Mit Sonnenlicht zu grünen Treibstoffen

Für ihre Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2022 in der Kategorie Chemie veranschaulichte Mira Gamache, was sie für ihre Promotion erforscht hat.


Verfahren, die die natürliche Fotosynthese nachahmen, um mithilfe von Sonnenlicht verschiedene nützliche Produkte herzustellen, werden auch künstliche Fotosynthese genannt. Untersuchungen am Beispiel der Wasserstoffproduktion zeigen, worauf es bei diesen Verfahren wirklich ankommt.

Seit Jahrzehnten steigt der Kohlenstoffdioxid-Gehalt in unserer Atmosphäre – ein Trend, der sich durch die steigende Verbrennung von fossilen Brennstoffen mit den Jahren noch weiter verstärkt. Da es sich bei Kohlenstoffdioxid um ein potentes Treibhausgas handelt, hat dies drastische Auswirkungen auf unsere Umwelt. Der gesteigerte Treibhauseffekt führt zu höheren globalen Durchschnittstemperaturen und wirkt sich somit auf das weltweite Klima aus. Dadurch werden nicht nur ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht gebracht, sondern auch wir Menschen bekommen die Folgen schmerzhaft zu spüren.

Um den Klimawandel zu bekämpfen sind zahlreiche Maßnahmen nötig, die alle Teile unseres Lebens betreffen. Ein wichtiger Sektor ist die Energiegewinnung, die heute noch immer stark auf fossilen Rohstoffen wie Erdgas und Erdöl beruht. Um die Verbrennung dieser Rohstoffe und somit die dabei freiwerdenden Treibhausgase zu reduzieren, ist eine Verschiebung hin zu erneuerbaren Energien nötig. Die größte Energiequelle, die uns auf der Erde zur Verfügung steht, kommt in Form von Strahlung von der Sonne. Tatsächlich trifft so viel Energie auf die Erdoberfläche, dass innerhalb von weniger als zwei Stunden der globale Energiebedarf ein ganzes Jahr gedeckt werden könnte. Allerdings muss die Sonnenenergie zunächst einmal in eine für uns nutzbare Form umgewandelt werden. Unpraktischerweise ist der Energiebedarf jedoch oftmals nicht dann und dort am größten, wann und wo die Sonne am meisten scheint. Deswegen gilt es nicht nur, Sonnenenergie aufzufangen und umzuwandeln, sondern auch zu speichern.

Inspiriert von der natürlichen Fotosynthese arbeitet die Wissenschaft heute daran, Sonnenlicht nutzbar zu machen, indem die Energie in chemischen Bindungen gespeichert wird. Diese Bindungen können später durch Verbrennung gespalten werden. Dabei wird die gespeicherte Energie wieder freigesetzt und kann beispielsweise als Wärme oder Elektrizität genutzt werden.

In der natürlichen Fotosynthese nutzen Pflanzen die Energie des Sonnenlichts, um Wasser und Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff und Kohlenhydrate umzuwandeln. Während der Sauerstoff sozusagen als Nebenprodukt in die Atmosphäre entlassen wird, werden die Kohlenhydrate als Energiereserve eingespeichert. Bei der Rückgewinnung dieser Energie durch Verbrennung der Kohlenhydrate werden diese wieder in Kohlenstoffdioxid umgewandelt. Um dies zu vermeiden, bietet Wasserstoff eine interessante Alternative, da bei dessen Verbrennung ausschließlich Wasser produziert wird.

Umgekehrt kann Wasserstoff aus der Wasserspaltung gewonnen werden. Bei dieser Reaktion entstehen zwei Produkte: Sauerstoff und Wasserstoff. In meiner Arbeitsgruppe an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Université de Montréal untersuchen wir Systeme zur Wasserspaltung. Um das System jedoch zu vereinfachen, konzentrieren wir uns auf die Teilreaktion der Wasserstofferzeugung. Das untersuchte fotokatalytische System besteht dabei aus drei Hauptkomponenten.

  1. Einem Katalysator. Dieser ist in der Lage, Wasser zu spalten und Wasserstoff herzustellen.
  2. Einem Fotosensibilisator. Das ist ein lichtabsorbierendes Molekül, welches die absorbierte Energie nutzen kann, um Elektronen zu übertragen.
  3. Einer Elektronenquelle, auch Elektronendonor genannt. Dieser stellt die für die Wasserspaltung benötigten Elektronen zur Verfügung.
Schema der Energie der Elektronen während der künstlichen Fotosynthese: Ein Elektron (e-) des Fotosensibilisators (FS) wird durch Licht in einen angeregten Zustand angehoben. Dadurch kann ein Elektron vom Elektronendonor das entstandene Loch füllen. Das angehobene Elektron kann zum Katalysator hinabrollen. © Mira Gamache

In einem ersten Schritt nimmt der Fotosensibilisator Licht auf. Diese Energie nutzt er, um Elektronen vom Elektronendonor aufzunehmen. Die Elektronen werden dann an den Katalysator weitergegeben, welcher Wasserstoffionen von Wassermolekülen aufnimmt und daraus Wasserstoff herstellt. Am Ende des gesamten Zyklus sind sowohl Fotosensibilisator als auch Katalysator in ihre Ausgangszustände zurückgekehrt. Sie können nun den katalytischen Zyklus erneut durchlaufen, um mithilfe von Licht mehr Wasserstoff zu erzeugen.

In meinem Projekt widmete ich mich den Fotosensibilisatoren, da diese einen zentralen Teil des fotokatalytischen Systems darstellen und als solcher die Nutzung von Licht als Energiequelle ermöglichen. In meinen Untersuchungen wollte ich herausfinden, wie die Struktur des Fotosensibilisators dessen Eigenschaften und vor allem auch dessen Leistungsfähigkeit in der fotokatalytischen Wasserstoffproduktion beeinflusst. Zu diesem Zweck synthetisierte ich eine Auswahl von strukturell verschiedenen Fotosensibilisatoren, die einen breiten Parameterraum abdeckten. Somit konnte ich gezielt die Eigenschaften des Fotosensibilisators verändern und die Auswirkungen auf die Effizienz und Aktivität in der Wasserstoffproduktion untersuchen. Im Unterschied zu bereits vorliegenden Untersuchungen, stellt meine Arbeit die erste Studie dar, die konkret analysiert, wie sich diese Veränderungen auch auf die Leistung als Fotosensibilisator auswirken.

Ergebnisse der Wasserstoffproduktionsexperimente: Das System besteht aus einem Fotosensibilisator, einem Katalysator und einem Elektronendonor. Wenn Licht auf die Probe geschienen wird, entsteht Wasserstoff. Die Produktionsrate (in schwarz) ist sehr stabil für mehr als 10 Tage, sodass kontinuierlich Wasserstoff akkumuliert wird (in grün). © Mira Gamache

In meinen Untersuchungen konnte ich zeigen, dass insbesondere gut aufeinander abgestimmte elektrochemische Potentiale der einzelnen Komponenten wichtig sind. Elektrochemische Potentiale sind eine Größe, die beschreibt, wie einfach oder schwer ein Molekül ein Elektron aufnehmen oder abgeben kann. Man kann sich diese Größe wie die potentielle Energie, oder Höhenenergie, für Elektronen vorstellen. Wie ein Ball der bergab rollt, wird das Elektron die geringste potentielle Energie anstreben. Damit also ein Elektron vom Elektronendonor über den Fotosensibilisator an den Katalysator und letztendlich an ein Wasserstoffmolekül übertragen werden kann, ist es wichtig, dass das Elektron durchweg „Bergab-Rollen“ kann.

Als ein Mittelglied in der Elektronentransportkette muss der Fotosensibilisator in seiner Energie sowohl auf den Elektronendonor als auch auf den Katalysator abgestimmt sein. Erst wenn das gewährleistet ist, können auch die Auswirkungen der fotophysikalischen Eigenschaften beobachtet werden. Unter fotophysikalischen Eigenschaften versteht man all die Eigenschaften des Fotosensibilisators, die mit Licht zu tun haben. Absorbiert der Fotosensibilisator Licht, so wird er elektronisch angeregt. Das bedeutet, dass ein Elektron in einen energetisch höheren Zustand angehoben wird. Das begünstigt das „Bergab-Rollen“ des Elektrons vom Elektronendonor zum Fotosensibilisator. Der angeregte Zustand muss aber nicht nur die richtige Energie haben, sondern auch langlebig genug sein, damit dieser Elektronentransfer stattfinden kann. Strukturelle Änderungen am Fotosensibilisator beeinflussen sowohl die Energie als auch die Lebensdauer des angeregten Zustands. Auch eine stärkere Absorption von Licht – also von mehr Energie – wirkt sich positiv auf die Wasserstoffproduktion aus. Des Weiteren ermöglichte gezieltes strukturelles Design, die Verteilung der Elektronen im Fotosensibilisator zu verändern und damit die Übertragung eben dieser Elektronen an den Katalysator zu vereinfachen. Dadurch wurde, anders als in bisherigen Studien, eine langlebige und stabile Wasserstoffproduktion über Tage und sogar Wochen erreicht, ohne dass sich die einzelnen Komponenten innerhalb von wenigen Stunden zersetzten.

Kristallstruktur eines Fotosensibilisators: Röntgenstreuung erlaubt es uns, die genaue Struktur der Fotosensibilisatoren zu untersuchen und so Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften un der Struktur herzustellen. Inorg. Chem. 2021, 60, 1, 292–302. https://doi.org/10.1021/acs.inorgchem.0c02955. Copyright © 2021, American Chemical Society

Die gesammelten Ergebnisse können in der weiteren Entwicklung von Fotosensibilisatoren genutzt werden, um abgestimmt auf die anderen Komponenten des Wasserstoffproduktionssystems, sprich den Elektronendonor und den Katalysator, die idealen Eigenschaften des Fotosensibilisators zu identifizieren. Im Anschluss lassen sich die Erkenntnisse über die Auswirkungen der strukturellen Änderungen am Fotosensibilisator dazu nutzen, gezielt Fotosensibilisatoren zu entwerfen, die die gewünschten Eigenschaften aufweisen. Auch andere fotokatalytische Systeme können von diesem Fotosensibilisatoren profitieren, beispielsweise zur Herstellung von anderen solaren und grünen Brennstoffen.


Mira Gamache studierte Chemie an der Universität Würzburg, mit Auslandsaufenthalten an der Heriot-Watt University, Schottland, und dem Institut de Recherche d’Hydro Québec, Kanada. Ihre Promotion führte sie in einem binationalen Projekt an der Universität Würzburg und der Université de Montréal (Kanada) durch. Dabei beschäftigte sie sich mit der lichtgetriebenen Spaltung von Wasser zur Erzeugung von Wasserstoff. Während eines zweijährigen Postdoc-Aufenthaltes in Uppsala, Schweden, untersuchte sie, wie künstliche Fotosysteme mit natürlichen Katalysatoren kombiniert werden können, um in lebenden Bakterien Wasserstoff zu produzieren. Seit September 2023 arbeitet Mira Gamache als Koordinatorin der Kooperationsplattform MAT4HY.NRW zum Thema Wasserstoffelektrolyse an der Ruhr-Universität Bochum.

6 Kommentare

  1. Silizium-Solarzellen haben einen Wirkungsgrad von rund 20 Prozent.
    Die alkalische Elektrolyse hat einen Wirkungsgrad von rund 70 Prozent.
    Beides zusammen hat also einen Wirkungsgrad von rund 14 Prozent.
    Beide Systeme sind auch relativ langlebig.
    Diese Leistungen zu übertreffen wird schwierig sein.
    Zum Vergleich:
    Mehrzellige Landpflanzen haben einen Wirkungsgrad von rund 2 Prozent.
    Einzellige Algen haben einen Wirkungsgrad von rund 6 Prozent.

  2. Bezüglich “Klartext”. Bei der Graphik oben und der gezeigten starken Abnahme der Wasserstoffproduktion bereits innerhalb von Tagen und von “sehr stabil” zu reden ist etwas gewagt…

  3. @Karl Bednarik
    Nehmen wir mal an: Ein Hektar Wald kann pro Jahr eine bestimmte Menge Brennstoff (in Form von Holz) produzieren

    Silizium-Solarzellen haben einen Wirkungsgrad von rund 20 Prozent.
    ……….
    Zum Vergleich:
    Mehrzellige Landpflanzen haben einen Wirkungsgrad von rund 2 Prozent.

    Heisst das jetzt konkret. Würde man diesen Wald abholzen und statt dessen mit Solarzellen zu pflastern.
    Könnte man dann die 10fache Energie Energie in Form von anderen Brennstoffen ernten?

    • Beispiele von Wirkungsgraden:
      Die Solarzelle ist hier in der vierten Zeile,
      die Elektrolyse von Wasser ist hier in der
      vorletzten Zeile des ersten Blocks,
      die Photosynthese (Erzeugung von Biomasse und
      anschließende Verbrennung) ist hier in der letzten Zeile.
      Bitte nicht verwechseln mit der Photosynthese-Reaktion,
      weil mehrzellige Landpflanzen auch noch viele andere
      Vorgänge machen müssen.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Wirkungsgrad#Beispiele
      Eine gute Methode zur Herstellung von Einzellerprotein
      ist die Verwendung von Wasserstoff oxidierenden Bakterien,
      die Kohlenstoffdioxid und Stickstoff verarbeiten können.
      Diese Methode ist der Lanwirtschaft in allen Teilbereichen
      um mehr als das zehnfache überlegen.
      https://science.orf.at/stories/3200087/

  4. Den Wirkungsgrad der Photosynthese mit dem Wirkungsgrad einer Solarzelle zu vergleichen ist vordergründig beeindruckend, weil der Wirkungsgrad einer Pflanze hier nur 10 % der einer Solarzelle aufweist.
    Aber man vergisst dabei, dass sich die Pflanze auch reproduziert, was die Solarzelle nicht kann. Die hat eine Lebenszeit von etwa 15 Jahren, während die Pflanze z.B. bei einem Baum in Hunderten von Jahren gerechnet wird.

    Die Abfolge der chemischen Reaktionen bei der Photosynthese sind noch nicht vollständig erforscht . Dieses Geheimnis zu lüften, das wäre den heiligen Gral der Biochemie zu finden.

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