Mit Licht Chemie machen, oder: Wie man mit Vakuum und Lasern von der Natur lernen kann

Für seine Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2022 in der Kategorie Chemie veranschaulichte Moritz Eder, was er in seiner Promotion erforscht hat.


Sonnenlicht als Energiequelle für chemische Reaktionen zu nutzen ist keine neue Idee. Die Natur tut dies ganz selbstverständlich, zum Beispiel in der bekannten pflanzlichen Photosynthese. In Chemielaboren wird diese Methode erst seit gut einhundert Jahren untersucht und angewandt, hat aber nie Einfluss auf großtechnische chemische Verfahren genommen, die nach wie vor auf fossile Brennstoffe als Hauptenergiequelle zurückgreifen. Könnte man die Energie, die für eine Reaktion nötig ist, aus Licht statt aus Verbrennungswärme beziehen, wäre das ein unschätzbarer Gewinn, denn Solarenergie ist nachhaltig und wird Tag für Tag in großen Mengen geliefert. Um die Photochemie effizient einsetzen zu können, müssen wir allerdings genau verstehen, wie sie funktioniert.

Ich hatte stets eine Standardantwort auf die Frage „Und was machst du da so in deiner Promotion?“, die da lautete: „Ich schieße mit Lasern auf Oberflächen im Vakuum, auf denen Moleküle sind, und schaue, was passiert“. Oft war das Interesse an diesem Punkt bereits abgeklungen und das Gespräch drehte sich geschwind um etwas anderes. Manchmal kam aber tatsächlich die Folgefrage: „Warum sollte man sowas tun?“ Ehrlich gesagt: Zum einen macht es schlicht und ergreifend Spaß. Zum anderen ist es wissenschaftlich spannend, und nicht zuletzt sehr vielversprechend was die praktische Anwendung betrifft: Wir wollen die Energie des Lichtes für chemische Reaktionen nutzen.

Das Zauberwort auf die Fragen nach dem Was und Warum lautet Photokatalyse. Falls jetzt Erinnerungen an den Biologieunterricht und die Photosysnthese wach werden, geht es in die richtige Richtung. Im Prinzip tut die Natur mit Sonnenlicht genau das, was wir im Labor mit unseren Lasern versuchen: Sie nutzt die Lichtenergie („Photo“) für chemische Reaktionen, um Moleküle zu bauen („Synthese“). So stellen unzählige Pflanzenarten Zucker und Sauerstoff aus CO2 und Wasser mit einem Katalysator her, indem sie die Energie des Sonnenlichts dafür nutzen. Und das tun sie weltweit Tag für Tag, Sekunde um Sekunde, im gigantischen Maßstab. Von einer derartigen Effizienz bei der chemischen Nutzung der Sonnenenergie ist die Menschheit leider verdammt weit weg. Während die Natur die Photochemie meisterhaft beherrscht, steckt der technische Level noch in den Kinderschuhen. Deshalb nutzen große chemische Prozesse als Hauptenergiequelle nach wie vor Strom und Wärme aus dem Verheizen fossiler Brennstoffe. Aus genau diesem Grund schieße ich mit Lasern auf Oberflächen im Vakuum, auf denen Moleküle sind, und schaue, was passiert: Wir wollen genau verstehen, was sich bei der Photokatalyse im Detail abspielt, um sie letzten Endes technisch zu nutzen. Aber warum mit Lasern, Vakuum und Oberflächen?

Eine Vakuumkammer in den Laboren der Chemiefakultät an der TU München für Photochemische Untersuchungen.

Beim Nacheifern natürlicher, biologischer Prozesse haben wir in der Chemie ein großes Problem: die Natur ist sehr komplex und ausgefeilt. Die Organismen, welche Photochemie betreiben, nutzen dazu viele Enzyme, Proteine und kleine Moleküle, deren genaue Aufgaben uns manchmal gar nicht und oft nur schwammig bekannt sind. Doch selbst wenn sie uns bekannt wären, gelänge es momentan wohl kaum, diese filigranen Strukturen technisch „nachzubauen“. Wir müssen uns die Sache also einfacher machen und auf das allernötigste herunterbrechen, wenn wir photochemische Prozesse technisch anwenden wollen. Bevor wir uns mit höherer Mathematik beschäftigen, lernen wir zunächst das Einmaleins. Dazu dienen uns der Laser, das Vakuum und die Oberflächen.

Der Laser ist unsere Lichtquelle. Er liefert uns sehr intensives, in einem Strahl gebündeltes Licht, welches monochromatisch ist. Das bedeutet, es hat nur eine Wellenlänge, also eine Farbe. Sonnenlicht hat ein breites Spektrum an Wellenlängen, was die Sache bereits kompliziert macht, denn nur bestimmte Ausschnitte aus dem Spektrum sind photochemisch nutzbar. Zudem ist es im Vergleich zum Laser wenig intensiv (außerdem schwankt die Intensität stark) und nicht bei Bedarf einschaltbar. Diese Punkte machen also Sonnenlicht für photokatalytische Forschung im Labor unpraktisch und zeigen die Vorzüge des Lasers als Licht- und damit Energiequelle.

Das Vakuum ist die Umgebung, in welcher wir eine Photoreaktion untersuchen. Der Sinn des Vakuums ist der, dass unsere Reaktion hier eigentlich gar keine Umgebung hat, denn in so einem Vakuum ist es ja doch recht leer. Die Umgebung beeinflusst chemische Prozesse immer, und wenn wir unsere Photoreaktion als solche verstehen wollen, muss die Umgebung zunächst einmal ausgeblendet werden. Nicht nur können Temperatur und Druck einen Einfluss haben; auch die Moleküle einer umgebenden Flüssigkeit oder eines Gases können unseren Katalysator verändern oder in unsere photokatalytische Reaktion eingreifen. Um das zu vermeiden, arbeiten wir eben ohne Umgebung – im Vakuum.

Mit Oberflächen sind die Oberflächen eines Katalysators gemeint, welcher eine chemische Reaktion enorm beschleunigt, dabei aber selbst nicht verbraucht wird. In der Photokatalyse fängt unser Katalysator die Lichteinstrahlung des Lasers ein und wandelt mit der aufgenommenen Energie die Moleküle chemisch um, die auf der Oberfläche sitzen. Halbleiter sind für diesen Job besonders gut geeignet, wobei vor allem Titandioxid (TiO2) in der Forschung beliebt ist. Es ist billig, ungiftig, gut verfügbar (und als fein verteilte Partikel übrigens auch in weißer Wandfarbe und Sonnencreme enthalten). Das macht es für eine technische Nutzung ebenfalls interessant, bei welcher man auf praktische, wirtschaftliche Faktoren achten muss. Unser Titandioxid-Photokatalysator besteht aber nicht aus kleinen Partikeln (obwohl auch das möglich wäre), sondern aus einem einzigen Kristall. Während Pulverpartikel verschiedene Oberflächen haben, findet man beim Kristall eine atomar exakt strukturierte Oberfläche, was beim Verständnis chemischer Prozesse enorm hilft.

Nun haben wir also Laser, Vakuum und Oberfläche – fehlen noch die Moleküle, die wir ja photokatalytisch umsetzen wollen. Dazu nehmen wir Alkohole, denn es gibt sie mit vielerlei Strukturen und Größen, sodass wir aus einem breiten chemischen Spektrum schöpfen können. Zudem können sie bei biologischen Prozessen, wie z.B. Gärungen, und aus Biomasse gewonnen werden und sind daher ein nachhaltiger Rohstoff. Der bekannteste Alkohol ist natürlich der trinkbare Ethanol, aber auch sein kleiner gemeiner Bruder Methanol ist bekannt – der macht nämlich nach Genuss blind…

Von der Verträglichkeit einmal abgesehen, lassen sich Alkohole photokatalytisch auf unserer Katalysatoroberfläche ausgezeichnet umsetzen. Mittels dieser Alkohol-Photochemie erhalten wir neben verschiedenen organischen Molekülen auch Wasserstoff als Reaktionsprodukt. Man kann also aus Alkoholen als nachhaltigem Rohstoff den wertvollen Wasserstoff photokatalytisch erzeugen, wobei uns sehr milde Bedingungen genügen. Im Vergleich dazu verlangt die industrielle Wasserstofferzeugung z. B. aus Methan hohe Drücke und Temperaturen, was nicht nur teuer ist, sondern auch große Mengen an Treibhausgasen freisetzt. Diese Nachteile hat unsere photokatalytische Methode nicht und stellt daher einen vielversprechenden Ansatz für eine umweltfreundliche Chemie von morgen dar.

Die Photochemie, wie wir sie betreiben, ist so sicher nicht technologisch im großen Maßstab einsetzbar. Denn vom Laser zum Sonnenlicht, vom Vakuum zum Raumdruck und vom Kristall zum Pulver ist es durchaus ein großer Sprung. Doch unsere Forschung trägt dazu bei, die zugrunde liegende Chemie der Photokatalyse immer besser zu verstehen, die Katalysatoren zu verbessern und schließlich für praktische, technische Chemie zu designen und anzuwenden. Indem man mit Lasern auf Oberflächen im Vakuum schießt, auf denen Moleküle sind, tragen wir also dazu bei, eine nachhaltige Methode für technische chemische Prozesse zu entwickeln.

Eines der langfristigen Ziele ist es, Sonnenlicht für die Photokatalyse zu nutzen.

Moritz Eder studierte Chemie an der TU München. Sein Spezialgebiet sind katalytische Reaktionen auf Oberflächen. In seiner Doktorarbeit hat er die chemischen Mechanismen von Alkoholen untersucht, die sich auf Halbleitern unter Lichtbestrahlung abspielen. Seit Januar 2022 ist er Postdoktorand an der TU Wien, wo er seine Forschung mithilfe mikroskopischer Methoden fortsetzt. Sein Forschungsprojekt SCI-PHI wird ab September 2023 mit einem Marie-Curie-Stipendium der EU gefördert.

3 Kommentare

  1. Alkohol oxidiert exogen zu Aldehyd.
    Mit einem Katalysator lässt sich die Reaktion beschleunigen.
    Mit Anregung durch einen Laser noch viel mehr.
    Frage: Wie viel schneller läuft so eine Reaktion mit einem Katalysator ab.
    Welches ist die ideale Temperatur dabei ?
    Technische Angaben sind erwünscht. Bei welcher Lichtfrequenz ?

  2. Es freut mich ungemein, daß es intelligente Menschen gibt, die bereit sind, lösungsorientiert neue Wege zu beschreiten – und beispielsweise natürliche Prozesse dergestalt zu analysieren, um sie für die extremen Herausforderungen unserer Zeit zu nutzen! Viel zu lange wurde mit menschlicher Hybris ignoriert, was die Natur längst in irgendeiner Form gemeistert hatte …

  3. Sie haben gegen das Vakuum geketzert – etwas, woraus fast das ganze Universum besteht. Sterne und Galaxien sind bloß bedeutungslose Anomalien. Es sind nicht die Fische, die die Gezeiten und den Golfstrom schaffen. Etwas mehr Respekt, bitte. Und vor allem – wissenschaftliches Interesse.

    Wobei ich da relativieren möchte, weil ich es manchmal sinnvoller finde, das Vakuum als etwas zu sehen, das die Lichtgeschwindigkeit reduziert, sodass dadurch die interstellaren Weiten entstehen: Die Zeitachse wird gequetscht, aus Amplitude wird Frequenz, also aus Vorwärtsbewegung Altern. Stellen Sie sich vor, wie es unsere Maße verändern würde, wenn wir von gleicher Lichtgeschwindigkeit in Vakuum, Luft, Wasser und Diamant ausgehen würden – plötzlich würde alle Materie aufquellen, den Raum dazwischen krümmen und quetschen, und ich nehme an, diese Sichtweise ist zwar auch wahr, doch für unsere Wahrnehmung war ein anderer Relativismus praktischer. Dann wäre das, was für uns Raum ist, für einen außenstehenden Beobachter auch Masse – alle Sterne wären in Blasen verpackt, er sähe einen Schaum, in dem Blasenwände das Licht ausbremsen.

    Anders gesagt, Vakuum ist nicht unbedingt gleich Vakuum. Ich bin ein Fisch, der durch die Wand des Aquariums nach draußen schaut, sich darauf versteift hat, dass die Lichtgeschwindigkeit im Wasser die höchste ist, und der Hyperraum draußen sich bloß wegen Dark Fudge, Hexerei und okkulten Mächten, so merkwürdig krümmt und biegt. Was für Astronomen wichtig ist, ist im Aquarium vielleicht bedeutungslos, könnte aber wieder wichtig werden, wenn Sie sich das Innere von Molekülen und Atomen anschauen.

    Schätze mal, dass Sonnenlicht mächtiger ist als der Laser, liegt daran, das darin viele Laser gemischt sind, die auf unterschiedliche Blasen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit unterschiedlich wirken. Das heißt, die Sonne kontrolliert nur die Menge und Mischung der Strahlen, die Interpretation übernimmt die Materie selbst, die entsprechenden Codes hat sie gespeichert, sodass sie sich zu Molekularmaschinen verknüpft. Bis wir solche Codes umschreiben können, sodass Elektronen zu Robotern und Baumaschinen werden und wir Materie schaffen können, wie sie das Universum bislang nicht kannte, dauert es noch ein Weilchen, vor allem wegen der Zeitdilatation – bauen Sie sich eine Maschine aus etwas, was so schnell zuckt, dass eine Million seiner Jahre für Sie eine Nanosekunde Wellenfunktion sind. Falls Sie aber Gott werden wollen, sind Sie auf dem richtigen Weg.

    Doch weil es ein sehr, sehr langer Weg ist, weiß ich nicht, ob Sie solchen allgemeinen Betrachtungen etwas für Ihr konkretes Forschungsfeld abgewinnen können. Ich biete es Ihnen einfach mal an, falls nicht, schmeißen Sie’s weg.

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