen von denen, die jetzt nicht mit uns feiern können.) Ich muß Ihren Kommentar noch mal in Ruhe lesen, da wird es sicher viel zu diskutieren geben.

  22. Ludwig Trepl, @Webbär.

    “@ Herr Dr. Trepl :
Nur weil sich diesbezügliche Zensurierungsbemühungen Ihrerseits häufen:
    [Gelöscht, da kein Sinn erkennbar. Bitte formulieren Sie Ihren Gedanken noch einmal, aber in verständlichen Sätzen] „

    Das hat mit Zensur überhaupt nichts zu tun. Zensur wäre es, wenn ich Sie rauswerfe, weil Sie antiislamische Hetze betreiben; das habe ich ja auch angedroht, aber da Ihr Text unverständlich ist, weiß ich nicht, ob Sie die betreiben.
    „Sie sind auch nicht der gerade der inhaltliche “Bringer” vor dem Herrn, auch nicht derjenige, der im Web ggf. auch harter Kritik trotzend sich zu verteidigen weiß“
    Ich verstehe nicht, was das heißen soll.

    „ insofern würde Ihr Kommentatorenfreund doch langsam anraten wollen. dass auch Sie sich – vielleicht auch: im Herbst Ihres Lebens- zurücklehnen – und Jüngere mal [1] machen lassen. [2]“

    Ich lasse Sie ja machen. Schreiben Sie halt selber einen Blog. Aber ich muß mir nicht meinen Blog von jemanden ruinieren lassen, der nur seine seltsame Lust an wirren Formulierungen befriedigen will. Wenn jemand mit mir diskutieren will, dann verlange ich von ihm, daß er sich bemüht, sich so auszudrücken, daß ich ihn verstehe. Da hier ist kein Forum für verhinderte Dichter.
    „der Schreiber dieser Zeilen ist nicht mehr der Jüngste, womöglich gar älter als Sie es sind“ Das können Sie ja leicht nachprüfen. – „wichtich abär: immer die mögliche Zusammenfuhr von Gedanken“ Hä?

    „PS: Das einige den I, der zu D gehören soll, S * finden, könnte ausgehalten werden“
    Ich kann keinen Sinn erkennen, ahne allerdings, was Sie meinen.

    • Herr Trepl.
      nett dass Sie mal konglomerieren,
      anderseits könnte vielleicht doch mehr an Gegenseitigkeit ausgehalten werden, als Sie im Moment empfinden, Nachrichten meinend.
      BTW, es gab mal einen dezidiert liberalen WebLogger (meint immer einen Journalisten in täglicher Ausprägung, Tätigkeitsbezeichnungen dieser Art sind immer relativ), der den Webbaeren “auch nicht gut fand” und personenspezifisch zensurierte, was hier auch nicht so-o gut ankam. [1]

      Schwierig, also das zu bezeichnen, was im Web nicht geht.

      LG + schöne Jahreswende:
      Dr. W (der für das nächste Jahr doch anrät dem Diskurs möglichst freien Lauf zu lassen)

      [1] ‘Zettel’ nannte sich der alte pseudoliberale Sack, wurde auch vglw. bekannt – dies nur ganz am Rande angemerkt

      • PS:
        Das Sich-Erheben und die bedarfsweise erfolgte Zensurierung von kommentarischer Nachricht kam hier natürlich generell auch nicht so super-gu-ut an; hier könnte vielleicht auf Seiten der primär nachrichtengebenden Kraft eine bessere Aufstellung gefunden werden.

        • Es tut mir leid, ich kann nicht erkennen, was Sie mir sagen wollen. Ich sehe nur wirre Folgen irgendwelcher – oft seltsamen – Wörter. Also entweder Sie geben sich Mühe, mir etwas mitzuteilen, oder wir lassen das.

  23. Eli Schalom @Ludwig Trepl @all

    …kann mich trotz knapper Zeit einfach nicht mehr bremsen und reagiere wegen der aktuellen Brisanz der Frage in diesem Thread, nun doch noch mal auf dieses Einzelthema, bevor ich mein Buch anbieten kann, das als Ganzes eine weitaus ganzheitlichere Antwort geben kann, als vorab in Einzelfragen möglich. ….weshalb ich es seit einiger Zeit geschafft habe, mich rauszuhalten. Auch weil Weihnachten vor der Türe steht, mache ich doch vorab noch einen Versuch…..und entschuldige mich gleich ob der Länge… :-).

    (Habe die letzten neuen Kommentare ab “zabki 23. Dezember 2014 11:27” noch nicht gelesen.)

    Sie sagen sehr schön und treffend in Ihrem Kommentar oben in Antwort auf @Mona:

    “Beispielsweise unterscheidet man seit jeher im Alltagsdenken zwischen Klugheit und Weisheit, und das kann jeder.(…) Diese und ähnliche Unterscheidungen sind jedem, auch dem Beschränktesten geläufig. (…) All unser Rechtsdenken beruht darauf, daß wir die Fähigkeit haben einzusehen, daß wir nicht aus Eigennutz uns über das hinwegsetzen, was die (berechtigten) Ansprüche anderer sind. (…) Und sie wissen das nicht deshalb, weil es irgendwo, in einem Paragraphen des Gesetzbuchs oder einer für heilig gehaltenen Schrift, steht oder weil es die Nachbarn sagen, sondern weil sie Vernunft haben. (…)All dies sind Fähigkeiten, die wir einem normalen, schlichten Menschen ganz selbstverständlich unterstellen, nicht nur bei einem philosophisch gebildeten vermuten.


    Ich meine, der Begriff Vernunft” reicht hier für das, was Sie meinen, nicht aus. Zumindest möchte ich den Begriff in Bezug auf das Gemeinte erst einmal klären. Mit Verstand meint man heute ja in der Regel die Tätigkeit unserer kleinen Grauen, sprich feuernden Neuronen im Hirn, die auf Grund mannigfaltigen Inputs Erkenntnisse daraus produzieren.

    Aber – um es mal so vereinfacht zu sagen – unser neuronal agierender Verstand ist eben NICHT der einzige ‘Verstand’ in uns. Geist und Verstand sind – anders als heutzutage vielfach blind suggeriert wird und womit ganze, kurzsichtige Ideologien aufgebaut werden – zweierlei paar Schuhe. Ich kann hier jetzt zwar nicht das ganze, komplexe Zusammenspiel dieser zwei paar Schuhe aufrollen, vielleicht aber soviel zum Thema:

    Der neuronal arbeitende Verstand hat eine eminent wichtige Funktion im Reigen aller unserer Lebensfunktionen, er ist so etwas wie ein Maulkorb für den Geist (… der sich in unserem, vielfach vom Unbewussten entscheidend gesteuerten Willen äußert). Wenn der Verstand diese Maulkorbfunktion richtig wahrnimmt, kann man vielleicht von Vernunft sprechen. Das gilt aber nur, wenn er den Geist leben lässt, wenn er weiß, wo der seine Wurzeln hat, was es überhaupt mit ihm auf sich hat, wo er ihn bremsen und wo ihn fördern muss. (…ein großes eigenes Kapitel)

    Unser Geist ist, um es mal vorab mit Metaphern zu versuchen, jedenfalls so etwas wie ein havarierter Ozeanriese, dem der Verstand als Lotse vorgesetzt ist, um ihn sicher wieder an Land zu manövrieren oder auch einfach auf hoher See zu reparieren. Weiß unser Verstand nicht um diese seine Aufgabe und führt er diese Lotsentätigkeit nicht aus, wird umgekehrt er von dem havarierten Ozeanriesen getrieben. So etwas betrachten wir als krankhaft. Unser praktisches Leben ist aber so gestrickt, dass wir diese Maulkorbtätigkeit normalerweise intuitiv und ausreichend wahrnehmen. Das bringen Sie wohl auch mit Ihrem Satz zum Ausdruck:“All dies sind Fähigkeiten, die wir einem normalen, schlichten Menschen ganz selbstverständlich unterstellen, nicht nur bei einem philosophisch gebildeten vermuten”

    Und dann sagen Sie sehr treffend:

    “Eher gilt fast das Gegenteil: Die Erfahrung zeigt, daß die „Gebildeten“ auf die absurddesten Theorien kommen, die das rechtfertigen, wovon der unverbildete Kopf ganz selbstverständlich weiß, daß es falsch ist, daß man das nicht soll. Menschen in Not soll man helfen, das weiß er. Aber ein „gebildeter“ nationalistischer Theoretiker oder Ideologe denkt sich allerlei schlaues Zeug aus, warum man machen Menschen in ihrer Not nicht helfen soll, etwa solchen, die nicht dem eigenen Volk angehören. Vernunft aber ist die Fähigkeit, diese Schlauheit zu überbieten und in ihre Schranken zu weisen.”

    Genau das ist es. Und wenn diese “Gebildeten”einen entsprechenden willensstarken Charakter haben, ziehen sie die normalerweise “unverbildeten Köpfe”, die keine Zeit haben, Irrlehren auszudenken und zu installieren, in diese mit hinein. Das können ganze Weltanschauungen, Pseudoreligionen, Philosophien, Sekten, politische Parteien etc. sein, die obendrein heutzutage alle auch die Medien für solche Zwecke entdecken. Aber nie sind es die Religionen an sich, die dies tun. Vielmehr tragen vor allem sie durch diejenigen ihrer Vertreter, die eben diese Maulkorbtätigkeit an sich selber praktizieren, speziell dadurch dazu bei, dass wir die Lotsentätigkeit immer besser lernen und, wie Sie im letzten Satz sagen, die Fähigkeit entwickeln “diese Schlauheit zu überbieten und in ihre Schranken zu weisen.”

    Ich möchte diesen letzten Satz zur Veranschaulichung etwas anders formulieren: “Vernunft aber ist die Fähigkeit, die störrischen Manöver unseres ‘havarierten’ Geistes, die aus dem Unbewussten in uns hochkommen, in Schach zu halten, bis er in der jeweiligen konkreten Sache und am Ende insgesamt wieder fahrtüchtig ist.”

    Man kann sich leicht ausrechnen, dass das Verhalten einer großen Versammlung von Menschen weitestgehend davon abhängt, ob die Mehrzahl ihrer Individuen bei sich selber diese Lotsentätigkeit wahrnimmt. Wenn nicht, wäre sehr wichtig, dass zumindest und vor allem ihre Agitatoren/Führer/Sprecher etc. dies tun und dann die positiv anstecken, die es unter den “normalerweise unverbildeten Köpfen” nicht tun. Wenn auch dies nicht der Fall ist, wird’ s gefährlich. Wenn aber alle dies tun, werden sie sich vielleicht nicht sofort in der Sache aber doch in der gegenseitigen Achtung finden und auch gemeinsam der aktuell geforderten Vernunft nahe kommen.

    Worauf es mir aber im Moment ankommt:

    der Charakter der meisten Kommentare hier, wird offenbar von der aktuell weit verbreiteten ähnlich gestrickten Irrlehre geprägt, die den Geist als unsere wahre – ursprünglich autarke – Lebenskraft weitestgehend riskant unter den Tisch fallen lassen. Das geht natürlich nicht wirklich, sondern eben nur in den Köpfen einiger “schlauer Gebildeter” und ihrer hirnrissigen Lehren, wie Sie so treffend sagen: “Die Erfahrung zeigt, daß die „Gebildeten“ auf die absurdesten Theorien kommen” die dann aber unverbildete Köpfe oder auch ähnlich veranlagte “Gebildete” mitziehen.

    Doch dann machen Sie leider selber auch diesen Fehler, wenn Sie auf die Religionen zu sprechen kommen, worauf Sie mit Ihrem Artikel im Grunde ja gar nicht hinaus wollten und was Sie auch bei den ersten Reaktionen beanstandet haben. Mal abgesehen davon, dass Sie das Thema dafür hätten anders – eben nicht so sehr an der Religion – aufhängen müssen, aber mit dem, was Sie im Zitat mit “die normalerweise unverbildeten Köpfe” sagen wollen, konterkarieren Sie dann bei den Religionen leider wieder. Denn hier – und dabei kann ich meiner Erfahrung gemäß nur vom Christentum reden – ist es ja eben auch nicht anders als bei den allgemein “ normalerweise unverbildeten Köpfen.

    Das Gros der “unverbildeten” Gläubigen die “ganz selbstverständlich wissen, daß es [im Glauben] falsch ist, daß man das [und das ]nicht soll” etc. weiß eben auch intuitiv, was den wahren Gottesglauben ausmacht, eben auch wenn sie – danach gefragt – Falsches artikulieren, weil sie nicht geübt darin sind, in Worte zu fassen, was sie intuitiv zutiefst berührt und sie als wahr erfahren und leben. So wie Sie sagen, “All dies sind Fähigkeiten, die wir einem normalen, schlichten Menschen ganz selbstverständlich unterstellen,” so kann man auch ganz selbstverständlich einem “schlichten Gläubigen” unterstellen, dass er in sich eine Berührung mit der wahren Quelle des Glaubens hat und darum auch weiß und begreift, dass sie kein Konstrukt menschlicher Verstandestätigkeit ist. Ohnehin, wenn man mal unvoreingenommen genauer hinsieht, dann stimmt es ja nicht, dass etwa durch das Christentum und überhaupt die Religionen in der Menschheit kein Fortschritt erziehlt worden sei, wie oft erwähnt wird. Es sieht nur deshalb mitunter und in Zeiten der Krisen anders aus, weil in der Entwicklung ein neuer Schritt angesagt ist und deshalb das bislang tragfähige nicht mehr ausreichend trägt. Aber es hat bisher sehr wohl getragen. Das kann man sinnvollerweise als Ansporn sehen, den neuen Schritt zu wagen.

    Das Gros der Gläubigen weiß aber nicht nur intuitiv von der geforderten Maulkorbtätigkeit unseres Verstandes gegenüber dem Geist. Die jeweilige Glaubenspraxis einer Religion sorgt eben seit Urzeiten dafür, dass man diese Aufgabe immer besser bewältigt. Dagegen anzugehen, ist äußerst unverantwortlich. Die Religionen formulieren es zwar in je anderen Metaphern, aber letztlich geht es bei allen um das rechte Verhältnis von Geist und Verstand. Das ist ein Punkt der sie alle verbindet und über den man sich heute dringend verständigen muss.

    Was nun dieses Gros der echten Gläubigen trotz der Irrführungen und gewaltsamen Exzesse von Seiten “schlauer Köpfe” im Laufe der Jahrtausende positiv aus diesem Glauben heraus bewirkt und auf Dauer grundgelegt haben, wird durch die Gewaltexzesse und Irrlehren besagter schlauer “Glaubenslehrer” oder “Führer”, die es überall und zu allen Zeiten gibt, bei weitem nicht aufgewogen. Dies Art positive Beiträge schlagen nur leider bei Historikern gar nicht zu Buche. Können sie auch gar nicht. Religionswissenschaftler könnten sich das schon eher zur Aufgabe machen. Man sollte aber darum wissen, dass hier im Gros der einfachen Gläubigen die größere Wirkkraft ist. Und deshalb entspricht es eben nicht den Tatsachen und wirkt es zerstörerisch, bringt überhaupt nichts, derlei Fehlverhalten der Religionen stetig aufzuzählen oder gegeneinander auszuspielen, kurz: dermaßen überzubetonen, was Sie ja ursprünglich auch vermeiden wollten. Die Wurzel dieser Übel liegt allüberall in den Menschen, die die Maulkorbtätigkeit ihres Verstandes gegenüber dem Geist vernachlässigen. Erst recht liegt sie da, wo Menschen glauben, den Geist ganz außen vor lassen zu können oder gar zu müssen.

    Dieses breite Positive unter den vielen einfachen Gläubigen fällt auch deshalb überhaupt nicht auf, weil das Negative stets mit lauterem Getöse daher kommt. Das Positive,ist aber dennoch im Stillen das tragendere Fundament. Und, soweit ich es bislang mitbekomme und wenn ich es richtig deute, betont Papst Franziskus jetzt genau diese Stärke in der Breite des “unverbildeten gläubigen Volkes” und ist bemüht, das ins allgemeine Bewusstsein zu heben. Bleibt zu hoffen, dass er darin reichlich unterstützt wird, denn das ist ja weltgeschichtlich – dank der bislang allüberall noch überzähligen und übergriffigen, so geschilderten “schlauen Gebildeten” zudem mit Machtmenschveranlagung – allgemein noch breites “unbearbeitetes Land”. Solche “schlaue Gebildete” wissen sich halt immer und überall in den Vordergrund zu schieben und dadurch Ahnungslose mitzureißen.

    Es liegt folglich auch auf der Hand, dass auch hiesige Kommentatoren, die nicht mit diesem Geist verbunden und Teil dieses “unverbildeten gläubigen Volkes” sind, eben auch genau für diesen Raum des Geistes keinen Blick haben, weil sie dieses LEBEN nicht kennen, keinerlei Ahnung davon haben und das natürlich auch, wer nur dem Papier nach Gläubiger ist. Sie lassen sich deshalb von besagten “schlauen Gebildeten” leichter über den Tisch ziehen, sofern sie nicht wenigstens aus sich heraus und sich selber gegenüber die Maulkorb- bzw. Lotsenaufgabe des Verstandes erkannt und praktiziert haben. Man kann eben, ohne durch den Glauben eingebunden zu sein in den Raum des Geistes, leicht so mancher irreführenden Lehre aufsitzen. Und dann werden Ungläubige viel eher zu einer blind nachlaufenden Herde. Wirklich Gläubige laufen trotz Unwissenheit in Wahrheit nicht hinterher, eben weil sie glauben und deshalb das Vertandeswissen nicht das ganze Wissen ist.

    Was man hier auch überhaupt nicht zu lesen bekommt, aber für die stille Stärke des einfachen, gläubigen Volkes ausschlaggebend ist und jetzt in der Weihnachtszeit vielleicht sinnvollerweise mal wieder bewusst gemacht werden kann:

    Gläubige, die sich kontinuierlich konkret – etwa durch Gebet/Liturgie und daraus hervorgehenden Taten gegenseitiger Liebe – in den gemeinsamen Raum des Geistes einer Glaubensgemeinschaft einbinden, brauchen nicht viele Worte, um die Wahrheit dieses Geistes für ihren Alltag zu erfassen. Sie verstehen die Worte etwa der Bibel aus der Berührung mit diesem gemeinsamen Raum des Geistes heraus und sind allein durch diese Berührung in der Lage, intuitiv fallen zu lassen, was daran Menschenwort ist und ihm nicht entspricht, sie spüren, was von allem sie für ihre eigenes Verständnis brauchen. Sie stolpern nicht dauernd über die vorhandenen Widersprüche, während Ungläubige, die sich rein literaturkritisch mit den Heiligen Büchern befassen, mangels dieser Berührung eben nicht verstehen können. Ihnen fehlt die Berührung mit diesem Raum des Geistes, der kein Konstrukt menschlicher Verstandestätigkeit ist. Das gilt auch dann, wenn Gläubige mangels Übung über diese Berührung keine Worte finden könnten, wenn sie von Ungläubigen gefragt oder herausgefordert werden. Die Wahrheit kann sich auch ohne Worte übertragen.

    Das ist einer der wirklichen, nicht aufhebbaren Unterschiede zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen, es sie denn Letztere bedienen sich ihrer Maulkorbtätigkeit und lernen und sind Willens, sich auf ihre Weise vom gemeinsamen Geist berühren zu lassen. Denn das kann jeder.

    Wünsche zu Weihnachten möglichst vielen solch lebenspendende Berührung mit der Kraft des Geistes, der kein Konstrukt unseres Verstandes ist.

  24. Vielleicht sollte man als Zwischenbemerkung mal daran erinnern, daß die Zuspitzung auf das Verhältnis Heiliges Buch – Gläubige keineswegs für alle monotheistischen Glaubensrichtungen charakteristisch ist. In der kath. Kirche z.B. gibt es bekanntlich das “Lehramt”, das auch letztich für die Auslegung der Hl. Schrift zuständig ist. Ein “guter Katholik” braucht damit auch nicht so sehr durch den Verweis auf diese oder jene Stelle im AT irritiert zu sein, wenn die Kirche selbst daraus keine unguten Folgerungen zieht. Der Katholizismus ist keine “Buchreligion”, sondern allenfalls eine “Kirchenreligion”.

    • Sehr richtig. Warum sollte ein Buch die ganze Wahrheit enthalten. Das glauben vor allem Reformierte. Luther hat die Bibel in den Mittelpunkt gestellt um dem Papst und Klerus die Lehre über den Glauben aus den Händen zu reissen.

      • Sie verwechseln reformiert und protestantisch (oder auch “reformatorisch”). Außerdem beschreiben Sie einen Zustand, der sehr lange her ist. Für den heutigen Protestantismus (außer für die “Evangelikalen”) gilt das keineswegs.

  25. @skeptischerchrist

    »Insofern wirst du nicht zwei Gläubige finden die das gleiche Glauben.«

    Das bestreite ich gar nicht. Mein wohl doch etwas arg kurz geratener Einwurf, eigentlich mehr eine Randnotiz, zielte in eine andere Richtung. Ich versuche es mal mit ‘ner Langfassung:

    Ich meine, wenn von „Gläubigen“ die Rede ist, dann ist damit implizit eine ganz bestimmte Interpretation der jeweiligen Heiligen Schrift verbunden (oder was sonst Grundlage des Glaubens ist).

    Das heißt, wenn ich es mit einem Gläubigen zu tun habe, dann hat dieser bereits irgendeine Interpretation seines heiligen Buches verinnerlicht. Das Lesen (oder Hören) und die Interpretation des Gelesenen haben ihn gläubig werden lassen.

    Wenn man also sagt, was in den heiligen Büchern steht, kann und muss von den Gläubigen interpretiert werden, dann wird nach meinem Gefühl die Reihenfolge der Ereignisse verkehrt, der zweite Schritt (gläubig werden und/oder sein) geht dem ersten (lesen und interpretieren; oder hören…) voraus.

    Das mag wie eine Kleinigkeit erscheinen, aber ich finde es nicht ganz unwichtig. Angenommen, ich als im Grunde religiös veranlagter Mensch interessierte mich für eine bestimmte Buchreligion, dann würde ich doch wohl lesen, was im Heiligen Buch geschrieben steht. Es zählt also zunächst und vor allem das geschriebene Wort, und dann, in zweiter Linie, die Zeit, in der das Buch irgendwie (mit Gottes Hilfe?) entstanden ist, und eventuell auch die vorliegende Fassung/Übersetzung. Das, was ich dann glaube, hängt dann nur noch von meiner Auffassungsgabe und meinem geistigen Hintergrund ab.

    Es kommt also schon darauf an, was geschrieben steht, das darf man nicht einfach mit dem Hinweis auf unterschiedliche Interpretationen vom Tisch wischen oder kleinreden.

    Im Grunde spielt es keine Rolle, wie alt eine Glaubensschrift ist, ob eine Woche oder 1000 Jahre. Wenn sie für den aktuellen Leser verständlich verfasst ist, dann ist diese Schrift Wort für Wort Teil der unmittelbaren Gegenwart und wird dementsprechend Wirkung entfalten.

    Doch wie gesagt, dies sollte nur eine kleine Randnotiz sein gegen das Herunterspielen der Bedeutung des geschriebenen Wortes.

    PS: Der Titel des von Ihnen verlinkte Videos trifft es doch recht gut: „Islam – Die missverstandene Religion“. Aus Sicht eines Gläubigen muss doch eigentlich jeder Gläubige, der aus dem gleichen Heiligen Buch andere Lehren zieht, ein Missversteher dieses Buches sein.

    Anders verhält sich beispielsbei einem Gedicht: Dieses kann nur aus Sicht des Verfassers missverstanden werden, die Leser können es nur jeweils anders verstehen.

    PPS: Wenn ich von „Gläubigen“ rede, dann sind damit vor allem die Fundamental-Gläubigen gemeint, und nicht die aufgeklärten „Gläubigen“, die in den meisten modernen Gesellschaften den Hauptanteil bilden.

    • “Das heißt, wenn ich es mit einem Gläubigen zu tun habe, dann hat dieser bereits irgendeine Interpretation seines heiligen Buches verinnerlicht. Das Lesen (oder Hören) und die Interpretation des Gelesenen haben ihn gläubig werden lassen.”

      Das gilt für einige Gläubige, für andere aber nicht. Benedikt z.B. hatte nie in seinem Leben eine Gotteserfahrung. Er ist so wie du es beschrieben hast zum Glauben gekommen. Andere hatten aber eine Gotteserfahrung. Sie haben eben nicht die Bibel oder den Koran gelesen und fanden ihn überzeugend. Sondern haben Gott unmittelbar erlebt. Und sich dann einer religion angeschlossen (oder auch nicht)
      Der ganze mystische Zweig aller Religionen legt kaum Wert auf das Studium der Bibel oder des Korans. Die Theologie aller orthodoxen Kirchen ist kaum erwähnenswert. Die meisten Dinge haben sie einfach offen gelassen.

      “Wenn man also sagt, was in den heiligen Büchern steht, kann und muss von den Gläubigen interpretiert werden, dann wird nach meinem Gefühl die Reihenfolge der Ereignisse verkehrt, der zweite Schritt (gläubig werden und/oder sein) geht dem ersten (lesen und interpretieren; oder hören…) voraus.”

      Ich hab es schon geschrieben: Heilige Bücher MÜSSEN interpretiert werden. Einfach weil sie aus Wörtern bestehen. Sonst bräuchten wir ja z.B. keine Gerichte. Gesetze sind bewußt eindeutig formuliert (im Gegensatz zu heiligen Büchern) Trotzdem müssen sie Interpretiert werden.

      “Anders verhält sich beispielsbei einem Gedicht: Dieses kann nur aus Sicht des Verfassers missverstanden werden, die Leser können es nur jeweils anders verstehen.”

      Eben nicht. Heilige Texte ähneln wirklich eher einem Gedicht. Was Gott mit der Bibel den Gläubigen mitteilen will ist keinesfalls eindeutig. Bei Spiritualität geht es auch oft um Dinge für die Worte überhaupt nicht geeignet sind. Und wie ich schon geschrieben habe: Nicht 2 Gläubige glauben das gleiche.. Und da das Christentum nicht nur Buch sondern auch Mysterienreligion ist auch die unmittelbare Gotteserfahrung Teil der Erkenntnis.

      Diese Buch und Wortfixiertheit ist eher ein Indiz für Fundamentalismus.

      Und nochmal Watzlawick:

      Toleranz entstehe aufgrund der Einsicht in die Begrenztheit und Subjektivität des eigenen Erkennens. Wir wissen um die Grenzen unserer Konstrukte und anerkennen deshalb auch die Grenzen der Konstrukte anderer.

      Das gilt natürlich auch für Religionen: Religiöse Menschen die behaupten das sie (aufgrund einer Interpretation der Bibel die sie für ein wörtliches Verständnis halten oder auch von persönlichen Gotteserlebnissen) WISSEN was Gott von Ihnen und anderen Menschen wollen sind natürlich Fundamentalistisch und potentiell gefährlich.

    • Ludwig Trepl, zur Diskussion zwischen @Balanus und @skeptischerchrist über die Relevanz des Interpretierens:

      Auch wenn man die Frage der Mystik (unmittelbare Gotteserfahrung) beiseite läßt, stimmt der entscheidende Satz von @Balanus nicht:

      „Wenn man also sagt, was in den heiligen Büchern steht, kann und muss von den Gläubigen interpretiert werden, dann wird nach meinem Gefühl die Reihenfolge der Ereignisse verkehrt, der zweite Schritt (gläubig werden und/oder sein) geht dem ersten (lesen und interpretieren; oder hören…) voraus.“

      Von Anfang an hat man (der Sache nach, ob es die Worte gab, weiß ich nicht) im Christentum zwischen Offenbarungs- und Vernunftreligion unterschieden. Seit der Aufklärung ist der letztere Begriff derart in das theologische Denken eingedrungen, daß man überhaupt nichts Sinnvolles mehr dazu sagen kann, wenn man das nicht berücksichtigt. Bei Kant kann man dazu zwei wichtige Dinge erfahren:

      Erstens, den ersten Schritt tut die Vernunft. Nur wenn sie den Satz der Schrift als übereinstimmend mit dem meint zu erkennen, was sie ganz von sich aus für richtig hält, wird der Mensch sie als heilige Schrift akzeptieren. Stünde im Neuen Testament, daß man Dinge tun soll, die die Vernunft ganz von sich aus als eindeutig böse erkennt, hätte sie diese Schrift nicht für heilig gehalten – wenigstens nicht dies Satz. Man muß beispielsweise ein bestimmtes Bild von einem vollkommenen Menschen bereits haben, andernfalls könnte man den Satz „Jesus“ – so wie er beschrieben ist – „ist Gottes Sohn“ nicht akzeptieren

      Zweitens, an der Hl. Schrift, so wie sie zu sein hätte, arbeiten alle Generationen, die sie lesen, und sie haben das zu tun; und wenn bestimmte Dinge, die da ganz offenkundig drinstehen und sich nicht in die für richtig gehaltene Richtung uminterpretieren lassen, dann müssen sie verworfen werden. Berühmtes Beispiel: Kants Stellung zu der Stelle mit der Opferung Isaaks:

      „Abraham hätte auf die vermeintliche Stimme antworten müssen: dass ich meinen guten Sohn nicht töte, das ist sicher. Aber dass du Gott bist, der hier zu mir redet, das kann ich nicht glauben.“

      • ” „Abraham hätte auf die vermeintliche Stimme antworten müssen: dass ich meinen guten Sohn nicht töte, das ist sicher. Aber dass du Gott bist, der hier zu mir redet, das kann ich nicht glauben.“

        Danke für diesen interessanten Gedanken. Den kannte ich noch nicht. Echte Bildungslücke. Vieleicht sollte ich doch mal Kant lesen.

        • @skeptischerchrist

          „Danke für diesen interessanten Gedanken. Den kannte ich noch nicht. Echte Bildungslücke. Vielleicht sollte ich doch mal Kant lesen.“

          Das kommt darauf an, wie alt Sie sind. Sollten Sie schon in fortgeschrittenen Jahren sein, dann rate ich Ihnen ab.
          Allenfalls ein Kant-Brevier, mit so’nen Kalenderweisheiten.

      • Das hätte ich jetzt nicht gedacht. War Kant ein Fundamentalist? Ich weiß zu wenig von ihm, war er als Erwachsener überhaupt Christ? Wie sonst könnte er derartige biblische Erzählungen so unreflektiert wörtlich nehmen? Das wundert mich. Ich meine, auch ohne die Kenntnisse der historisch kritischen Exegese, die es damals ja so noch nicht gab, musste einem doch klar gewesen sein, dass man im Gesamt des sich entwickelnden jüdischen und dann christlichen Gottesverständnisses diese Erzählung so auf Gott bezogen und wörtlich nicht sehen kann. Gotteswort in Menschenwort kommt hier vielmehr sehr schlagseitig als Menschenwort zum Zuge, also mit einem Gottesbild, das ja schon von der nachparadiesischen Blindheit gekennzeichnet ist, sodass man folglich von diesen Aussagen den Kern entsprechend extrahieren muss.

        Was ich allerdings auch jetzt erst in einer Texterläuterung dazu las, wusste ich auch noch nicht. Da heißt es: “In der Erzählung wird aber auch deutlich, dass Gott das Kinderopfer ablehnt, das bei den Kanaanitern bezeugt ist.

        Wenn dem so ist, dann veranschaulicht der diesem vorangehende Satz: “Gott stellt Abrahams Glaubensgehorsam auf die äußerste Probe, die Abraham in der Bereitschaft zum schwersten Opfer besteht.” m.E. allerdings leider auch sehr deutlich, dass selbst die modernen Exgeten noch zu einem sehr menschlich autoritären Gottesbild neigen, das mit Gott herzlich wenig, mit menschlichem Machtdenken allerdings sehr viel zu tun hat, und die es zudem auch den damaligen Bibelautoren unterstellen, was voll daneben gehen kann. Wir sind heute möglicherweise sehr weit entfernt von der Gottesnähe und dem entsprechenden Gottesbild der biblischen Patriarchen. Solch ein autoritäres Gottesbild mag von den Bibelautoren vielleicht auch tatsächlich so gemeint gewesen sein, aber so oder so muss man die Perikope ganz und gar nicht als eine von Gottes Seite aus autoritäre Glaubensprobe Abrahams deuten. Gott braucht nun wahrlich keinen Menschen auf die Probe zu stellen. Zur Manifestierung der Autorität seiner Liebe braucht Gott niemanden auf die Probe stellen. Er kennt uns besser als wir selber. Er will uns vielmehr – so jedenfalls die Botschaft Jesu – uns in jeder Hinsicht zur Verwirklichung dieser Liebe verhelfen. Die Vorstellung einer Gehorsamsprobe entspringt ganz und gar einer menschlich, vorwiegend männlich autoritären Perspektive.

        Ich weiß nicht, welche ursprünglichen Überlieferungen die Bibelautoren in der babylonischen Gefangenschaft, wo das alte Testament entstand, speziell zu der Abrahamgeschichte zur Verfügung hatten, aber vom Gotteswort wird alleine der starke Glaube Abrahams und die große Verheißung, die Gott ihm gab, als Aussagekern von der ohnehin vorrangig mündlichen Überlieferung vorhanden gewesen sein. Als Aussage darüber lässt sich die Perikope aber eben auch ganz anders deuten, viel näher an dem, was uns auch in unserem heutigen Alltag begegnet:

        Abraham mag z.B. in einer ganz konkreten Situation gewesen sein, die das Leben seines einzigen, mit einer göttlichen Verheißung gesegenten Sohnes in große Gefahr brachte, auf die Abraham keinen Einfluss hatte. Und wegen der Verheißung einer zahlreichen Nachkommenschaft durch diesen einzigen Sohn, würde ein Mensch in solcher Situation normalerweise heftig mit Gott hadern. Wenn Abraham in einer solchen Situation dennoch den Glauben bewahrt und an Gottes Liebe geglaubt hat, so war das ein starkes Zeichen seines Glaubens und wird er erlebt haben, dass Gott seinen Sohn tatsächlich bewahren konnte. Für Abraham war das gewiss eine Glaubensprüfung, aber es war eben keine göttliche Gehorsamsprüfung.

        Es gäbe in diesem Sinne was den tatsächlichen Ablauf betrifft noch andere Deutungs- oder Erzählvarianten, aber das führt jetzt hier zu weit. Und ich muss mich damit auch wieder ausklinken. Bin jetzt nur deshalb darauf eingegangen, weil das eine von vielen typischen Fehldeutungen Nichtgläubiger im Umgang mit der Bibel ist, die auch hier in den Blogs häufig vorkommen und entsprechend falsche Vorstellungen vom christlichen Glauben potenzieren.

        allen noch einen schönen zweiten Weihnachtstag

    • @skeptischerchrist

      Apropos Gotteserfahrung: Wie sehen Sie das, kann ein Mensch, der ohne Gottesvorstellungen aufgewachsen ist, eine Gotteserfahrung machen? Ich würde meinen, nein.

      »Heilige Texte ähneln wirklich eher einem Gedicht. Was Gott mit der Bibel den Gläubigen mitteilen will ist keinesfalls eindeutig.«

      Es fällt mir schwer, das zu glauben. Gott wird schon gewusst haben, was er mitteilen wollte. Und zwar eindeutig. Dass der Mensch Schwierigkeiten hat ihn zu verstehen, macht aus Gottes eindeutigen Mitteilungen keine zwei- oder mehrdeutigen. Abgesehen natürlich von den Fällen, wo Gott absichtlich zwei- oder mehrdeutig formuliert hat, um den Menschen Raum für eigene Vorstellungen zu lassen.

      • “Apropos Gotteserfahrung: Wie sehen Sie das, kann ein Mensch, der ohne Gottesvorstellungen aufgewachsen ist, eine Gotteserfahrung machen? Ich würde meinen, nein.”

        ich würde meinen , ja

        “Es fällt mir schwer, das zu glauben. Gott wird schon gewusst haben, was er mitteilen wollte. Und zwar eindeutig.”

        Warum? Und selbst wenn, die Religionswirklichkeit zeigt ja wohl. dass dies nicht funktioniert hat.
        Lösungen sind:
        Gott offenbart sich nicht jedem Menschen gleich. Einige Religionen haben Recht andere Unrecht. Alle Religionen meinen im Prinzip das gleiche, drücken sich nur anders aus. Menschen nehmen Gott unterschiedlich wahr. Gott existiert nicht. Kann man sich das Aussuchen was einem am plausibelsten vorkommt

    • @Ludwig Trepl

      » Erstens, den ersten Schritt tut die Vernunft. Nur wenn sie den Satz der Schrift als übereinstimmend mit dem meint zu erkennen, was sie ganz von sich aus für richtig hält, wird der Mensch sie als heilige Schrift akzeptieren.«

      Der erste Schritt ist aber immer noch das Lesen, dann folgt das Verstehen, und dann, wenn die Vernunft keine Einwände hat, eventuell der Glaube. Mit ein bisschen Mühe könnte man meine Formulierung vom „geistigen Hintergrund“ des Lesers als „Vernunft“ deuten.

      »Stünde im Neuen Testament, daß man Dinge tun soll, die die Vernunft ganz von sich aus als eindeutig böse erkennt, hätte sie [die Vernunft] diese Schrift nicht für heilig gehalten – wenigstens nicht dies Satz.«

      Damit bin ich völlig einverstanden. Ich kenne den Koran nicht, aber wenn es stimmt, was manche sagen, dann stehen da Sätze drin, die mit der Vernunft nicht zu vereinbaren sind (und somit interpretationsbedürftig sind, um den Status der Heiligkeit zu retten). Auch dass man nur solche Sätze verstehen und akzeptieren kann, die auf ein bereits vorhandenes, quasi vorbewusstes „Wissen“ treffen, entspricht meinen Vorstellungen.

      »Zweitens, an der Hl. Schrift, so wie sie zu sein hätte, arbeiten alle Generationen, die sie lesen, und sie haben das zu tun; …«

      Diese Arbeit führt aber kaum zu inhaltlichen Veränderungen der Schrift selbst. Wer erstmals eine Hl. Schrift in den Händen hält, fängt mit seiner Auslegung praktisch bei Null an, so wie alle anderen vor ihm beim erstmaligen Lesen. Die Opferung Issaks findet sich z. B. immer noch in der Bibel.

      • “Diese Arbeit führt aber kaum zu inhaltlichen Veränderungen der Schrift selbst. Wer erstmals eine Hl. Schrift in den Händen hält, fängt mit seiner Auslegung praktisch bei Null an, so wie alle anderen vor ihm beim erstmaligen Lesen. Die Opferung Issaks findet sich z. B. immer noch in der Bibel.”

        Theologen würdenanmerken, dass die Bibel, das AT und das NT mit großer Ernsthaftigkeit zusammengestellt wurde , in dem ehrlichen Bemühen alles was von Gott überliefert wurde zusammenzufassen. Deswegen auch die Massen an widersprüchen. So gibt es z.B. zwei sich Widersprchende Schöpfungsgeschichten , Widersprüche in den Evangelien…
        Aber diese Ernsthaftigkeit sollte man schon honorieren indem man die Bibel nicht ständig umschreibt. Oder einfach Seiten durchstreicht. Es gibt auch garkeinen Grund jetzt zwanghaft einen widerspruchsfreien Text zu erstellen. Oder die Wahrheit zu erschließen. Kann man eh prinzipiell nicht.
        Übrigens geht einer der höchsten Muslemischen Feiertage, das Opferfest auf diese Erzählung zurück

      • Ludwig Trepl, @ Balanus

        » Erstens, den ersten Schritt tut die Vernunft. Nur wenn sie den Satz der Schrift als übereinstimmend mit dem meint zu erkennen, was sie ganz von sich aus für richtig hält, wird der Mensch sie als heilige Schrift akzeptieren.« (Zitat von mir)
        „Der erste Schritt ist aber immer noch das Lesen“

        Der erste Schritt ist immer der „hermeneutische Vorgriff“, sonst könnte man gar nicht anfangen zu lesen. Das mit dem Primat der Vernunft ist aber etwas anderes.

        „Damit [daß man einen als böse erkannten Satz nicht für heilig halten kann] bin ich völlig einverstanden. Ich kenne den Koran nicht …“

        Wie man doch schwuppdiwupp wieder beim Koran ist! Auch im Neuen Testament stehen Sätze, mit denen Sie garantiert nicht einverstanden sind, weil Sie sie für vernunftwidrig halten, z. B. „Das Weib schweige in der Gemeinde“. Die gehören dann eben nicht zu den heiligen Sätzen in der heiligen Schrift. Es stehen auch ein Unmenge historische und sonstige Sätze in der Bibel, die für der Frage der Wahrheit, um die es da geht, völlig irrelevant sind, so was wie, wie man von Jerusalem nach Bethlehem kommt.

        „Wer erstmals eine Hl. Schrift in den Händen hält, fängt mit seiner Auslegung praktisch bei Null an, so wie alle anderen vor ihm beim erstmaligen Lesen. Die Opferung Issaks findet sich z. B. immer noch in der Bibel.“

        Nein, keiner fängt bei Null an, sondern jeder von dem Punkt einer Tradition aus, an dem er steht, also jeder ganz woanders, sein „hermeneutischer Vorgriff“ ist also anders als der jedes anderen und er ist alles andere als „Null“. Und natürlich steht der Befehl, Isaak zu opfern, immer noch in der Bibel. Der Satz, daß die Menschen südlich der Sahara auf den Händen laufen, steht auch immer noch in dem Buch des römischen Historikers Circus Maximus, aber man muß ihn nicht mehr glauben. Zeugenaussagen geben inzwischen Grund für die Annahme, daß er falsch ist.

    • @skeptischerchrist

      . » “ […] Gott wird schon gewusst haben, was er mitteilen wollte. Und zwar eindeutig.”

      Und selbst wenn, die Religionswirklichkeit zeigt ja wohl. dass dies nicht funktioniert hat.«

      Die Religionswirklichkeit zeigt doch nur, dass die Menschen Gott nicht verstehen.

      »Aber diese Ernsthaftigkeit sollte man schon honorieren indem man die Bibel nicht ständig umschreibt.«

      Es widerspricht wohl auch dem Wesen einer überlieferten Heiligen Schrift, dass ma daran herumgedoktert.

      Weshalb einerseits unzählige Bände an Sekundärliteratur zu Bibel und Koran entstehen, anderseits aber manche die heiligen Texte so lesen, als seien sie gestern erst entdeckt und noch nie interpretiert worden.

  26. @Martin Holzherr
    Ins gleiche Horn wie Ratzinger in seiner Regensburger Rede stösst ja auch der von Ihnen zuvor verlinkte Opus Dei-Mann Rhonheimer: Die Katholischen sind die Guten, weil das in deren heiliger Schrift so geschrieben steht, und damit basta. Diese Gottesmänner verteten mit einiger Rhetorik ein Weltbild, das an Schlichheit etwa dem von Tom Clancy gleichkommt, wo die Amis grundsätzlich edel und gut, die Russkis aber ebenso grundsätzlich dumm und böse sind.

    Die Webseite katholisches.info, die Sie da entdeckt haben, passt dazu, ein prima Beispiel für katholische Agitation. Da biegt man sich die Geschichte nach eigenem Gusto hübsch zurecht. Beispielsweise Richtigstellungen zu den Kreuzzügen – „Christen sollen Kampfgeist wiedergewinnen“:

    Die Kreuzzüge waren letztlich eine „Befreiungstat“. „Vor allem lehren uns die Kreuzzüge, daß eine im einen Glauben geeinte Gesellschaft zu Höchstleistungen fähig ist und mehr noch Garant für Identität und Sicherheit, aber auch der Artikulation wirklicher Diversität ist und nicht verfälscht wie heute durch den laizistischen Relativismus, der Europa zur Selbstzerstörung führt“, so Erzbischof Negri.

    • Religiöse sind meist Konservative und die fühlen sich durch expandierende andere Religionen (andere Konservative) am meisten angegriffen. Papst Benedikt war im Herz wohl erzkonservativ, und was er konservieren wollte war ein konstruiertes Ideal von einem durch Verschmelzung von Logos und Glaube geadeltem Christentum, das seine Wurzeln sowohl im Judentum als auch im Hellenentum hatte und damit auch das Fundament der abendländischen Zivilisation bildete. Und dieses Fundament ist – neben Gottlosigkeit – durch den aggressiv auftretenden Islam gefährdet.

      Dast tönt als würde ich Papst Benedikt unlautere Motive und eine niedere Gesinnung zuschreiben. In der Tat tue ich das: Hochfahrende Ideale und in Reinheit strahlende Projektionen werden oft von recht niedrigen Motiven angetrieben.

      • Richtig, dabei reagieren sie auf Kritik äußerst sensibel und oftmals aggressiv. Letzteres kann man Ratzinger sicher nicht zum Vorwurf machen, aber manchen anderen, weniger intellektuellen Vertretern. Selbstverständlich zählt dabei auch der Atheismus zu den “anderen Religionen”, obwohl der Atheismus weder eine Religion noch eine spezifische Weltanschauung ist, sondern nur den Gegensatz zum Theismus bezeichnet. Ohne Theismus gäbe es keinen Atheismus. Eine neuere Modeerscheinung ist, Religion in der biologischen Evolution zu verankern und dadurch zu rationalisieren. Es ist der verzweifelte Versuch, wie bei Ratzinger, Religion mit Vernunft zu versöhnen. Das kann nicht funktionieren, weil Religion irrational ist und bleibt, jedenfalls die Offenbarungsreligionen mit Wahrheitsanspruch. In irgend einer Form ist praktisch jeder Mensch religiös oder irrational, sei es im Liebesrausch.

    • Martin Rhonheimers Argumente gegenüber dem Islam sind durch sein Judentum und seine Opus-Dei-Zugehörigkeit nicht von vornherein entkräftet, das möchte ich hier schon festhalten.

      Doch man muss sich bewusst sein, dass Herkunft und Verbundenheit/Bindungen das Denken über etwas Fremdes in jedem Fall beeinflussen. Wer meint Denken und Argumentieren sei nur das Spielfeld der Ratio, der täuscht sich gewaltig.

      Martin Rhonheimers Standpunkt gegenüber dem Islam könnten so zusammengefasst werden: Im Islam haben Muslime eine Tötungslizenz gegenüber Ungläubigen und damit das macht den Islam zu etwas was nicht in die Moderne passt Komplett falsch liegt Rhonheimer damit nicht. Mit seiner Herkunft vom Judentum her hat Martin Rhonheimer sicher auch auf natürliche Art mehr “Respekt” und Angst vor dem Islam als es rein Säkulare haben. Dass er zu einem so harschen Urteil über den Islam kommt hat also sehr wohl etwas mit seinen Bindungen, seiner Herkunft zu tun. Man könnte sagen: Er spitzt etwas zu, was im Kern auch ohne Zuspitzung richtig sein kann.

      • @ Herr Holzherr :

        Mit seiner Herkunft vom Judentum her hat Martin Rhonheimer sicher auch auf natürliche Art mehr “Respekt” und Angst vor dem Islam als es rein Säkulare haben.

        Mit Überraschung wie Interesse nimmt Ihr Kommentatorenfreund diese Information zur Kenntnis.
        Ihr Kommentatorenfreund, der nicht mit Ihrem Rückschluss konform geht, die Herkunft betreffend, auch von dieser eben: überrascht ist, weist gerne auch die Ideologie des Islam hin, die mittlerweile auch in der bekannten Online-Enzyklopädie eingehend beschrieben ist, nicht (mehr) beschönigend.

        MFG + schöne Weihnachten!
        Dr. W

    • @hrys
      “Die Webseite katholisches.info, die Sie da entdeckt haben, passt dazu, ein prima Beispiel für katholische Agitation. ”

      ich habe nicht den Eindruck, daß besagte Webseite offiziell etwas mit der kath. Kirche zu tun hat.

    • @Martin Holzherr
      Ratzinger und Rhonheimer sind subjektiv gewiss sehr überzeugt von dem, was sie da verkünden. Die Botschaft, die bei mir ankommt, ist letztlich die, dass allein die Christen, zumal die katholischen, das Salz der Erde sind, weil das so geschrieben steht.

      Eine kritische Reflexion oder gar Hinterfragung der eigenen Weltsicht kommt dann überhaupt nicht mehr in Betracht.

      Wenn stattdessen über Gautama Siddhartha “Buddha” debattiert würde, dann wäre es den christlichen Apologeten auch völlig egal, was der eigentlich gelehrt hat. Buddha muss aus dogmatischen Gründen einfach falsch liegen, das wird sich aus der Schrift schon irgendwie herleiten lassen.

      • @Chrys: Das gehört zum Wesen der Religion. Der Glaubenskern ist nicht verhandelbar und schliesst andere aus. Entweder man glaubt daran oder man ist im Irrtum. Eine Ausnahme ist hier möglicherweise der Buddhismus, denn Buddhisten sagen oft, man können sowohl Christ als auch Buddhist sein.

        Weil das so ist, stellt sich bei (fast allen) Religionen immer die Frage nach der Behandlung von Andersgläubigen. Diese sind im Irrttum, aber was bedeutet das? Soll man sie im Irrtum lassen, muss man sie missionieren, oder soll man seinen Glauben gar als geheimen Schatz behandeln, der nur wenigen Eingeweihten zugute kommen kann?

        Ratzinger und Rhonheimer sehen sich sicher im Besitz der Wahrheit und heute habe ich gerade eine Rezension eines Werks von Rhonheimer gelesen, die ihm das vorgeworfen hat. Insbesondere werfe er anderen Glaubensrichtungen Fehler und inkonsequentes Denken vor obwohl diese Fehler und Inkonsequenzen im Katholizismus genau so vorkommen.

        Jetzt fällt mir noch eine ander möglche, tolerantere Einstellung zur Glaubenswahrheit ein. Diese würde davon ausgehen dass es nur einen Gott gibt aber viele Wege ihn zu verehren und an ihn zu glauben.

        • @Martin Holzherr
          Ja, meines Wissens wird in Ostasien auch recht häufig Buddhismus in Kombination mit Taoismus und/oder Konfuzianismus praktiziert, aber ich kenne mich damit nicht wirklich aus.

          Ich meine auch, mich sinngemäss an Aussagen des Dalai Lama zu erinnern, dass es gar nicht darauf ankomme, welcher Religion jemand zugehört, sondern nur auf die Ethik, nach der man lebt und handelt. Eine Quelle weiss ich dazu jetzt leider nicht.

          Katholizismus geht natürlich auch anders, das muss man einräumen. Der Franziskus Papst scheint für ganz etwas anderes zu stehen als sein Vorgänger. Kein schriftgelehrter Dogmatiker, sondern jemand, dem es vorrangig um die Sorgen der Menschen geht, und auf mich wirkt er dabei glaubwürdig und überzeugend. Aber er hat es sicherlich auch als Chef nicht leicht, sich gegen die konservativen Strömungen in seiner Kirche zu behaupten.

  27. @ Dr. W. :

    Jetzt bringen Sie bitte Ihre letzten Kommentare in eine verständliche Form, sonst sind sie morgen gelöscht. Da sie nicht verständlich sind, kann man nicht erkennen, ob es sich um die übliche antiislamische Hetze handelt (dann lösche ich sie auch, wenn sie verständlich sind) oder nicht.

  28. Ich bezweifel, dass es gelingen kann EINEN Grund für das Umschlagen von eigentlich positiven Religionen (und da zähle ich den Islam auch zu) oder Wirklichkeitskonstruktionen wie der Kommunismus zu finden.
    Ein Grund, auch für den “Erfolg” des Taiping Reiches, der ISIS und auch des Kommunismus in Russland waren katastrophale wirtschaftliche Bedingungen und ein hohes Maß an Verzweiflung der Bevölkerung.
    Dann erstarken auch durch und durch lebensfeindliche Ideologien die keinen positiven Kern haben wie Faschismus und Nationalismus. Sehen wir ja grade in der Ukraine.
    Und natürlich werden dann auch Soziopathen nach oben gespült , die überhaupt nicht an die Ideologie glauben sondern nur Macht wollen.

    Ein Wesen des Fundamentalismus ist aber, dass man die eigenen Wirklichkeitskonstruktionen absolut setzt, also für wahr hält. Dann will man mit anderen Menschen nicht mehr Diskutieren sondern sie missionieren. Und den eigenen (einzig wahren) Weg zum Heil (und zur Wahrheit) um jeden Preis anderen Menschen aufzwingen.

    Wie Watzlawick sagte:

    Toleranz entstehe aufgrund der Einsicht in die Begrenztheit und Subjektivität des eigenen Erkennens. Wir wissen um die Grenzen unserer Konstrukte und anerkennen deshalb auch die Grenzen der Konstrukte anderer.

    Ach ja und zum üblichen Islamgebashe hier:

    https://www.youtube.com/watch?v=h6OuABqLcaA

    Prof. Dr. Mouhanad Khorchide und Abdullah Wagishauser gehören auch zum Islam.
    Und jetzt bitte kein
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kein_wahrer_Schotte
    und auch nicht “im Koran steht was anderes…”
    letzendlich steht in den heiligen Büchern alles mögliche. Es kann und muss von den Gläubigen INTERPRETIERT werden.
    Das tun auch Fundamentalisten. Sie geben es nur nicht zu. Sondern bezeichnen IHRE Interpretation als Wortgetreu.

    • Hab mir das verlinkte Video angeschaut. Volle Zustimmung zu den einleitenden Sätzen “der Islam wir häufig mit Gewalt in Verbindung gebracht. Muslime betrachten sich selber eher als Opfer denn als Täter” Das ist so: Islamistischer Terrorismus und Gewalt gegen Andersgläubige findet zu mehr als 90% in islamischen Ländern statt. Und hier im Westen wird das kaum wahrgenommen oder aber verharmlost. Dazu ein Beispiel: Als im Irak praktisch jede Woche die Bombe eines Selbstmordattentäters explodierte, meinte meine Frau, die Muslime seien das gewohnt, das mache Ihnen nicht soviel aus. Doch das stimmt überhaupt nicht. In muslimischen Ländern sind Menschen weniger vereinzelt, sie sind vom Tod von Bekannten und Freunden stärker betroffen. Ich wünsche deshalb den Muslimen in aller Welt, dass sie dem islamistischen Terror zurückdrängen können und dass Sunniten, Shiiten, Aleviten, und all die andern Konfessionen friedlich zusammenleben können.

      • @ Martin Hozherr:

        “Muslime betrachten sich selber eher als Opfer denn als Täter” Das ist so: Islamistischer Terrorismus und Gewalt gegen Andersgläubige findet zu mehr als 90% in islamischen Ländern statt.”

        Danke, daß Sie das erwähnen. Damit heben Sie sich positiv von den Wahnideen von Pegida und ähnlichen Gruppen ab. Die befürchten eine Islamisierung des Abendlands. Die droht nicht im Entferntesten, selbst wenn 10 mal so viele Muslime hier einwandern sollten. Eine Kultur ist immer nur durch Kulturen bedroht, zu denen sie aufblickt, wie die deutsche durch die französische im 18. Jh. und durch die amerikanische heute. Zur islamischen Kultur blickt aber niemand auf in Europa.
        Und “zu 90%” dürfte noch weit untertrieben sein.

        • Eine Kultur ist immer nur durch Kulturen bedroht, zu denen sie aufblickt, wie die deutsche durch die französische im 18. Jh. und durch die amerikanische heute.

          Weder zum nationalen wie zum internationalen Sozialismus haben europäische Kulturen ‘aufgeblickt’, die Mitte des letzten Jahrhunderts überrannt worden sind.

          MFG
          Dr. W

          • Wenn Sie noch einmal die Frechheit besitzen, “nationaler Sozialismus” zu schreiben, dann werde ich ab jetzt hinter “Liberalismus” immer setzen “die zweite blutige Großideologie neben dem Stalinismus, die das Paradies auf Erden verwirklichen will”.

            Sonst haben Sie recht, Aber Sie hätten merken können, daß ich mich nicht auf die Auslöschung einer Kultur durch Eroberung bezog (denn da droht durch die Zuwanderung aus islamischen Ländern gar nichts), sondern auf die freiwillige Übernahme einer fremden Kultur.

          • Herr Trepl,
            Sie dürfen gerne bei der Begriffswahl Liberalismus zukünftig wie zitiert ergänzen:
            ‘die zweite blutige Großideologie neben dem Stalinismus, die das Paradies auf Erden verwirklichen will’ [1]

            Allerdings versteht Ihr Kommentatorenfreund den Liberalismus “1:1” mit der Aufklärung, dem Sapere Aude, dem Anti-Kollektivistischen und der Hervorhebung der Macht der Menge, die -wohl organisiert- den jetzigen zivilisatorischen Stand hervorgebracht hat, den “westlichen”. [2]

            Hmm, hmm, Ihr Kommentatorenfreund will natürlich auch nicht übermäßig “nerfick” werden, schätzt Ihre Kommunikationsbereitschaft und Ihre Kompetitivität, wünscht Ihnen schöne Weihnachtstage und insgesamt: alles Beste.

            MFG
            Dr. W

            [1] Es gibt und gab wohl drei “Ziviliisationskiller” der gemeinten Art.
            [2] “Westlich” meint, wohl im Gegensatz zum seinerzeitigen Ostblock, die gesellschaftliche Implementierung politischer Systeme, die den Ideen und Werten der Aufklärung gefolgt ist; die Richtungsangabe ist irreführend (und auch ein wenig blöd), aber griffig

        • Nicht Islam sondern Salafismus und Orthodoxie erobern die (muslimische) Welt
          <a href=Salafismus und Orthodoxie eroberen immern weitere islamische Länder oder gründen dort von Aktivisten geführte Ableger. In Pakistan gewinnen Orthodoxe und (als Extremform) Salafismus schon seit 3 Jahrzehnten an Einfluss, in Indonesien gibt es salafistische Aktivisten seit 1998 und seit einigen Jahren hat der Salafismus auch Westafrika (z.B. Nigeria) erfasst. Sogar die Türkei ist davon betroffen. Dort gibt es salafistische Hochschulgruppen, die eine islamische Lebensweise auch bei Studenten durchrdrücken wollen. Einige ältere orthodox-islamische Gruppen wie die Muslimbrüder in Agypten erhalten zunehmend Konkurrenz durch die noch fundamentalistischeren Salafisten.

          Wer finanziert die salafistische Expansion
          Saudi-Arabien, Katar und VAR finanzieren die salafistische Expansion, unter anderem durch den Bau von Moscheen, und die Finanzierung von Imamen, aber auch durch eine eigentliche Bildungsoffensive mit Gründung von salafistisch inspierierter Hochschulen oder Finanzierung von salafistsichen Zirkeln an Hochschulen (z.B. LIPIA-Uni in Indonesien (hat viele salafistische Aktivisten hervorgebracht)),

          Der Salafismus ist eine Marke, der Islam nicht
          Die islamische Kultur hat viele Ausprägungen und wenig Wiedererkennungswert. Ganz anders der Salafismus. Der ist praktisch die Coca-Cola unter den vielen islamischen Fruchtwassern und hat in Ländern wie Ägypten als Al-Nour-Partei in den Wahlen von 2011 28% der Wählerstimmen erreicht, obwohl sie erst anfangs 2011 gegründet wurde.
          Über den wachsenden Einfluss des Salafismus gibt der NYT-Artikel Don’t Fear All Islamists, Fear Salafis Auskunft. Dort macht der Autor auch einen interessanten Vergleich

          Salafis are only one slice of a rapidly evolving Islamist spectrum. The variety of Islamists in the early 21st century recalls socialism’s many shades in the 20th. Now, as then, some Islamists are more hazardous to Western interests and values than others. The Salafis are most averse to minority and women’s rights.

          • Warum hatte der Kampf gegen den Islamischen Staat für Obama plötzlich so grosse Bedeutung? Weil ‘Pushing them back’ (Zitat) eben auch einen Sieg über den Salafismus bedeutet.
            Der Salafismus muss an Attraktivität verlieren und dazu muss er sowohl militärisch besiegt werden – dort wo er sich als Staat formiert – als auch im Zivilbereich besiegt werden, indem gezeigt wird, dass ein nach salafistischen Vorstellungen gelebtes Leben keinen Erfolg hat, also ein schlechtes Leben ist.

          • @ Herr Holzherr :

            Der Salafismus muss an Attraktivität verlieren (,,,)

            Antizivilisatorische Glaubensmengen müssen generell ‘an Attraktivität verlieren’, die salafistische Ausprägung inklusive ihrer Merkmale oder Merkmalsausprägungen ist nur der Vorruf des Eintretenden.

            Es finden mittlerweile im “westlichen” Kulturkreis Veranstaltungen statt, die der Schreiber dieser Zeilen nie für möglich gehalten hätte.
            Täglich.

            Ganz bei se waj, der Schreiber dieser Zeilen ist kürzlich eher zufällig auf diese kleine Debatte gestoßen:
            -> http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/fernsehen/Du-Boulevardjournalist–Du-aufgeblasener-Typ/story/27749397

            Ein sackartiger Kollege konfrontiert sich mit einem Kabarettisten, der das sagt, was in der BRD einstmals als “Wehret den Anfängen!” subsumiert worden ist.

            MFG
            Dr. W

            PS: Ihr könntet da mal in der Schwyz aufräumen, aus der Ferne wird sich fast geschämt, selbst der ansonsten nickelige Miloš Zeman spricht regelmäßig Klartext, die allgemein zunehmende sittliche (islamische) Niedrigkeit meinend:
            -> http://www.algemeiner.com/2014/06/13/czech-president-zeman-refuses-to-apologize-for-quote-from-koran-calling-for-muslims-to-kill-jews/ (ff)

          • Wie Papst Benedikt Stellung gegen eine Religion (den Islam) zu beziehen – was in ihrem Kommentar auch Miloš Zeman tut – ist unabhängig vom Wahrheitsgehalt immer problematisch, denn damit fühlen sich automatisch auch alle Gläubigen dieser Religion angegriffen, sogar dann, wenn sie selber gar nicht besonders gläubig sind.
            Eine (geliehene) Aussage wie die von Papst Benedikt

            Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten‘.

            ist deshalb problematisch, weil sie den Moslems keinen Ausweg mehr lässt. Nicht bestimmte Stellen im Koran zeugen von Schlechtem oder gewisse Aspekte sondern alles ist schlecht. Was ist die Antwort auf die rhetorische Frage “Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat..” Klar: NICHTS, überhaupt NICHTS gutes hat er gebracht.

            Selbst wenn das wahr wäre stellt diese Aussage, die Moslems praktisch vor den Abgrund und sagt ihnen: Erkenne das Übel namens Islam und spring in den Abgrund wenn Du es erkennst.

            Davon würde ich also abraten.

          • Der Papst hat mit seiner Regensburger Rede recht, wenn er damit nur die Gewaltanwendung und Gewaltrechtfertigung im “dijhadistischen Islam” meint – und nicht den Islam an und für sich.
            Im Artikel Islam: Benedikt XVI. hatte mit Regensburger Rede recht – Aber weite Teile der Kirche haben Rede vergessen wird davon gesprochen, dass im islamischen Raum gegenwärtig ein Kampf um die Zukunft des Islams tobt. Die eine Seite, zu der der IS gehört, vertritt einen dijhadistischen Islam.

            Für mich ist klar: Eine universalistische Position, wie sie im Christentum, im Humanismus und in der säkularen Weltkultur inklusive UNO aufscheint verträgt sich nicht mit der Ausgrenzung anderer Menschengruppen aufgrund eines Glaubensunterschieds oder anderer Mekrmale.
            Ein dijhadistischer Islam, der andere Relgionen überwältigen und verdrängen will, kann von den Andern nicht akzeptiert, nicht einmal toleriert werden, denn er ist keine Basis für ein Zusammenleben. Ja man muss sich sogar fragen ob man einen solchen Islam überhaupt irgendwo tolerieren kann, ob er also sogar bekämpft werden muss, wenn er nur in einem begrenzten Gebiet existiert.

          • @ Herr Holzherr :

            (..) denn damit fühlen sich automatisch auch alle Gläubigen dieser Religion angegriffen (…)

            Sie haben’S in der Folge gesagt gehabt [1] , Verlautbarungsmengen der genannten Art sind, wie Sie schreiben:
            ‘Was ist die Antwort auf die rhetorische Frage “Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat..” Klar: NICHTS, überhaupt NICHTS gutes hat er gebracht.’

            [Gelöscht, da kein Sinn erkennbar; bitte noch einmal versuchen]

          • PPS:
            Der hier war nicht schlecht, wir beachten auch die die Diskussion führende Kraft (“Schawi”).

            MFG

    • Ich stimme Ihnen zu, in jeder Hinsicht. Sie haben wichtige Punkte genannt, die bisher in diese Kommentaren unerwähnt blieben.

    • @skeptischerchrist

      »…letzendlich steht in den heiligen Büchern alles mögliche. Es kann und muss von den Gläubigen INTERPRETIERT werden.«

      Der Glaube ist, wenn man so will, eine bestimmte Interpretation oder Lesart des Heiligen Buches. Was bleibt da für den Gläubigen darüber hinaus noch groß zu interpretieren? Doch wohl nichts, was den Glaubenskern tangieren oder gar in Frage stellen würde.

      • “Der Glaube ist, wenn man so will, eine bestimmte Interpretation oder Lesart des Heiligen Buches. Was bleibt da für den Gläubigen darüber hinaus noch groß zu interpretieren? Doch wohl nichts, was den Glaubenskern tangieren oder gar in Frage stellen würde.”

        Keine Religion ist homogen. Nicht mal ansatzweise. Sogar die katholische Kirche ist nicht homogen obwohl sie allen Abweichlern die Lehrbefugnis entzieht.
        Hans Küng glaubt nicht an die Dreifaltigkeit. Dorothee Söller eine extrem bedeutende evangelische Theologin ist Atheistin. Und auf der anderen Extremseite sind die Evangelikalen, die die Bibel “wörtlich” nehmen (was nicht geht. Sie interpretieren die Bibel reaktionär). Und bei den Moslems ist es auch nicht anders. Zwischen Sufis und Salafisten klaffen Universen. Wahrscheinlich ist sich ein christlicher orthodoxer Mystiker und ein Sufi näher als einem Salafisten oder Evangelikalen der “eigenen” Religion.
        Dazu kommt auch noch , dass Gläubige sich auf persönliche Gotteserfahrungen berufen. Insofern wirst du nicht zwei Gläubige finden die das gleiche Glauben. Jeder erfährt Gott anders.

        • Stimmt alles. Ich bin evangelisch. Als ich mal für kurze Zeit Gast in einer amerikanischen “liberalen” jüdischen Gemeinde war, fragte ich mich, warum ich nicht da hätte Mitglied sein können. Bei einer evangelikalen christlichen Gemeinde käme ich nie auf eine solche Idee.

      • @ Balanus:

        Oh doch, denn verschiedene Leute hielte von jeher höchst Verschiedenes für den Glaubenskern.

  29. Ich habe so meine Zweifel mit der Motivation von jungen Revolutionären, die für eine “bessere Welt” in den Kampf ziehen. So mancher von denen endete als alter Diktator. Was im Gewand vermeintlich hehrer Ideale daherkommt, ist oft oder zumeist nur der Kampf der Jungen um die Alpha-Position in der Herde.
    Es gab eine Studie zu Terrorismus und warum sich ihr junge Männer angeschlossen haben (von Louise Richardson). Ich kenne nur die Rezension dazu, die mir aber sehr überzeugend schien.
    Demnach gab es drei Hauptgründe für einen Beitritt zu einer terroristischen Gruppe, die aber wenig ideologisch waren:
    Rache für (vermeintlich) erlittenes Unrecht nehmen, Ruhm erfahren und zu Reaktionen zwingen. Ich kann hier nicht alles referieren und gebe den link zu diesem sehr interessanten Artikel hier.

    http://www.deutschlandradiokultur.de/rache-ruhm-und-reaktionen.986.de.html? dram:article_id=153746

    Der Satz am Schluss von Benjamin Franklin mit Bezug auf den Krieg gegen den Terror zitiert, könnte eventuell falsch übersetzt sein, ich kann das auf die Schnelle nicht mehr recherieren.

    “”Wer eine Grundfreiheit für vorübergehende Sicherheit aufgeben würde, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.”
    (“erhält” statt “verdient” könnte zutreffen)

    • “Ich habe so meine Zweifel mit der Motivation von jungen Revolutionären, die für eine “bessere Welt” in den Kampf ziehen. So mancher von denen endete als alter Diktator. Was im Gewand vermeintlich hehrer Ideale daherkommt, ist oft oder zumeist nur der Kampf der Jungen um die Alpha-Position in der Herde.”

      Das ist natürlich richtig. In jeder revolutionären Bewegung sind von Anfang an Leute dabei, denen es nur um Macht, Bestätigung, Rache usw. geht, und die Ideale sind z.T. nur “angeblich” hehrer Art. Ich kenne das zur Genüge von mir selber. Eine schwierige und wohl in jedem Einzelfall anders zu beantwortende Frage ist, ob jene “alten Diktatoren” von Anfang an solche falschen Motivationen hatten oder ob sie sich im Laufe ihres Lebens geändert haben.

      Mir kam es nur auf der prinzipiellen Unterschied an zwischen Bewegungen mit Michael-Kohlhaas-Syndrom und solchen, die von Anfang an üble Ziele verfolgen, wie etwa die Antisemiten oder Pegida – wie sehr sich das in realen Bewegungen (etwa “patriotischen” und zugleich liberalen des 19. Jhs) auch mischen mag.

  30. @ Martin Holzherr:

    “Taten des IS wie Enthauptungen, Tötungen von Ungläubigen, Sondersteuer für Christen und Juden kommen genau so im Koran vor.”

    Ja selbstverständlich, glauben Sie denn, damit sagen Sie irgendjemandem etwas Neues? Interessanter ist, was Sie verschweigen: daß in den christianisierten Ländern auf Ungläubige keine Steuern erhoben werden konnten, weil man Ungläubige nicht am Leben ließ. Ist Ihnen noch nie aufgefallen, daß in den islamischen Ländern immer Angehörige der “Buchreligionen” in großer Zahl lebten, während die christlichen Länder rein christlich waren oder versuchten es zu werden (durch Vertreibung und Ermordung der Juden)?

    • Stimmt leider. Die Leute, die es nicht mehr gibt, weil sie elimiert wurden, die werden oft vergessen.
      Im Alhambra-Edikt von 1492 erhielten die spanischen Juden die Alternative zwischen Bekehrung zum Christentum oder Auswanderung. Und nicht wenige der Bekehrten wurden dann trotzdem von der Inquisition in sogenannten autodafes verbrannt. Und das obwohl viele der betroffenen Juden schon seit Generationen in Spanien lebten.
      Es fällt überhaupt auf, dass auch nach langem Zusammenleben mehrer Kulturen (z.B Sarajevo oder der Libanon) ethnische Säuberungen möglich sind. Kurz vor dem Beginn des Krieges im Libanon wurde dieses Land als Schweiz des nahen Ostens bezeichnet.

    • @Ludwig Trepl
      “[…] daß in den christianisierten Ländern auf Ungläubige keine Steuern erhoben werden konnten, weil man Ungläubige nicht am Leben ließ. Ist Ihnen noch nie aufgefallen, daß in den islamischen Ländern immer Angehörige der “Buchreligionen” in großer Zahl lebten, während die christlichen Länder rein christlich waren oder versuchten es zu werden (durch Vertreibung und Ermordung der Juden)?”

      Wenn es über Jahrhunderte durchgängiges Bestreben der Christenheit war, die Juden zu vertreiben/zu ermorden, wie ist es dann zugegangen, daß die Nazis noch Millionen antrafen, die sie umbringen konnten?

      • @ zabki:

        „Wenn es über Jahrhunderte durchgängiges Bestreben der Christenheit war, die Juden zu vertreiben/zu ermorden, wie ist es dann zugegangen, daß die Nazis noch Millionen antrafen, die sie umbringen konnten?“

        Es hat Phasen gegeben, in denen die Verfolgung nicht so schlimm war wie in anderen Phasen, aber verfolgt wurden die Juden immer. Und die Nazis trafen die Juden ganz überwiegend dort an, wohin sie von den abendländischen Christen vertrieben worden sind: im Osten.

        Es wurden aber nicht nur Juden verfolgt und ausgerottet, sondern auch „Heiden“. Die „Missionierung“ Ostdeutschlands und des Baltikums im Hoch- und Spätmittelalter war ein gewaltsamer Akt, mit Bekehrung hatte das nichts zu tun. Und für die „Missionierung“ Nord- und Südamerikas gilt das ohnehin. Noch im 19. Und 20. Jahrhundert gab es dort Kopfgeld auf die Ermordung der „Heiden“. Sich davor zu schützen war nur dadurch möglich, daß man sich taufen ließ.

        Warum fällt es manchen so schwer, sich der eigenen Geschichte zu stellen? Ich meine nicht, daß wir uns als Christen (als Deutsche schon) mehr vorzuwerfen hätten als andere, aber wir haben uns genug vorzuwerfen. Nun habe ich einen Artikel geschrieben in der Hoffnung, daß in der Diskussion nicht immer nur mit dem Finger auf andere gezeigt wird, und manche der Kommentatoren tun das ja auch nicht, sondern suchen nach Ursachen für die Greueltaten aller Religionen und Weltanschauungen. Aber insgesamt ist es doch deprimierend. Viele Kommentare lesen sich wie die gleichgeschaltete Presse nationalistisch regierter Staaten.

        • @Ludwig Trepl
          Dieser Osten war aber ja auch “Christengebiet”.

          Kann es eigentlich “leicht” sein, sich den schrecklichen Seiten der eigenen Geschichte zu stellen, wenn diese wirklich als die “eigene” begriffen wird? – Jedenfalls will mir scheinen, daß, wo dies allzu leicht stattfindet, nicht die eigene, sondern die “der andern” gemeint sei (vgl. 20.12.2014 13:27, letzter Satz).

          • @ zabki:

            „Dieser Osten [in den die Juden vertrieben wurden] war aber ja auch “Christengebiet”.“

            Die Juden wurden aber nicht von den Christen dort aufgenommen, sondern vom Staat, so wie auch der Staat bzw. die Fürsten in Westeuropa lange Zeit einen gewissen Schutz der Juden vor der christlichen Bevölkerung darstellten. (Aufgenommen wurden übrigens auch im Westen verfolgte christliche Minderheiten, etwa die Täufer.) Die christliche Bevölkerung war gegen die Juden so feindlich eingestellt wie im spätmittelalterlichen Westeuropa auch.

            Haben Sie noch nie von den Judenpogromen in der Ukraine gehört, den grausamsten Verfolgungen, die die Juden bis dahin zu erleiden hatten? Noch im frühen 20. Jahrhundert flohen Juden massenweise davor nach Westeuropa und nach Amerika.

            „Kann es eigentlich “leicht” sein, sich den schrecklichen Seiten der eigenen Geschichte zu stellen, wenn diese wirklich als die “eigene” begriffen wird? – Jedenfalls will mir scheinen, daß, wo dies allzu leicht stattfindet, nicht die eigene, sondern die “der andern” gemeint sei.“

            Da haben Sie wohl Recht. Der größte Teil der Kritik an der christlichen Tradition kommt von Atheisten, die einst Christen waren. Die kritisieren damit nicht die eigene Geschichte, sondern die “der andern”.

  31. @Ludwig Trepl

    Aus der 68er-Bewegung ist ja bekannt , daß etwa die Kulturrevolution von Teilen als eine Art übler Notwendigkeit begriffen wurde , um das “richtige” Ziel zu erreichen , allerdings muß man sich im Klaren darüber sein , daß es auch auf der linken Seite einen Anteil gibt, der prinzipiell konformistisch und anti-intellektuell aufgestellt ist und eine “Kulturrevolution” oder die Vorgänge in Kambodscha auch inhaltlich begrüßt .
    Simon Wiesenthal hat das mal sehr schön formuliert:

    “Wer immer stramm links marschiert , kommt irgendwann rechts wieder raus.”

    Das Grundübel des 20.Jhd. , der Zweck heiligt die Mittel , es ist aber auch leicht , im Nachhinein zu urteilen , wenn man selber nicht in die Verlegeneheit kam , daher sage ich das mit aller Vorsicht.

    Wenn ich Sie richtig verstehe , wäre Ihr Umfeld bereit gewesen , Ähnliches zu initiieren .

    Anton Reutlinger weist aber auch zurecht darauf hin , daß Gegenbewegungen eigentlich immer ihren radikalen Arm haben , womöglich geht es gar nicht ohne.
    Das hat nicht zuletzt psychologische Gründe , nicht zufällig sind es sehr häufig die krass Benachteiligten des alten Denkens und des alten Systems , die alles umstürzen und auch mal alles in Schutt und Asche legen wollen , sehr oft spielen persönliche Gewalterfahrungen eine wesentliche Rolle.
    Die Biographien Hitlers und Stalins , vermutlich auch die Meinhofs oder Ensslins , sind nachgerade gespickt mit familiären Gewalterlebnissen , bei den erstgenannten ist es bekannt , bei den RAF-Leuten ziemlich wahrscheinlich.
    Diese Erfahrungen werden dann , durchaus zurecht – mit den herrschenden Verhältnissen verbunden und eventuell in Taten umgemünzt , und natürlich spielt der Racheaspekt eine Rolle.

    Wie Sie sagen , ohne 68 hätten wir heute noch einen nicht minder radikalen Rechtskonservatismus – aktuell versucht er wieder aus seinem stinkenden Loch zu kriechen – und das Ergebnis war denn auch nicht die Umsetzung der Vorstellungen der 68-Dogmatiker , sondern ein liberaler Gesellschaftkompromiß , der bis in unsere Zeiten reicht.

    • @ DH:

      “Die Biographien Hitlers und Stalins , vermutlich auch die Meinhofs oder Ensslins , sind nachgerade gespickt mit familiären Gewalterlebnissen , bei den erstgenannten ist es bekannt , bei den RAF-Leuten ziemlich wahrscheinlich.

      Letzteres glaube ich weniger, allerdings müssen meine persönlichen Erfahrungen nicht repräsentativ sein. Die radikalen Linken jener Zeit kamen eher aus liberal-bürgerlichen und christlichen Elternhäusern, in denen viel “moralisiert” wurde; man litt am Leid der Welt und wollte es ändern, und vor allem der Gedanke “der Zweck heiligt die Mittel” wirkte sich dann verheerend aus. Wenn Elend und Unrecht so übergroß sind – Sie müssen bedenken, welche Rolle die “3. Welt” für uns spielte -, scheint bald jedes Mittel gerechtfertigt.

      • @Ludwig Trepl

        Die Herkunft aus bürgerlichen Häusern sagt nicht das Geringste aus über das , was dahinter abläuft , ganz im Gegenteil , je sauberer die Fassade , desto mißtrauischer werde ich.
        Hitlers Vater war ein angesehener Beamter , typischer Mittelstand , seinen Sohn hat er täglich mit Prügeln überzogen , und zwar von der eher brutalen Sorte.

  32. @Dietmar Hilsebein:

    »Wie man nun einen Absturz einer Kultur verhindern kann, liegt im Einzelnen selbst. Die Heerde (ich lege Wert auf die zwei e -das macht das Wort noch länger) wird wohl immer auf einen Guru hören.«

    In der „Heerde“ haben die Einzelnen wohl einen Teil ihrer Individualität, ihrer individuellen Vernunft, zugunsten der Gemeinschaft aufgegeben. Mir scheint, als seien die Menschen unterschiedlich empfänglich für das süße Gift des Gemeinschaftserlebnisses (@Chrys hat bereits, Einstein zitierend, am 18.12.14, 11:47 darauf hingewiesen).

    Vielleicht ist es aber auch anders. Vielleicht suchen die Einzelnen einfach nur Gleichgesinnte, also die Bestätigung der eigenen Anschauungen durch Andere. Die allermeisten von uns kennen sicherlich das schöne Gefühl, wenn wir Zustimmung, Lob und Anerkennung erfahren.

    • In seiner Replik auf meinen Beitrag hat Ludwig Trepl auf einen unbeachteten Aspekt aufmerksam gemacht. Der Begriff der Gemeinschaft hat zwei Gegensätze, den quantitativen und den qualitativen. Der quantitative Gegensatz ist der Einsiedler oder Eremit, der hier jedoch keine Rolle spielt, der qualitative Gegensatz ist die Fremde oder die Alternative, die Muttersprache zur Fremdsprache, die Rationalität zur Spiritualität. Menschen suchen nach Beachtung, Bestätigung, Bedeutung, Belohnung (Vitamin 4B), die sie hauptsächlich in der Heerde oder Gemeinschaft finden, neben der Gewohnheit und daraus folgender Verminderung von Stress und Angst. Daraus erklärt sich eine Abwehr gegenüber allem Fremden in der eigenen Lebenswelt, wogegen in der Jugend und im Urlaub gerade das Fremde als Abwechslung, Reiz, Abenteuer und Bereicherung gesucht wird.

      • Ludwig Trepl, @ Anton Reutlinger: liberale und konservative Lebensmuster.

        „Ausdrücke mit “alle” oder “jeder” sind fast immer mit Vorsicht zu genießen. Man kann aber in einem Diskussionforum nicht alle Ausnahmen oder Differenzierungen aufführen“

        Da haben Sie mich falsch verstanden. Allerdings bin ich selber daran schuld, weil ich auf die Jugend hingewiesen habe, in der man gewöhnlich der Gemeinschaft entfliehen will. Dadurch bekommt das alles einen psychologistischen Zug, auf den ich gar nicht hinauswollte.

        Sondern wichtig war mir: Es gibt ist der Moderne zwei konträre Großideologien. Man nennt sie Konservativismus und Liberalismus. Im Konservativismus denkt man so, wie Sie es für „jeden“ Menschen behauptet haben: Der Mensch will, und wenn er nicht will, dann soll er zumindest in Gemeinschaften leben, in der Gemeinschaft, in die er hineingeboren ist und der er sich verdankt. Er soll die Bindungen durch die Gemeinschaft (Volk, Familie …) dankbar annehmen, statt gegen sie zu rebellieren. Er soll dort leben und wirken, wohin er durch seine Geburt gestellt ist, er soll sich von seiner Gemeinschaft nicht lösen und kann es auch nicht wirklich. Freiheit heißt nicht Freiheit von Bindungen, vielmehr ist Freiheit nur in Bindungen möglich.

        Die konträre Welt- und Lebenseinstellung findet man in dem mit der Moderne entstandenen Liberalismus. Nicht die Gemeinschaft ist das Primäre, sondern das Individuum; die Individuen schaffen sich Gemeinschaften oder auch nicht, entscheidend ist die Freiheit des Individuums, und das ist vor allem Freiheit von den Bindungen durch die Gemeinschaft, in die man sich gestellt sieht. Das zugehörige Lebensgefühl nennt man gern „Kosmopolitismus“.

        Ich habe dazu schon mehrere ausführliche Blog-Artikel geschrieben (z. B. hier und hier, auch etliche Aufsätze und Buchbeiträge; die liest aber kaum einer, weil Reizwörter wie Religion nicht in der Überschrift vorkommen), und die Literatur dazu ist umfangreich. Sie sollten sich aber damit befassen, wenn Sie sich zu dem Thema äußern wollen, sonst liegen Sie garantiert daneben, Sie diskutieren dann einfach an der einschlägigen Diskussion vorbei. – Worauf es dabei ankommt, ist, daß in den in unserer Kultur bereitliegenden Denk- und Lebensmustern zwei konträre Modelle gibt, wobei der Einzelne meist dem einen oder anderen nahesteht, zwischen denen er im allgemeinen aber auch wechseln kann. Denn fast in jeder Brust wohnen diesbezüglich zwei Seelen. Mit Psychologie hat das, wie gesagt, wenig zu tun, und man begreift, wenn man psychologisch an die Sache herangeht, auch nicht viel davon.

        • Ja, das verstehe ich wohl. Es sind allerdings zwei verschiedene Perspektiven auf die Gemeinschaft, nämlich die Perspektive des Individuums, die ich beschrieben habe. Die andere Perspektive ist die der Gesellschaft und ihrer Meinungsführer, in Politik oder Klerus, auf die Sie abheben mit Konservativismus und Liberalismus. Damit verknüpft sind unterschiedliche Interessen und Strategien. Für das Individuum spielt die Psyche eine große Rolle, natürlich auch die sozialen Notwendigkeiten und die praktischen Vorteile der Solidarität, aber auch die Freiheit und Selbstbestimmtheit des Handelns. Da stimme ich mit Ihnen überein, außer dass Liberalismus nicht dasselbe ist wie Kosmopolitismus. Was Sie mit Ihrer unnötigen Belehrung bezwecken wollen, ist mir allerdings unklar.

          • “Liberalismus nicht dasselbe ist wie Kosmopolitismus.”

            Stimmt schon, aber sie gehören zusammen, Kosmopolitismus ist eine der Ausdrucksformen des Liberalismus. Einen konservativen Kosmopolitismus gibt es nicht. Liberalismus ist auch nicht dasselbe wie Utilitarismus und Empirismus, aber sie gehören zusammen, sind Teil einer Tradition. Kann man in jedem Geistesgeschichte-Buch nachlesen.

            “Was Sie mit Ihrer unnötigen Belehrung bezwecken wollen, ist mir allerdings unklar.”

            Was meinen Sie denn damit? Falls Sie meinen, daß ich statt auf die individualpsychologische auf die kulturelle und politisch-weltanschauliche Dimension des Themas “Gemeinschaft” hingewiesen haben, scheint mir das gar nicht unnötig: Sie haben es ja nicht berücksichtigt.

    • “Vielleicht ist es aber auch anders. Vielleicht suchen die Einzelnen einfach nur Gleichgesinnte, also die Bestätigung der eigenen Anschauungen durch Andere. Die allermeisten von uns kennen sicherlich das schöne Gefühl, wenn wir Zustimmung, Lob und Anerkennung erfahren.”

      Menschlich ist das sicher. Nehmen wir “die Bestätigung der eigenen Anschauung durch Andere” als einen intersubjektiven Konsensus an, so ist dagegen nichts zu sagen. Setzt aber voraus, daß der Andere ebenso sich um die Erkenntnis abgemüht hat. Sonst ist es eben wieder nur Hirt und Heerde. Oft ist es leider so, daß nur eine Verliebtheit in die eigene Ideologie vorliegt, die bestätigt werden soll. Wird das erreicht, so verfestigt sich die Ideologie – sie wird dogmatisch. Da hat Herr Trepl schon recht.

  33. @Ludwig Trepl:

    »Niemand hätte sich damals vorstellen können, daß so etwas wie die Schoah überhaupt möglich ist. Sie wurde offenbar im gleichen Zuge möglich, wie die meisten Menschen „Bilder aus Kriegsgebieten oder Schlachthöfen“ nicht mehr ertragen konnten.«

    Ich meinte nicht so sehr den Rückzug ins Private angesichts der Gräuel in der Welt, sondern mehr das physische Unwohlsein, wenn man mit Gewalt konfrontiert wird, und sei es auch nur via Medien. Mir ist aber bewusst, dass man das nicht sauber trennen kann.

    »Mir scheint aber, daß der Preis eine extreme Engstirnigkeit, ein unüberbietbarer Dogmatismus ist. Die Bibel verbietet es, Punkt. Kommt aber die Vernunft ins Spiel, dann läßt sich die Frage nicht von der Hand weisen, ob es z. B. im Kampf gegen den NS (oder den IS) nicht doch das Richtige ist, zu den Waffen zu greifen.«

    Das wären dann aber keine Untaten, die man begehen würde, indem man die Lehre ins Gegensätzliche verkehrt oder einfach nur missbraucht. Wobei mir immer noch nicht ganz klar ist, woher ich denn wissen kann, was die wahre Lehre, und was dann das Gegensätzliche davon ist. Die „heiligen Schriften“ sind ja oft sehr umfangreich, so dass vielartige Auslegungen möglich sind, je nachdem, welche (vermeintlichen) Rosinen man sich aus dem Kuchen pickt.

    »Ein Gegenbeispiel war neulich eine Rettungsaktion (an Einzelheiten erinnere ich mich nicht mehr), wo man bei sehr zweifelhaften Erfolgsaussichten einen einzelnen Menschen mit ungeheurem Aufwand rettete. Der typische Utilitarist würde einwenden: was hätte man mit dem Geld alles machen können! «

    Mit einer anderen Verwendung des Geldes kann man bzw. der Utilitarist wohl selten argumentieren, denn davon ist einfach zu viel vorhanden, als dass es an anderer Stelle fehlen würde, wenn man es für eine bestimmte gute Sache einsetzt.

    • @ Balanus:

      „Wobei mir immer noch nicht ganz klar ist, woher ich denn wissen kann, was die wahre Lehre, und was dann das Gegensätzliche davon ist.“

      Wissen kann man das – außer im sehr Prinzipiellen (Stichwort Menschenwürde) – wohl nie, aber wir kennen Methoden: das Denken, die Argumentation. Das haben die alten Griechen erfunden. Nichts für wahr nehmen als das, was man selbst geprüft hat, keiner Autorität, keiner Tradition blind trauen, sondern eine neue Tradition, die der Kritik und des eigenen Denkens, begründen.

      Auf diese Art des freien Denkens sind in der Spätantike die orientalischen Religionen getroffen, und sie mußten sich dem „zwanglosen Zwang“ (Habermas?) dieses Denkens stellen, sie mußten selbst zu philosophieren beginnen. Darum hat auch das katholische Christentum von Anfang an – wenn auch nicht durchgehend – eine hohe Meinung von der Vernunft gehabt, die hier natürlich Gottesgeschenk war, nicht „autonome“ Vernunft.

      Wenn ich richtig informiert bin, dann hat sich das orthodoxe Christentum im Osten bald von diesem Prozeß der „Aufklärung (in) der Religion“ verabschiedet. Aber der Islam hat ihn wieder aufgegriffen, die griechische Philosophie wurde ja zunächst dort gepflegt und ist durch islamische Denker auf uns gekommen. Aber auch dort brach diese Tradition nach einiger Zeit ab, der Islam versank in Orthodoxie. Es war die mittelalterliche Scholastik, die diese Tradition wieder aufgriff, und sie mündete schließlich in Renaissance, Reformation und Aufklärung.

      Doch wie gesagt: Was die „wahre Lehre“ ist, weiß man nie, aber man weiß, auf welchem Wege man sich ihr nähern kann.

  34. @Ludwig Trepl

    Ausdrücke mit “alle” oder “jeder” sind fast immer mit Vorsicht zu genießen. Man kann aber in einem Diskussionforum nicht alle Ausnahmen oder Differenzierungen aufführen. Diese Oberflächlichkeit ist ein unvermeidbares Merkmal unserer Medienwelt. Also ein wenig Wohlwollen in der Hermeneutik wäre schon angebracht, ohne damit berechtige Kritik oder korrigierende Hinweise zurückweisen zu wollen. Sonst verliert man sich in sinnlosen Abschweifungen, wie ich es selber immer wieder in Internet-Diskussionen beobachte (auch bei scilogs). Ein jeder kann heute eine Tastatur bedienen und seine Meinung im Internet verbreiten, die Filter der früheren Zeit, wie der berüchtigte aber sinnvolle Stammtisch, sind nicht mehr wirksam.

    Dazu mal wieder ein passendes, geradezu visionäres Zitat, von Ignatius von Loyola, das in der heutigen Welt des ungehinderten Medienzugangs häufiger beachtet werden sollte, nicht nur von Christen (ich selber tue es auch nicht immer):

    “daß jeder guter Christ bereitwilliger sein muß, die Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verurteilen; und wenn er sie nicht retten kann, erkundige er sich, wie jener sie versteht, und versteht jener sie schlecht, so verbessere er ihn mit Liebe; und wenn das nicht genügt, suche er alle angebrachten Mittel, damit jener, indem er sie gut versteht, sich rette.”

  35. Ludwig Trepl, @DH:

    „Ihr Anspruch ist hoch , aber ich fürchte , wirkliche Gewaltfreiheit ist eine Überforderung , wir brauchen sie [Gewalt] auch noch …“

    Zustimmung. Ich bin kein Pazifist. Was ich heute an den (zum Glück meist nur geistigen) Exzessen der frühen 70er verurteile, ist nicht, daß die linksradikale Bewegung nicht radikal gewaltfrei war.

    „Auch scheint mir immer noch ein Mißverständnis vorzuliegen, ich verstand Ihren Artikel dahingehend , daß er v.a. auf die krassen Exzesse wie eben IS oder Kulturrevolution oder den NS-Staat hinauswollte.
Solche Exzesse kann man den 68ern nicht ansatzweise unterstellen , auch nicht der RAF.
“

    Ja, natürlich bestehen da gewaltige Unterschiede. Ich wollte nur betonen, daß die Bereitschaft zu solchen „krassen Exzessen“ da war, daß wir sie kleinredeten oder aber billigten, wenn sie anderswo geschahen – sofern sie nur im Dienst der guten Sache geschahen. Nur für uns selbst ergab sich nicht die Gelegenheit. Wir warteten auf die „revolutionäre Situation“, auf instabile Zustände, wie wir sie neuerdings in vielen arabischen Ländern haben und hatten. Dann wären wir als Bürgerkriegspartei bereitgestanden. Und die neue Ordnung, die wir anstrebten, war totalitär. – Allerdings möchte ich da auf einem wichtigen Unterschied hinweisen: Der NS-Totalitarismus war von Anfang an die organisierte Bosheit und Niedrigkeit, die Politik gewordene Niedrigkeit des „Kleinbürgers“, wie Sie es formulieren. Irrationaler Haß auf Fremde oder auf sozial weiter unten stehende oder auch Neid gegen als überlegen angesehene, aber wehrlose (die Juden) wurden zu politischen Prinzipien. Der kommunistische Totalitarismus – und in diese Gegend gehört die dogmatische Spätphase der 68er Bewegung – läßt sich dagegen, wie gesagt, als „Michael-Kohlhaas-Syndrom“ bezeichnen.

    Ich will auch nicht gesagt haben, daß in jener Spätphase der 68er Bewegung gar nichts Gutes erreicht wurde. Im Gegenteil, ohne den Radikalismus dieser Zeit hätten wir vermutlich immer noch Zustände, die kein heutiger Mensch, auch kein Konservativer, ertragen könnte.

    • @Ludwig Trepl

      Sie schrieben im letzten Satz:
      “Ich will auch nicht gesagt haben, daß in jener Spätphase der 68er Bewegung gar nichts Gutes erreicht wurde. Im Gegenteil, ohne den Radikalismus dieser Zeit hätten wir vermutlich immer noch Zustände, die kein heutiger Mensch, auch kein Konservativer, ertragen könnte.”

      Gesellschaft ist immer eine Wellenbewegung, das ist an sich trivial, wird aber immer wieder vergessen oder verdrängt. Eine Bewegung provoziert eine Gegenbewegung. Das lässt sich alltäglich beobachten, wie aktuell anhand des Erscheinens von ISIS. Übertreibungen sind dabei fast unvermeidbar, denn es gibt immer Menschen, die sich hervortun wollen, sich aus der Masse abheben wollen, sei es durch verbale oder physische Gewalt. Somit bilden sich auch immer wieder neue Koalitionen, Feinde werden zu Kompagnons (nicht unbedingt zu Freunden), Freunde werden zu Gegnern.

      Der Antisemitismus in Deutschland hat historische Wurzeln, ist latent immer vorhanden gewesen, mal schwächer mal stärker, je nach Umständen. Der Ethnologe Franz Boas ist Ende des 19.Jhdts. nach Amerika emigriert, weil er den Antisemitismus an deutschen Universitäten leid war. Zu dieser Zeit war die kath. Kirche in der Krise des Modernismus, die 1910 im Antimodernisteneid von Pius X. gipfelte. Dieser Eid wurde bis 1967(!) von Seelsorgern eingefordert und im zweiten Vatikanischen Konzil abgeschafft. Daraus leiten sich die Piusbrüder ab, die sich als Antimodernisten betrachten. Der Modernismus wurde von der Kirche als Weltverschwörung gedeutet, mit dem Protestantismus, der Wissenschaft und der Philosophie als Urheber. Logischerweise zählte unterschwellig auch das Judentum dazu.

      Solche Ängste münden oftmals in pathologische Reaktionen, wie derzeit die Pegida-Demonstrationen gegen den Islam. Menschen reagieren aus der Evolution heraus sensibel und verstärkt auf Gefahren. Das ist verständlich. Seltsam ist, dass manche Gefahren übertrieben werden, andere dagegen, wie die globale Erwärmung, verharmlost oder ignoriert werden. Eine Erklärung habe ich nicht, außer der Vermutung, dass eine kausale Zuordnung dahinter steckt. die Nachrichten über islamistische Taten können eindeutig den Verursachern zugeordnet werden, während die Meldungen zu Klimaphänomenen nicht so deutlich sind und verschiedene Deutungen zulassen, mit der willkürlichen “Schlussfolgerung auf die beste Erklärung”.

      Zur Illustration der Stimmung Anfang des 20.Jhdts. ein Zitat aus der päpstlichen Enzyklika von 1907:
      “Der Protestantismus war der erste Schritt; dann folgt der Modernismus; das Ende ist der Atheismus.“

      • Zustimmung mit Einschränkung: Xenophobie und Gewaltausbrüche gegen (erstarkende) Minderheiten, gegen Nicht-Zugehörige hat mit Modernismus nur wenig zu tun. Das scheint vielmehr eine Konstante in der Menschheitsgeschichte zu sein. Die Ablehnung der Moderne ist allerdings oft mit Gefühlen der Entfremdung verbunden. In der NS-Zeit empfanden nach Götz Aly viele Deutsche die Juden als Modernisierungsgewinner und die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ sollte Heimat geben und vor der Moderne schützen.

        Eine Ablehnung der Anderen findet meiner Ansicht nach sehr oft guten Nährboden in einer religiösen Glaubensgemeinschaft. Christentum gegen Judentum, Hinduismus gegen Islam. Die Glaubensgemeinschaft bildet so etwas wie eine Hemat. Diese Heimat wird durch Fremde bedroht.

        • Xenophobie hat mit Modernismus unmittelbar oder scheinbar gar nichts zu tun, wohl aber mit Gemeinschaftsgefühl. Jeder Mensch fühlt sich in einer Gemeinschaft wohler und wehrt sich daher gegen das Fremde, was Ideologen auszunützen wissen. Das Stichwort dazu ist Gewohnheit. Sich an neue, unbekannte Umgebungen anzupassen, bedeutet immer Stress und Angst, was man lieber vermeidet. Niemand emigriert freiwillig in die Fremde, außer man verspricht sich einen beruflichen Nutzen oder den Kick eines Abenteuers. In der Regel aber hält man sich dabei die Möglichkeit der Rückkehr offen oder ist sich ihrer bewusst. Modernismus ist auch eine Form des Fremden gegenüber dem Gewohnten. Ein entscheidender Punkt ist jedoch, ob man das Fremde freiwillig sucht wie im Urlaub, oder ob man sich von ihm überrannt und ihm ohnmächtig ausgeliefert fühlt, wie es in den Pegida-Demos zum Ausdruck kommt. Genauso ist es ein Unterschied, ob man jemanden liebt, oder von einem Stalker “geliebt” wird.

          • “Jeder Mensch fühlt sich in einer Gemeinschaft wohler und wehrt sich daher gegen das Fremde, was Ideologen auszunützen wissen.”

            Jeder nicht. Es gibt Massen von Menschen, die die Gemeinschaft fliehen. Im Leben vielleicht der meisten Menschen gibt es eine Phase – man nennt sie Jugend -, in der sie wegwollen aus der Enge des Dorfes, der Familie, auch des Volkes. Das Wort “der Mensch” streicht man besser aus seinem Wortschatz, es ist meist falsch, das Gegenteil stimmt in der Regel ebenfalls.

        • Ergänzung: hostile disposition to other religious beliefs is a major prerequisite for practically any religious identity. schreibt Alexander Verkhovsky in Religious Xenophobia: Within Religious Orders and Between Religious Orders.
          Das entspricht auch meinem Eindruck und meinen eigenen Erfahrungen. Wobei es nicht einmal eine gänzlich andere Relgion braucht, schon eine andere Konfession innerhalb derselben Reliigion genügt. In meiner Kindheit wurde ich im Religionsunterricht sogar instruiert wie man als Katholik auf “Provokationen” von Protestanten reagieren muss und der Geschichtslehrer im katholischen Gymnasium nannte Luther voller Wut eine Sau .

          Es gibt auch subtile Formen der Verachtung anderen Bekenntnissen gegenüber wie Verkhofsky schreibt:

          This hostile attitude can vary from slight arrogance, which is always implied in phrases like “after all they believe in the same God in their own way,” up to an outright rejection of any deviation from religious doctrine.

          Disapproval of this kind of negative attitude means a disapproval of the very essence of religious identity and would amount to the outside observer having the same kind of negative attitude toward religion (or worse). Even if the observer does not have any religious feelings, he or she cannot deny the presence of this feeling in others.

          Interessant finde ich vor diesem Hintergrund, dass Michael Blume immer wieder von der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit spricht, denn Verachtung und Herablassung gegenüber anderen Religionen ist typisch für fast jede religiöse Gruppe.Interessant auch, dass im entsprechenden Wikipedia-Eintrag alles mögliche aufgezählt wird, nur nicht die Feindlichkeit eines Bekenntnisses gegenüber einem andern. Hier die einleitende Definition:

          Das Syndrom Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit beinhaltet der Definition nach folgende Elemente: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Homophobie, Abwertung von Obdachlosen, Abwertung von Behinderten, Islamophobie, klassischer Sexismus, Etabliertenvorrechte, Abwertung von Langzeitarbeitslosen.

          Der Artikel in der Wikipedia scheint allerdings stark auf Deutschland bezogen zu sein (es gibt den Artikel zudem nicht in anderen Sprachen) und im heutigen Deutschland sie die Ressentiments zwischend den christlichen Konfessionen wohl wirklich verschwunden.

  36. Sie reden sich um Kopf und Kragen!
    Wie gut kennen Sie den Koran? Kennen Sie den Kontext einzelner Suren?

    Die von Ihnen verlinkte Seite Der Theologe ist eine Privatzeitschrift eines Einzelnen, es ist keine wissenschaftliche Zeitschrift, es gibt keine historische Perspektive, offenbar kein peer review (Autor und Herausgeber sind wohl identisch) und sie hat ein sehr eingeschränktes Themenspektrum. Die Bemerkungen zur BK sind bestenfalls missverständlich. Man kann ein Phänomen wie den Raubvölkermord an den Juden nicht allein auf ein paar Luther- und Bibelzitaten zurückführen. Hitler war kein Christ und die Nazis waren allenfalls nominell Christen.
    Götz Aly führt als Hauptgrund für den Raubmord an den Juden einen Sozialneid breiter Kreise der Deutschen an, die sich vom sozialen Aufstieg der besser gebildeten Juden gedemütigt sahen. Er sieht also die Hauptwurzeln in der jüngsten, deutschen Vergangenheit, Ende 19. und Anfang 20. Jh. Ich kenne seine Thesen von einem längeren Interview mit ihm, das ich gehört habe, das Buch habe ich nicht gelesen.

    Ich habe nichts dagegen, auf die Judenfeindlichkeit im Christentum und in den christlichen Quellen hinzuweisen, das wird gerne verdrängt. Aber Der Theologe geht über das historisch zulässige hinaus, ich vermute, weit hinaus.

    Überhaupt widersprechen schon die judenfeindlichen Äußerungen im NT ihrem (toll)kühnen Aphorismus.

    Grundsätzlich ist es sehr zweifelhaft, warum uralte Zitate so relevant sein sollen. Warum hatten sie diese Macht nicht früher, warum dauerte es Jahrhunderte, bis sie (wieder?) aktiv wurden?

    Beim Umgang mit Gläubigen empfehle ich den Spruch “an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen” Mt 7,16. Das meine ich nicht im Sinne einer Erkenntnis der Wahrheit (ich bin nicht gläubig), sondern der ethischen Aufrichtigkeit.

    • Sie und Ludwig Trepl haben sicher recht: den deutschen Antisemitismus auf Luhter zurückzuführen ist etwas tollkühn. Luther ist diesbezüglich nicht besser aber auch nicht schlimmer als die Deutschen seiner Zeit. Luther hat nur darum auch im 20. Jarhhundert noch so eine grosse Bedeutung, weil er so unverschämt gut schreiben und formulieren konnte und weil er als Mann der Schrift bündig ausformuliert hat was in anderen Köpfen nur wirr herumschwirrte. Zudem besass er als Gründer der reformierten Kirche grosse Autorität.

      Der Startpunkt der Diskussionen hier, nämlich “Der furchtbarste Gottesstaat der Geschichte” passt aber in einem Punkt gut zu dem was über das Verhältnis Moslems zu Nicht-Moselsms und das Verhältnis Juden und deutsche evangelische und katholische Christen geschrieben wurde: Gewalt gegen Andersgläubige oder/und Menschen anderer Kultur gehört sowohl zum Christentum, dem Islam, aber auch zu solchen sozialreligiösen Bewegungen, wie sie s sich im Tajping-Aufstand formierten.

      Nun aber zu meinem obigen Aphorismus. Im heutigen Tagesanzeigermagazin (Zürich 20.12.2014, gilt als eher links) wird (auch live, also im Kontakt zu Betroffenen) über die Situation der Christen im Nahen Osten berichtet, die seit Jahrzehnten abnehmen, weil sie vertrieben werden. Aktuell etwa in Mosul, das bis letzten Sommer ein Zentrum des assyrischen Christentums war. Dazu liest man folgendes:

      Im Juni dieses Jahres waren die Gotteskreiger des Islamischen staates Irak und Syrien (IS) wie ein Mongolensturm über den Irak hineingebrochen und hatten neben grossen Landstrichen auch die 3-Millionen-Stadt Mossul in der Ebene von Ninive erobert. Treu nach den Vorgaben des Korans und des Vorbilds ihres Propheten schlachteten und versklavten sie Andersgläubige wie die Jesiden oder stellten wie die Christen als “Volk des Buches” vor die Alternative, zum Islam überzutreten, eine hohe Kopfsteuer in Gold zu bezahlen, ihre Heimat zu verlassen oder getötet zu werden. Muslimische Nachbarn hatten den Invasoren gezeigt, in welchen Häusern Christen wohnten, worauf jene mit einem N (für Nazarener) markiert wurden.

      Nach allem was ich weiss ist die Textpassage Treu nach den Vorgaben des Korans und des Vorbilds ihres Propheten korrekt. Ich habe nicht den ganzen Koran gelesen und auch nicht alle Hadithe, aber doch genug um ein repräsentativen Bild zu erhalten. In Bezug auf den Kontext, in dem man das sehen muss, gilt eben, dass in praktisch allen Auslegungen des Korans die historische Relativierung nicht gepflegt wird. Der Koran wird allenfalls erläutert und es wird beispielsweise detailliert begründet warum diese und diese Tötungen gerechtfertigt waren und sind. Ein Beispiel für eine solche Rechtfertigung findet sich in der Beschreibung der Invasion beim jüdischen Stamm der Banu Qurayza Im folgenden eine Beschreibung bereis in Kombination mit Rechfertigungen:

      The Islamic prophet Muhammad besieged the Banu Qurayza for 25 days until they surrendered.[1] One of Muhammad’s companions decided that “the men should be killed, the property divided, and the women and children taken as captives”. Muhammad approved of the ruling, calling it similar to God’s judgment,[7][8][9][10][11] after which all male members of the tribe who had reached puberty were beheaded.[2][12] According to Daniel C. Peterson and Martin Lings, this judgment was in accordance with the law of Moses as stated in Deuteronomy 20:10-14.[13][14] The Muslim jurist Tabari quotes 600–900 being executed.[1][3] The Sunni hadith do not give the number killed, but state that all males were killed and 1 woman.[15] The rest of the women and children were sold in exchange for weapons and horses, according to Islamic sources.[1]

      Die Koran-Verse 33:26-2 und 33:9-10 beziehen sich auf dieses Ereignis

      And those of the People of the Book who aided them – Allah did take them down from their strongholds and cast terror into their hearts. (So that) some ye slew, and some ye made prisoners.[Quran 33:26]

      Mehrere Hadithe und Kommentare von Koran-Exegeten beziehen sich darauf (Kommentar von Ibn Kathir, on Quran 33:26)

      Then the Messenger of Allah commanded that ditches should be dug, so they were dug in the earth, and they were brought tied by their shoulders, and were beheaded. There were between seven hundred and eight hundred of them. The children who had not yet reached adolescence and the women were taken prisoner, and their wealth was seized.[2]
      [Ibn Kathir, on Quran 33:26]

      Kurzum: Der Muslim, der den Koran als heiliges Buch, die Hadithe als bezeugte Aussagen Mohameds und die Kommentare zu Koranstellen als verbindliche Darstellungen dieses Ereignis betrachtet, der kommt, wenn er das Ereignis nicht historisch relativiert, zum Schluss, dass ein nicht provozierter Angriff auf eine Gemeinde von Andersglaubenden und -denkenden in bestimmten Situationen genau das Richtige und damit im Namen des Propheten sein kann.

      Wenn sie so etwas schriftlich rechtfertigen, dann schreiben sie sich um Kopf und Kragen. Nurzu.

      • “Wenn sie so etwas schriftlich rechtfertigen, dann schreiben sie sich um Kopf und Kragen. Nurzu.”

        Wer rechtfertigt denn sowas? Sie sind einfach nicht mehr ganz dicht.

        Im Übrigen: Solche Handlungsanweisungen zu Morden finden Sie auch im Alten Testament. Nun schreiben Sie mal das, was Sie über die Moslems schreiben, über die Juden. Oder über die Christen, für die ja das Alte Testament Teil ihrer Heiligen Schrift ist.

        • Zitat: “Nun schreiben Sie mal das, was Sie über die Moslems schreiben, über die Juden. Oder über die Christen”. Das ist eine beliebte Argumentationslinie, die alle Bekenntnisse auf die gleiche Stufe setzen will.
          Im Endeffekt handeln zwar Anhänger der meisten Religionen in vielem ähnlich fragwürdig, unabhängig von der Lehre der Religion. Doch die Lehren beispielsweise des Buddhismus, Judentums, Christentums und des Isalm unterscheiden sich deutlich in Fragen wie dem Verhältnis zu Andersgläubigen und der Legitimität von Gewalt. Die zugehörigen Kulturen wiederspiegeln so etwas.
          In der islamischen Kultur gibt es ein starkes soziales “Gewissen”, der Gläubige wird aufgefordert den Armen zu helfen, zu spenden usw – solange er Muslim ist. Im Christentum ist Nächstenliebe jedoch nicht nur Liebe zum christlichen Nachbarn, sondern zu allen Menschen – in der Theorie, die Praxis kennen wir ja.

          • Martin Holzherr: “Wenn Christen zum Neuen Testament zurückkehren, kehren sie zum Besten zurück, was sie haben, wenn Muslime zum Koran zurückkehren, kehren sie zum Schlimmsten zurück, was sie haben.”

            Sie reduzieren den Koran auf ein paar schlimme Stellen. Mit welcher Begründung? Steht nichts anderes im Koran drin? Z.B. “Es gibt keinen Zwang im Glauben”. Ich weiß nicht, wo es steht, aber es wird immer wieder zitiert. Sie wissen es vielleicht, weil Sie ein repräsentatives Bild vom Koran haben.
            Gut, dass sie diesen Aphorismus nicht als öffentliche Person losgelassen haben.

            Im NT steht auch” Ich bin nicht gekommen, um den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.” Klar, ist nicht so wörtlich gemeint, Jesus war voll in Ordnung.

            “Treu nach den Vorgaben des Korans und des Vorbilds ihres Propheten…” Ich vertraue Ihnen, dass sie das korrekt nach der NZZ zitiert haben. Aber was heißt dieser Satz?

            Folgen die IS-Terroristen tatsächlich der Idee des Propheten?
            Folgen die IS-Terroristen dem, was sie für die Idee des Propheten halten?
            Oder ist der Autor der NZZ der Meinung, die IS-Terroristen folgen der Idee des Propheten?

            Meines Wissens werden die Untaten des IS von keinem der hochrangigen geistlichen Führern im Islam gerechtfertigt, mit Ausnahme des selbsternannten “Kalifen” des IS und seinen Anhängern.

          • @Paul Stefan: Shock and Awe finden sie sogar im NT, im alten Testament sicher und im Islam sogar konkretisiert: nicht mehr als Androhung sondern detailliert aufgezeichnet wie in einem Logbuch, am ehesten mit der Beschreibung eines besonders blutigen Videospiels zu vergleichen, einer Beschreibung, die damit auch gleich die richtigen Kunden anlocken will.

            Nicht auf einzelne Zitate sondern auf den Geist kommt es an, der durch AT, NT und Koran vermittelt wird. Dazu schreiben sie: “Sie reduzieren den Koran auf ein paar schlimme Stellen.” Nein. Der Koran verheisst tatsächlich oft den Frieden, spricht von Barmherzigheit – aber immer nur gegenüber der Gemeinde der Islam-Gläubigen. Sobald die Sprache auf die damaligen Konkurrenz-Bekenntnisse kommt, auf Christentum und Judentum oder gar auf “heidnische” Bekennntisse (keine Menschen des Buches), dann verfällt der Koran entweder in Verwaltungsjargon oder in offene Feindseligkeit. Der Satz “Es gibt keine Zwang im Glauben” aus dem Koran bedeutet wohl einfach, dass man Christen nicht unbedingt bekehren muss, man sie auch einfach besteuern kann. Für Muslime gibt es aber einen Zwang im Glauben. Schon im Koran und den Hadithen werden mehrere Exekutionen bei Apostaten ausgeführt (meist Köpfung).

            Der Aphorismus formuliert übrigens nur einen naheliegenden Gedanken, der eben auch aus der Textstelle “”Treu nach den Vorgaben des Korans und des Vorbilds ihres Propheten…” durchscheint (allerdings ohne Vergleich). Dieser Satz stammt aus dem TagesanzeigerMagazin, nicht der NZZ.

            Sie schreiben: “Folgen die IS-Terroristen tatsächlich der Idee des Propheten?” Die Autoren des Magazin-Artikels glauben das vielleicht, im NZZ-Feuilleton (eine andere Zeitung) dagegen kommen auch islamische Theologen und Theologinnen zu Wort, die darauf hinweisen, dass der IS in offenen Briefen und anderen Bezeugungen die Legitimität ihres Tuns abgesprochen wird.

            Man könnte sich aber auf folgendes einigen: Taten des IS wie Enthauptungen, Tötungen von Ungläubigen, Sondersteuer für Christen und Juden kommen genau so im Koran vor. Wenn man die IS-Anhänger als Käufer des oben erwähnten Videospiels betrachtet, dann haben sie das Videospiel einfach falsch verstanden als sie es in die Realität umsetzten.

            Im übrigen: Der Koran kann ein gutes Buch sein. Für die Muslime ist es ein Teil ihrer Kultur, ein Teil ihres Lebens. Man muss das Buch nicht als Anleitung zum Töten auffassen. Nur ganz wenige tun das.

            Den Koran verurteilen ist falsch, wenn man damit die Muslime verurteilt. Sogar atheistische Juden und vielleicht sogar gewisse vom Glauben abgefallende Christen können sich beleidigt fühlen, wenn man etwas Negatives über die Tora oder die Bibel sagt. Das ist verständlich, weil es immer um mehr als nur um Religion geht.

            Es ist nur ein Aphorismus und damit auch eine Überspitzung. Ein Aphorismus der aus der Sicht vieler Westler etwas Wahres ausdrückt. Aber nicht für alle wahr sein muss und wahr sein kann.

  37. Wenn Christen zum Neuen Testament zurückkehren, kehren sie zum Besten zurück, was sie haben, wenn Muslime zum Koran zurückkehren, kehren sie zum Schlimmsten zurück, was sie haben dieser Aphorismus hat sich eben in meinen Gedanken geformt.

  38. @ Holzherr “Über die evangelische Kirche weiß ich dagegen fast nichts und nehme deshalb das was ich neu entdecke zuerst als bare Münze.”

    Das ist höchst leichtsinnig!

    “Eine entscheidende Erkenntnis (beginnend mit einigen Berichten in der NZZ) für mich war nun, dass der Islam gar nicht immer so war wie er uns heute im Westen erscheint.”

    Was heißt “uns erscheint”? Gibt es da ein einheitliches Bild einer einheitlichen Religion?
    Religionen ändern sich immer, sie unterliegen auch einer historischen Entwicklung und der Umformung durch diverse gesellschaftliche Kräften, aber das ist keine neue Erkenntnis. Und Religionen sind auch keine monolithischen Systeme, sie bestehen aus zahlreichen Gruppen, Konfessionen, “Sekten”, verschiedenen Interessenvertretern etc., ich habe das ganz kurz anhand des mittelalterlichen Christentums im Blog zu “Religionsökologie” nur angerissen, um anzudeuten, was man da alles berücksichtigen kann/muss/soll. Gründlich gemacht, ergibt das dicke Studien und Bücher.

    Die von Ihnen verlinkte Seite zum Antisemitismus scheint mir sehr tendenziös zu sein, ich würde von dort nichts überprüft übernehmen. Für den Holocaust kann es keinen monokausale Ursache im evangelischen Christentum geben. Das ist ein Kurzschluss, genauso wie wie Hitler wesentlich auf Richard Wagner zurückzuführen, was auch schon getan wurde. Das nimmt nichts davon, dass Luther ein paar sehr schwarze Seiten hatte.

    • Natürlich ändert sich mit der Gesellschaft auch die Religionsauffassung und die Art der Religionsausübung – auch im Islam. Im Westen, einer nicht-islamischen Gesellschaft, war für die meisten aber der Islam eine fremde Religion deren Wesen man erkunden wollte. Das führt dann zu Sätzen wie: “Der Islam hat keine Aufklärung durchlaufen” oder vielleicht “Alles was man über den Islam wissen muss findet man im Koran und den Haddithen”.

      Ein ganz anderer Ansatz ist der, die Entwicklung des islamischen Glaubens innerhalb der islamischen Gesellschaften zu beobachten, also nicht die Frage zu stellen “was bedeutet der Islam für den Westen”, sondern was bedeutet er für die schon islamischen Länder. Und dann entdeckt man, dass es beispielsweise in Pakistan noch vor 20 Jahren ganz verschiedene Arten der Religionsausübung gab, beispielsweise sufistische. Heute wird Sufismus von den Rechtgläubigen abgelehnt als Abweichung vom “richtigen” Islam, als Götzenvererhrung – und es werden Sufisten mit dem Tode bedroht.
      Übrigens gibt es auch hier im Westen verschiedene Auffassungen wie man das Wesen einer Religion erkundet. Die einen sagen, dazu müsse man die Bibel lesen, andere, dazu müsse man die Rekigion praktizieren. Es gibt eben noch den anderen Ansatz, der nicht nach dem Wesen der Religion frägt, sondern nach ihrer Wirkung auf die Gesellschaft und nach aktuellen Tendenzen und Entwicklungen in einer Religionsgemeinschaft. Diese Betrachtungsweise will nicht die Wahrheit über eine Religion sondern die Wirklichkeit einer Religion finden.

      Das oben von mir verlinkte Papier zum Lutheranertum und sein Verhältnis zu den Juden sagt verkürzt folgendes: “Luther wollte in seinen letzten Lebensjahren die Juden vernichten, kam aber nicht mehr dazu, weil er starb.Hitler hat dann vollstreckt was Luther wollte.”

      • Die ultimative Verkürzung lautet: Hitler war der Testamentvollstrecker Luthers.

        • Hitler war der Testamentsvollstrecker von Millionen von Deutschen und anderen Europäern.

  39. @ Holzherr: Bekennende Kirche und NS.

    Sehr geehrter Herr Holzherr,

    hier etwas Grundsätzliches zu Ihrem Auftreten in diesem Blog.

    Schon als ich Ihre ersten Kommentare las, mußte ich nach Luft schnappen. Es ging um Ökologie. Da studiert man jahrelang ein Fach und betreibt Jahrzehnte lang Forschungen in diesem Fach, bis man halbwegs weiß, was man da guten Gewissens vertreten kann und wo man vorsichtig sein muß, und dann kommt ein Laie und belehrt einen. Inzwischen habe ich mitbekommen, daß Sie nicht nur ein großer Ökologe sind, sondern ein Experte für alles; Ihre Kommentare in anderen Blogs lese ich nicht, aber wahrscheinlich sind Sie auch Experte für Sanskrit, Nanotechnologie und altiranische Poesie. Auf jeden Fall sind Sie, das habe ich nun mitbekommen, Experte für islamische Religion und Kultur und für evangelische Kirchengeschichte. Nun weiß ich zufällig über letztere ein wenig und kann erkennen, welch blühenden Blödsinn Sie da verzapfen. Das trägt nicht gerade dazu bei, auch die anderen Informationen, die Sie uns mitteilen, etwa zum Islam, für glaubwürdig zu halten.

    Ihre einzige Qualifikation besteht darin, scheint mir, daß Sie wissen, wie man „Wikipedia“ anklickt. Sagen Sie nicht: Aber andere diskutieren hier doch auch über Dinge, die sie nicht eigens studiert haben. Die diskutieren alle – alle – ganz anders.

    Ich rate Ihnen, schreiben Sie sich für ein Fach an der Universität ein. Falls Sie schon älter sind: Es gibt auch Seniorenstudium. Am besten wäre ein möglichst eng umgrenztes Fach. Wenn Sie das einige Jahre studiert haben und sich einige weitere Jahre z. B. als Doktorand an der Forschung beteiligt haben, bekommen Sie vielleicht ein Gefühl dafür, was man alles berücksichtigen muß, bevor man eine Behauptung in die Welt setzt.

    Hochachtungsvoll

    Ludwig Trepl

    • Mein Standpunkt ist quasi der eines Menschen, der die leicht verfügbaren Informationsquellen durchforstet. In gewissen Gebieten bin ich gut informiert. Über die evangelische Kirche weiss ich dagegen fast nichts und nehme deshalb das was ich neu entdecke zuerst als bare Münze.

    • Zu meiner Methode am Beispiel Islam: Mein grundsätzlicihes Interesse gilt allem, was mit der Zukunft zu tun hat und was unser Leben ändert wobei ich mich nicht auf dieSicht des Westens beschränken will, sondern versuche einen globalen Standpunkt einzunehmen.
      Beim Islam frage ich also nicht nur, was die Strömungen im Islam für Deutschland und den Westen bedeuten sondern auch was sie für die muslimischen Länder bedeuten.
      Meine Informaitonsquellen zum Islam sind im Wesentlichen: NZZ, Spiegel, Economist, Wikipedia, die Bücher “Eine islamische Reise: Unter den Gläubigen” von V.S.Naipaul und Huntingtons Clash of Civilizations und was so aktuell hier in den Medien berichtet wird.
      Mein Eindruck ist nun, dass der Westen den Islam zu stark aus seiner eigenen Sicht betrachtet und damit Konstrukte auftauchen wie “der Westen/das Christentum gegen den Islam”, wo dann Schuldfragen und die Geschichte zentral werden. Das wäre die positive Sicht. In der negativen Sicht fühlt sich der Westen in vielfältiger Weise bedroht durch den Islam.
      Eine entscheidende Erkenntnis (beginnend mit einigen Berichten in der NZZ) für mich war nun, dass der Islam gar nicht immer so war wie er uns heute im Westen erscheint. Es gibt eine schon jahrzehntelange Tendenz zu einem strengeren, orthodoxeren Islam , ausgehend von einigen islamischen Vorreitern, die sich aber zunehmend auf die ganze Welt, auch auf die islamischen Migranten auswirkt. Diesen Pfad habe ich in der letzten Zeit weiter verfolgt.

      • Ludwig Trepl, @ Martin Holzherr:

        Wenn ich Sie richtig verstehe, ist ihre Methode die des Journalisten. Meine böser Rat mit dem Seniorenstudium war natürlich nicht ernst gemeint, aber etwas ist schon dran: Den kritischen Umgang mit den Quellen lernt man nur in der Wissenschaft. Man sieht an dem, was Sie über die Bekennende Kirche geschrieben haben, wohin das führt, wenn man dafür kein Gespür hat. Dabei geht es nicht nur darum, daß es halt zweifelhafte Quellen, von irgendwelchen obskuren Leuten, gibt, sondern vor allem darum, was man aus Tatsachen, auch zutreffenden, für Schlüsse ziehen kann und welche nicht. Hitler hat eben nicht verwirklicht, was speziell Luther gedacht hat, sondern was Luther da gedacht und aufgeschrieben hat, hat so gut wie jeder Christ seiner Zeit gedacht, und außer Juden gab es damals in Deutschland nur Christen. „Dass die evangelische Kirche unter anderem wegen Luther antisemitisch beeinflusst war“, ist einfach falsch. Das gesamte Christentum war von Anfang an antisemitisch – und damit halt auch Luther. Ausnahmen entstanden spät, Lessing ist ein bekanntes Beispiel.

        Das krasseste Beispiel für das Ungenügen der journalistischen Methode ist die Ökologie (vielleicht gibt es krassere, aber da kenne ich mich halt nun mal aus). Täglich kann man Filme im Fernsehen über das Thema Ökologie sehen, von Journalisten produziert. Sie enthalten nicht nur diese und jene Fehler, sie sind ein einziger Fehler, sind im Grundsätzlichen falsch, sind Ideologieproduktion. Um das zu merken, muß man anders vorgehen als es Journalisten tun, man muß die Sache wirklich studieren. Das kann man nicht jedem zumuten, aber ein bißchen Bescheidenheit dem Fachverstand gegenüber kann man schon fordern.

        Was mich an Ihren Ausführungen zum Islam stört, ist, daß Sie es nicht wahrhaben wollen, wenn sich ein Argument ganz genau so gegen die christliche Tradition wenden läßt. Lesen Sie bitte meine Diskussion mit @DH hier in diesen Kommentaren, dann verstehen Sie vielleicht, warum ich so empfindlich und grob reagiere, wenn jemand das Böse immer nur bei den anderen sucht. Jetzt sagen Sie vielleicht: Aber ich kritisiere doch auch die eigene Tradition, ich habe doch eben die Bekennende Kirche kritisiert. Aber das sind für Sie ja auch andere, es ist keine Selbstkritik, die Sie da üben.

  40. @ Ralph:

    „Man wird gelegentlich nicht nur fürs Nichtstun bezahlt, nein, man wird quasi auch noch bestraft wenn man “offiziell“ einem schlecht bezahlten Job nachgeht.“

    Was mich daran maßlos ärgert, ist, daß man von der Kritik an in der Tat üblen Zuständen sofort bei den Schuldigen ist: armen Schluckern; wenn’s die nicht gäbe, wäre alles in Ordnung. Man tritt mach unten. Das zeigt einen hundsgemeinen Charakter.

    Man wird nicht nur „gelegentlich“ fürs Nichtstun bezahlt, sondern wenn die „Bezahlung“ nennenswert ist, eher immer. Das ist das Prinzip unserer Gesellschaft. Was diejenigen, die schwere und verantwortungsvolle und gesellschaftlich sinnvolle Arbeit tun, verdienen, ist der Rede nicht wert (Beispiel Krankenschwester). Demgegenüber stehen andere, deren sogenannte Arbeit in nicht anderem besteht, als Geld, das anderen zusteht, aufs eigene Konto zu lenken. Die verdienen sich dumm und dämlich und gelten als Stützen der Gesellschaft (weil sie, wie auch anders, viel an Steuern bezahlen, sie zahlen sie aber nicht von dem Geld, das sie verdienen, auch wenn sie es „verdienen“).

    Gerade der Typ von Leuten, der die Schuld dafür, daß diejenigen, die es verdienen, nicht angemessen entlohnt zu werden, auf Flüchtlinge schieben, pflegt diese Großverdiener zu bewundern – sie sind ja erfolgreich.

  41. @ Martin Holzherr

    „Hat Martin Rhohnheimer mit seiner Anaylse “Töten im Namen des Islams” recht?“

    Ich weiß es nicht, woher auch? Ich weiß nur, daß es für unsere Frage egal ist, ob er recht hat. Es kommt nicht darauf an, was in den diversen für heilig gehaltenen Schriften steht. Schon gar nicht kommt es darauf an, wie es wirklich war. Wer weiß denn, ob es diese halb-mythologischen Figuren gab oder nicht. Klar, daß es Mohammed und Jesus gab, kann man als ziemlich sicher annehmen, aber ob das, was man glaubt, daß sie waren, mit der historischen Realität auch nur einigermaßen übereinstimmt, weiß keiner, und die historische Forschung wird es nie herausbekommen. Allenfalls kann sie von manchem herausbekommen, daß es sich bestimmt nicht ereignet hat. Wichtig ist, daß die Geschichten geglaubt werden.

    Und damit steht es nun so, daß alle möglichen und unmöglichen Geschichten geglaubt wenn, irgendeine Bestätigung in den Schriften glaubt man immer zu finden. Fragen Sie einen mittelalterlichen Inquisitor, einen bible-belt-Protestanten und einen deutschen Kirchentags-Protestanten – oder einen Taiping-Anführer, was denn seiner Meinung nach Jesus von ihm verlangt: Man wird vier völlig verschiedene, ganz unvereinbare Meinungen bekommen.

    Es kommt nicht ausschließlich, aber doch ganz überwiegend nicht auf den Text, sondern auf den Interpreten an. In der Terminologie, die Sie gerne benutzen: insbesondere darauf, ob er ein „Humanist“ ist. Darum halte ich es für vergebliche Mühe, durch Studium des Korans oder der Bibel etwas über die jeweiligen Religionen herauszufinden. Wenn man wissen will, was „Christentum“ im Hochmittelalter war, muß man nicht die Bibel lesen, sondern die mittelalterliche Kultur studieren.

    • Mohammed ist für die Muslime heute was Luther für die Evangelische Kirche zur NSDAP-Zeit war. Hitlers Antisemitismus kam bei den damaligen evangelischen Kirchen sehr gut an, denn auch Luther war ein Antisemit und Hitler bewunderte Luther und auch Mohammed wegen ihrem Judenhass. Die beiden Flügel der damaligen evangelischen Kirche, “Deutsche Christen” und “Bekennende Kirche” waren auch darum treue und gehorsame Hitler-Bekenner.

      @Ludwig Trepl: Sie schreiben zurecht:

      Es kommt nicht darauf an, was in den diversen für heilig gehaltenen Schriften steht.

      Ich möchte es noch ergänzen um: Weder Mohammed noch Luther können Verbrechen rechtfertigen, egal was sie gesagt oder nicht gesagt haben. Und Vernichtung von Menschen im Namen von Ideen oder im Geiste von Ressentiments “heiliger” Figuren kann niemals gerechtfertigt werden.

      • Illustration: “”Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen.”

      • @ Martin Holzherr:

        Sonst kommen Sie mir ja meist gut informiert vor, aber das hier ist Satz für Satz völliger Quatsch. „Mohammed ist für die Muslime heute was Luther für die Evangelische Kirche zur NSDAP-Zeit war.“ Luther war für die Evangelische Kirche zur NSDAP-Zeit kein Prophet, und auch zu keiner anderen Zeit. Das „die“ Muslime ist Ihre übliche Frechheit. „Hitlers Antisemitismus kam bei den damaligen evangelischen Kirchen sehr gut an, denn auch Luther war ein Antisemit“. Luther war ein Antisemit wie so gut wie alle Christen seiner Zeit, und es gab weitaus Schlimmere unter ihnen, vornehmlich unter den Würdenträgern. „Die beiden Flügel der damaligen evangelischen Kirche, “Deutsche Christen” und “Bekennende Kirche” waren auch darum treue und gehorsame Hitler-Bekenner.“ Die “Bekennende Kirche” war die innerkirchliche Opposition gegen den Nationalsozialismus. Demokratisch war sie allerdings, bis auf Ausnahmen, keineswegs, sondern meist konservativ-monarchistisch; antisemitisch war sie z. T. auch (anders als so manche protestantische Selbstgeschichtsschreibung meint), aber auch die Antisemiten in der Bekennenden Kirche waren keine NS-, d. h. Rasse-Antisemiten. Der Rasse-Antisemitismus war vielmehr der Hauptgrund dafür, daß sich die Bekennende Kirche überhaupt gegründet hat: Es war für die Kirche nicht hinnehmbar, daß es ihr verweigert wird, Menschen, egal welche, durch Taufe in ihre Reihen aufzunehmen, das ging an ihre Substanz. – Und sehr viele Mitglieder der Bekennenden Kirche wurden in der NS-Zeit verfolgt.

        • Mag alles formal so zutreffend sein, Herr Dr, Trepl, nichtsdestotrotz könnte die real existierende evangelische Kirche zwischen 1933 und 1989, von Ausnahmen abgesehen, als potenziell beispringend dem einen oder anderen Sozialismus angesehen werden.


          Der Schreiber dieser Zeilen, der auch schon ein wenig älter ist, würde schon gerne die Verallgemeinerung der christlichen Kirche durch die DDR dem evangelischen Verbund zuordnen wollen, Ihr Einverständnis vorausgesetzt.

          RAF-Leute können in der Regel derart zurückgeführt werden, deren Sozialisierung scheint dementsprechend weitgehend belegt und auch das Beispringende den I oder I-smus betreffend findet sich dort bereits einiges.

          Klar, alte Säcke sollten zusammenhalten, Ihr Kommentatorenfreund liegt hier nahe, fand auch seinerzeit bspw. Gitarrenmusik gut, beispielsweise von Hendrix oder auch Barclay James Harvest (betont christlich seinerzeit), weiß aber nicht so recht was mit Ihnen im Moment los ist,
          MFG
          Dr. W

          • Könnten Sie das mal in verständliche Sätze bringen? Ich habe nicht die geringste Ahnung, was Sie sagen wollen. Es ist mir ernst, ich lösche sonst Ihre Kommentare.

          • “Mag alles formal so zutreffend sein, Herr Dr, Trepl, nichtsdestotrotz könnte die real existierende evangelische Kirche zwischen 1933 und 1989, von Ausnahmen abgesehen, als potenziell beispringend dem einen oder anderen Sozialismus angesehen werden.”

            Fast alles falsch. Falls ich Ihre seltsame Formulierung (“potentiell beispringend”) richtig deute: Die real existierende evangelische Kirche zwischen 1933 und 1945 unterstütze gar keinen Sozialismus; es gab nur einen ganz unbedeutenden Rand, der sich/den man sozialistisch nannte, aber entweder sozialdemokratisch war oder etwa dem entsprach, was später die CDU-Sozialstaatspolitik war. Die große Mehrheit der evangelischen Christen war pro-nationalsozialistisch, unterstützte den NS nicht nur “potentiell”; die “Deutschen Christen” gewannen die Kirchenwahlen erdrutschartig. Eine starke Minderheit, nämlich der sog. gemäßigte Flügel der Bekennenden Kirche war Deutschnational-monarchistisch, rechnete sich aber immerhin dem gleichen “Lager” zu wie die Nationalsozialisten. Das gilt für alle “bürgerlichen” Kräfte jener Zeit, auch für die Vorläuferorganisationen der Union und der FDP. Der Feind waren eben “die Roten”.
            Nach 1945, u.z. bis heute, gab es sozialistischen Strömungen in der evangelischen Kirche, sie waren aber nie in der Mehrheit.

            Im Übrigen: denken Sie daran, Ihre unverständlichen Sätze – also die meisten – umzuformulieren? Sonst werde ich sie in Kürze löschen.

        • @Ludwig Trepl: Zugegeben, das hab ich aufgeschnappt und nicht recherchiert, dass die evangelische Kirche unter anderem wegen Luther antisemitisch beeinflusst war.
          Sie können meine Quelle hier hier studieren.
          Ich bin aber beeindruckt vom Material das auf dieser Website zusammengetragen wurde.Nur schon die Einleitung bringt schon Schockierendes an den Tag:

          Martin Luther, Von den Juden und ihren Lügen (1543; hier das Titelblatt einer “Volksausgabe” von Hans-Ludolf Parisius) – Im Jahr 1938 gab der den “Deutschen Christen” zugerechnete evangelische Landesbischof Martin Sasse aus Eisenach die Schrift neu heraus unter dem Titel Martin Luther über die Juden – Weg mit ihnen! (Freiburg 1938). Der Landesbischof feiert darin im Vorwort das Niederbrennen des Synagogen an Luthers Geburtstag, welcher “der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist.”

          • Noch eine letzte Provokation: “In dem Buch ´Die Juden und ihre Lügen` schreibt Dr. Martin Luther, die Juden seien ein Schlangengezüchte, man solle ihre Synagogen niederbrennen, man solle sie vernichten … Genau das haben wir getan!”
            Das ist eine Aussage von Julius Streicher, Herausgeber des antisemitischen Verleumdungs-Blattes Der Stürmer, bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen.

          • [Gelöscht, da kein Sinn erkennbar. Bitte formulieren Sie Ihren Gedanken noch einmal, aber in verständlichen Sätzen]

          • @Dr.Webbaer Zitat:Auf bspw. Hr, Dr, Blume wie Hr. Dr. Trepl bezogen könnte dieser [Niedrigkeitsverdacht, die evangelische Kirche.. betreffend] zutreffen…
            Zugegeben: Leider fehlt mir das Sensorium dafür. Ich kann also nicht mitreden.

          • Ich muß Ihre Quellen nicht studieren, ich kenne ein Vielfaches zu diesem Thema, und was Sie jetzt schreiben, ist selbstverständlich allgemein bekannt. Aber vorher haben Sie geschrieben; „Die beiden Flügel der damaligen evangelischen Kirche, “Deutsche Christen” und “Bekennende Kirche” waren auch darum treue und gehorsame Hitler-Bekenner.“

            Herrmann Stöhr, Elisabeth von Thadden, Gollwitzer, Bohoeffer und der Kreis um ihn und viele andere waren also “gehorsame Hitler-Bekenner”. Nicht einmal Niemöller war das, er war Deutschnationaler, kein Nazi, sonst wäre er bei den Deutschen Christen gewesen. Sie bewerfen Leute mit Dreck, vor denen Sie respektvoll den Hut ziehen sollten. Das ist eine bodenlose Frechheit.

          • @Trepl: Tut mir leid was die Generalisierung über beide Flügel der evangelischen Kirche betrifft. Das war nur eine Umformulierung der folgenden Stelle der obigen Quelle:

            In den Jahren 1933-1945 gibt es in der evangelischen Kirche zwei Flügel, die “Deutschen Christen” und die “Bekennende Kirche”. In beiden Gruppen wird der Treue- und Gehorsams-Eid gegenüber Adolf Hitler geschworen. Und Verantwortliche und Anhänger beider Flügel fordern oder befürworten auch die Judendiskriminierung und -verfolgung,

    • Und damit steht es nun so, daß alle möglichen und unmöglichen Geschichten geglaubt wenn, irgendeine Bestätigung in den Schriften glaubt man immer zu finden.

      Herr Trepl, Ihr Kommentatorenfreund weist auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen einer Zeugenbekundung (einem “Testament”) und einer als absolut wahr anzunehmenden Nachricht hin, die strafbewehrt anzunehmen ist.

      Dazu wäre dann zu betrachten, die oben beschriebene Nachrichtengebung berücksichtigend, in der Tat, wie sich religiös Gläubige in praxi so geben.
      Im Sinne von ‘Islam ist das, was die Muslime daraus machen’, vgl. :
      -> http://www.welt.de/kultur/article11309451/Islam-These-macht-Schroeder-zu-Palin.html (zu beachten vielleicht auch das an vorderster Stelle gesetzte ‘krude’ in diesem Posernschen Meinungsbeitrag)


      Anzunehmen dass Zeugennachrichten über religiöse Verlautbarung berichten, war natürlich seinerzeit revolutionär und kulturrelevant.
      Viele Religionsgründer haben auf derartige Einschränkung verzichtet, insofern könnten Sie als Christ, sofern Sie dies sind, vielleicht schon ein wenig stolz sein auf die Altvorderen oder Apostel.

      HTH
      Dr. W (der dies hier – ‘Darum halte ich es für vergebliche Mühe, durch Studium des Korans oder der Bibel etwas über die jeweiligen Religionen herauszufinden.’ – abär richtig schlecht fand)

  42. @ Martin Holzherr:

    „Trotz aller Islamkritik: Kaum jemand wirft dem Islam Apartheid vor, obwohl der Islam nur Apartheid kennt im Verhältnis zu nicht moslemischen Bevölkerungsgruppen innerhalb eines Landes das unter der Herrschaft des Islams steht.“

    Das liegt daran, daß „Apartheid“ als Rassenunterdrückung verstanden wird, es sich hier aber um etwas ganz anderes, nämlich Unterdrückung von Religionen handelt. Südafrika kannte Apartheid, aber keine mit der Religion begründete Unterdrückung.

    Daß es keine „Apartheid“ (wenn ich das Wort auch einmal falsch verwenden darf) im Verhältnis zu nicht christlichen Bevölkerungsgruppen innerhalb eines Landes gibt, das unter der Herrschaft des Christentums steht, hat einen einfachen Grund: In den islamischen Ländern hat man die Nicht-Moslems zu Bürgern zweiter Klasse degradiert, in den christlichen Ländern hat man sie dagegen ausgerottet; jedenfalls im allgemeinen, Juden ließ man ja über längere Zeiträume hinweg leben, vertrieb sie allenfalls und degradierte sie zu Bürgern zweiter Klasse, und in Nord- und Südamerika lebten durchaus noch einige „Heiden“, aber unter ständiger Verfolgung und Bedrohung mit dem Tod.

    „Heute rechtfertigen die Rechtschaffenen den Islam mit der historischen Schuld des Christentums, des Kolonialismus und des Imperialismus.“

    Was ist denn das für eine Kindergartenlogik? Wenn man zeigen kann, daß der andere auch mit Sand geworfen hat, ist man selber nicht schuld. – Mir ist es noch nicht begegnet, daß einer im Westen etwa die Unterdrückung der Frauen in islamischen Ländern rechtfertigt dadurch, daß er auf die Unterdrückung der Frauen in christlichen Ländern hinweist. Der Verweis darauf, daß es anderswo und vor allem auf der Seite des Anklägers auch Verbrechen gibt, ist keine Rechtfertigung des Verbrechens, sondern dient nur der Verhinderung von Hochmut.

  43. @Balanus

    “Den Jainismus zum Beispiel hat meines Wissens bislang niemand ins Gegensätzliche verkehrt.”

    Ja, es gibt einige Wege sich aus dieser Realität scheinbar verantwortungslos auszuklinken, illusionär im geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” sind sie trotzdem 🙂

    “Ein wahrer Utilitarist müsste doch konsequenterweise sein Leben opfern, wenn damit, etwa durch seine Organe, mehreren Menschen das Leben gerettet werden könnte.”

    Ja, wenn das Leben von “mehreren Menschen” wichtig für das Leben von Mensch wäre 🙂

  44. Wir sind die Guten .

    Worauf also kommt es an, wenn nicht auf die Lehre? Ich bin bei dem Versuch einer Antwort nahe bei dem, was @Dietmar Hilsebein hier geschrieben hat, sofern ich ihn richtig verstanden habe.

    Was allerdings die Sache mit der Abstumpfung durch die Medien angeht, da gibt es hierzulande wohl zwei gegensätzliche Strömungen: Die einen schauen weg, wenn in den Medien Gewalt gegen Mensch und/oder Tier erscheint, die anderen suchen nach immer drastischeren Gewaltbildern. Ein Teil von denen, die wegschauen, weil sie eine Abneigung gegen Gewaltdarstellungen haben, versuchen konsequenterweise zu vermeiden, dass ihre Lebensweise anderswo „Gewalt“ fördert (z. B. Kinderarbeit oder qualvolle Tierhaltungen und -schlachtungen).

    Ich halte es für ein gutes Zeichen, dass der friedfertige („verweichlichte“) Westeuropäer eigentlich keine Bilder aus Kriegsgebieten oder Schlachthöfen sehen mag. Es scheint, als hätten sich hierzulande nicht wenige schon weit von jeglicher realer Gewaltkultur entfernt, Gewalt wird nur noch in Form von Spielen ertragen oder gar goutiert (was wohl viele Gründe hat). Selbst der militärische Einsatz zur Beseitigung eines Terrorregimes wird eher kritisch gesehen.

    Wer trotz alledem nicht auf Fleisch und billige Klamotten verzichten mag, der mag sich damit rechtfertigen, dass jeder für sein Handeln selbst verantwortlich ist: Nicht „ich“ beschäftige Kinder in Bangladesch, sondern der dortige Fabrikant tut es. Und einem T-Shirt sieht man nicht unbedingt an, woher sein Kaufpreis kommt, ob es teuer ist, weil keine Kinderarbeit drin steckt, oder nur deshalb, weil jemand gut daran verdienen will.

    Aus der Lehre läßt sich das Gegensätzlichste machen, wenn man nur will;…

    Gibt es nicht auch Lehren, die gerade wegen ihrer Inhalte vor Missbrauch praktisch geschützt sind? Den Jainismus zum Beispiel hat meines Wissens bislang niemand ins Gegensätzliche verkehrt. Aber leider ist dies eine Lehre, die nur wenige anspricht.

    Was können wir überhaupt von (gläubigen) Menschen erwarten, wenn doch bereits Gott dereinst fast das gesamte irdische Leben ausgelöscht hat, weil es ihm notwendig, also auch gut und richtig, erschien?

    Fast alle, die sich für eine (vermeintlich) gerechte Sache einsetzen oder sogar dafür kämpfen, auch wenn es Tote dabei gibt, halten sich für die Guten.

    Wie unterschiedlich die Wahrnehmung dessen sein kann, was für das Gute und Richtige gehalten wird, zeigt beispielsweise auch die Löschung des Kommentars von @ralph. Jeder wähnt sich im Recht, und uneinsichtig sind immer die anderen.

    Im Liberalismus (bzw. im Utilitarismus als seiner Ethik) hat man es auf die Formel „größtes Glück der größten Zahl“ gebracht. Das ist nicht weit von der stalinistischen Paradiesvorstellung. Was sind eine Million getöteter Kulaken, wenn es dadurch vielen Millionen Kleinbauern besser geht? Was sind die elend als Kinder umgekommenen Bergarbeiter, wenn dadurch der Reichtum der englischen Nation insgesamt steigt?

    Wenn man das unter Utilitarismus versteht, wäre es denn dann nicht auch utilitaristisch gedacht, wenn man den IS mit militärischen Mitteln bekämpft, also einige Terroristen tötet, um eine Vielzahl friedfertiger Bürgern zu schützen? Oder wenn man ein von zwei Terroristen gekapertes, vollbesetztes Passagierflugzeug abschießt, um damit ein noch größeres Unglück zu verhindern? Oder, worauf @Chrys eben hingewiesen hat, ganze Städte in Schutt und Asche legt, um (vermeintlich) weitere (eigene) Kriegsopfer zu vermeiden?

    Mir scheint, dass das alles Beispiele für einen falsch verstandenen Utilitarismus sind. Ein wahrer Utilitarist müsste doch konsequenterweise sein Leben opfern, wenn damit, etwa durch seine Organe, mehreren Menschen das Leben gerettet werden könnte.

    • @ Balanus:

      „Worauf also kommt es an, wenn nicht auf die Lehre? Ich bin bei dem Versuch einer Antwort nahe bei dem, was @Dietmar Hilsebein hier geschrieben hat, sofern ich ihn richtig verstanden habe.“

      Dietmar Hilsebeins Antwort ist „Sensibilisierung“. Das ist schon richtig, aber alles kann es nicht sein. Genauso wichtig scheint mir die Offenheit fürs immer weitere Nachdenken. Es darf kein unhinterfragbares Dogma geben und keine Berufung auf eine nicht kommunizierbare „Erleuchtung“. Die mag es geben (ich hab’ noch keine gehabt), aber sie hat im Umgang der Menschen miteinander nichts zu suchen.

      „Ich halte es für ein gutes Zeichen, dass der friedfertige („verweichlichte“) Westeuropäer eigentlich keine Bilder aus Kriegsgebieten oder Schlachthöfen sehen mag.“

      Vielleicht. Aber es gibt auch Theorien, die besagen, daß aus welchen Gründen auch immer es nicht nur in diese eine Richtung geht, sondern notwendig immer auch in die andere. Michel Foucault, der das Thema wohl als erster groß in die Diskussion gebracht hat, beschreibt, wie etwa um die Zeit der französischen Revolution die Leute nicht mehr ihre Kinder hochgehoben haben, damit sie die Hinrichtung besser sehen konnten, sondern ihnen der Anblick ganz unerträglich wurde. Aber die Grausamkeiten fanden weiterhin statt, sie wurden nur vor den Blicken verborgen. Ja, viel mehr noch: Niemand hätte sich damals vorstellen können, daß so etwas wie die Schoah überhaupt möglich ist. Sie wurde offenbar im gleichen Zuge möglich, wie die meisten Menschen „Bilder aus Kriegsgebieten oder Schlachthöfen“ nicht mehr ertragen konnten.

      „Gibt es nicht auch Lehren, die gerade wegen ihrer Inhalte vor Missbrauch praktisch geschützt sind?“

      Ja, wenn man den Begriff der Lehre nur eng genug faßt, dann auf jeden Fall. Das beste Beispiel sind die aus den Täufern hervorgegangenen protestantischen Sekten. Seit Jahrhunderten nehmen die Mennoniten eine Vertreibung nach der anderen auf sich, lassen sich um die ganze Welt jagen, um keine Waffe anfassen zu müssen. Mir scheint aber, daß der Preis eine extreme Engstirnigkeit, ein unüberbietbarer Dogmatismus ist. Die Bibel verbietet es, Punkt. Kommt aber die Vernunft ins Spiel, dann läßt sich die Frage nicht von der Hand weisen, ob es z. B. im Kampf gegen den NS (oder den IS) nicht doch das Richtige ist, zu den Waffen zu greifen.

      „Wenn man das unter Utilitarismus versteht, wäre es denn dann nicht auch utilitaristisch gedacht, wenn man den IS mit militärischen Mitteln bekämpft, also einige Terroristen tötet, um eine Vielzahl friedfertiger Bürgern zu schützen?“

      Am Utilitarismus (ist nicht alles falsch, manches, worauf man dieses Etikett kleben kann, ist gar nicht zu vermeiden. Wichtig scheint mir aber, daß man daraus, also aus „Nutzen“, nicht das oberste Prinzip macht; es gibt Höheres (Stichworte: Gerechtigkeit, Würde). Das aber machen sowohl die, an die man üblicherweise bei „Utilitarismus“ denkt, als auch die Stalinisten. Ein Gegenbeispiel war neulich eine Rettungsaktion (an Einzelheiten erinnere ich mich nicht mehr), wo man bei sehr zweifelhaften Erfolgsaussichten einen einzelnen Menschen mit ungeheurem Aufwand rettete. Der typische Utilitarist würde einwenden: was hätte man mit dem Geld alles machen können!

      • “Dietmar Hilsebeins Antwort ist „Sensibilisierung“. Das ist schon richtig, aber alles kann es nicht sein. Genauso wichtig scheint mir die Offenheit fürs immer weitere Nachdenken. Es darf kein unhinterfragbares Dogma geben und keine Berufung auf eine nicht kommunizierbare „Erleuchtung“. Die mag es geben (ich hab’ noch keine gehabt), aber sie hat im Umgang der Menschen miteinander nichts zu suchen.”

        Das ist natürlich prinzipiell richtig. Doch den Tisch, der vor uns steht, müssen wir nicht hinterfragen, da er anschaulich einleuchtet. Ebensowenig ist kaum etwas gegen das Mitfühlen zu sagen. es ist nämlich geradewegs so, daß der Mensch sich zwingen muß, nicht mitzufühlen. Das war, wie selbst wissen, Erziehungsmittel der Nationalsozialisten, denn schließlich brauchte man ja Handlanger, die man auf das Nichtmitfühlen abrichten mußte. Man muß weit, weit zurückgehen, um einen guten Menschen zu finden. Denn verbogen sind wir eben irgendwo alle. Wie man nun einen Absturz einer Kultur verhindern kann, liegt im Einzelnen selbst. Die Heerde (ich lege Wert auf die zwei e -das macht das Wort noch länger) wird wohl immer auf einen Guru hören. Was gehen mich Heerde und Gurus an? -so fragt ein selbstbewußter Mensch, der das Prädikat auch verdient. Hinterfragen ja, aber nicht, um andere führen zu wollen. Das ging immer schief und wird auch immer schiefgehen. Wo aber der Mensch abgestumpft ist, wird die Vernunft nichts ausrichten können. All die Worte Gurnemanz’ wären an Parsifal abgeprallt. Er hätte mit den Worten, die eben zu Herzen gehen müssen, nichts anzufangen gewußt. Ist das so schwer zu verstehen?

        • Ludwig Trepl, @Dietmar Hilsebein: Gefühle oder Vernunft?

          Wir hatten das Thema ja schon ausführlich, aber sind nicht so recht weitergekommen. Es ist eben doch nicht so einfach.

          „Ebensowenig ist kaum etwas gegen das Mitfühlen zu sagen. Es ist nämlich geradewegs so, daß der Mensch sich zwingen muß, nicht mitzufühlen.“

          Das müssen nur die einen, die anderen müssen das Gegenteil. Gurnemanz hat Glück gehabt: Bei Parsifal war ein hohes Gefühl, das Mitgefühl stärker. Aber Massen von Menschen kennen ein anderes hohes Gefühl, das beim Töten auftritt, die Lust daran (Töten von Tieren, bleiben wir mal bei denen). Es ist ein hohes Gefühl, auch wenn Jagen heute unter „Sport“ läuft. Aber über Jahrtausende wurde es als ein hohes Gefühl in der Literatur gefeiert. Daß es ein niedriges sein könnte, das zu erkennen, bedurfte Jahrtausende währender Diskussionen. Und in diesem Zuge mußte sich der Mensch zwingen, mitzufühlen, auf die gewaltige Lust des Jagens und Tötens zu verzichten. „Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen“ – wer hätte das nicht unterschrieben?

          Man hat die Gefühle früher Körperregionen zugeordnet. Manche gehörten zu den „Lenden“, andere zum „Leib“ oder zum „Bauch“, wieder andere zum „Herzen“. Nur sind aber die letzteren keineswegs einfach die guten. Es gibt auch ein „böses“ und ein „kaltes“ Herz. Und erst nachdem bestimmte Entscheidungen im Denken einmal gefallen waren, konnte man die Lust am Töten von Tieren dem „bösen Herzen“ zuordnen.

          Ob man trotz eines bösen Herzens gute Taten vollbringen kann? Ich glaube schon, denn wir sollen das, also können wir es. Es geht nur ungeheuer viel schwerer, als wenn das Herz gut ist, und kommt folglich selten vor. Darum ist „Sensiblilisierung“ schon der richtige Weg, aber den ersten Schritt muß doch die Vernunft tun, denn es muß erkannt werden, welchen unter den Gefühlen man folgen soll.

          • “Das müssen nur die einen, die anderen müssen das Gegenteil. Gurnemanz hat Glück gehabt: Bei Parsifal war ein hohes Gefühl, das Mitgefühl stärker.”

            Weil er aus dem Wald kam? An der Zivilisation noch nicht krank war? Den Jagdtrieb hatte Parsifal ja zunächst auch: “Gewiss! Im Fluge treff’ ich, was fliegt!” Das Auftreten Parsifals im Gralsgebiet war das eines Wilden. Man könnte sagen: reiner Wille (im schopenhauerschem Sinne). Parsifal kann weder als gut noch böse bezeichnet werden. Er ist amoralisch.
            Gurnemanz Welt dämmert in Agonie dahin, er hofft auf Hilfe von außen. Er übernimmt stellvertretend die Instanz der Vernunft für Parsifal. Die Fragen, die Parsifal lernen muß, sich selbst zu stellen, stellt Gurnemanz. Ob es pädagogische Klugheit seitens Gurnemanz ist, nicht Antworten zu liefern, sondern Fragen zu stellen oder ob Gurnemanz ahnte, daß seine Welt am Ende war und daher auch keine Antworten hatte, läßt sich nicht sicher sagen. Aber er schafft es, Parsifal zu erreichen, obwohl dieser sein Tun zunächst nicht hinterfragte. Bei unserer damaligen Diskussion sagten Sie, daß er eben in Gurnemanz seinen Lehrer fand und es schon gut ist, einem Lehrer zu folgen. Die Welt Gurnemanz’ aber ist am Ende. Im Gegensatz zu den Rittern und Knappen hat er für Parsifal keine eigentliche Lehre. Daher vorverurteilt er Parsifal nicht.
            Meine These ist nun, daß zunächst die Verbogenheit durch die Zivilisation und Kultur da war, die hernach “eine Jahrtausende währende Diskussionen bedurfte.” Dabei ist zu beachten, daß ich hier nicht dem “guten Wilden” das Wort rede, sondern Begriffe wie gut und böse hier gar nicht angebracht sind. Unser Dissens liegt weiterhin darin, daß Sie in der Vernunft mehr sehen als die Instanz des Vernehmens und Hinterfragens. Was aber die Vernunft von außen vernimmt, ist kulturbedingt. Die Vernunft muß nach innen schauen. Was aber liegt dort vor, was man kommunizieren kann? Die Antwort Kants: das Sittengesetz. Und da meine ich kommen wir doch an der Psychologie nicht ganz vorbei. Stirner sieht da “das Jenseits in uns” und später Freud das Über-Ich. Wir können hier nämlich nicht wirklich unterscheiden, was von außen nach innen gelangt ist.
            P.S. Sie haben ja recht, so richtig bin ich nicht weitergekommen. Da ist noch viel Chaos in meinem Hirn. Vielleicht entspringt ja da noch ein tanzender Stern.

          • “Wir können hier nämlich nicht wirklich unterscheiden, was von außen nach innen gelangt ist…”

            …oder dort schon vorliegt.

          • Im Übrigen, Herr Trepl, schauen Sie nicht so sehr auf die Tagespolitik. Dresden könnte auch ein gefundenes Fressen sein: dem Volk ist eh nicht zu vertrauen – laßt und Demokratie abbauen! Wir wissen, daß im Zuge von Fußballweltmeisterschaften Gesetze durchgewunken werden. Geben Sie Acht! Interessant ist nicht, was in den Zeitungen steht, sondern, was darin nicht steht.
            Beispiel? Irgendwelche, wiedereinmal Geheimverhandlungen. (TTIP und CETA -jetzt TISA) Transparenz? Da war mal was -Glasnost unter M. Gorbatschow. Och schon 25 Jahre her. Ach die Zeit vergeht -wir werden älter. Lange kann es nicht mehr dauern. Daß auch unsere Welt im Sterben liegt, pfeifen schon länger die Spatzen vom Dach.

  45. @Ludwig Trepl
    Mag Ihre Frage danach, worauf es denn ankommt, nicht auch damit zu tun haben, dass zwar Individen vielleicht mit Vernunft begabt sein können, während, wie schon Einstein meinte, die Herde als solche stumpf im Denken und stumpf im Fühlen bleibt?

    Jemand, der christlich-moralische Verirrungen als ein unversehens Beteiligter selbst erlebt und später davon eindrucksvoll Zeugnis abgelegt hat, war Rev. George B. Zabelka. Pater Zabelka war im Sommer 1945 als kath. Militärkaplan auf Tinian Island jener USAAF Einheit zugeteilt, die dann Hiroshima und Nagasaki nuklear zerstört hat. In einem Interview stellte er rückblickend fest:

    It seems a “sign” to me that seventeen hundred years of Christian terror and slaughter should arrive at August 9, 1945 when Catholics dropped the A-Bomb on top of the largest and first Catholic city in Japan. One would have thought that I, as a Catholic priest, would have spoken out against the atomic bombing of nuns. (Three orders of Catholic sisters were destroyed in Nagasaki that day.) One would have thought that I would have suggested that as a minimal standard of Catholic morality, Catholics shouldn’t bomb Catholic children. I didn’t.

    I, like that Catholic pilot of the Nagasaki plane, was heir to a Christianity that had for seventeen hundred years engaged in revenge, murder, torture, the pursuit of power and prerogative and violence, all in the name of our Lord.

    http://archive.lewrockwell.com/orig7/mccarthy5.html

    • @Crys:
      Sie schrieben an Herrn Trepl: “Mag Ihre Frage danach, worauf es denn ankommt, nicht auch damit zu tun haben, dass zwar Individen vielleicht mit Vernunft begabt sein können, während, wie schon Einstein meinte, die Herde als solche stumpf im Denken und stumpf im Fühlen bleibt?”

      Einstein ist hier ein denkbar schlechtes Beispiel. Er mag zwar ein Genie gewesen sein, in die Politik hätte er sich lieber nicht einmischen sollen. Oder ist Ihnen sein verhängnisvoller Brief an Präsident Roosevelt nicht bekannt, in dem er die Notwendigkeit betonte, Experimente im großen Stil anzustellen, die der Untersuchung der Möglichkeit der Herstellung einer Atombombe dienen? Was letztendlich die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki erst möglich machte.

    • Dazu passt ein Zitat:

      “Die beste Schule, um an dem Dasein eines Gottes als Weltlenker zu zweifeln, ist die Kirchengeschichte, vorausgesetzt, diese sei die Geschichte der von Gott in die Welt gesetzten Religion des Christentums, und es werde demnach angenommen, er habe ihre Geschichte gelenkt. Augenscheinlich hat er dies nicht getan, in der Kirchengeschichte ist nichts wunderbar, in ihr erscheint das Christentum der Welt so unbedingt preisgegeben wie nur irgendein anderes Ding, das in ihr lebt.[..] Gegen die Kirchengeschichte ist also das Dasein Gottes nur zu behaupten bei der Annahme, Gott habe seine Hand vom Christentum in seinem geschichtlichen Dasein abgezogen. ”

      Franz Overbeck (1837 – 1905), ev. Theologe

      Das Hauptelend ist, erfundene Werte als Heiliges über das Leben der Menschen zu stellen. Beispiele dafür finden sich in Religionen mit Gottesanspruch und in absolutistischen Ideologien. Es gibt keine Werte, die das rechtfertigen, außer das Leben selbst, z.B. als Notwehr. Das ist gewissermaßen das erste Axiom der Ethik. Das Wesen des Humanismus und der Aufklärung ist, dass der Mensch für sich selbst verantwortlich ist, für die Werte und für die Taten. Es gibt niemanden, auf den man sich berufen könnte, außer wieder andere Menschen. Das ist der Preis für das Bewusstsein.

    • @Mona
      Finden Sie nicht, dass Sie sich das moralische Urteilen über die Bombe und Einstein reichlich einfach machen? Wie es im übrigen zu dem Schreiben an Roosevelt kam, siehe etwa hier.

      »Was letztendlich die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki erst möglich machte.«

      Dass es dann möglich war, impliziert nicht, dass man auch gezwungen war, es zu tun. Es war militärisch längst nicht mehr entscheidend. Und entbindet die Unterschrift von Einstein oder sonstwem auf einem Blatt Papier denn irgend jemanden von denen, die an der Entscheidung über die Bombardierung japanischer Zivilisten beteiligt waren, von der eigenen moralischen Verantwortung? Die Amerikaner hätten den japanischen Militärs die Bombe auch als ultimative Drohung zur Einschüchterung demonstrieren können. Warum hat man das wohl nicht getan?

      • @Crys:
        Ich kenne bezüglich des Briefs von Einstein an Roosevelt verschiedene Quellen, die, je nach Sympathie des Autors, Einstein mehr oder weniger von jeglicher Schuld freizusprechen versuchen. Fakt ist, dass er annahm Deutschland könnte eine Bombe bauen und Amerika müsste dem zuvorkommen. Hier zur Abwechslung mal eine deutsche Quelle:
        http://www.einsteingalerie.de/bio/atom.html

        Dem zweiten Teil Ihres Kommentars stimme ich zu!

    • @Mona
      Die nach meiner Kenntnis ausführlichste Schilderung der Ereignisse lässt sich bei Diana Preston finden (Before the Fall-Out, Transworld Publishers, 2006). Szilard wollte Einstein zu einem Brief an die belgische Königinmutter bewegen, Einstein wollte lieber an die belgische Regierung schreiben, und Wigner riet dazu, sich für diese Aktion zuvor noch eine Bewilligung vom U.S. State Department zu holen. Die drei Physiker hatten jedoch keine Kontakte zu U.S. Regierungskreisen und erwogen sogar, hierfür Charles Lindbergh um Vermittlung zu bitten. Doch es kam anders: Gustav Stolper, ein Wiener Ökonom, mit dem Szilard auf der gemeinsamen Flucht aus Europa Bekanntschaft gemacht hatte, brachte Alexander Sachs ins Spiel, und der konnte und wollte als Berater von Roosevelt diesen selbst einbeziehen, woraufhin das Schreiben nochmals ganz neu entworfen wurde. Von Sachs wird dann auch die Äusserung berichtet, “We really only needed Einstein in order to provide Szilard with a halo, as Szilard was almost unknown in the United States.

      Für die atomare Verwüstung von Hiroshima und Nagasaki ist aber keiner von diesen unmittelbar verantwortlich zu machen. Für die U.S. Generäle war es im Frühsommer 1945 eine abgemachte Sache, dass die Bombe auch zum Einsatz kommen müsse, und der einzige, der vielleicht den Einfluss gehabt hätte, dies noch zu verhindern, war Henry L. Stimson. Jedenfalls hat er es nicht verhindert, und die Reaktionen der amerikanischen wie auch der britischen Presse auf die Bombardierung waren fast einhellig zustimmend, moralische Bedenken waren da nicht populär. Ganz anders jedoch beispielsweise in Schweden, wo Aftonbladet am 9. August 1945 schrieb (zitiert nach Preston),

      although Germany began bomb warfare against open towns and civilian populations, all records in this field have been beaten by the Anglo-Saxons. The so-called rules of warfare … must brand the bombing of Hiroshima as a first-class war crime.

      Der Fairness halber sei noch angemerkt, dass am 7. August 1945 auch der vatikanische L’Osservatore Romano den Bombenabwurf auf Hiroshima verurteilt hat.

  46. @ Herr Dr. Trepl :

    Wenn es um die Begründung von Untaten geht, kommt es darauf nicht an. Aus der Lehre läßt sich das Gegensätzlichste machen, wenn man nur will; meist nicht ohne weiteres, es erfordert vielmehr oft langwierige Denkanstrengungen, erfordert den Umbau von nicht selten großen Teilen des Denkgebäudes, um wieder ein einigermaßen widerspruchsarmes Denken in dem jeweiligen System zu erlauben. Aber es ist nicht unmöglich, es gelingt oft genug. – Aber worauf kommt es dann an? Das hätte ich gern diskutiert.

    Sie sind ja ein alter Sack, Ihr Kommentarenfreund geht hier gerne mit, hat noch vom Hören- oder Hören-Hören-Sagen die napoleonischen Kriege miterlebt [1], hat noch Gegenstände in Besitz, die seinerzeit (angeblich) durch Granaten beschädigt worden sind,im napoleanischen Krieg.

    Der I ist die Herausforderung dieses Jahrhunderts,

    MFG
    Dr. W

    [1] Zeitzeugen, die 1878 geboren sind, klar, es geht hier auch um das Hören- und Hören-Hören-Sagen *

    * irgendwie natürlich vielleicht schon ultra.witzig, aber es geht in diesem Zusammenhang schon allgemein um das, was früher war

  47. Fazit:
    Die Christen begehen und begangen Gewalttaten, obwohl es ihre Religion verbot, die Moslems mach(t)en es, weil die Religion (angeblich) dazu aufruft. Und was haben wir nun an Erkenntnis gewonnen?

    • Ich sehe es so: Humanismus und von den Menschenrechten her gedachter Säkularismus haben ihre Quellen zu einem guten Teil im Geist des neuen Testaments. Humansimus und Säkularismus haben das religiöse daraus getilgt, den Geist, die Botschaft, aber aufgenommen.
      Schon die frühe Moderne wollte den Individuen mehr Rechte geben und war deshalb auch gegen die Kirche gerichtet. Doch deshalb ist diese humanistische Moderne nicht etwa gegen das was im Neuen Testament verkündet wird. Vielmehr will sie den Einzelnen befreien – auch von den Kirchenfürsten befreien.

      So eine Bewegung gibt es in der mir bekannten islamischen Kultur nicht. Deshalb hat der Islam auch Probleme mit der Moderne. Und indem sie Probleme mit der Moderne hat, hat sie letztlich auch Probleme mit Grundaussagen des neuen Testaments. Mit andern Worten: Christentum, Humanismus und Säklularismus sind auf einer anderen Entwicklungslinie als es der Islam ist.

      • “So eine Bewegung [i.w. Aufklärung] gibt es in der mir bekannten islamischen Kultur nicht.”

        Richtig. Es gibt si aber auch im orthodoxen Christentum nicht, und es gibt sich nicht in der bei weitem erfolgreichsten, am schnellsten wachsenden religiösen Bewegung der jüngsten Zeit: Den Pfingstkirchen und dem evangelikalen Protestantismus vor allem amerikanischer Herkunft. Legen Sie doch man Ihre Scheuklappen ab.

    • »Und was haben wir nun an Erkenntnis gewonnen?«

      Womöglich die Erkenntnis, über welches Thema Herr Trepl hier eigentlich zu diskutieren beabsichtigte: “Aus der Lehre läßt sich das Gegensätzlichste machen, wenn man nur will; meist nicht ohne weiteres, es erfordert vielmehr oft langwierige Denkanstrengungen, erfordert den Umbau von nicht selten großen Teilen des Denkgebäudes, um wieder ein einigermaßen widerspruchsarmes Denken in dem jeweiligen System zu erlauben. Aber es ist nicht unmöglich, es gelingt oft genug.

      Die Kommentare schwirren indessen unbeirrt um den Islam wie die Motten ums Licht.

      • @ Chryis :

        Die Kommentare schwirren indessen unbeirrt um den Islam wie die Motten ums Licht.

        [Gelöscht, da kein Sinn erkennbar. Bitte formulieren Sie Ihren Gedanken noch einmal, aber in verständlichen Sätzen]

        MFG
        Dr. W

  48. @Ludwig Trepl

    Wie gesagt, die Befriedung beginnt auf dem eigenen Territorium und beschränkt sich zunächst auf die eigenen Leute , auch deshalb , weil andere Kulturkreise nicht einfach so mitziehen und eine gewisse Wehrfähigkeit erhalten bleiben muß.
    Nach jahrhundertelanger Selbstverständlichkeit des Kriegs ist der nächste Schritt nicht einfach mal so der in den Frieden , es ist völlig normal , wenn der nächste Schritt erstmal eine lange Abfolge von Beinahe-Kriegen und Rückfällen ist , so schnell geht das nicht .
    Jugoslawien bestätigt in meinen Augen die Entwicklung von 45 , Europa hat seinen Worten Taten folgen lassen.
    In allen früheren Zeiten hätte Europa die J.-Krise zum Anlaß genommen , den Krieg auf den ganzen Kontinent auszuweiten , Gründe finden sich dann schon , in den 90ern jedoch entschied man sich , den Brandherd auszutreten , das ist historisch völlig neu.
    Daher ist es falsch , hier von Kriegstreiberei zu sprechen , wie es manche Kritiker tun , was man auch an dem langen Zögern und dem Widerwillen sehen kann , mit dem die Nato letztlich dann doch eingriff.

    Der Einwand “Westen ” ist berechtigt , genauer handelt es sich um Europa .

    Ebenfalls richtig ist der Hinweis auf die Fragilität , aber das halte ich für ganz normal , so leicht ändert man seine Gewohnheiten nicht.

    • Mir scheint, wir sind uns jetzt ziemlich einig. Nur in einem nicht: Wenn sich Ihr Hinweis auf die Fragilität auf meine Biographie bezieht, so darf man nicht denken, dergleichen würde mit der Zeit besser, meiner Generation habe habe noch passieren können, der jetzigen Jugend oder unseren Enkeln nicht mehr. Ich glaube eher, daß es gerade im Wesen der Zivilisation liegt, daß solche Abstürze immer wieder geschehen, gerade durch den (halbierten) Aufklärungsprozeß bedingt. Ich bzw. wir waren kein ewig Gestrigen, sondern wir haben uns dezidiert von allem, was irgendwie nach gestern aussah, abgewandt, waren bewußt modern, legten uns ganz aus den amerikanischen, westlichen Lebensstil fest. Und genau das schlug dann um.

      • Keinen Moment lang wollte ich auch nur andeuten , daß Sie oder andere Vertreter Ihrer Generation “ewiggestrig” seien , vielmehr finde ich Ihre ehrliche Selbsteinschätzung sehr interessant , die es jederzeit für möglich hält , auch selber in Exzesse mit hineingezogen zu werden , hätte ich selber im 2.Weltkrieg gelebt , oder im 30-jährigen , wer weiß , was ich da so alles veranstaltet hätte.
        Leider gibt es derlei Offenheit nicht häufig , vielmehr laufen viel zu viele Leute herum , die es in ihrem wohlstandsverwöhnten Leben viel zu einfach hatten und selbstgerecht den Kopf schütteln über die Verbrechen früherer (und auch heutiger) Tage , immer versehen mit dem Subtext ” das kann mir nicht passieren” .
        Blödsinn , kann es doch , ich habe allerdings den Eindruck , daß sich die politischen Voraussetzungen dafür zunehmend verändern , daher der Ventil-Vergleich. , und die heutigen Generationen profitieren dabei ausdrücklich von dem , was frühere zu tragen hatten.
        Geändert hat sich nicht so sehr der Mensch an sich , wir alle tragen dieses Biest in uns , und niemand soll glauben , es könne nie hervortreten , es ist nur eine Frage der Umstände.
        Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen machen es nur schwieriger , die politischen Voraussetzungen zu schaffen für entsprechende Exzesse.
        Auf absehbare Zeit , für immer kann niemand sagen.
        Die Gewaltbereitschaft verschwindet damit nicht , was aber dramatisch zugenommen hat , sind Versuche , sie in andere Bahnen zu lenken , was – der Punkt ist sehr sehr wichtig – nicht dasselbe ist wie deren Unterdrückung.
        Eine immer breitere Diskusion über innergesellschaftliche Gewaltphänomene , insbesondere die in den Familien , ist zum Beispiel ein ganz wesentlicher Punkt in diesem Zusammenhang.

        • @DH

          „hätte ich selber im 2.Weltkrieg gelebt … wer weiß , was ich da so alles veranstaltet hätte.
“

          Das ist schon noch mal was anderes, nur eine abstrakte Möglichkeit. Ich vermute: wenn Sie so gewesen wären wie jetzt und Ihr Leben lang, hätten Sie keine Kriegsverbrechen begangen. Bei mir/uns war das nicht so: Weil wir so waren, wie wir waren, hätten wir welche begangen, wenn auch nicht die der Nazis.

          Was mich nicht so optimistisch sein läßt wie Sie, ist dies: Was war die Ursache in unserem Fall? Man kann nicht ganz leugnen, daß auch solche Motive wie „als harter Kämpfer gelten“, „Kränkung“, Dinge wie „Testosteron“ usw. eine Rolle spielten, aber doch nur eine nebensächliche. Das bei weitem Wichtigste war das Michael-Kohlhaas-Syndrom, ein bis zu Fanatismus gesteigertes Engagement für Gerechtigkeit; siehe beispielsweise die Biographie von Ulrike Meinhoff. Das bedeutet aber: Aus eben der Motivlage, auf die Sie Hoffnung setzen und die in der Tat in Europa in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, entsteht der Absturz. „Wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch“ – hier gilt das Umgekehrte.

          Die 68er-Bewegung hatte die besten, humansten Motive. Man setzte Hoffnung in den Prager Frühling, Helden waren Menschen wie Martin Luther King. Anfang der 70er haben wir dann gemerkt, daß die Roten Garden in China nicht das sind, was wir dachten, nämlich eine Jugendbewegung gegen das Establishment wie wir selbst, sondern eine Terrortruppe im Dienste eines Parteiflügels in seinem Kampf gegen den anderen. Wir wandten uns aber nicht von ihnen ab, sondern heroisierten sie und wurden den realen Roten Garden immer ähnlicher. Und wir heroisierten die Roten Khmer, rechneten die Zahlen ihrer Millionen Opfer klein, und entschuldigten die Verbrechen Stalins: Es war halt Krieg. Den Individualterror der RAF lehnten die, sie man damals „die Linke“ nannte, fast geschlossen ab, aber nicht, weil es Terror war, sondern weil er der Linken schadete: Die Attentate hätten immer auch das Werk von Geheimdienst-Provokateuren sein können, das war die verbreitete Meinung. Wir warteten auf die Gelegenheit zum massenhaften Terror; die Parole „Frieden in Vietnam“ war durch die Parole „Sieg im Volkskrieg“ abgelöst worden.

          Es waren ausschließlich die äußeren Umstände, die uns hinderten, unsere Gedanken zu Taten zu machen, die Gelegenheit kam einfach nicht.

          Nun meinen Sie: „Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen machen es nur schwieriger, die politischen Voraussetzungen zu schaffen für entsprechende Exzesse.
“. Wohl richtig, aber das ist brüchig, Jugoslawien hat es gezeigt. Die allgemeine Ordnung brach zusammen, und die Macht lag dann in den Händen einer kleinen Zahl fanatischer Nationalisten, die gar nicht erst entstehen mußten, es gab sie vorher schon. Sie wurden nur jetzt nicht mehr in Schranken gehalten. Das, was in unserem Fall entscheidend war, die Perversion einer Bewegung für Frieden und Gerechtigkeit, brauchte gar nicht erst stattzufinden, sie war dort auch zu schwach. Aber solche Bewegungen werden ja, wie Sie wohl zu recht meinen, immer stärker. Damit aber auch die Gefahr des Umschlagens.

          Das wichtigste Mittel dagegen scheint mir das differenzierte und selbstkritische Denken. Darum bin ich auch so hartnäckig gegen @Martin Holzherr, der alles Böse in einer fremden Tradition sucht.

          • @Ludwig Trepl

            Ihr Anspruch ist hoch , aber ich fürchte , wirkliche Gewaltfreiheit ist eine Überforderung , wir brauchen sie auch noch , als manchmal einzige Möglichkeit zur Gegenwehr gegen die weit fiesere strukturelle Gewalt.

            Auch scheint mir immer noch ein Mißverständnis vorzuliegen , ich verstand Ihren Artikel dahingehend , daß er v.a. auf die krassen Exzesse wie eben IS oder Kulturrevolution oder den NS-Staat hinauswollte.
            Solche Exzesse kann man den 68ern nicht ansatzweise unterstellen , auch nicht der RAF.
            Wenn Sie sagen , es war knapp mit der Gewalt , o.k. , aber sie ist nicht passiert , Gedanken sind frei , auch die destruktivsten , und sie haben auch ihre Berechtigung .
            Vielleicht hat es bei Vielen ja auch seinen Grund , wenn sie dann doch nicht zum Letzten griffen, selbstverständlich steht mir dabei keinerlei Einschätzung ihrer persönlichen Erfahrungen zu.
            Ich will nur darauf hinaus , daß es durchaus knapp werden kann , ich selber kenne es durchaus , wie es ist , Anderen die Pest an den Hals zu wünschen , die Gründe dafür liegen auch durchaus im Verantwortungsbereich so manches Anderen.
            Es ist menschlich , auch mal am Rand zu stehen , man ist deshalb nicht ein schlechterer Mensch , so mancher Kleinbürger hat allerdings ein Interesse daran , Einem so etwas einzureden , damit er von seiner eigenen Verkommenheit ablenken kann.

            “Es waren ausschließlich die äußeren Umstände, die uns hinderten, unsere Gedanken zu Taten zu machen, die Gelegenheit kam einfach nicht.”

            Das hatte ich gemeint , die politischen Umstände werden besser , gaaanz langsam und schleichend , und , stimme zu , Garantien gibt es nicht.
            Schon gar nicht im Namen des Guten , ganz im Gegenteil , der Wolf im Schafspelz ist oft gefährlicher als der erkennbare Wolf.

            “Das wichtigste Mittel dagegen scheint mir das differenzierte und selbstkritische Denken. ”

            Mehr als richtig. Vorsicht aber vor Selbstzerfleischung (auch dafür waren die 68er berüchtigt) , die Kleinbürger warten da nur drauf , denn nichts hassen sie mehr als genau diese Forderung , dagegen braucht es hin und wieder auch die Bereitschaft zu einem Stück militanter Schlagkraft , um nicht selber unter die Räder zu kommen.

            Ebenfall hilfreich wäre , wenn sich die Erkenntnis durchsetzte , daß die Methode keine Nebensache ist , wer nicht zu gewalttätig wird in der Methode , kann auch mal eine Zeitlang in die falsche Richtung gehen , ohne daß es allzu wüst wird . Fehler werden immer wieder gemacht werden , dagegen hilft nur Fehlerfreundlichkeit , Fehlervermeidung ist hingegen illusorisch.

  49. Gottesstaaten in Form des reinen Theozentrismus, wobei Herrscher gerne selbst als Götter oder als Gottesstellvertreter suftreten, sind ein kulturelles Phänomen, das keineswegs überwunden ist.
    Insofern finden sie auch heute noch statt, gründen sich gar in diesem Sinne heutzutage; ein wenig diesbezügliche Warnung und Demonstration muss nicht schlecht sein,
    MFG
    Dr. W (der für den Hinweis auf die vielleicht historisch zu wenig beachtete Taiping-Bewegung dankt, der noch eine schöne Rest-Woche wünscht)

  50. @ Mona, Martin Holzherr, Karl Stor.

    Jetzt geschieht doch wieder, was ich durch den obigen Artikel vermeiden wollte: Man diskutiert über den Islam, als ob der religiöse Terrorismus eine Spezialität des Islam wäre. Und dann die Argumente! „Mohammed war nicht nur Prophet, sondern auch Kriegsherr.“ „Die Menschen in Damaskus, Jerusalem, und Alexandria wurden nicht nur bekehrt, sondern auch überfallen und unterworfen.“ Die Päpste waren nicht nur Stellvertreter Gottes, sondern auch Kriegsherren. Amerika wurde nicht nur bekehrt, sondern erobert. Und, wie gesagt, der furchtbarste aller Gottesstaaten war ein christlicher.

    Das ist so erbärmlich. Man weigert sich, auf die eigene Tradition zu blicken, man sieht nicht den Balken im eigenen Auge.

    • @Trepl: Sie wollten vom Islam ablenken, aber der Islam beschäftigt nun mal die Menschen, denn es gibt 1.6 Milliarden Moslems und vor allem die Moslems sind heute die Gläubigen.
      Wir wissen zudem alle, dass im Namen des Christentums auch blutige Taten begangen wurden. Nur: Im neuen Testament finden sie dafür keine Rechtfertigung. Im Koran aber müsse sie nicht lange suchen gehen.
      Fazit: Viele Gewalttatten werden im Namen von Gläubigen fast aller Religionen beganngen. Die meisten heiligen Bücher der meisten Religionen rufen aber nicht zur Gewalt auf, nicht einmal das alte Testament (oder sehr eingeschränkt). Es gibt nur eine Ausnahme – und die kennen wir bestens.

      • Herr Holzherr, der Islam kann gut als politisches System betrachtet werden, das Religiöse und Spirituelle, das dieser Veranstaltung innewohnt, interessiert viele agnostische oder atheistische Kräfte nicht, wird für privat gehalten, und politisch scheint es mit dem I, der zu D gehören soll, janz mau aus.

        Insofern nur gelungen diese Erinnerung an die Taiping-Bewegung.

        MFG
        Dr. W

        • @Dr.Webbaer. Der Islam nicht als Religion sondern als politisches System. Welcher Moslem würde ihnen da zustimmen? Mehr Zustimmung würden sie erhalten zu: Der Islam umfasst alles.

          • Herr Holzherr, Theozentrismen sind halt Totalitarismen und ‘umfassen alles’; die diesbezügliche politologische Betrachtung wird zudem von Moslems, die der Schreiber dieser Zeilen zur Hand hatte oder hat, geteilt.

            Insofern ist ja dankenswerterweise bspw. das Christentum duozentrisch, theo- wie anthropozentrisch, Ratzinger hat hierzu viel geschrieben, die Vernunft muss s. E. möglich oder “im Spiel” bleiben.

            KA warum einige meinen, dass der I, der zu D gehören soll, nur dann angemessen bearbeitet werden kann, wenn bspw. mit christlicher Schuld verglichen wird.
            Der Schreiber dieser Zeilen, der historische Schuld explizit nicht annimmt, geht hier jedenfalls nicht mit, bleibt vglw. fröhlich und kritisch unterwegs…

            MFG
            Dr. W

      • @ Martin Holzherr:

        „Sie wollten vom Islam ablenken“

        Ich wollte die Aufmerksamkeit auf das lenken, was wirklich Aufmerksamkeit verdient: den Fundamentalismus, den Dogmatismus, den Fanatismus, die Schwärmerei. Ich wollte etwas dagegen tun, daß der religiöse Terrorismus benutzt wird, um gegen die Religion eines großen Teils der Menschheit zu hetzen. Und wenn man „Argumente“ bringt wie das, daß vor 1000 Jahren Städte im Orient vom Islam nicht nur bekehrt, sondern erobert wurden, und vergißt zu erwähnen, daß in den letzten 500 Jahren ganze Kontinente von den Christen nicht nur bekehrt, sondern erobert wurden, dann ist das das klassische Demagogenmuster. Im ersten Weltkrieg war die deutsche Presse voll von Berichten über Greueltaten der Engländer. Wer nur diese Presse las, hätte nie auf den Gedanken kommen können, daß es auch deutsche Greueltaten gibt.

        „denn es gibt 1.6 Milliarden Moslems und vor allem die Moslems sind heute die Gläubigen“

        Was soll dieser Hinweis? Es gibt eine halbe Milliarde Evangelikale und Pfingstler, die Angaben schwanken sehr, aber einig ist man sich, daß ihre Zahl rasant wächst wie die keiner anderen Glaubensrichtung, Prognosen zufolge wird es bald mehr davon auf der Welt geben als Katholiken und Moslems.

        Und das sind wirklich die „Gläubigen“. Moslem ist man überwiegend, so wie Katholik, aus Gründen der Tradition, kaum wegen einer wirklichen Überzeugung; der normale Mensch, auch wenn er Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist, denkt kaum über „Glauben“ nach. Doch diese Evangelikalen und Pfingstler sind „Bekehrte“, „Erleuchtete“, sie sind fanatisch, sie sind völlig unbelehrbar, unter Ihnen ist die Meinung, daß Homosexualität ein todeswürdiges Verbrechen sei, sehr verbreitet, und wo sie Macht haben, setzen sie das auch durch. Das ließe sich fortsetzen.

        Man spricht bei uns nicht über sie (außer vielleicht diejenigen, die gerade mal Argumente gegen die US-Republikaner suchen), so wie man den Taiping-Aufstand völlig verdrängt hat. Es sind halt welche von uns. – Nun möchte ich aber so wenig wie den Islam den Protestantismus, auch nicht den sog. Sektenprotestantismus, verurteilen, in dessen Rahmen ja all das gehört. Quäker und Mennoniten sind radikale Pazifisten und nicht schuld an der Kriegshetze jener evangelikalen Gruppen in den USA.

        „Die meisten heiligen Bücher der meisten Religionen rufen aber nicht zur Gewalt auf, nicht einmal das alte Testament (oder sehr eingeschränkt). Es gibt nur eine Ausnahme – und die kennen wir bestens.“

        Ach, nicht einmal da alte Testament? Da scheinen Sie eine andere Übersetzung zu haben als ich. Ich gehe sicher recht in der Annahme, daß fast alle heiligen Schriften vor dem Christentum – überliefert sind davon ja nur wenige – zur Gewalt aufriefen. Ja sicher, das Christentum war in seiner Entstehungszeit von ganz anderer Art als die bisherigen Religionen, es war nicht zugleich eine Staatsideologie, deren Funktion es war, eine Gesellschaft gegen ihre Feinde zusammenzuschließen. Aber sowie es zugleich Staatsideologie wurde, war es mit dem friedlichen Charakter vorbei. Welche Rolle spiele es denn in der Politik Karls des Großen oder Karls des Fünften oder von Papst XY … oder … oder …, daß die Texte, die man Sonntag für Sonntag aufsagte, zum Frieden und zur Feindesliebe aufriefen? Gar keine.

        • @Trepl: Ja, auch Muslime wollen in Frieden und Erfüllung leben und wegen dem Christentum ist die Welt nicht friedlicher geworden.
          Wenn schon haben Humanismus und Säkularismus den Menschen nicht verhandelbare Rechte gegeben. Wenn der Friedensnobelpreis an Malala Yousafzai vergeben wird und Malala vor der UNO eine Rede hält, dann beziehen Humanisten und Säkulare Stellung gegen den Extremismus.
          Hier kann ich ihnen zustimmen: Solange nicht im Namen der Relgiion Hass verbreitet und Feindschaft vertieft wird, solange ist Religion kein Problem.

          Sie schreiben auch noch: “Ich gehe sicher recht in der Annahme, daß fast alle heiligen Schriften vor dem Christentum – überliefert sind davon ja nur wenige – zur Gewalt aufriefen. “ womit sie sich aufs Alte Testament beziehen. Dazu schreibt Martin Rhonheimer hier

          In der jüdischen und christlichen Bibel erscheint Gott als der alleinige Herr über Leben und Tod. Kein Mensch kann sich das Recht zum Töten anmassen. Oft wird das Alte Testament – auch in antisemitischer Absicht – als Beispiel für Grausamkeit und Gewaltlegitimation angeführt. Das Gegenteil ist wahr: Der Gott Israels entzieht dem Menschen die Kompetenz zum eigenmächtigen Töten.

          • @ Martin Holzherr:

            Das, was Martin Rhonheimer schreibt, macht einen schon nachdenklich. Der unbarmherzige Gott des „alten Bundes“ dürfte zum großen Teil eine Erfindung der Christen sein und hat den Antisemitismus genährt. Aber ganz falsch ist es auch nicht, man kann es ja nachlesen, was an Grausamkeiten Gott befiehlt. Doch das ist ja auch nicht verwunderlich. Wie soll eine Religion – und das alte Judentum ist da mit Sicherheit nur eine unter vielen –, die auch die Funktion hat, das jeweilige Volk zusammenzuhalten, es vor dem Untergang zu bewahren, es vermeiden, den Kampf gegen die Feinde zu rechtfertigen? Es ist dem Judentum hoch anzurechnen, daß „der Gott Israels … dem Menschen die Kompetenz zum eigenmächtigen Töten“ entzieht. Das war einer der großen Schritte in der Entwicklung der Vernunft vom bloßen Vermögen zu einem real vorliegenden „System der Vernunft“.

            Das Christentum hatte ganz andere soziale Entstehungsbedingungen. Es hatte jahrhundertelang nicht jene Funktion, es war im wesentlichen eine in den unteren Schichten des römischen Reiches sich verbotenerweise ausbreitende, Moral und Hoffnung verbindende Religion. Darum konnte hier der nächste große Schritt der „Aufklärung der Menschheit“ geschehen, soweit er in Religionen geschah. Der Islam hat damit, soviel ich weiß, in der Tat kaum etwas zu tun. Aber das ist für unser Thema völlig irrelevant.

          • »Dazu schreibt Martin Rhonheimer…«

            Ja und? Liegt Rhonheimer Ihrer Meinung nach mit seiner Analyse nun richtig oder nicht?

          • Hat Martin Rhohnheimer mit seiner Anaylse “Töten im Namen des Islams” recht? Wer den Koran zusammen mit den beglaubigten Aussprüchen Mohammeds, seiner Lebensgeschichte und dem frühen islamischen Recht zum Masstab seines Handelns macht, der darf und soll vielleicht sogar im Namen des Islams Ungläuige töten und Menschen der Schrift (“Christen”, “Juden”) als Schutzbefohlene und Steuerpflichtige kontrollieren.

            Gerade wenn man das Christentum zum Verglech nimmt, ist es schwierig vorstellbar sich von Jesus zu distanzieren und gleichzeitig Christ zu bleiben. Ebensowenig kann sich ein Muslim von Mohammed distanzieren.
            Und über Mohammed gibt es nun einmal viele Erzählungen, die ihn als Kriegsfürsten und Feindevernichter portraitieren.

            Hier ein paar Beispiele:
            Asm? bint Marw?n, Abu ‘Afak

            Asm? bint Marw?n, wörtlich Asma, († 25. oder 26. März 624) Tochter des Marwan, war eine Dichterin, die auf Anordnung Mohammeds ermordet wurde.

            Sie verfasste Spottgedichte auf die Gläubigen und rief öffentlich zur Tötung Mohammeds auf.[1] Aloys Sprenger merkt an, das Asma nach mehreren Traditionen (Überlieferungen) Jüdin war. Die Tat wurde ausgeführt durch den blinden ‘Omayr, ein Mitglied ihres Stammes, der zum Islam übergetreten war. In der Nacht vom 25. zum 26. März 624 schlich er sich in ihr Haus. Er fand sie von ihren fünf (nach anderer Quelle sieben) Kindern umgeben in tiefem Schlafe vor, ein Säugling auf ihrer Brust. Er entfernte den Säugling und stach ihr das Schwert durch den Leib. Am folgenden Tag verrichtete er das Frühgebet mit dem Propheten. Er äußerte seine Sorge, dass Mohammed der Mord Verlegenheit bringen könnte. Der Prophet antwortete: “Es werden sich nicht zwei Ziegen daran stoßen.” Diese Äußerung wurde zum Sprichwort.

            Wenige Wochen später wurde der greise Abu ‘Afak ??? ??? – auf Wunsch Mohammeds – ermordet. Er gehörte dem arabischen Geschlecht ‘Amr b.’Awf (Amr ibn Auf) an und bekannte sich zum Judentum. Wegen seines Talentes und Freimuts erachtete Mohammed ihn für gefährlich. Abu ‘Afak rief in Gedichten die Madyner (Bewohner Medinas) auf, sich der Autorität Mohammeds zu widersetzen und treu an den alten Bündnissen festzuhalten. Sprenger, A.: “Salim b.’Omayr, ein armer ‘Amrite, durchbohrte den Greis im Schlafe, als dieser, der großen Hitze wegen, die Nacht im Hofe des Hauses zubrachte.”

            Nadr ibn al-Harith

            Whenever the Prophet would leave an audience in which An-Nadr was sitting, An-Nadr began narrating to them the stories that he learned in Persia, proclaiming afterwards, “Who, by Allah, has better tales to narrate, I or Muhammad When Allah allowed the Muslims to capture An-Nadr in Badr, the Messenger of Allah commanded that his head be cut off before him, and that was done, all thanks are due to Allah.

            Ich habe diese 3 Fälle (von mehreren dutzend persönlich von Muhammed angeordneten Einzel-Hinrichtungen übrigens ausgewählt, weil es 3 Personen waren, die über Mohammed und seine Religion entweder spotteten oder seine Autorität nicht anerkannten. Mohammed ordnete darauf ihre Tötung an (Übrigens ist sogar wer heute über den Islam spottet in Gefahr). Mohammed hat auch aus niedrigen Motiven töten lassen, etwa weil er einen seiner zivilen Gegner für zu intelligent und damit für gefährlich hielt.

            Fazit: Die Botschaft die das Leben Mohammeds erzählt ist folgende: Tue alles was nötig ist um den Islam zu verteidigen und auszubreiten. Schrecke dabei nicht vor Gewalt zurück.

          • Humor kann tödlich sein. Und wiederum zeigt sich, dass religiös und kulturell begründete Ideen und Einstellungen ein langes Leben haben können. Dass der Prophet Spötter getötet hat (“wir haben den Propheten gerächt”) oder Martin Luther gegen die Juden anschrieb wirkt sich bis heute aus.

    • @Ludwig Trepl:
      Meines Erachten bringt es nichts bestimmte Probleme unter den Teppich zu kehren. Ich habe mich auch keineswegs “erbärmlich” über den Islam geäußert, sondern lediglich eine Studie verlinkt, die dazu beitragen sollte bestehende Probleme zu erkennen und eine Lösung zu finden. Ich halte es nämlich nicht für richtig, wenn man der “Bürgerbewegung” Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) das Feld überlässt. Deren Aufmärsche und Parolen werden die Fremdenfeindlichkeit noch weiter anheizen und die Muslime erst recht in die Hände von Fundamentalisten treiben.

      • “Erbärmlich” bezog sich nicht auf Sie. Aber was heißt es, daß man nicht Pegida das Feld überlassen soll? Doch nicht etwa, daß man denen mit islamfeindlichen Parolen die Anhänger wegfängt? Was ist dadurch gewonnen?

          • Ich bin islamistenfeindlich, aber nicht islamfeindlich. Ich bin gegen Opus Dei feindlich gesinnt, aber nicht gegen die katholische Kirche. Ich möchte, daß der IS und Opus Dei verschwinden, aber nicht, daß der Islam und die katholische Kirche verschwinden, obwohl mir beide so fern stehen, daß ich mich ihnen nie anschließen könnte.

          • Feindlichkeit und Apartheid sind kein Modell des Zusammenlebens und damit sollte es auch keine Dhimmis geben. Trotz aller Islamkritik: Kaum jemand wirft dem Islam Apartheid vor, obwohl der Islam nur Apartheid kennt im Verhältnis zu nicht moslemischen Bevölkerungsgruppen innerhalb eines Landes das unter der Herrschaft des Islams steht.

            Heute rechtfertigen die Rechtschaffenen den Islam mit der historischen Schuld des Christentums, des Kolonialismus und des Imperialismus. Kann aber etwas, was ohne Rechtfertigung keine Lebensbereichtigung hätte ein Modell für die Zukunft sein?

          • Islamfeindlichkeit ist meist einfach Fremdenfeindlichkeit und auch Angst vor den Fremden und dem Fremdwerden der eigenen Umwelt. Hat also mit dem Islam selbst sehr wenig zu tun.

            Sollte es aber tatsächlich eine zweite Realität in Deutschland oder anderen europäischen Ländern geben, in der nicht mehr die Gesetze des Landes sondern Gesetzte der islamischen Kultur gelten, dann verstehe ich sogar sehr gut, wenn man das als bedrohlich empfindet.

            Wobei man sich bewusst sein muss, dass die grösste Bedrohung, die der Islam darstellt, die Bedrohung der Muslime durch ihre eigene Religion ist:Ihre eigene Religion bedroht ihre Humanität und kastriert ihr Leben. Und alle, vor allem aber die Gerechten und Rechtschaffenen schauen weg und sagen, es sei das gut Recht der Muslime im [selbst verschuldeten] Unglück zu leben.

          • Islamfeindlichkeit ist meist einfach Fremdenfeindlichkeit und auch Angst vor den Fremden und dem Fremdwerden der eigenen Umwelt

            Vielleicht könnte sich hier darauf geeinigt werden, dass ‘Islamfeindlichkeit‘ und ‘Islamophobie Begriffe sind, die psychologisieren indem sie Emotionen wie Ängste konnotieren (die nicht jeder sich kritisch zur Sache Äußernde haben muss)?!

            MFG
            Dr. W

        • @Ludwig Trepl:
          “Aber was heißt es, daß man nicht Pegida das Feld überlassen soll? Doch nicht etwa, daß man denen mit islamfeindlichen Parolen die Anhänger wegfängt? Was ist dadurch gewonnen?”

          Das verstehe ich jetzt nicht ganz, ist das als Provokation gemeint? Nach meinen letzten Kommentaren müssten Sie doch wissen, dass ich so etwas nicht gemeint habe.
          Vielleicht richtet sich der Unmut der Pegida-Anhänger gar nicht gegen die Religion der Zuwanderer, sondern es handelt sich um eine Symptomverschiebung, weil sie sehen, dass sich die Lebensverhältnisse in Deutschland verschlechtert haben und nun möchten sie den immer kleiner werdenden Kuchen nicht auch noch mit Zuwanderern teilen müssen. Da ist es natürlich leichter nach unten zu treten als nach oben.
          http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/armut-jeder-fuenfte-in-deutschland-bedroht-a-1008682.html

          • @ Mona :

            Vielleicht richtet sich der Unmut der Pegida-Anhänger gar nicht gegen (…)

            Klartext:
            [Gelöscht, da kein Sinn erkennbar. Bitte formulieren Sie Ihren Gedanken noch einmal, aber in verständlichen Sätzen]

            MFG
            Dr. W

            PS:
            [Gelöscht, da kein Sinn erkennbar. Bitte formulieren Sie Ihren Gedanken noch einmal, aber in verständlichen Sätzen]

          • @ Herr Dr. Trepl :
            Nur weil sich diesbezügliche Zensurierungsbemühungen Ihrerseits häufen:

            [Gelöscht, da kein Sinn erkennbar. Bitte formulieren Sie Ihren Gedanken noch einmal, aber in verständlichen Sätzen]

            Sie sind auch nicht der gerade der inhaltliche “Bringer” vor dem Herrn, auch nicht derjenige, der im Web ggf. auch harter Kritik trotzend sich zu verteidigen weiß; insofern würde Ihr Kommentatorenfreund doch langsam anraten wollen. dass auch Sie sich – vielleicht auch: im Herbst Ihres Lebens- zurücklehnen – und Jüngere mal [1] machen lassen. [2]

            MFG
            Dr. W

            [1] kommentarisch – vielen Dank natürlich für die Primärinhalte
            [2] auch bspw. der Schreiber dieser Zeilen ist nicht mehr der Jüngste, womöglich gar älter als Sie es sind – wichtich abär: immer die mögliche Zusammenfuhr von Gedanken

            PS: Das einige den I, der zu D gehören soll, S * finden, könnte ausgehalten werden

            * suboptimal

          • * im Herbst Ihres Lebens: [Doppelpunkt, Anmerkung: Dr. W , eben: nachträglich]

            ** Das[s] einige

            PS:
            Schöne W und so!

  51. Wer ist Moslem? Sind Sufis, Ahmadiya, Aleviten, Ismaeliten, Drusen… Muslime? Wer legitimiert Salafisten oder Wahabiten als Rechtgläubige? In den Tötungsvideos des IS flattert die Schahada auf der schwarzen Fahne, aber Vertreter muslimischer Gemeinden in Deutschland erklären damit hätten sie nichts zu tun, das ginge sie nichts an. Welche Hadithen sind für Muslime bindend? Würde Erdogan die Entdeckung Amerikas für Muslime reklmieren wenn sich herausstellte, dass eine Gruppe alevitischer Kurden auf Kuba gelandet wäre, auf der Flucht vor der seldschukischen Landnahme?

  52. In Bezug auf türkische Jugendliche gab es vor Jahren mal eine Studie. Dabei kam heraus: “Weniger gläubige Muslime nicht so gewaltbereit”. Bei den Gläubigeren scheinen die im Ausland ausgebildeten Imane eine nicht zu unterschätzende Rolle zu spielen, da sie meist “konservativ und sehr autoritär geprägt” seien und “entsprechende Werte an Jugendliche vermitteln”.
    http://www.3sat.de/page/?source=/nano/gesellschaft/148307/index.html

    • @Mona, Ja, Imame, die den Koran «Taqlid» lehren, die lehren auch Gewalt, denn:

      Mohammed war nicht nur Prophet, sondern auch Kriegsherr. Der Jihad, der «heilige Krieg», nicht die friedliche Mission war seither das Mittel, den Islam zu verbreiten. Die Menschen in Damaskus, Jerusalem, und Alexandria wurden nicht nur bekehrt, sondern auch überfallen und unterworfen. Der Islam ist eine Religion der Unterwerfung.

      Wie können dann Muslime immer wieder sagen, der Islam sei eine Religion des Friedens? Nun, er ist eine Religion des Frieden für diejenigen, die seiner Gemeinschaft, der Umma angehören. Erst die von vielen Muslimen erlebte Demütigung durch ihre Situation in der Moderne hat wahrscheinlich diese Unterscheidung in Zugehörige und alle anderen (die Feinde sind) wieder reaktiviert.

      • @Martin Holzherr:
        In der Bibel geht es auch nicht gerade friedlich zu und Strenggläubige teilen auch da die Welt in Gut und Böse ein. Der Artikel in der Neuen Züricher Zeitung spricht ein grundsätzliches Problem an, dass es nämlich im Islam keine theologische Erneuerung oder säkulare Bewegung gibt, um “bestimmte Dinge, die sich im Leben als historisch, überholt oder falsch erwiesen haben, zu erkennen und zu ändern. Und diejenigen zu ächten, die den Namen des Islam missbrauchen.” Eine solche gesellschaftliche Kraft darf den Muslimen jedoch nicht mit Fremdenfeindlichkeit entgegentreten, sondern muss Anknüpfungspunkte suchen und Gemeinsamkeiten betonen. Dem Islamismus müsste auf ideologischer Ebene begegnet werden.

        • @ Mona :

          Eine solche gesellschaftliche Kraft darf den Muslimen jedoch nicht mit Fremdenfeindlichkeit entgegentreten, sondern muss Anknüpfungspunkte suchen und Gemeinsamkeiten betonen. Dem Islamismus müsste auf ideologischer Ebene begegnet werden.

          Es muss halt bei dieser Gelegenheit schon herausgekarrt werden, was die zeitgenössischen, “westlichen”, Systeme (so) ausmacht,

          Und dies ist die Aufklärung, das Sapere Aude, das sozusagen genossenschaftliche, das die Menge meint und seinerzeit, vor einigen Jahrhunderten revolutionär war.

          Viele meinten seinerzeit, dass eine Gleichheit mit der Menge nicht ginge, fehlte es doch an Bildung, Anstand und was noch so im Raum stand, die Entwicklung hat diesen reaktionären Kräften dann aber nicht recht gegeben…

          … und es konnten dann komplexe, hoch komplexe Systeme aufgesetzt werden, die die Verständigkeit der Menge und die Handlungsbereitschaft der Menge offenen Raum ließen und derart den zivilisatorischen, den kulturellen Erfolg bedeuteten.

          Es war Schiller, der meinte, dass es darum geht zu wägen, nicht zu wiegen, das war auf die Menge bezogen falsch.

          MFG
          Dr. W

          • * die der Verständigkeit der Menge und der Handlungsbereitschaft …

            (heißt es wohl grammatisch korrekt)

        • Zustimmung: Es gibt im Islam zwar eine Koranexegese (Tafsīr) , welche den Kontext der Koranaussagen berücksichtigt und einer bestimmte Kommentarabsicht entspringt (erzählend- erbaulicher Kommentar schari’a-orientierter Kommentar ; philologisch-textgeschichtlicher Kommentar ; rhetorisch-stilistischer Kommentar), aber kein kritisch-historisches “Framing”. Keiner der bekannten Koranexegeten relativiert also bestimmte Koranaussagen als historisch/gesellschaftlich bedingt. Keiner sagt, Mohammeds Aussagen seien nur aus der damaligen Situation zu verstehen und müssten heute anders interpretiert werden. Vielmehr gibt es in Bezug auf widersprüchliche Koranverse die Regel, dass die späteren Verse die tendenziell wahreren und richtigeren seien – und diese späteren Suren sind häufiger Aufrufe zur Gewalt als die frühen.

          Sie äussern oben den Gedanken, man sollte die Muslime dazu auffordern korankritsch zu werden. Ich denke, dass müssen die Muslime schon selbst in die Hand nehmen. Man kann von ihnen nicht erwarten, dass sie unsere Sicht übernehmen. Katajun Amirpur geht diesen Prozess im Artikel Der Koran bedarf der Auslegung an, wo sie in Bezug auf die Sicht der Islam-Elite gegenüber dem IS schreibt:

          Noch immer fordern Politiker und Publizisten eine Distanzierung der Muslime vom Terror des Islamischen Staates. Von ihnen weithin unbeachtet haben jedoch praktisch alle relevanten muslimischen Verbände, vor allem aber auch die islamischen Autoritäten bis hin zu dezidiert konservativ-traditionalistischen Kreisen diese Organisation als barbarisch und unislamisch verdammt. Wenn Islamkritiker dies ignorieren und eine Nähe der Grundprinzipien des Islams zum IS-Terror behaupten, entspricht ihr Islambild in gewisser Weise dem der Fundamentalisten.

          Sie macht in diesem Text auch Beispiele, inwieweit bestimmte Koranaussagen als historisch bedingt relativiert werden müssen. Allerdings erkennt man in dem was sie berichtet, keinen systematischen Ansatz der historisch-kritischen Koranexegese

  53. @ Martin Holzherr:

    “Das stimmt tatsächlich. Muslime treten wohl im Durchschnitt weniger aggressiv auf als ein Durchschnittsdeutscher. Doch gerade darum sind sie äußerst empfänglich für die Botschaften des Terrors.”

    Diesen Satz oder Aussage verstehe ich nicht. Da fehlt m.E. eine schlüssige Begründung.
    Die Hassprediger machen sich m.E. oft Probleme oder Unsicherheiten in der Identität von Moslems zunutze. Zuerst erneuern sie die muslimische Identität ihrer Propagandaopfer, sie bieten Glaubensgemeinschaft an und stärken damit das Selbstbewusstsein derer, die oft sozial am Rande stehen, womit ich nicht Armut meine (die kann dazu gehören), sondern (vermeintlich) mangelnde Teilhabe in der Gesellschaft wenn nicht gar eine vermeintliche schwere Kränkung durch dieselbe. Ich habe gehört, das muslimische Jungs oft als kleine Prinzen erzogen werden. Ich weiß nicht, inwiefern das zutrifft und wie groß die Unterschiede in den einzelnen Ländern sind. Das ist jedenfalls eine Rolle, die sie im Erwachsenenleben oft nicht ausfüllen können, weder in einer ganzen Reihe der instabilen, von der Bevölkerungsexplosion gebeutelten muslimischen Staaten, wo sie kaum Arbeit finden, noch in den säkularen, westlichen Staaten z.B. Europas. Das könnte Jugendliche und junge Männer anfällig für radikalislamische Propaganda machen, die ihnen eine Heldenrolle als geachteter Vorkämpfer für den Glauben anbieten, auch wenn die Realität dann weniger glorreich aussieht und sie nur zynisch und skrupellos instrumentalisiert werden.
    Wie dem im Einzelnen auch sei, eine Identitätskrise angesichts des Reformstaus in vielen muslimischen Ländern und in den westlichen Staaten scheint mir eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung des radikalen Islamismus zu spielen.
    Dass es sich nicht nur um ein sozial-finanzielles Problem handelt zeigt ja auch Saudi-Arabien, wo die schon extrem konservative Führung Probleme mit noch radikaleren Strömungen hat, u.a. auch wegen der Doppelmoral der herrschenden Klasse. Auch in der Mittelschicht Tunesiens fühlen sich Jugendliche vom IS angezogen.

    • In der islamischen Kultur gibt es ein Harmoniebedürfnis. Harmonie wird innerhalb der Gemeinschaft gesucht, innerhalb der Umma. Wer in Pakistan aber noch dem Sufismus zuneigt, der kann nicht in dieser Harmonie leben, denn sein Leben wird bedroht. S Deshalb werden frühere Sufismus-Anhänger diesen Kult aufgeben, zumal es in diesem Kult mehr um Erfahrung und nicht um Glauben ging. Die Rechtgläubigen (Orthodoxen), die Hardliner können also mit Terror und dem Wissen um die Harmoniebedürftigkeit der Muslime, ihre Ziele erreichen.
      Dies als schlüssige Begründung zu “Diesen Satz oder Aussage verstehe ich nicht. Da fehlt m.E. eine schlüssige Begründung.”

      Die von Ihnen beschriebenen Jugendlichen, die durch Hasspredigten zu Soldaten Mohammeds werden, suchen letztlich auch Harmonie, aber wohl erst nachdem sie ihr Testeron voll ausgelebt haben. Hier handelt es sich um ein Problem der Perspektive männlicher Jugendlicher. Männliche Jugendliche sind ganz unabhängig von der Kultur recht gewaltbereit, wobei ihnen aber ein guter Grund dabei hilft ihre Aggressivität auszuleben.

  54. “Man sollte nicht den Respekt vor dem Gesetz pflegen, sondern vor der Gerechtigkeit. Nur eine einzige Verpflichtung bin ich bereit einzugehen, und das ist, jederzeit zu tun, was mir recht erscheint. Man sagt, dass vereinte Masse kein Gewissen hat – und das ist nur zu wahr; gewissenhafte Menschen aber verbinden sich zu einer Vereinigung mit Gewissen. Das Gesetz hat die Menschen nicht um einen Jota gerechter gemacht; gerade durch ihren Respekt vor ihm werden auch die Wohlgesinnten jeden Tag zu Handlagern des Unrechts.” (Henry David Thoreau)

    Vernunft sollte sich an unserer Vernunftbegabung als Mensch (ALLE) orientieren, also an der Entwicklung von Verantwortungsbewußtsein in zweifelsfrei-eindeutiger und somit wirklicher Wahrhaftigkeit – Wenn GRUNDSÄTZLICH alles allen gehört, so daß “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei” absolut keine Macht mehr hat, kann PRINZIPIELL alles menschenwürdig organisiert werden!

  55. Gewalt ist im Kampf der Ideen ein äusserst effizientes, auch virales Kommunikationsmittel, denn
    1) Tötungen von Individuen, die angeblich falschen Ideen nachhangen bedrohen indirekt die ganze Gruppe, die diese als falsch gebrandmarkten Ideen teilen.
    2) Wer im Namen einer Überzeugung tötet, zeigt wieviel ihm dieser Glaube, diese Ideen wert ist: nämlich sein eigenes Leben.

    Gewalt im Namen von Ideen ist auch viral, indem es zum neuen Normalmodus werden kann wie Gruppen mit unterschiedlichen Ideen miteinander kommunizieren. Dies zeigt besonders gut Pakistan, wo Gewalt im Namen von Ideen zum neuen Normal geworden sind und fast jede Woche Menschen umgebracht werden, wobei jeweisl ein Zeichen gesetzt werden soll, so dass diese Gewalt quasi zur kultischen Handlung wird.

    Hier ein paar willkürlich herausgegriffene Beispiele aus Pakistan:
    – Am 16.12.2014 brachten Taliban-Terroristen in einer Schule in Peshawar über 100 Kinder um – aus Rache für die Militäroperation in den Stammesgebieten (Waziristan). Beurteilung: Hier geht es um Einschüchterung wobei kaum eine höhere Idee kommuniziert wird. Allerdings werden in Pakistan solche Aktionen leichter, weil diese Art der Gewalt bereits normaler Bestandteil des pakistanischen Alltags wurde.
    – Taliban exekutierten die 14-jährige Schülerin Malala Yousafzai durch einen Kopfschuss um ein Zeichen gegen die Schulbildung von Mädchen zu setzen, und auch, wie der ranghohe Taliban Rashed an die Überlebende schrieb: (Zitat TAZ)“Malala habe den Versuch der Gruppe, ein islamisches System im Swat-Tal zu errichten, „schlecht machen“ wollen. Dies sei „provokativ“ gewesen.” Rasheed warf der jungen Frau [zudem] vor, sie spreche sich für ein Bildungssystem aus, dass von den britischen Kolonialherrschen eingeführt worden sei. Schüler sollten sich aber mit dem Islam befassen und nicht mit „satanischen oder säkularen Lehrplänen“. Malala solle nach Pakistan zurückkehren und eine Koranschule für Frauen besuchen, schrieb Rasheed. Beurteilung Hier soll der pakistanischen Bevölkerung deutlich gemacht werden was für einen hohen Preis sie eventuell zahlen müssen wenn sie ihre Kinder und vor allem die Mädchen ein säkulares Schulsystem durchlaufen lassen
    – Im Artikel Auf Hatz folgt Todesurteil wird davon berichtet, dass ein Christ wegen angeblicher Blasphemie in Pakistan zum Tode verurteilt wurde.

    Ein Gericht in Pakistan hat einen Christen wegen Blasphemie zum Tode verurteilt. Der 35-jährige Sawan Masih soll in einem Streit mit einem muslimischen Freund den Propheten Mohammed beleidigt haben. Der Prozess wurde in einem Gefängnis geführt, offenbar weil dem Angeklagten sonst Lynchmord gedroht hätte. Der Fall hatte bereits im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt: Ein aufgebrachter Mob stürmte aufgrund von Gerüchten über den Vorfall ein christliches Viertel in Lahore und brannte mehr als 170 Häuser und 2 Kirchen nieder. Masih beteuert bis heute seine Unschuld. Er erklärte, die Vorwürfe wegen Blasphemie seien Teil eines Komplotts, mit dem die Christen aus seinem Viertel vertrieben werden sollten, um Platz für ein Industrieprojekt zu schaffen.

    Beurteilung: Hier wird sichtbar, dass religiöse – und andere – Ideen missbraucht werden können um etwas, was aus ganz niederer Absicht geschieht, eine moralische Berechtigung zu geben. Man wirft dem Opfer Blasphemie vor und erhält dadurch das Recht zu töten und sich seinen Besitz anzueignen.
    -Der Artikel Sufismus: Kampf um die Seele Pakistans berichtet darüber wie eine Unterart des Islams, der msystisch gegprägte Sufismus, in Pakistan durch “talibanischen” – also rechtgläubigen – Terror (Ermordung von Sufismus-Priestern) von der Landkarte eliminiert wird.
    Beurteilung: Mit dem Terror gegen den Sufismus, eine tolerante Glaubensform, die in Pakistan früher weit verbreitet war und Muslime, Hindus und Sikhs einte (alle konnten Anhänger sein), wollen die rechtgläubigen wiederum auf den hohen Preis aufmerksam machen, den “liberale” Muslime zahlen müssen, wenn sie nicht der Orthodoxie folgen.

    Kürzlich sagte mir jemand, Gewaltaufrufe, die sich im Koran finden, gäben ein falsches Bild von den Muslimen, denn die führten in der Mehrzahl ein friedliches Leben, seien gastfreundlich und wollten niemenaden missionieren. Das stimmt tatsächlich. Muslime treten wohl im Durchschnitt weniger aggressiv auf als ein Durchscnittsdeutscher. Doch gerade darum sind sie äusserst empfänglich für die Botschaften des Terrors. Und anders als viele hier im Westen meinen, findet der islamistische Terror kaum je im Westen statt, sondern fast jeden Tag beispielsweise in Pakistan. Dort haben viele Menschen inzwischen gut verstanden, was die Terroristen ihnen sagen wollen.

  56. Wir sind alle im SELBEN Maß durchströmt vom vernunftbegabten Geist der “Gott” ist, für Möglichkeiten von geistig-heilendem Selbst- und Massenbewußtsein – Als Mensch anfing seine Toten zu bestatten, wurde Mensch zum Mensch. Als Mensch aber anfing auch daraus ein Geschäft zu machen, war alles für’n Arsch, bzw. war alles im geistigen Stillstand mit “individualbewußtem” Hierarchiedenken von und zu materialistischer “Absicherung” MANIFESTIERT! 😉

  57. Der furchtbarsten Gottesstaaten, sind immernoch die der “christlichen” Welt- und “Werteordnung”, die im “Recht des Stärkeren”, von den Kirchen mit der UNWAHRHEIT von scheinbar unüberwindbarer Vorsehung gestützt, jegliche Menschenwürde konfusioniert, spaltet und systemrational in Überproduktion von Kommunikationsmüll entstellt, für den nun “freiheitlichen” Wettbewerb um “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei” – der stumpf-, blöd- und zu oft auch wahnsinnige Kreislauf des geistigen Stillstandes seit der “Vertreibung aus dem Paradies”! 😉 🙁

  58. @Ludwig Trepl

    “Selbstbeweihräucherung. ” “Was ist denn im heutigen Westen prinzipiell anders geworden als es vor 100 Jahren war? ”

    Nach 1945 hat sich Europa prinzipiell und in meinen Augen glaubwürdig vom Mittel des Krieges abgewendet , dabei habe ich mich allerdings ungenau ausgedrückt , gemeint war jene Sorte Krieg , die geeignet ist , im eigenen Territorium für so erhebliche Verwüstungen zu sorgen , daß man das Ganze als exzessiven Absturz bezeichnen könnte.
    Dahinter steht nur zum Teil eine moralische Motivation , sondern mindestens genauso eine politische.
    Kriege innerhalb Europas sind nicht mehr in großem Ausmaß führbar , die nächste Steigerung würde in den Untergang führen , denn die Waffentechnologie ist so weit fortgeschritten , daß selbst konventionelle Kriege nur noch verbrannte Erde hinterließen.
    Eine Notwendigkeit also , folgerichtig ist , daß wir keine Probleme damit haben , die Gewalt zu exportieren , da stimme ich Ihnen vollständig zu.
    Trotzdem spielt auch Moral eine Rolle , die Einstellung zum Krieg hat sich in den europäischen Völkern dramatisch verändert und ist die eigentliche politische Errungenschaft des 20. Jhds. , wenn Sie das anders sehen , bitte sehr , das einfach als “billigste Propaganda ” oder “Selbstbeweihräucherung” abzutun , spricht jedoch nicht besonders für Ihre Argumentation.

    Daß ein Kontinent wie Europa vom Krieg abwendet und das zuerst nur für den eigenen Bereich gilt , liegt in der Natur der Sache , wir sind weder fähig noch verantwortlich dafür , die Welt zu retten , andere Kontinente müssen schon selber für sich gucken , wie sie vielleicht eine ähnliche Entwicklung auf die Reihe kriegen.
    Trotzdem bin ich überzeugt davon , daß Europa nur der Vorreiter ist einer weltweiten Entwicklung , nennen Sie das billig oder sonstwie , aber vielleicht steckt hinter solchen Bezeichnungen zuvorderst eine anti-westliche Grundeinstellung als eine wirklich sinnvolle Erwiderung.

    @Paul Stefan
    Ich stimme Ihnen zu , die Verfolgung von Übergriffen spielt eine erhebliche Rolle.
    Klingt vielleicht ebenfalls naiv , aber es ist erkennbar , daß sich die Verfolgung von Kriegsverbrechern und Ähnlichem verbessert , Stück für Stück , noch vor wenigen Jahrzehnten gab es das nur selten , vor Nürnberg überhaupt nicht .
    Natürlich steckt das noch in kleinen Kinderschuhen , aber es wird immer häufiger dazu kommen , momentan haben wir eine eher rückläufige Entwicklung , aber das ist normal, zwei Schritte vor , einer zurück , das scheint mir immer so zu laufen bei solchen Entwicklungen.

    • Ludwig Trepl, @ DH: Nicht Europa, nicht “der Westen”, und über mögliche Abstürze.

      “
Nach 1945 hat sich Europa prinzipiell und in meinen Augen glaubwürdig vom Mittel des Krieges abgewendet , dabei habe ich mich allerdings ungenau ausgedrückt , gemeint war jene Sorte Krieg , die geeignet ist , im eigenen Territorium für so erhebliche Verwüstungen zu sorgen …“

      Das halte ich für eine völlig verzerrte Darstellung. Was ist denn wirklich nach 1945 geschehen? Alte Bündnisse haben sich aufgelöst, neue wurden geschlossen. Innerhalb eines jeden Bündnisses wurde dann kein Krieg mehr geführt – wie es ja normal ist für Bündnisse. Aber Europa hat sich keineswegs „glaubwürdig vom Mittel des Krieges abgewendet“, sondern die eine Hälfte Europas bedrohte glaubwürdig die jeweils andere Hälfte mit der völligen Vernichtung. Mehrmals stand die kurz bevor (zuletzt um 1980, wo es nur der Tatsache, daß ein sowjetischer Offizier nicht seinem Befehl nachkam, nämlich Atomraketen abzufeuern, sondern so lange zögerte, bis sich herausgestellt hatte, daß es sich bei dem vermeintlichen amerikanischen Raketenangriff nur um ein Manöver handelte, zu verdanken ist, daß der Weltkrieg nicht ausbrach; unter dem Eindruck dieses Ereignisses wurde dann eine direkte Telefonverbindung zwischen Weißem Haus und Kreml eingerichtet). Aber es wurden nicht nur Vernichtungskriege in Europa als Drohung eingesetzt, sondern auch Kriege geführt. Sie wurden nur ausgelagert; Vietnam war so ein Stellvertreterkrieg.

      Erstaunlich ist allenfalls, wie lange dieser Zustand dauerte, wie lange die beiden Bündnisse mit innerem Frieden hielten: bis 1990. Das Chaos, das in manchen Teilen des östlichen Europas dann ausbrach, zeigt, wie sehr man sich hüten muß vor optimistischen Prognosen. Niemand hätte das für möglich gehalten, was dann in Jugoslawien geschah.

      Für Ihren Optimismus scheint mir vor allem eines zu sprechen, aber das spielte sich nicht „im Westen“ ab: Zum größten Teil waren die Revolutionen in Ost- und Mitteleuropa friedlich. Daß so etwas möglich war, widersprach allen historischen Erfahrungen. Hier kann man, scheint mir, doch davon sprechen, daß ein Zivilisierungsprozeß stattgefunden hat, wie ihn die Welt nicht kannte.

      Sie nennen noch anderes, etwa die Verfolgung von Kriegsverbrechern und daß sich die Einstellung zum Krieg in den europäischen Völkern dramatisch verändert. Das stimmt und das soll man nicht gering schätzen, aber das läßt sich nicht „dem Westen“ zuschreiben. In den USA hat man bekanntlich eine ganz andere Einstellung sowohl zum Krieg im allgemeinen als auch zur Verfolgung von Kriegsverbrechern. Wenn man in diesem Zusammenhang von „dem Westen“ spricht, ist das in der Tat „Selbstbeweihräucherung“; spräche man von West- und Mitteleuropa oder Teilen davon, wäre es keine. Auch Japan könnte man wohl einbeziehen – aber es ist eben nicht „der Westen“.

      Dennoch – all diese positiven Entwicklungen sind fragil. Mein stärkstes Argument dafür ist meine eigene Erfahrung, Erfahrung mit mir selbst, und die teile ich mit vielen meiner Generation. Es war nichts als ein glücklicher Zufall, daß ich mich nie an Gewaltexzessen beteiligt habe. Sie schreiben „das Ventil des Gewaltexzesses ist zugedreht“. Nein, das glaubte man vorher und täuschte sich gewaltig. Die subjektiven Voraussetzungen für solche Exzesse waren da, ich wäre zum Schlimmsten in der Lage gewesen, zu Taten, die ich wenige Jahre vorher für mich – und alle um mich herum – definitiv ausgeschlossen hätte. Wenn man diese Erfahrung einmal gemacht hat, wird man vorsichtiger mit optimistischen Prognosen.

      Ich rate Ihnen, das Totalitarismus-Buch von Hannah Arendt zu lesen.

  59. Auch die Philosophie hat keine einheitliche Definition oder Vorstellung von Vernunft. Kant identifizierte die Vernunft mit Erkenntnis. Es wäre vermessen und ist auch nicht meine Absicht, den Begriff hier klären zu wollen. Die Verwirrung würde nur noch größer, wenn man auch noch Rationalität und Intelligenz hinzunehmen würde. Wesentlich ist das Verhältnis des Menschen zur Welt, das Erkennen, Bewerten, Urteilen und schließlich Handeln. Man könnte auch diskutieren, welche Rolle die Wahrheit dabei spielt. Das wäre wieder ein neues, riesiges Fass. Genau hier liegen ja die Probleme: in der ganz unterschiedlichen Ansicht von Vernunft oder Vernünftigkeit des Handelns. Die Terroristen halten sich selber genauso für vernünftig wie jeder andere Mensch. Woran ist die Vernunft zu bemessen, damit sie nicht völlig beliebig und sinnlos wird? Da helfen philosophische Fachsimpeleien nicht weiter, wie heute wieder in schauerlicher Weise demonstriert wurde.

  60. Im Blogartikel heißt es: “Dieser Geist aber kann nie etwas anderes sein als das, was wir Vernunft nennen, also das, was die Quelle der Moral ist. Es ist also der Geist, den wir in die Schrift legen. (…) Vielleicht ist es so: Das Übel (bei Religionen, bei Ideologien scheint es etwas anders zu sein) liegt in dem „Es steht geschrieben“. Wenn das zum obersten Prinzip wird, ist jede Diskussion beendet und jede Gewalt erlaubt. Wenn darüber aber die Frage „Warum soll ich das denn glauben?“ steht, wird wohl jede Religion zur Bereicherung.”

    Das würde doch bedeuten, dass jeder Mensch über eine Art angeborene Moral verfügen müsste, denn wie sonst könnte er “Geist” in die Schrift legen. Und wenn sich jemand die Frage stellt: “Warum soll ich das denn glauben?”, dann könnte die Antwort doch auch heißen: “Weil es mir nützt”. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob das auch anderen Menschen nützt. Wenn man also seine Handlungen aus seinem Glauben ableitet, dann sollten diese doch einen moralischen Wert haben, um anderen damit nicht zu schaden, oder? Lässt man die Religion mal außen vor, so gibt es in jedem Land Regeln und Gesetze, die den Bürgern vorschreiben was erlaubt ist und was nicht. Letzteres kann von Land zu Land verschieden sein. Nach welcher Prämisse soll der Mensch sonst handeln? Wenn jemand alleine auf einer Insel lebt mag diese Frage zwar hinfällig sein, nicht jedoch in einem komplexen Staatsgebilde.

    • @ Mona:

      „Das würde doch bedeuten, dass jeder Mensch über eine Art angeborene Moral verfügen müsste, denn wie sonst könnte er “Geist” in die Schrift legen.“

      Tut er doch auch, von Ausnahmen abgesehen, die wir „krankhaft“ nennen. Denn er hat Vernunft, also auch Moral. Ob er moralisch lebt, ist eine andere Sache, aber er unterscheidet zwischen dem, was ist und dem, was sein soll, er weiß, wenn auch nur im Prinzip, was er soll. Er soll „das Gute“ tun und nicht das, was ihm nützt und anderen schadet. Das Vermögen zu solchen Unterscheidungen nennt man praktische Vernunft und unterscheidet den Menschen vom Tier.

      Also die Antwort “Weil es mir nützt” ist nicht die Antwort der Vernunft, sondern die des Verstandes. Diesen Unterschied darf man nicht vergessen. Menschen, die gerne der Religion eine entscheidende Rolle für die Moral zuschreiben wollen, die meinen, wie es Martin Holzherr oben formuliert hat, „Der Verlust des Glaubens an Gott … lässt Menschen ohne Gewissen und Moral zurück“, vergessen diesen Unterschied grundsätzlich, sagen Vernunft und meinen in Wirklichkeit nur den auf die Förderung des eigenen Glückes gerichteten Verstand.

      Den Rest Ihres Kommentars, ab „Lässt man die Religion mal außen vor“, habe ich nicht verstanden.

      • @Ludwig Trepl:
        Sie schreiben: “Also die Antwort “Weil es mir nützt” ist nicht die Antwort der Vernunft, sondern die des Verstandes. Diesen Unterschied darf man nicht vergessen.”

        Das mag sich für Sie, als philosophisch gebildeten Menschen, vieleicht so darstellen. Die Masse der Menschen unterscheidet da kaum, wie sonst ist es zu erklären, dass momentan so viele Menschen in Dresden gegen Zuwanderer demonstrieren?
        Dazu muss ich nochmal den unverstandenen Teil meines ersten Kommentars ins Spiel bringen wo ich schrieb: “Lässt man die Religion mal außen vor, so gibt es in jedem Land Regeln und Gesetze, die den Bürgern vorschreiben was erlaubt ist und was nicht. Letzteres kann von Land zu Land verschieden sein. Nach welcher Prämisse soll der Mensch sonst handeln? Wenn jemand alleine auf einer Insel lebt mag diese Frage zwar hinfällig sein, nicht jedoch in einem komplexen Staatsgebilde.”
        Ich meinte das so, dass es eben für die Masse der Menschen Regeln und Gesetze geben muss, weil viele nicht von sich aus vernünftig handeln, sondern aufgrund ihres Verstandes zu der Ansicht gelangt sind, die Zuwanderer würden ihnen etwas wegnehmen und dagegen müsste demonstriert werden. Leider denken viele Leute nicht so pragmatisch wie ihre Mutter.

        • Ludwig Trepl, @ Mona: Vernunft und Verstand, Weisheit und Klugheit.

          „Das mag sich für Sie, als philosophisch gebildeten Menschen, vielleicht so darstellen. Die Masse der Menschen unterscheidet da kaum [zwischen Vernunft und Verstand], wie sonst ist es zu erklären, dass momentan so viele Menschen in Dresden gegen Zuwanderer demonstrieren?
“

          Es sieht nur so aus, als ob die Masse der Menschen da nicht unterscheidet (auch in der Philosophie macht nicht jeder diesen Unterschied). Man macht es nur meist nicht mit diesen Worten, aber der Sache nach ist der Unterschied jedem geläufig.

          Beispielsweise unterscheidet man seit jeher im Alltagsdenken zwischen Klugheit und Weisheit, und das kann jeder. Der Kluge, noch deutlicher: der Schlaue versteht es, sich Vorteile zu verschaffen, auch auf Kosten anderer. Der Weise aber weiß, daß er das nicht sollte, er weiß, worauf es wirklich ankommt. Diese und ähnliche Unterscheidungen sind jedem, auch dem Beschränktesten geläufig. Würden wir die nicht machen, gäbe es auch keinerlei Anknüpfungspunkt für das, was man religiösen Glauben nennt. Und jeder Richter geht ganz selbstverständlich davon aus, daß jeder zu diesen Unterscheidungen in der Lage ist. Wer das nicht ist, gilt als nicht zurechnungsfähig und darum nicht schuldfähig. All unser Rechtsdenken beruht darauf, daß wir die Fähigkeit haben einzusehen, daß wir nicht aus Eigennutz uns über das hinwegsetzen, was die (berechtigten) Ansprüche anderer sind.

          Daß die Menschen sich nicht so verhalten, wie sie sollen, also z. B. Menschen in Not zurückweisen statt ihnen zu helfen, steht auf einem anderen Blatt. Die Menschen betrügen und stehlen und … ja auch – und wir gehen davon aus, daß sie wissen, daß sie das nicht sollen. Und sie wissen das nicht deshalb, weil es irgendwo, in einem Paragraphen des Gesetzbuchs oder einer für heilig gehaltenen Schrift, steht oder weil es die Nachbarn sagen, sondern weil sie Vernunft haben. Nur deshalb achten sie auch das Gesetz und gehorchen ihm nicht nur aus Angst vor Strafe (und gehorchen ihm folglich nicht, wenn eine Entdeckung nicht zu befürchten ist), nur deshalb halten sie auch die Schrift für heilig: weil ihnen die Vernunft sagt, daß das wahr ist, was da drinsteht.

          All dies sind Fähigkeiten, die wir einem normalen, schlichten Menschen ganz selbstverständlich unterstellen, nicht nur bei einem philosophisch gebildeten vermuten. Eher gilt fast das Gegenteil: Die Erfahrung zeigt, daß die „Gebildeten“ auf die absurdesten Theorien kommen, die das rechtfertigen, wovon der unverbildete Kopf ganz selbstverständlich weiß, daß es falsch ist, daß man das nicht soll. Menschen in Not soll man helfen, das weiß er. Aber ein „gebildeter“ nationalistischer Theoretiker oder Ideologe denkt sich allerlei schlaues Zeug aus, warum man machen Menschen in ihrer Not nicht helfen soll, etwa solchen, die nicht dem eigenen Volk angehören. Vernunft aber ist die Fähigkeit, diese Schlauheit zu überbieten und in ihre Schranken zu weisen.

      • “Also die Antwort “Weil es mir nützt” ist nicht die Antwort der Vernunft, sondern die des Verstandes.”

        Die Begriffe Verstand und Vernunft werden häufig synonym verwendet. Ich sehe die Unterscheidung gerade umgekehrt. Die Vernunft bezieht sich auf das Handeln, einschließlich Sprechhandlungen. Vernünftig ist es, so zu handeln, dass es einen Nutzen oder Vorteil bringt, dass es für niemanden einen Schaden verursacht, dass es den gesellschaftlichen Normen entspricht. Der Verstand bezieht sich auf das vorhandene Wissen und das logische Denken. Man kann morgens vernünftig und abends unvernünftig sein. Der Verstand aber ist als Anlage angeboren, wird durch Bildung gefördert und bleibt lebenslang erhalten, abgesehen von Krankheiten oder mentalen Störungen. Die Vernunft kann durch psychische Störungen beeinträchtigt werden. Auch hochintelligente Menschen können ganz unverünftig sein, bzw. in Situationen unverünftig handeln. In der komplexen, technologischen Welt von heute ist der Verstand notwendig, um vernünftig, zielorientiert und erfolgreich handeln zu können. Intuition, Erfahrung und moralische Vorgaben (z.B. durch Religion) reichen meist nicht mehr aus.

        Das große Problem heute ist, dass man die Folgen des Handelns oftmals nicht mehr abschätzen kann, auf Grund von extremer Arbeitsteilung, Informationsteilung und Verantwortungsteilung in der Industriegesellschaft. Die Vernunft hat ihre Grundlagen und ihre Werkzeuge zur Kontrolle des Verstandes verloren, der Verstand hat die Macht übernommen, siehe die Klimakonferenz, die Vernunft bleibt auf der Strecke.

        • @ Anton Reutlinger:

          „Die Begriffe Verstand und Vernunft werden häufig synonym verwendet. Ich sehe die Unterscheidung gerade umgekehrt.“

          Privat können Sie das natürlich tun. Und für die Alltagssprache stimmt das mit der synonymen Verwendung, ich habe mich aber an der einschlägigen Fachsprache, also der philosophischen, orientiert. Genauer: Ich habe versucht, mich möglichst eng an den Gebrauch bei Kant zu halten, da kann man dann bis in feine Differenzierungen immer genau wissen, was gemeint ist, aber halt nur, wenn man sich auskennt oder sachkundig macht. Und was man „die philosophische Fachsprache“ nennen kann, ist in unserem Fall hinreichend genug mit der Kant’schen Verwendung identisch.

          Nun gibt es dabei aber ein sachliches Problem, und das ist es, worauf Ihr Kommentar aufmerksam macht: Ein Teil der philosophischen Tradition, nämlich die positivistisch-utilitaristische, wie ich sie vereinfachend hier nennen will, lehnt den Begriff der Vernunft überhaupt ab. Das Wort ist aber nun einmal da, und darum verwendet man es in dieser Tradition auch, gibt ihm aber einen ganz anderem Sinn: „Vernünftig ist es, so zu handeln, dass es einen Nutzen oder Vorteil bringt, dass es für niemanden einen Schaden verursacht, dass es den gesellschaftlichen Normen entspricht.“ Da in dieser Tradition jedes Handeln auf Nutzen ausgerichtet ist, muß es das vernunftgemäße auch sein, wenn man das Wort nicht ganz lassen will. Aber das ist mit „vernunftgemäß“ eben gerade nicht gemeint gewesen. Wenn man allerlei religiöse Verwendungen beiseite läßt, dann orientiert sich vernunftgemäßes Handeln eben nicht an Nutzen und dem anderen Genannten, sondern insbesondere an notwenigen Ideen, wie der Idee der Freiheit; notwendig, weil die Vernunft in ihrer konstitutiven Tätigkeit, dem Schließen, mit Notwenigkeit auf diese Idee und die Pflicht, sie praktisch anzustreben, kommt.

          Das ist das sachliche Problem. Deshalb kann man nicht den Begriff der Vernunft verwenden, ohne mißverstanden zu werden. Ich habe mich da offenbar verschätzt. Andererseits kann ich ja auch nicht immer dieses ganze Problem erst aufrollen, bevor ich das Wort verwende. Eine einfache Lösung fällt mir nicht ein.

  61. Ich empfinde die “Islamfeindlichkeit” als eine von Medien erschaffene Gesinnung. Im Übrigen bekomme ich von solchen Dingen komischerweise gar nichts mehr mit, seitdem ich keinen Fernseher mehr besitze, soll heißen, ich kenne niemanden, der auch nur ansatzweise “islamfeindlich” ist. Im Übrigen fiele mir auch kein Grund dafür ein. MfG.

    • @jade:

      Ich kenne schon welche auch im richtigen Leben, wenn auch nur wenige. Doch im Internet sind sie überaus zahlreich. Das scheint mir ein Medium, das geeignet ist, aus verstreuten Einzelnen eine Masse, im eigenen Empfinden und im Empfinden der anderen, zu machen. Ohne die Medien Zeitung und Fernsehen gäbe es vielleicht aber auch diese Einzelnen nicht, da mögen Sie recht haben.
      Sehr verbreitet scheint mir allerdings eine fremdenfeindliche Einstellung, für die die Religion egal ist; ob ein Ägypter nun Moslem oder koptischer Christ ist, ist für den typischen Stammtisch egal, das sind alles Kameltreiber.

      Als gleichsam natürliche Haltung kam mir die meiner Mutter vor, die eine einfache Frau war und auf dem Land lebte. Wenn die türkischen Nachbarn sich versammelten, dann hielten sie halt „ihre Kirche“: Natürlich muß man in die Kirche, und sie konnten ja nicht in die protestantische, die Katholiken mußten ja auch in eine eigene, und so war es mit den Türken auch. Das war alles ganz selbstverständlich. Und daß die hier waren, war auch selbstverständlich – hier war ja ihre Arbeit.

  62. [Gelöscht. Hier ist kein Forum für antiislamische und fremdenfeindliche Hetze.]

    • Seltsam. Da ich weder noch das eine getan habe, spricht die Löschung für sich selbst. Auch wusste ich bisher nicht dass ich Fremden- oder Islamfeindlich bin. Hab sogar selber dezenten Migrationshintergrund. Wer ist denn für die Löschung zuständig? Vielleicht ist es ja auch ein Irrtum. Herr Trepl, eine konkrete Erläuterung anhand eines Zitats meinethalben auch anonym würde mir weiterhelfen, danke.

      • Ihr Text spricht für sich. Genau so kennt man’s. Ich hab ja nichts gegen …, und dann bestätigt man mit jedem Wort, daß man eben doch so einer ist. Machen Sie sich keine Mühe, Sie mögen sich noch so sehr den Anschein besorgten Gutmenschentums geben. Wenn jemand von der “angeblichen Islam- und Ausländerfeindlichkeit breiter Bevölkerungsschichten” redet, weiß man schon, was da die Botschaft ist. Und wenn es dann noch für ein Problem ausgegeben wird, daß Menschen “jedweder Abstammung” nach Deutschland kommen, dann reicht’s.

        • Da müssen Sie mich missverstanden haben. Sie kennen mich ja nicht, sonst würden Sie nicht so urteilen. Aber es ist Ihr Blog. Ich schätze Ihre Beitäge ja auch gerade deshalb weil Sie anders gestrickt sind.
          “Und wenn es dann noch für ein Problem ausgegeben wird, daß Menschen jedweder Abstammung” nach Deutschland kommen, dann reicht’s.”
          Tu ich nicht, und so bin ich überhaut nicht gestrickt, ganz im Gegenteil warum sollte das ein Problem sein, und wann hätte ich das gesagt?

        • “angeblichen Islam- und Ausländerfeindlichkeit breiter Bevölkerungsschichten”
          kann man missverstehen, man muss man aber nicht.

          • nicht ganz, aber mit der Frage nach den Fehlanreizen wären sie auf der richtigen Spur – falls die Frage aufrichtig gemeint war.

        • Aach jetzt dämmert es mir.
          “jedweder Abstammung” habe ich verwendet, um insbesondere die deutsche Bevölkerung mit einzubeziehen wenn es um die Fehlanreize unserer Sozialsysteme geht. Zu dem Zeitpunkt habe Sie wahrscheinlich wegen s.o. schon rot gesehen und es falsch interpretiert.
          Das muss man dann aber Ihrem gelegentlich doch immer wieder durchkommenden Schubladendenken zuschreiben. Das soll nicht mein Problem sein.

          • ich kann kaum glauben, dass ihnen das nicht klar ist. Es ist ein komplexes, kontrovers diskutierbares Thema und Verkürzungen führen gerne zu Missverstännissen. Ausserdem sind Sie eher an an theoretisch abstrak diskutierbaren Themen interessiert als an praktischen Problemlösungsansätzen.
            Nun denn. Nur ein Beispiel. Man wird gelegentlich nicht nur fürs Nichtstun bezahlt, nein, man wird quasi auch noch bestraft wenn man “ofiziell“ einem schlecht bezahlten Job nachgeht. Das ganze spielt sich ab in Kombination mit einem absurden und sehr teuren Verwaltungs- und Kontrollapparat, der immer neu Vorschriften und Richtlinien bei der Verteilung der Gelder beachten muss. Ich kenne Menschen mit Erfahrung auf jeder Seite des Behördenschreibtischess, keine der Positionen ist erstrebenswert.
            Eine Antwort lautet negative Steuern oder ähnliches. Der Bezug zum Thema ist klar oder?

  63. DH “Abstürze und Kriege sind im heutigen Westen praktisch unmöglich geworden , das Ventil des Gewaltexzesses ist zugedreht.”

    @DH Ich stimme Ihnen ansonsten in vielem zu, aber mit der zitierten Aussage wäre ich vorsichtig. Man kann ziemlich schnell Menschen aufeinanderhetzen, siehe Ukraine, siehe auch den Krieg gegen den Terror mit seinen von den USA verübten Verbrechen. Gewaltexzesse ergeben sich aus einer Eskalation der Gewalt, aus Hass und Gewalterfahrung, aber auch aus dem Machtgefühl heraus, nicht für seine Taten belangt zu werden. Ist die Hemmschwelle einmal überwunden, mordet es sich immer leichter. Man denke auch an die anscheinend bis dahin unbescholtene Soldatin, die in Abu Guraib gefoltert hat.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Lynndie_England

    Ich habe (im Deutschlandfunk, meine ich) gehört, dass der Libanon dringendst von Bürgerkriegsflüchtlingen entlastet werden muss, sonst kann dort nächstes Jahr ebenfalls Gewalt ausbrechen. Deutschland sollte deswegen 200 000 weitere Flüchtlinge aufnehmen. Ob das passiert?

  64. Wir Menschen haben innere Abgründe , die in sehr dunkle Tiefen und Taten münden können. Es ist wohl so , daß zuerst der Wille entsteht , diese Abgründe ausleben zu wollen , und sich dieser Wille dann seine Idee sucht , nicht umgekehrt.
    Daher ist so ziemlich jede Idee irgendwann befallen von ihrer eigenen Perversion , welche , hängt dann natürlich von den Umständen der Zeit und den scheinbaren Erfordernissen ab.
    Dazu reicht eine kritische Masse aus innerhalb einer Bevölkerung , es müssen nicht alle betroffen sein , es muß und wird zumeist nichtmal eine Mehrheit sein , es genügt eine breite und entschlossene Minderheit , damit die Sache kippen kann.
    Dagegen gibt es keine Generalrezept , nach gerade erfolgten Abstürzen sind weitere erstmal sehr unwahrscheinlich , je mehr Zeit aber ins Land geht , desto wahrscheinlicher wird der nächste .

    Es muß also in diesem , meist Jahrzehnte dauernden , eher friedfertigen Zustand , etwas passieren , das dafür sorgt , daß immer mehr Menschen bereit sind , ihr bisheriges Leben in ernste Gefahr zu bringen und nichts mehr darauf zu geben , dabei sollte auch der suizidale Aspekt berücksichtigt werden.
    Abstürze werden praktisch immer vorangetrieben durch Leute , die subjektiv glauben , nichts mehr zu verlieren zu haben.
    Die Gründe können vielfältig sein , materielle Gründe in Form echten Elends , sehr wesentlich und vielleicht sogar wichtiger sind aber psychologische und emotionale Aspekte , die Nazis haben nicht gehungert während ihres Aufstiegs und haben auch nicht im Elend gelebt , die psychische Komponente hat dabei eine entscheidende Rolle gespielt.
    Kluge Friedensbewegte haben immer betont , daß Frieden sehr viel mehr ist als die Abwesenheit von Krieg , eine echte Friedensfähigkeit zu erlernen , ist ein weiter Weg , aber die Chance ist so hoch wie nie.
    Abstürze und Kriege sind im heutigen Westen praktisch unmöglich geworden , das Ventil des Gewaltexzesses ist zugedreht , und es gibt folgerichtig eine immer breitere Betrachtung des Gewaltphänomens , vor allem im Inneren der Gesellschaften , als solche die unabdingbare Voraussetzung für die Vermeidung künftiger Exzesse.
    Wichtig wäre vor allem , unseren Gewaltbegriff zu erweitern. Die offen physische Form ist häufig nur der Endpunkt einer Entwicklung , meist geht massive und langwierige psychische Gewalt voraus, wenn wir diese subtilen Gewaltformen nicht anerkennen , ist der nächste Exzess vorprogrammiert.

    • @ D. H.:

      “Abstürze und Kriege sind im heutigen Westen praktisch unmöglich geworden , das Ventil des Gewaltexzesses ist zugedreht.”

      Das halte ich für einen frommen Wunsch, oder für billigste westliche Ideologie, für Selbstbeweihräucherung. Paul Stefan hat einige Gründe angeführt. Was ist denn im heutigen Westen prinzipiell anders geworden als es vor 100 Jahren war? Den ersten Weltkrieg hielten auch alle für unmöglich, den völligen moralischen Zusammenbruch Deutschlands im NS auch. Da ging es immer um „Kulturnationen“, wo man derartiges für ausgeschlossen hielt.

      Ich will noch etwas bisher Unerwähntes anführen. Nach außen verhielten sich die „westlichen“ Nationen immer barbarisch. Das Verhältnis zu den Kolonien war eine einzige ungeheure Greueltat. Gibt es irgendeinen Grund zu glauben, daß das heute anders geworden ist? Ich habe oben die Zustände in den alten englischen Bergwerken erwähnt. Ist es prinzipiell anders? Verlagert man nicht einfach diese Zustände dahin, wo die Kinder nicht unsere Kinder sind, z. B. nach Bangladesh?

      Nein, man schaut einfach weniger hin, man versteckt das Grauen, so wie man es zuhause mit den Tieren macht: Man erträgt es nicht mehr, das tote Tier samt Kopf auf dem Tisch liegen zu sehen, aber man ißt es (ich auch) und überläßt die nötige Arbeit Arbeitern aus Ländern, die nicht zum „heutigen Westen“ gehören und die sie so gut wie unsichtbar verrichten.

      Ich will nicht bestreiten, daß die Aufklärung ihre Wirkung hatte und daß man weiterhin Hoffnung in sie setzen kann, aber es stimmt halt auch, daß alles danach aussieht, daß die Gefahr ihres Umschlagens ins Gegenteil im gleichen Maße wächst. Adorno hatte weitgehend recht.

      • “Ich will nicht bestreiten, daß die Aufklärung ihre Wirkung hatte und daß man weiterhin Hoffnung in sie setzen kann, aber es stimmt halt auch, daß alles danach aussieht, daß die Gefahr ihres Umschlagens ins Gegenteil im gleichen Maße wächst. Adorno hatte weitgehend recht.”

        Das sind für mich ganz neue Töne. Hab’ ich etwas verpaßt? Zum Thema: wir hatten das schon oft in den Diskussionen. Mit Vernunft und Wissenschaft kommen wir da nicht weiter. Wir müssen um die Sensibilisierung des Menschen ringen. Was heißt das? Soll er empfänglich für die Greuel auf dieser Welt sein? All das, was in den Medien läuft, dient eher dem Voyeurismus oder der Abstumpfung. Das kann es also nicht sein! Es gibt etwas im Menschen, wovon ich fest überzeugt bin. Es existiert dann, wenn es nicht durch Indoktrination zugeschüttet worden ist: das Mitgefühl. Ich fürchte, ich langweile Sie. Egal! Die Frage, welchem Gefühl wir nun folgen sollen, stellt sich für einen Freigeist gar nicht. Denn alle anderen Gefühle hat er längst als fremd entlarvt! Dazu hat er freilich seine Vernunft gebraucht.

        • Ludwig Trepl, @ Dietmar Hilsebein:

          „Das sind für mich ganz neue Töne. Hab’ ich etwas verpaßt?“

          Eigentlich nicht, aber Ihnen gegenüber mußte ich immer nur die eine Seite betonen, weil Sie so hartnäckig sind. In meiner privaten heiligen Schrift nehmen Zitate Adornos etwa so viel Raum ein wie in der anderen heiligen Schrift die Worte des Apostels Paulus. Und ich kann nicht leugnen, daß es mir nicht immer gelungen ist, in meinem Kopf die Theorien Adornos und die anderer zentraler Gestalten meines geistigen und seelischen Haushalts einigermaßen widerspruchsfrei zu verbinden.

          „Wir müssen um die Sensibilisierung des Menschen ringen. Was heißt das? Soll er empfänglich für die Greuel auf dieser Welt sein? All das, was in den Medien läuft, dient eher dem Voyeurismus oder der Abstumpfung.“

          Eine andere zentrale Gestalt des genannten Haushalts, Karl Kraus, hat während des ersten Weltkriegs wieder und wieder geschrieben, daß das alles davon kommt, daß den Menschen die Phantasie fehlt. Sie können es sich nicht wirklich vorstellen, was es bedeutet, wenn ein Verwundeter monatelang mit schwersten Verbrennungen im Lazarett liegt, bevor der gnädige Tod kommt, andernfalls wäre so etwas wie Kriegsbegeisterung völlig unmöglich. Und es war damals schon so wie heute: Die Medien sind voll davon, aber die Berichte dienen nur dem Voyeurismus und bewirken Abstumpfung. Wie aber wäre es anders möglich? Wie müßte berichtet werden, damit die Phantasie gefördert wird?

          Eine Frage ist mir auch, wie man Ihren Gedanken (Sensibilisierung) verbindet mit dem anderen zweifellos richtigen Gedanken, der einem kommt, wenn die Frage ist, wie solche Abstürze von Religionen und Weltanschauungen verhindert werden könnten, nämlich die prinzipielle Offenheit für Kritik, die uneingeschränkte Diskussionsbereitschaft, das Zurückweisen des „Es steht geschrieben“, oder das Zurückweisen dessen, was ebenso wirkt: des Bestehens auf der nicht kommunizierbaren inneren Erleuchtung (da paßt oft auch: Gefühl), also: Dogmatismus und Schwärmerei.

          • “Wie aber wäre es anders möglich? Wie müßte berichtet werden, damit die Phantasie gefördert wird?”

            Den Begriff Phantasie würde ich an dieser Stelle nicht bemühen. Die Bilder würden nur von außen nach innen verlagert und somit wäre es dann ein innerer Voyeurismus. Das Problem der Abstumpfung bliebe bestehen. Sie erwähnten Ihre Mutter. Wie war es ihr möglich, das Naheliegendste zu sehen: es sind in erster Linie Menschen, unabhängig, welcher Religion oder Nationalität sie auch angehören mögen. Vielleicht, weil sie in ihrer Einfachheit nicht verbogen war? Vielleicht ist der Mensch in seiner natürlichen Veranlagung gar nicht so schlecht, wie wir immer meinen? Oder um es mal mit Jochen Malmsheimer zu sagen: Nichts war früher besser, aber es gab Dinge, die waren früher gut. Und sie wären es auch heute noch, wenn man die Finger davon gelassen hätte. Das gilt nicht nur für das Wurstbrot, sondern auch für den Menschen. Das nächste, was wir brauchen und zwar dringend: Ruhe, Stille -das Ende des Quasselstreams. Nichts führt so sicher in die Barbarei als der Lärm dieser Welt. Ist das Dogmatismus? Schwärmerei? Oder eher eine Erfahrung des Menschen, die er mit anderen teilt?

  65. Wenn man in der Geschichte der Menschheit zurückblickt, sieht man nur Mord und Totschlag. (Was bedeutet eigentlich: “menschlich handeln?) Meistens geht es um Reichtum und Macht. Wenn es um Ideen und Religion geht, nimmt dieses menschliche Handeln extreme Dimensionen an.

  66. Ludwig Trepl, @ Martin Holzherr:

    Ihr Kommentar klärt für mich manches, irritiert mich aber auch. Ich schreibe mehr über die Irritierende, das heißt nicht, daß ich nicht überwiegend zustimme.

    „Sie [bestimmte Ausprägungen von Religionen und Ideologien] verstossen gegen das höhere Prinzip, dass Menschenleben genauso viel oder mehr Wert sind als Ideen.“

    Dieses höhere Prinzip ist aber auch wieder eine Idee. Ist es nicht so, daß Menschenleben gerade deshalb solchen Wert haben (nicht einen „Preis“, sondern eine „Würde“, Kant), weil sie unter Ideen stehen und nicht bloßes Leben sind? Vielleicht ist es ja das: Die Religionen und Ideologien oder vielleicht besser ihre Perversionen verdrehen die Rangordnung, die Ideen haben sollen. Die Idee der Menschenwürde muß die oberste sein, sonst bekommen die Menschen einen „Preis“, werden austauschbar und können in Rechnung gestellt werden gegen eine vermeintlich noch höhere Idee.

    Sie schreiben richtig „Doch Ideen die einen Idealzustand über das Wohl der Menschen, mindestens aber über das Wohl vermeintlicher Feinde der Idee setzen, sind eben gegen den Menschen gerichtet.“ Das könnte doch daran liegen, daß dieser Idealzustand der falsche ist, weil er nicht unter der Idee der Menschenwürde steht. Also nicht einen Idealzustand anzustreben ist der Fehler, sondern den falschen anzustreben: Wohlergehen, und zwar letztlich „tierisches“ Wohlergehen (Sie schreiben “Erlösung auf Erden, das ist wohl ähnlich), wo nicht mehr gefragt wird, was eigentlich den Menschen als Menschen ausmacht, nicht gefragt wird, worin er nicht austauschbar ist, worin er eine Würde hat und nicht einen Preis.

    Sie haben den Sozialismus genannt, weil er erkennbar religiöse Wurzeln hat, oder weil er eine Idee an die erste Stelle setzt. Ich habe mit Bedacht auch den Liberalismus genannt, dem man schwerer religiöse Wurzeln nachsagen kann. Aber er hat mit dem pervertierten, also (einst und als Idee immer noch) real existierenden Sozialismus die Idee des Paradieses auf Erden gemeinsam, wenn auch mit nicht unbedeutenden Abweichungen. Das Üble scheint mir in der Gemeinsamkeit beider Paradiesvorstellungen zu liegen. Im Liberalismus (bzw. im Utilitarismus als seiner Ethik) hat man es auf die Formel „größtes Glück der größten Zahl“ gebracht. Das ist nicht weit von der stalinistischen Paradiesvorstellung. Was sind eine Million getöteter Kulaken, wenn es dadurch vielen Millionen Kleinbauern besser geht? Was sind die elend als Kinder umgekommenen Bergarbeiter, wenn dadurch der Reichtum der englischen Nation insgesamt steigt?

    Ich würde da nicht zu viel Schuld auf die religiöse Herkunft schieben. Daß der Einzelne nicht weniger zu zählen hat als die vielen, läßt sich in der religiösen Tradition auch finden, beispielsweise, weil jeder Einzelne Ebenbild Gottes ist (die religiöse Wurzel der Menschenwürde) und damit etwas Unveräußerliches, um keinen Preis. Aber es läßt sich da eben nur auch finden, in aller Regel ist auch das Gegenteil zu finden – wenn man den Buchstaben der Schrift folgt und nicht ihrem Geist. Dieser Geist aber kann nie etwas anderes sein als das, was wir Vernunft nennen, also das, was die Quelle der Moral ist. Es ist also der Geist, den wir in die Schrift legen.

    Das könnte doch der Prüfstein für die Religionen oder Ausprägungen einer jeden Religion sein. Nicht welcher heiligen Schrift sie folgen – sie sind allesamt so oder so ausdeutbar –, sondern welchen Geist sie darin sehen wollen: ob das der Geist der Vernunft ist.

    Vielleicht ist es so: Das Übel (bei Religionen, bei Ideologien scheint es etwas anders zu sein) liegt in dem „Es steht geschrieben“. Wenn das zum obersten Prinzip wird, ist jede Diskussion beendet und jede Gewalt erlaubt. Wenn darüber aber die Frage „Warum soll ich das denn glauben?“ steht, wird wohl jede Religion zur Bereicherung.

  67. Es geht darum, das Individualistische mit sich selbst vereinbar zu machen. Das ist aber leider ein Widerspruch in sich – scheinbar. Also rein Mechanistisch, weil das Individuum gleichzeitig wohl immer ein Subjekt sei, welches sich einer dominanten Gesamtheit unterworfen finden muß, sonst es kein Individuum sein kann. Die Ursache des einen, sei das Andere als Grundlage des Bestehens.

    Daher sei ja auch immerzu der Drang dazu, eine einheitliche Ideologie zu erschaffen und zu verbreiten – nach dem Motte (und nicht nur): “Gemeinsam sind wir dann stark/stärker). Die Stärkung der Gemeinschaft aber nur durch die Schwächung des Einzelnen geht.
    Und schon ist der Widerspruch in der Welt.

    Und “Schwächung” sei hier nicht im “rechtlichen” Sinne gemeint, sonden in der Sphäre der wachsenden/gewachsenen Persönlichkeit gedeutet, die sich durch die Gemeinschaft stets auf ein Maß reduziert widerfindet.
    Es existiert also eine Art “emergentes Phänomen”, welches im Sinne “das Ganze ist mehr als seine Teile” Neue Realitäten erzeugt, die vorher nicht angekündigt wurden – also auch nicht “demokratisch” legalisiert wurden.
    Und so dreht sich die “demokratische” Idee selbst im Kreise – widerspricht sich in ihrer eigenen Rechtfertigung zwingend. Es kann nur eine demokraitsche Mehrheit aus einer Selektion herraus entstehen. Und das ist aber das verbotene Übel einer demokratisch, humanistischen Weltsicht, die sich “für Alle” denkt und somit rechtfertigt. Und hier scheint man gerne auf traditionel religiöse Sphären zurück zu greifen, indem man “gut und Böse” ideologisch aufbereitet und ist die Dissonanz damit los. Man redet sich also die Welt chronisch “schön”.

    Wem dieser Gedankengang nicht zum Thema gehörig vorkommt, hat das Problem nicht an/mit seinen Ursachen erkannt. Das Besiegen des Dogmatischen erfordert so das Dogmatische – das Totale. Auge um Auge… Gleiches mit Gleichem…

    Komisch, das steht doch schon in der Bibel (und war dort sicher nicht die erste Erwähnung in seiner Mechanik).

    • Wollte auch sagen, dass der Begriff” Gottesstaat (und seine Anlehnungen, wie “Gotteskrieger”) schon eine verbotene Überinterpretation seien, die sich aus der Ansicht (aus der Ferne) ergibt – sozusagen aus dritter Hand und dergestalt häufig (um)interpretiert. Der Begriff ist also untauglich, um das Problem zu erfassen. Sondern nur um eine verborgene Warnung in die Welt zu senden – was wiederum eine Art Ideologie sei, denn andernortes (und Zeiten) geschieht das Selbe ohne “Gott” als Eingangsprämisse zu setzen – etwa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa und bald darauf schon mit Beteiligung der ganzen Welt. Ein Glaubenskonstrukt nur daran zu erkennen, das es religiös konotiert sei, ist ebenso ein “Glaubenskonstrukt” und somit seiner “Glaubwürdigkeit” per moderne(er), eigener Ideologieargumenten entzogen – widerspricht sich also selbst.

  68. Ja, nicht Relgion und Glauben sind der Masstab sondern Humanismus ist es. Terror und Mord geschehn oft im Namen von Ideen und diese Ideen, die im Namen einer besseren Zukunft oder im Namen des richtigen Lebens zum Schwert greifen lassen und die es den Anhängern dieser Ideen leicht machen Menschen, die sich diesen Ideen widersetzen, zu opfern, diese Ideen haben ihren letzten Ursprung fast immer in der Religion. Das gilt sogar für den Sozialismus und Kommunismus, der in seiner Geschichte Millionen von Menschen der Idee des sozialistischen Paradieses geopfert hat. Das Leben nach einer Idee zu orientieren bedeutet sehr viel Stärke, dort wo vorher Schwäche war, denn nicht mehr das einzelne Individuum stellt sich der Welt sondern die Gruppe, die sich zur selben Idee bekennt. Doch Ideen die einen Idealzustand über das Wohl der Menschen, mindestens aber über das Wohl vermeintlicher Feinde der Idee setzen, sind eben gegen den Menschen gerichtet. Sie verstossen gegen das höhere Prinzip, dass Menschenleben genauso viel oder mehr Wert sind als Ideen.
    Religionen und Idelogien können für sich nicht beanspruchen, die Moralität zu begründen, das richtige Handeln anzuleiten obwohl das viele glauben. Eine verbreitete Meinung geht so: Der Verlust des Glaubens an Gott, der Tod Gottes, öffnet dem Bösen Tür und Tor, lässt Menschen ohne Gewissen und Moral zurück. Das ist komplett falsch. Eher trifft das umgekehrte zu: Der Tod Gottes öffnet dem Menschen erst den Blick auf den Menschen selbst.

    • Präzisierung: Nicht alle Ideen sind gefährlich. Messianismus als Glaube an die Erlösung hier auf Erden durch Gehen des richtigen Wegs ist aber in jedem Fall gefährlich. Der islamische Staat – und wohl auch das oben erwähnte christlich grundierte Taiping-Reich – enthält messianistische Ideen. Diese Ideen – der Glaube an das vom Propheten Gottes verheissene “Reich” -, erlauben es den Anhängern oder verpflichten die Gläubigen sogar Abweichler zu töten, sie als Feinde des Guten zu eliminieren wie man Schädlinge in der Landwirtschaft eliminiert.

    • Ideen sind immer dann gefährlich, wenn sie Werte über das menschliche Leben stellen. Solche Werte werden dann als heilige Werte verkündet. Genauso können es abstrakte Werte sein wie Volksgesundheit und Rassenreinheit, Patriotismus und Vaterlandsliebe, Solidarität und Gemeinschaftssinn, Treue und Ehre, Tapferkeit und Heldentum. Die aktuelle Rhetorik Putins beispielsweise ist verräterisch in dieser Hinsicht, genauso natürlich die Rhetorik Erdogans oder der Rechtsextremen und Abendlandverteidiger hierzulande.