Imposanter Minotauros schaut in die Ferne

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Das stierköpfige Ungeheuer hat schon seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden die Künstler und Erzähler beschäftigt. Auf diesem Buchumschlag prangt einer, der mich sofort ansprach und neugierig auf den Inhalt des Romans machte. 

 

(Bild: George Friedrich Watts : "Der Minotaur")

Das Bild macht Eindruck, nicht wahr? Und der Roman selbst? Er fängt gut an – und verliert dann leider immer mehr an erzählendem Impetus, wird exposé-ähnlicher Bericht des Geschehens.

Der Plot ist im Grunde nur ein ausgewalzter zotiger Männer-Witz: Zwei Männer lernen sich zufällig kennen, die als Gemeinsamkeit einen extrem großen Penis haben ("bis zum Knie"). Werden sie sexuell erregt, dann fließt so viel Blut in den Penis, daß der Kopf blutleer und sie bewußtlos werden. Dieser bizarre physiologische Sachverhalt kostet den einen (Frank) schließlich sogar das Leben.

Soweit – so naja. Allerdings hat das Buch auch seine Meriten: Die seltsame Annäherung dieser beiden Männer, ihre langsam entstehende Beziehung wird gut beschrieben. Das abrupte Ende ist leider nicht nur peinliche Exekution des Witzes (s.o.) – sondern auch das Abwürgen der Beziehungsgeschichte. Da hat nicht nur der seltsame Held Frank sein Leben verloren, sondern auch der Autor seine Lust (am Erzählen und Schreiben).

Schade. Das tolle Titelbild drückt eigentlich sehr gut aus, daß es hier in der Tat um urtümliche minotaurisch-animalische Inhalte geht – was ja Thema des Kurzromans ist. Die Vorlage für das Cover stammt von George Friedrich Watts (1817-1904) und trägt den Titel "Der Minotaur" (1877-1886). 

Es gab übrigens ein ähnliches Titelbild etliche Jahre später: Pablo Picasso fertigte 1933 die Vorlage an, für die erste Ausgabe der programmatischen Zeitschrift Le Minotaure der französischen surrealistischen Künstler-Bewegung.

1933 – klingelt da nicht etwas im deutschen Gehirn? Genau: Da kam der wahre Minotaur aus seinem Labyrinth: Adolf Hitler. Ralph Giordano schrieb hierzu in seiner erschreckenden Dokumentation Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte auf (S. 100)

" . .. . nun endlich ist das Zentrum des gigantomanischen Labyrinths in der Nähe, ist der innere Rand, der Vorhof der modernen Stein-Stahl-Beton-und-Glas-Höhle eines modernen Minotaurus erreicht, breiten sich die Pläne für den Palast des Führers aus – so genannt, obwohl damit Hitlers Wohnung gemeint ist. Aber wer mag ein Gebäude von einer Million Quadratmetern schon so nennen?"

Literatur

Giordano, Ralph: Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. (Hamburg 1989_Rasch  Röhrig) München 1991 (Knaur TB)

Noichl, Mario: Frank und Alex. München 2007 (Buch&media)

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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