Schönheitstherapie für kranke Gehirnzellen

Für ihre Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2022 in der Kategorie Neurowissenschaften veranschaulichte Teresa Alberts, was sie in ihrer Promotion erforscht hat.


Zitternde Hände, ein starres Gesicht und ein unsicherer Gang – das sind die Symptome der Parkinson-Erkrankung. Medikamente wirken meist nur im frühen Stadium der Erkrankung. Deshalb untersuchte ich in meiner Doktorarbeit eine neue Therapie-Idee. Diese kommt eigentlich aus der Schönheitsindustrie: Kann das Antifalten-Medikament Botox auch Parkinson-Patienten helfen?

Als Neurowissenschaftlerin fasziniert mich, wie das Gehirn unsere Bewegungen steuert. Läuft dabei etwas schief, kommt es zu starken Einschränkungen im Alltag der betroffenen Patienten. In meiner Doktorarbeit forschte ich zu genau dieser Art von Erkrankung. Bei der Parkinson-Erkrankung sterben Zellen im Gehirn ohne klare Ursache ab. Typische Symptome sind das Zittern der Hände, eine starre Mimik und ein unsicherer Gang. Die verfügbaren Therapien führen nicht zur Heilung und wirken meist nur in den ersten Jahren nach Ausbruch der Erkrankung. Danach scheint sich das Krankheitsbild zu verändern, die Symptome kehren zurück und der Patient spricht immer schlechter auf die Therapie an. Zusammen mit meiner neurowissenschaftlichen Arbeitsgruppe in Rostock untersuchte ich eine neue Therapie-Idee. Das Prinzip der Idee stammt eigentlich aus der Schönheitsindustrie: Das Antifalten-Medikament Botox blockiert den Botenstoff Acetylcholin. Acetylcholin ist auch bei der Parkinson-Erkrankung pathologisch erhöht. Ich stellte mir die Frage: Kann Botox helfen die Parkinson-Erkrankung zu bekämpfen? Vollständig konnte ich dies in meiner Doktorarbeit nicht klären, aber ich bin der Antwort ein gutes Stück näher gekommen.

Abbildung 1: Nervenzelle (gelb) in der schwarzen Substanz im mittleren Teil des Gehirns (Ausschnitt rote Lupe) schüttet den Botenstoff Dopamin aus. ©Teresa Alberts

Viele von uns denken über Bewegungen im Alltag nicht nach, weil sie so selbstverständlich sind. Ob man an der Fußgängerampel stehen bleibt, nach einer Gabel greift oder einen Schluck Wasser aus einem Glas trinkt – es funktioniert wie von selbst. Das liegt daran, dass gewohnte Bewegungen in unserem Gehirn gespeichert werden und wir sie mit etwas Übung intuitiv abrufen. Die weltweit rund 4 Millionen Parkinson-Patienten hingegen haben Schwierigkeiten, diese Bewegungen zu kontrollieren. Für sie bedeuten gerade solche Alltagsbewegungen eine große Herausforderung.

Bei der Parkinson-Erkrankung sterben Zellen im Gehirn ab, die normalerweise aktiv sind, wenn wir uns bewegen. Das Besondere dieser Zellen ist, dass sie sich nicht gleichmäßig über das Gehirn verteilen, sondern wie eine kleine Insel in der schwarzen Substanz im mittleren Teil des Gehirns liegen. Dort produzieren sie den wichtigen Botenstoff Dopamin (siehe Abbildung 1). Botenstoffe geben Informationen weiter, es sind die Postboten des Gehirns. Dopamin liefert die Information: „Beweg dich!“. Fehlt das Dopamin wie bei der Parkinson-Erkrankung, wird die Bewegung verzögert oder ungenau ausgeführt, bleibt häufig sogar ganz aus. Der Patient stoppt bereits zwei Meter vor der Fußgängerampel, greift ein Stückchen neben die Gabel oder führt das Glas Wasser seitlich an den Mund. Hinzu kommt ein starkes Zittern der Hände, das den Alltag für die Parkinson-Patienten zusätzlich erschwert.

Dopamin ist nicht der einzige Botenstoff, der bei der Parkinson-Erkrankung verändert ist. Im Gehirn gibt es mindestens 25 verschiedene Botenstoffe. Sie stehen in regem Austausch miteinander und in einem empfindlichen Gleichgewicht zueinander. Sinkt oder steigt die Konzentration eines Botenstoffs, beeinflusst dies auch die Produktion anderer Botenstoffe im Gehirn. Die reduzierte Menge des Botenstoffs Dopamin bei der Parkinson-Erkrankung führt wie in einer Kettenreaktion zu einer erhöhten Produktion des Botenstoffs Acetylcholin. Dies verschlimmert die Bewegungsprobleme, indem es maßgeblich das Zittern der Hände auslöst. Aus dieser Beobachtung resultiert die schon länger bekannte Therapie-Idee, die erhöhte Konzentration an Acetylcholin im Gehirn durch Medikamente zu verringern und so die Symptome der Parkinson-Erkrankung abzuschwächen. Jedoch hat die Gabe solcher Medikamente bisher zu starken Nebenwirkungen geführt, da nicht nur das Acetylcholin im Gehirn, sondern auch im restlichen Körper angegriffen wurde.

Abbildung 2: Ein Molekül, das an die Dopamin Bindungsstellen im Gehirn bindet, wird mit einem radioaktiv-leuchtenden Isotop markiert. Hierfür wird eine Molekülgruppe (orange) abgespalten und durch ein radioaktives Isotop (grün) ersetzt. ©Teresa Alberts

 

Der neuartige Therapie-Ansatz unserer Rostocker Arbeitsgruppe ist, das erhöhte Acetylcholin nur lokal im Gehirn zu verringern. Ein Stoff, der das könnte, ist das Medikament Botox. Botox ist eigentlich bekannt aus der Antifalten-Behandlung: Eine Spritze Botox lähmt den entsprechenden Bereich der Gesichtsmuskulatur, die deswegen die Haut nicht mehr in Falten ziehen kann. Die Lähmung entsteht, da Botox den Botenstoff Acetylcholin in den Muskelzellen blockiert. Kann Botox Acetylcholin auch im Gehirn blockieren? Um das zu überprüfen, nutze unsere Forschungsgruppe ein Tiermodell mit einem Parkinson-ähnlichen Zustand. Wir gaben Botox in den betroffenen Bereich des Gehirns und zeigten, dass das lokal verabreichte Botox die Bewegungssymptomatik verbessert. In einem zweiten Schritt beleuchteten wir mit Hilfe der Methode Positronen-Emission-Tomografie, wie diese Wirkung entsteht. Für die Positronen-Emission-Tomografie markierten wir ein Molekül, das an die Dopamin Bindungsstellen im Gehirn bindet, mit einem radioaktiv-leuchtenden Isotop (siehe Abbildung 2). Die Verteilung dieses radioaktiv-markierten Stoffes verfolgten wir dann mit einem Detektor und erzeugten farbgewichtete Bilder der betroffenen Gehirnregion (siehe Abbildung 3). Unsere Forschungsgruppe fand so heraus, dass sich durch die Botox-Gabe und die damit verbundene Blockierung von Acetylcholin eine Bindungsstelle des Dopamins im Gehirn wieder auf ein gesundes Level reduziert. Dies verbessert die Bewegungsproblematik in unserem Modell deutlich.

In meiner Doktorarbeit konnte ich das mögliche Therapie-Potenzial einer lokalen Botox-Gabe aufzeigen. Wie die biologischen Mechanismen dahinter funktionieren und wie die Blockierung von Acetylcholin die Bindungsstelle des Dopamins verändert, konnte ich nicht abschließend klären – hier sind weitere Experimente notwendig. Auch der Weg von unserer Grundlagenstudie im Parkinson-Modell bis in den Patienten ist noch ein weiter. Aber vielleicht wird in einigen Jahren ein Medikament aus der Schönheitsindustrie den kranken Gehirnzellen von Parkinson-Patienten helfen können.

 

Abbildung 3: Verteilung des radioaktiv-markierten Stoffes in der untersuchten Gehirnregion in einem farbgewichteten Bild. Gezeigt wird der Unterschied zwischen einer gesunden Kontrolle (schwächere Rotfärbung) und einem Parkinson-Modell (stärkere Rotfärbung). ©Teresa Alberts

 


Teresa Alberts studierte Biotechnologie, sowie Medizinische Biotechnologie an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und der Universitätsmedizin Rostock. Schon früh faszinierte sie die Erforschung medizinischer Grundlagen im Gehirn und im Nervensystem des Menschen. Nach ihrer Doktorarbeit über die Parkinson-Erkrankung am Institut für Anatomie Rostock wechselte die junge Wissenschaftlerin in den Bereich des Wissenschaftsmanagements. Dort interessiert und engagiert sie sich seit 2021 besonders für die Nachwuchsförderung und Wissenschaftskommunikation. Aktuell ist Teresa Alberts mit ihrem zweiten Kind in Elternzeit.

1 Kommentar

  1. Die beiden Beispiel-Abbildungen (PET der Gehirne von “Parkinson-Maus” und “Normalmaus”) sehen für mich praktisch gleich aus. Sind das Originalbilder aus Ihrer Studie?

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