P2F – Freak-Wissen oder Existenzsicherung?

Für ihre Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2022 in der Kategorie Chemie veranschaulichte Hannah Kirsch, was sie in ihrer Promotion erforscht hat.


Der globale Klimawandel und seine Folgen gefährden die Natur und die Lebensgrundlage der Menschen. Doch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten an Lösungen für eine nachhaltige Zukunft, zum Beispiel wie CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe hergestellt werden können. P2F (sprich „ptuf“) – was freakig klingt, kann dazu beitragen, unsere Existenz zu sichern.

Die Klimakrise ist eine der existenziellen Krisen der Welt laut Ökonom Joseph Stiglitz. Die Fakten zum Klimawandel sind alarmierend. Die globale Erderwärmung ist seit dem Beginn der Industrialisierung kontinuierlich angestiegen und beträgt derzeit ungefähr 1 °C bezogen auf die Jahre 1850-1900. Insbesondere die Temperaturzunahme hat sich immer mehr beschleunigt. Vorwiegend in den letzten Jahren konnten einige Temperaturrekorde seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vermerkt werden. Die drei wärmsten bisher erfassten Jahre sind die Jahre 2019, 2020 und 2016. Bereits mit der aktuellen Erwärmung sind wir in vielen Regionen mit häufigeren und stärkeren Extremwetterereignissen konfrontiert. Aber auch mit den indirekten Folgen werden sich die Menschen auseinandersetzten müssen: zum Beispiel, dass Nahrungsmittel knapp werden oder Krankheitserreger sich verbreiten.

Die Hauptursache des globalen Klimawandels ist, dass die Menschen Treibhausgase, darunter Kohlendioxid (CO2), ausstoßen. Der Weltklimarat ruft die Weltgemeinschaft nachdrücklich dazu auf, die globale Erderwärmung auf 1,5 °C zu beschränken, da die klimabedingten Risiken stark davon abhängen, wie hoch sich die Erde aufheizen wird. Dafür müssen wir jedoch den Nettoausstoß von Treibhausgasen sehr schnell erheblich senken und innerhalb der nächsten zwanzig bis dreißig Jahre weltweit auf null reduzieren.

Der Verkehrssektor ist weltweit für etwa 23% des energiebezogenen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Außerdem ist der verkehrsbedingte Ausstoß in den letzten 50 Jahren aufgrund der stetig wachsenden Weltbevölkerung und des zunehmenden Lebensstandards stark angestiegen. Dieser wird voraussichtlich in den nächsten Jahren sogar noch weiter ansteigen, wenn der Verkehrssektor sich weiterhin auf konventionellen erdölbasierten Kraftstoffen wie Diesel und Benzin stützt. Die Umstellung hin zu einer nachhaltigen Mobilität verläuft schleppend und reicht nicht! In der nahen Zukunft müssen sich also die Entwicklungen im Verkehrssektor erheblich beschleunigen, um die sogenannte Verkehrswende rechtzeitig zu realisieren.

©Hannah Kirsch

Was ist nun aber P2F? Was auf den ersten Blick wie eine mathematische Formel wirkt, ist ein Kürzel für ein chemisches Verfahren. Mit „Power-to-Fuel“, auf Deutsch „Strom-zu-Kraftstoff“ bezeichnet man Prozesse, die Kohlendioxid und Wasser mit elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen, z.B. Sonne oder Wind, in Kraftstoffe umwandeln. Unabhängig von dem genauen Verfahren ist Kohlendioxid Ausgangsstoff. Dieses kann entweder aus Industrieabgasen oder direkt aus der Luft abgetrennt werden; eine weitere Alternative ist CO2 aus Biomasse zu gewinnen. Das reaktionsträge Kohlendioxid muss als nächstes dann aktiviert werden. Hier bietet sich beispielsweise das reaktionsfreudige Molekül Wasserstoff an, welches durch Elektrolyse, d.h. Zersetzen von Wasser, erzeugt werden kann. Schlussendlich entsteht der Kraftstoff über in der Regel mehrere Verfahrensschritte. Die so hergestellten Kraftstoffe sind CO2-neutral, da das Verbrennen des Kraftstoffes zwar CO2 freisetzt, jedoch zuvor, beim Herstellen, CO2 der Atmosphäre entzogen wurde.

Genau hier kommt meine Arbeit ins Spiel. Unser Ziel war es, CO2-neutralen synthetischen Diesel als Ersatz für den konventionellen erdölbasierten Diesel herzustellen. Der Schwerlastverkehr setzt vorwiegend Dieselkraftstoff ein, da dieser auf große Reichweiten angewiesen ist. Daher sind alternative Konzepte wie Elektroantriebe für den Schwerlastverkehr weniger geeignet. Ein weiterer Vorteil von synthetischem Dieselkraftstoff ist, dass dieser direkt eingesetzt werden kann – mit der vorhandenen Infrastruktur des Tankstellennetzes und der aktuellen Motorentechnologie.

Wenn CO2-neutraler Dieselkraftstoff hergestellt wird, müssen allerdings die Rahmenbedingungen unbedingt beachtet werden. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen, zum Beispiel durch Windkraft oder Photovoltaikanlagen, fluktuiert. Windstärke, Wolkenbildung und Tag/Nacht-Wechsel führen zu Schwankungen. Dieses volatile Stromangebot stellt große Anforderungen an die Stabilität und Flexibilität von P2F-Verfahren. Darüber hinaus wird Strom aus erneuerbaren Energiequellen stärker lokal generiert als aus konventionellen Energiequellen. In Deutschland sind die (Off-shore) Windanlagenparks beispielsweise meist im Norden angesiedelt. Diese Aspekte verdeutlichen, dass für P2F-Anlagen andere Produktionskonzepte als für konventionelle industrielle Großanlangen erforderlich sind. Kleinskalige flexible Anlagen sollen eine dezentrale Produktion von synthetischen Kraftstoffen direkt am Ort des Energieanfalls ermöglichen. Dadurch werden Transportverluste und -kosten minimiert.

©Hannah Kirsch

Prozesse, die in großem Maßstab kommerziell betrieben werden können, auch im kleinen Maßstab wirtschaftlich umzusetzen, ist herausfordernd. Daher entwickelte unsere Arbeitsgruppe am Karlsruher Institut für Technologie neue Prozessdesigns. Wichtig hierbei ist, dass die Anzahl der Prozessschritte minimiert wird, ohne natürlich an Qualität und Effizienz zu verlieren. Man kann sich das vereinfacht wie bei dem neuen Kochtrend „One-Pot-Pasta“ vorstellen. Dabei reduziert man die Zubereitungsschritte und kocht Soße und Nudeln zusammen bei gleichen Bedingungen in einem Topf.

In meiner Arbeit konnte ich nun mit Hilfe von Laborexperimenten in Versuchsanlagen kombiniert mit mathematischen Modellen zeigen, dass ein integrierter Prozess, um CO2-neutrale Dieselkraftstoffe ähnlich dem „One-Pot“-Prinzip herzustellen, nicht nur technisch möglich ist, sondern auch bei verschiedenen Bedingungen stabil und effizient betrieben werden kann. Wir konnten praktisch anwendbare Prozessdesigns für kleinskalige Anlagen entwerfen, die platzsparend und wirtschaftlich sind.

Was auf dem Papier relativ einfach klingt, ist natürlich beim praktischen Umsetzen mit vielen kleinen und größeren unvorhergesehen Problemen gespickt. Motiviert hat mich persönlich immer, dass ich an einem brennenden Thema unserer Gegenwart mitarbeite – Nachhaltigkeit und die Vision einer grünen Zukunft. „Naturwissenschaften sind doch kein Freak-Wissen, mit den sich weltfremde Genies im Labor oder zwischen Bücherregalen beschäftigen, sondern Lebenswissen“ wie die bekannte Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim sagte.

Ein wichtiger Meilenstein für die zukunftsweisende Forschung im Bereich CO2-neutraler Kraftstoffe ist auch, die relevanten Forschungsergebnisse erfolgreich in die Wirtschaft zu transferieren. Im Rahmen von Forschungsprojekten mit Partnern aus der Forschung und der Industrie werden die entwickelten neuen Technologien in Pilotanlagen schon angewendet. Ein Beispiel ist hier das „Energy Lab 2.0“ des KIT. Nichtsdestotrotz ist es noch ein weiter Weg zur nachhaltigen grünen Mobilität der Zukunft. Neben der technischen Realisierung wird auch der Preis der synthetischen Kraftstoffe einen entscheidenden Einfluss haben, ob sich diese gegenüber konventionellen Kraftstoffen durchsetzen können. Politische Strategieentscheidungen zum Eindämmen des Klimawandels, wie das Einführen einer weltweiten CO2-Steuer, beeinflussen die wirtschaftliche Attraktivität von synthetischen Kraftstoffen und können diese gegenüber fossilen Kraftstoffen schnell wettbewerbsfähig machen.


Hannah Kirsch studierte Chemieingenieurwesen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). In ihrer Promotion am Institut für Mikroverfahrenstechnik, KIT forschte sie an der Herstellung von CO2-neutralen synthetischen Kraftstoffen für eine nachhaltige Mobilität der Zukunft. Seit dem Abschluss ihrer Arbeit im Jahr 2021 arbeitet sie in der chemischen Industrie im Bereich Forschung und Entwicklung.

2 Kommentare

  1. Das hört sich gut an,
    “Dieses CO² kann entweder aus Industrieabgasen oder direkt aus der Luft abgetrennt werden; eine weitere Alternative ist CO2 aus Biomasse zu gewinnen.”

    aber wie gewinnt man CO² direkt aus der Luft ? Und was kostet dieses Verfahren ?
    Ist es das gleiche Verfahren wie bei Climeworks in der Schweiz oder auf Island?

  2. Nachtrag
    wie hoch ist der Gesamtwirkungsgrad ihres neuen Verfahrens.
    Im Prinzip konkurrieren sie mit der Brennstoffzelle, die hat einen Gesamtwirkungsgrad von 30%.
    Haben Sie auch bedacht, dass alle Wärmekraftmaschinen von vornherien nur auf 30 % kommen.
    Und jetzt müssen sie zusätzlich CO² zu Kohlenwasserstoffe umbauen, was auch mit Verlusten belastet ist.

    Bitte etwas ausführlicher. Die Mitleser bei Spektrum der Wissenschaft sind naaturwissenschaftlich vorgebildet.

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