Wenn Gold nicht glänzt

Für ihre Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2022 in der Kategorie Geowissenschaften veranschaulichte Dorothea Hamilton, was sie in ihrer Promotion erforscht hat.


Bei Geographie denken viele noch an Stadt, Land, Fluss. Dabei ist es eine Wissenschaft, die sich mit vielen aktuellen Themen, wie Ressourcenknappheit und Klimawandel beschäftigt. Dazu gehört die Frage, welche Stoffe unseres Alltags zur Verlängerung von Konflikten beitragen. Ich habe mir dazu die Ressource Gold im Kontext des Bürgerkriegs in Kolumbien angeguckt.

Gold symbolisiert für uns Sicherheit, Liebe und Reichtum. Es findet sich an Ringfingern, in unseren technischen Geräten, auf der Bank und bei manchen im Mund. Egal aber ob Goldbarren oder einem aufwändigen Hochzeitsring, hinter diesem Material steht häufig Gewalt und Umweltverschmutzung in den Ländern aus dem es kommt. Ich habe mir die Konflikte im Gold in Kolumbien und Peru die angesehen. Welche Bedeutung hat Gold für die Finanzierung der Bürgerkriege Kolumbien? Und wie es in einem goldreichen Land zu einem friedlichen Miteinander breitragen? 

Obwohl Gold an vielen Stellen der Welt vorhanden ist, wird es nicht immer abgebaut. Um es zu fördern, müssen entweder tiefe Löcher gegraben oder Flussbetten umgewälzt werden. Es werden giftige Chemikalien gebraucht, um das Gold aus dem Geröll oder Schlamm lösen. Quecksilber oder Cyanid, besser bekannt als Blausäuren, binden den Goldstaub zu kleinen Nuggets.

Ein solches Thema zu untersuchen, stellt Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vor große Herausforderungen. Es ist notwendig entfernte Gebiete zu bereisen, in denen das Gold legal oder illegal abgebaut wird. Dort wird versucht, mit möglichst vielen Betroffenen zu sprechen. Mit manchen ist es einfach Kontakt aufzunehmen, wie z.B. mit Politikern oder Aktivisten. Anders mit ehemaligen Mitgliedern der Guerillaorganisation oder der Polizei. Zusätzlich wurde mit Hilfe von Satellitendaten und offiziellen Dokumenten versucht herauszufinden, wo das Gold gefördert wird.

Kleinschürfer oder große Unternehmen fördern das Gold mit großen Maschinen oder einfachem Werkzeug. Das Schlimme: Sobald das Gold gefördert ist, bleiben die Chemikalien in der Umwelt. Unternehmen oder illegale Schürfer, erzielen durch den hohen Goldpreis immense Gewinne. Wenn das Gold illegal gefördert wurde, dauert es nicht lange, bis bewaffnete Gruppen die Grabungen überwachen. Über ein Schutzgeld und Gewalt, kontrollieren diese Gruppen die Region. Außerdem steigen für alle die Preise, z.B. für Essen oder Verkehr. Gewalt und Prostitution nimmt zu. Man könnte meinen, dass legale Förderung diese Probleme nicht hat. Jedoch fordern auch legale Minen, einen teuren Tribut: Bei Unfällen wird Trinkwasser verschmutzt und den Bewohnern fehlt fruchtbares Land.

Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt schon, dass Gold den Ländern vor allem Nachteile gebracht hat. Schon Kolumbus nutzte es, um die Kolonialisierung des Kontinents zu voranzutreiben. Die ersten Eroberer plünderten alle Goldgegenstände die sie finden konnte. Später versklavten sie die Einheimischen zwecks Zwangsarbeit in den Minen. Dieser Zusammenhang zwischen Gold und Gewalt setzt sich bis heute fort. Die Frage ist, ob sich das ändern kann.

In der Wissenschaft wird von einem „Ressourcenfluch“ gesprochen, da der Abbau von Ressourcen mit negativen Seiten einhergeht. Dieser steht für die unterschiedlichen Auswirkungen auf die betroffenen Menschen, die Wirtschaft aber auch die Umwelt. Für Kolumbien konnte ich diesen Zusammenhang zwischen Bürgerkrieg und Goldabbau nachweisen. Vielen ist bekannt, dass Kokain den Bürgerkrieg finanzierte, aber illegaler Goldabbau war in manchen Jahren die wichtigere Einkommensquelle. Als ich mit einem ehemaligen Kommandanten der größten Guerillaorganisation der FARC darüber sprach, sagte er mir, „ein Teil des Geldes muss in Straßenbau investiert werden und etwa 10 % der Einnahmen nehmen wir als Steuern, um unseren Krieg zu finanzieren“.

Was passiert also nach Abschluss des Friedensvertrags mit dem Gold? Die Regierung plant das Gold durch internationale Unternehmen fördern zu lassen. Sie erhofft sich dadurch Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Außerdem soll dadurch der illegalen Abbau eingedämmt werden. Dagegen sagte ein Aktivist „Für uns ist das Wasser mehr wert als Gold“ und macht damit die Angst der Bewohner deutlich, dass Goldabbau unweigerlich zu Umweltverschmutzungen führt.

Um herauszufinden, ob illegaler Bergbau nach Bürgerkriegen abnimmt und ob der Abbau im großen Stil zu Frieden beitragen kann, sehen wir uns das Nachbarland Peru an. Auch dort herrschte vor 30 Jahren ebenfalls ein Bürgerkrieg. Die Forschungen zeigten, dass die damalige Guerillaorganisation der „Leuchtende Pfad“ das Gold nicht für den Bürgerkrieg nutze und illegaler Bergbau erst danach zum Problem wurde. Heute gibt es in Peru ungefähr genauso viel illegal geschürftes Gold wie in Kolumbien. Seit 30 Jahren gibt es aber zunehmend große Bergbauunternehmen, die ganze Bergkuppen in Mondlandschaften verwandeln. Dadurch ist Peru zu einem Bergbauland geworden, das einen Großteil seiner Wirtschaft über Bergbau vor allem Gold und Kupfer finanziert. Die Großminen, die häufig mehrere Hundert Meter Durchmesser haben, verursachen viele Konflikte mit den Bewohnern der umliegenden Dörfer. Sie protestieren gegen die Verschmutzung ihres Trinkwassers und den Verkauf ihres Landes. Ein Beispiel dafür, das ich mir genauer angeguckt habe, ist Huamachuco, im Norden des Landes. Hier gibt es sogar beides: illegalen und legalen Bergbau nebeneinander. Durch die hohe Feinstaubbelastung und das schlechte Trinkwasser sind viele Menschen krank. Trotzdem arbeiten viele in Minen, weil sie nur so die gestiegenen Preise bezahlen können. Ein Interviewpartner sagte: „Man sagt, der illegale Bergbau verschmutzt mehr … aber durch die abgebaute Menge verschmutzt der formelle Bergbau hundert mal mehr“.

Wenn wir die Ergebnisse nun auf Kolumbien übertragen, so droht diesem von Gewalt erschütterten Land Ähnliches: Auch hier befürchten viele, dass nach dem Abzug der Guerillaorganisation Investoren Gold abbauen, von dem die Bewohner kaum Nutzen haben. Sie haben Angst, dass die Unternehmen die Umweltstandards nicht einhalten und sie und ihre Landwirtschaft unter dem Goldbergbau leiden werden. Da trifft dann zu, was ein bedrohter Menschenrechtsaktivist in einem Interview sagte: „Der Frieden von Santos, ist nicht der Frieden den wir wollen. Denn dieser bedeutet die Guerilla auszuschalten, um das Land den Bergbauunternehmen zu übergeben“. Kurz nach diesem Interview musste er untertauchen, weil er, wie auch viele andere Kritiker, bedroht und fast ermordet wurde.

Was bedeutet nun diese Erkenntnis für uns? Deutschland, als 4. größter Goldkäufer der Welt trägt eine Verantwortung für die Einhaltung der Umweltstandards. Wir sollten bedenken, unsere eigenen Rohstoffsicherung nicht über die Wahrung von Menschen- und Umweltstandards setzen. Dazu braucht es gute Standards, die zumindest die Konsequenzen reduzieren und ein konsequentes Recycling. Beispielsweise könnte auch dazu beigetragen werden, dass Kleinbergbaukooperativen in ihrer Arbeit unterstützt werden. Als Wissenschaftler sollten wir uns mehr damit beschäftigen, wie Umwelt zum Aufbau eines langfristigen Friedens beitragen kann und welche „sauberen“ Verfahren zur Goldförderung entwickelt werden könnten. Und zu guter Letzt sollten wir uns, als Konsumenten, überlegen, ob Gold sich wirklich eignet, um unsere Liebe zu beweisen.


Dr. Dorothea Hamilton wurde 1986 in Heidelberg geboren, studierte später an der Philipps-Universität Marburg Geographie und Friedens- und Konfliktforschung. Sie absolvierte verschiedene Praktika und Feldforschungsaufenthalte in Lateinamerika – unter anderem in Peru, Kolumbien und Ekuador. Nach ihrer Promotion an der Uni Gießen lebt sie heute mit ihren Kindern in Marburg und ist derzeit mit ihrem vierten Kind in Elternzeit.

1 Kommentar

  1. “Schon Kolumbus nutzte es, um die Kolonialisierung des Kontinents zu voranzutreiben.”

    Globalisierung der “Dienstleistungsgesellschaft”, heißt der Kolonialismus heute!

    “In der Wissenschaft wird von einem „Ressourcenfluch“ gesprochen, da der Abbau von Ressourcen mit negativen Seiten einhergeht. Dieser steht für die unterschiedlichen Auswirkungen auf die betroffenen Menschen, die Wirtschaft aber auch die Umwelt.”

    Die URSACHE aller Probleme unseres symptomatischen “Zusammenlebens” ist der nun “freiheitliche” WETTBEWERB, ein menschenUNwürdig-konfusionierter Wettbewerb um die Deutungshoheit im zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf des imperialistisch-faschistischen Erbensystems, der sich derzeit mangels wirklich-wahrhaftiger Kommunikation zur atomaren Apokalypse steigert!

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