Wat die könn´, det kann ick och: Meine Bewerbung um den Posten des Direktors des Flughafens Berlin

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Schreiben hat viele Aspekte. Dazu gehören auch Bewerbungsschreiben. Ich habe richtig Lust, ein solches zu verfassen und mich in Berlin als  Flughafen-Boss zu bewerben. Meine Kompetenz ist unwiderleglich:

 
Abb.: 1: Der Urgroßvater Eduard Kropf, Rehau – um 1925 (Archiv JvSch)

Ich bin schon auf vielen Flughäfen gewesen und mit vielen Maschinen geflogen. Das müsste doch als Qualifikation ausreichen, um in Berlin groß rausszukommen. In die SPD einzutreten, damit ich das richtige Parteibuch habe, dürfte auch nicht allzu schwer sein. Sollte man dann merken, dass auch ich nicht kompetenter bin als meine Vorgänger, erkläre ich mich gerne bereit, mein Amt umgehend und stillschweigend zur Verfügung zu stellen. Nach Kassieren der Abfindung versteht sich. Im siebenstelligen Bereich.

Hier meine Motivation für diesen Schritt, der mir als bald 73jährigem gewiss nicht leicht fällt: Einer muss doch schließlich die gewaltige Bürde dieser Verantwortung schultern. Zu meinem Entschluss hat mich folgende Meldung in der Frankfurter Rundschau vom 9. Januar motiviert und bestärkt:

Der vor der Ablösung stehende Flughafenchef Rainer Schwarz sollte nach Forderung des Berliner CDU-Generalsekretärs Kai Wegner auf Abfindungszahlungen verzichten. Stattdessen sollte der vermutlich siebenstellige Betrag notleidenden Mietern auf dem neuen Hauptstadtflughafen zu Gute kommen, die wegen der erneuten Eröffnungsverschiebung vor der Insolvenz stünden […]
Der Manager ist seit dem Jahr 2006 Sprecher der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH. Der Vertrag des 56-Jährigen war Ende 2010 bis 2016 verlängert worden. Ob darin auch eine Abfindungszahlung für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens geregelt ist, ist nicht öffentlich bekannt. Allerdings wäre dies bei Managerverträgen dieser Art nicht unüblich
.

Nachweis meiner vielfältigen Komptenzen als Flughafen-Topmanager

“Wat die könn´, det kann ick och”, sagen die Berliner in so einem Fall. Dem schließe ich mich mit Freuden an. Bauen liegt bei uns in der Familie gewissermaßen im Blut: Schon mein Urgroßvater Karl Eduard Kropf war Bauunternehmer, sein Schwiegersohn und zugleich mein Großvater Karl Hertel sen. war Stadtbaumeister in Wiesbaden und später Architekt und Bauunternehmer in Rehau, dessen Sohn wiederum und zugleich mein Onkel Karl war dito und dessen Sohn und zugleich mein Cousin Wolfgang ebenso.

Was die Leitung großer Unternehmen angeht, so kann ich mich schamlos auf meinen Großonkel Erich Naumann berufen, der lange Jahre Pächter der Hauptbahnhofgaststätten in Leipzig war – mit 400 ständigen Mitarbeitern und 600 während der Leipziger Messen, desgleichen dessen Sohn und zugleich mein Patenonkel Joachim Naumann.


Abb.2: Weinsaal im Leipziger Hauptbahnhof um 1930 (Archiv JvSch)

Abb.3: Der Großonkel Erich Naumann, Pächter und Direktor der Gaststätten im Hauptbahnhof Leipzig, um 1925 (Archiv JvSch)

Über dieses angesehene Etablissement mit seinen Weinsälen und Gaststätten in vier verschiedenen Qualitätsklassen ließ der Großonkel Naumann sogar ein eigenes Buch schreiben. (Dehne 1925)

 

Was das Schreiben angeht –

– so habe ich auch da einen veritablen Urgroßvater aufzuweisen. Bei der Leitung eines Flughafens und schon vorher beim Bau muss ja unheimlich viel geschrieben werden. Auch Rechnungen. Und Verträge über Goldene Handschläge. Und dergleichen mehr. Da bin ich bestens gerüstet. Denn Urgroßvater Ferdinand ware nachweislich der erste in der Familie (väterlicherseits), der aus eigenem Antrieb geschrieben hat. Fünf dicke Tagebücher. Von denen ich drei geerbt habe. Doppelte Kompetenz liegt mir also im Blut: für das Bauen und für das Schreiben. Da kann ja nichts mehr schiefgehen.


Abb.4: Der Urgroßvater Ferdinand Naumann, Pächter eines Ausflugslokals auf dem Inselsberg bei Jena, später der Pächter der Hauptbahnhofgaststätten in Erfurt – um 1910 (Archiv JvSch)

 

Wie wär´s mit 2020?

Hab ich noch was vergessen? Ach ja: Falls das als Kompetenznachweis nicht genügen sollte: Als gelernter Psychologie und als Schriftsteller sowieso ist man ja ohnehin für alle Themen des Lebens kompetent. Warum also nicht auch für die Leitung eines Flughafens? Was mir an Fachwissen fehlt, kann ich ja leicht mit Hilfe von Wikipedia und Google nachrecherchieren. Und ansonsten steht mir sicher eine tüchtige Sekretärin und ein ausgewiesenes Team von Experten zur Verfügung. Die Eröffnung des Flughafens stelle ich mir dann als würdiges Fest zu meinem 75. Geburtstag am 7. Februar 2015 vor. Oder noch besser: Fünf Jahre später, 2020, zu meinem 80 Geburtstag.

 

Allgegenwart des Labyrinth-Mythos

Dieser Flughafen und seine Baustelle muss wahrlich ein gigantisches planerisches und ganz real existierendes Yrrinthos sein, in dem sich niemand mehr zurechtfindet. Sonst wäre das doch keine solche großbauplanerische und -technische Glanzleistung geworden. Ich weiß, wie das zu machen wäre; ich verfüge schließlich über den Roten Faden, wie der Untertitel dieses Blogs bereits kundtut: “Die Suche nach dem roten Faden”. “Suchen” und “haben” sind ja schließlich nicht weit voneinander entfernt, wie die Flughafenbauer uns in Berlin vorführen.

Ob da irgendwass in der “Berliner Luft” liegt? Die “nervtötende Suche” geht nämlich schon vorher los: Auf dem Weg zum Flughafen. Wenn man beispielsweise im Hauptbahnhof ankommt. Der Berliner Kurier vom Montag, den 6. Januar 2013 zeigt eine Karte, die hilft, den Weg aus dem Irrgarten zu finden. Irgendwann ist man dann am Flughafen. Aber dort muss man erst mal ein paar Jährchen warten, bis es weitergeht. Die Zeit kann man nützen, um den Ausbau des Flughafens zu planen, zu leiten, zu korrigieren, fehlende Rauchmelder einzusetzen und dergleichen mehr. Hier das Zitat zum Hauptbahnhof. Ein mögliches künftiges Zitat zum Flughafen-Parkplatz und zum Flughafen-Ausbau kann man sich daraus selbst basteln:

Einen Parkplatz zu finden, kann einem in Berlin den letzten Nerv rauben. Der Gipfel des Park-Irrsinns ist derzeit aber am Hauptbahnhof zu besichtigen: Stellplatz-Mangel, Baustellen und eine miese Beschilderung machen die Anfahrt zur Irrfahrt. Wir, die KURIER-Reporter, fanden manche „Falle“ bei der Suche [im Irrgarten Hauptbahnhof]. Aber es gibt ihn wirklich: den direkten Weg ins Parkhaus. Bei diesem Labyrinth kann man schon froh sein, dass die Züge der Deutschen Bahn oft zu spät kommen und starten. Denn wer mehr als einen Blitz-Parkplatz zum Abladen eines Verwandten vorm Eingang sucht, muss sich sputen. Oder den Abschied am Gleis zähneknirschend ausfallen lassen. Selbst dort, wo es lange noch „richtige“ Stellplätze gab, rauscht man jetzt in Sackgassen.

 

Nostalgischer Rückblick auf gemeinsames Schreiben mit Jesco von Puttkamer

Dieser Beitrag hängt ganz unmittelbar mit meinem Nachruf auf Jesco von Puttkamer zusammen. Ich muss gestehen, dass diese kleine der Realität abgeschaute Satire nicht wenig jenen Zeiten im SF-Fandom verdankt, als ich mit dem verstorbenen Freund und den anderen Mitschreibern des Munich Round Up so manche Stunde verblödelt und ähnliche Persiflagen und Parodien gebastelt habe – nicht selten angezündet von der damaligen Pflichtlektüre des MAD Magazine.

Quelle
anon: “Berlin und das Flughafen-Debakel”. In: Frankfurter Rundschau vom Donnerstag, den 9. Jan 2013 – online
anon: “Irrgarten Hauptbahnhof: Wo geht´s hier zum Parkhaus?”. In: Berliner Kurier vom Montag, den 6. Januar 2013 – online
Dehne, Paul: Die Hauptbahnhofswirtschaft zu Leipzig in Wort und Bild. Leipzig 1925 (Verlag der Hauptbahnhofswirtschaft Leipzig) – mit Widmung vom Hrsg. Erich Naumann für seine Schwester Nanny (meine Großmutter väterlicherseits)

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem Willkommen im Labyrinth des Schreibens und die Zeittafel. Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren sowie im Register dieses Blogs.

231 / #848 Jvs /1498 SciLogs / BloXikon: Satire/  v05-2 / Begonnen in der Virtuellen Schreib-Werkstatt #321 vom 05. Jan 2013

 

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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