Kriegst du gutes Abitur …

BLOG: Hochbegabung

Intelligenz, Sonntagskinder und Schulversager
Hochbegabung

Es war mal wieder Abiturzeit. Alle haben gelernt, nein, nicht alle, sondern viele. Das ist auch nicht richtig. Wohl viele junge Frauen, nicht so viele junge Männer, und dann wieder die, die eher die Lernfächer haben. Was sind eigentlich Lernfächer? Und dann noch die „Laber“-Fächer?

Ich frage mich, was man falsch macht, wenn man einfach gelassen mit dem Abitur umgeht. Welche Botschaften sollten wir denn überhaupt senden, wenn wir jungen Erwachsenen die beste Empfehlung für das anstehende Abitur aussprechen wollen? Mehr lernen? Anders lernen? Auf der Frage nach Antworten erscheint doch der Weg über die Wissenschaft sinnvoll, deren Aufgabe mitunter darin besteht, das, was die Politik von der ausführenden Pädagogik fordert auf Substanz und Zweck zu prüfen.

Damit sich die Sache nicht zu verkürzt liest, legen wir im zarten Alter der Grundschule los. Achten Sie auf die sprachlichen Fähigkeiten ihres Kindes. Diese wirken sich positiv auf den Grundschulverlauf aus, da dieser in hohem Maße durch sprachliche Fähigkeiten bestimmt ist. Auch das Vorwissen bezüglich akademischer Inhalte – von Buchstaben über Zahlen bis hin zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen – ist dem Bestehen der Grundschule dienlich. Ach ja – die hätte ich beinahe vergessen: Intelligenz brauchen wir dann auch noch. Je mehr, desto besser, sagt die Wissenschaft. Grundschulleistung und IQ haben einen Zusammenhang von r=.50, wobei aufgrund der „weichen“ Notengebung eine Einschränkung gegeben ist. Wahrscheinlich wäre die Korrelation noch höher. Den sekundären Part des Schulsystems überwinden wir bestens (man könnte auch das Wort erfolgreich verwenden), wenn wir anfangs sprachliche Fähigkeiten ausbauen und beginnen, die naturwissenschaftlichen Kenntnisse weiterzuentwickeln. Den Part mit dem Geschlcht muss ich ja nicht wiederholen. Intelligenz brauchen wir in dieser Bildungsphase auch.

Ist die Mittelstufe überwunden, treffen wir auf ein Grundproblem. Die Oberstufler haben nun so lange die Schule genossen, dass ihre Intelligenz einfach gut entwickelt ist. Alle die, die das nicht so gerne hatten und vielleicht auch nicht so gut konnten, haben entschieden, nicht weiterzulernen und bereits mit Haupt- oder Realschulabschluss abzugehen. Es kommt somit zu einer Einschränkung der IQ-Varianz, was per se eine Vorhersage der Abitursnote durch den IQ schwierig(er) gestaltet. Man geht hier von einer Korrelation von nur r=.30 aus. Fleiß (Zeitaufwand fürs Lernen) wiegt höher. Doch besser wird es für die Hochbegabten dann im Studium. Denn hier steigt die Korrelation beruhigenderweise wieder an und nimmt zu – bis zu Werten von r=.70.

Also doch – gelassen bleiben?!?

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Veröffentlicht von

Götz Müller ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter des Instituts für Kognitive Verhaltenstherapie (IKVT). Er arbeitet beratend und diagnostisch mit Familien hoch begabter Kinder und Jugendlicher. In der psychotherapeutischen Arbeit beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit dem Underachievement bei Hochbegabten, hier insbesondere bei Jugendlichen.

11 Kommentare

  1. nach Fächern differenzieren

    Wie sieht das aus, wenn man nach Studienfächern differenziert? Z.B. klagen ja viele Studenten, dass das intell. Niveau in der Uni unter dem der letzten paar Schuljahre läge. In einigen Studienfächern wie Linguistik und den auf Lehr- und soziale Berufe vorbereitenden ist das offensichtlich, Jura und BWL sind klassische “Paukfächer”, also zwar anspruchsvoller, aber auf einer niedrigen Stufe, in einigen Geisteswiss. kann sich der Student das Niveau selber aussuchen, während ich z.B. Elektrotechnik für intell. ziemlich anspruchsvoll halte.

  2. Differenzierung nach Studienfächern

    Neue Zahlen kenne ich keine – vor Allem seit der Reformierung des Systems …
    Aus den 80er- und 90er-Jahren sind Korrelationen bis zu genannten .70 bekannt, insbesondere wenn man die Bildungslaufbahn als allgemeine Größe (z.B. bis hin zur Promotion). Selbst bei Professoren finden sich da ein paar interessante Zahlen, die ich nicht genau im Kopf habe … mal nachschlagen.

  3. “Alle die, die das nicht so gerne hatten und vielleicht auch nicht so gut konnten, haben entschieden, nicht weiterzulernen und bereits mit Haupt- oder Realschulabschluss abzugehen.”

    eine kleine ergänzung: oder schüler, die durch schlechte startbedingungen und ein intolerantes schulsystem, dazu gezwungen wurden, die schule früh zu verlassen. oder schüler, die durch asoziale lehrer rausgemobbt wurden,…

    die einträge in diesem blog werden auch immer seichter!
    ich kann ihnen nur raten: wenn sie nichts halbwegs vernünftiges zum eigentlichen thema des blogs zu schreiben haben, dann lassen sie es doch lieber gleich.
    nur weil man bei so gut wie jedem thema auch einen zusammenhang zum komplex intelligenz finden kann, oder konstruieren kann, bedeutet das noch lange nicht, dass all diese themen in der kategorie intelligenz abgehandelt werden müssen.

  4. @ T – Studienfächer

    Ich habe kaum etwas Brauchbares gefunden. Recht wenig lässt sich aus Analysen zu IQ und akademischen Titel herauslesen, da auch hier die Varianz eingeschränkt ist. Interessant wäre auch eine differenzierte Betrachtung bereits im Schulalter – je nach Wahl der Vertiefungs- bzw. Leistungskurse.

  5. @ Funzi

    Seicht(er)?!? Die Aussage setzt dann mehr Wissen voraus, als die ein oder andere Fachgruppe hat …
    Wussten Sie, dass Schule dazu führt, dass der IQ (also die Leistung im IQ-Test) zunimmt? Das ist aber nicht mit Intelligenz gleichzusetzen! Bitte entschuldigen Sie den zugegeben spitzen Satz zum mittleren Schulabgang! Für die Kernaussage jedoch spielt es keine Rolle, aus welchen Gründen die IQ-Varianz in der Oberstufe eingeschränkt ist. Dass schlechte schulische Rahmenbedingungen auch sehr gut und hoch begabte Schüler nicht angemessen fördern können, ist doch zweifelsfrei.

  6. Berufsinteressen Hochbegabter

    Ein paar Befunde zu Berufsinteressen (@T., das könnte Sie möglicherweise interessieren): Im Rahmen der Marburger Hochbegabtenstudie (eine methodisch gut gemachte Längsschnittuntersuchung, die seit den 1980er Jahren läuft) wurden auch Untersuchungen zu den Interessen Hochbegabter durchgeführt. Das theoretische Modell ist Hollands RIASEC, das sechs Interessenbereiche unterscheidet:
    * realistic, also konkrete Arbeit (Handwerk, Landwirtschaft …);
    * intellectual (intellektuell-forschend);
    * artistic (künstlerisch-sprachlich),
    * social (lehren, pflegen, versorgen),
    * entrepreneurial (unternehmerisch) und
    * conventional (so Sachen wie Büroarbeiten, alles, wo Ordnung und Geregeltheit erforderlich ist).

    Die Skalen, auf denen sich die HB unterschieden, waren die intellektuelle (stärkeres Interesse) und die soziale (leicht geringeres Interesse); insgesamt waren die Effekte aber klein, sodass die Gemeinsamkeiten überwiegen.

    Eine weitere Quelle wäre die “Study of Mathematically Precocious Youth”, die inzwischen eine unglaubliche Daten- und Publikationsmenge angehäuft hat (insbesondere zum Unterschied zwischen Mädchen und Jungen/sprachliche vs. mathematische Fähigkeiten, seit einiger Zeit auch figurale Fähigkeiten als dritter Inhaltsbereich). Camilla Benbow hat auch zahlreiche Artikel auf ihrer Website, die frei zugänglich sind 🙂

    Literatur: Rost, Hochbegabte und hochleistende Jugendliche (2. Auflage). Münster: Waxmann.

    LG Tanja Gabriele Baudson

  7. Danke!

    Danke für den Hinweis!

    Meine skeptische Fragerei rührt u.a. von kürzlich gemachten Eindrücken: Bei einem Umzug in einen bildungsbürgerlich schwer belasteten Berliner Stadtteil, dessen Bewohner gern mit den IQ’s ihrer Kinder angeben, waren die als Möbelpacker jobbenden Jugendlichen aus als problematisch verrufenen Stadtteilen eigentlich die intelligentesten Leute, denen ich bisher begegnete (die anderen? tjaaa…). Vermutlich wäre auch in nden HB- und Bildungsdiskussionen eine Aussenperspektive nützlich, wie

  8. Hochbagabung und Grundschule

    sind meinen Erfahrungen nach KEINE problemlose Kombination. Im Gegenteil: Erst gehen die Kurzen zwei Jahre unter, während die Lehreerinnen die Katastrophen in der Klasse bändigen und wenn dann nach dem zarten Aussieben Ende der 2. Klasse der Lehrerinnen-Blick auf das Kind fällt. ist dieses schon von der Schule enttäuscht. Worauf dann auch schon mal “wegen miserabler Arbeitseinstellung” keine Gymnasialempfehlung gegeben werden soll…

  9. Priorität setzen

    Beziehungen aufzubauen, hat leider keine Priorität und gilt als zu aufwendig. Emotionen sind in der Schule oft regelrecht tabu. Das ist nicht kindgerecht. Wenn wir nachschauen, warum manche Klassen völlig aus dem Ruder laufen, ist ein wesentlicher Grund intensiver Lehrerwechsel. Weil die Kinder irgendwann nicht mehr bereit sind, sich zu binden, sind sie auch nicht mehr führbar. Das Kind muss erleben, dass es vom Lehrer gemocht und akzeptiert wird, selbst wenn es keine guten Leistungen erbringt. Zudem ist doch unglaublich: Die Eltern geben ihre Kinder 1000 Stunden im Jahr in die Schule und kennen die Personen kaum, die es betreuen. An informellen Elternabenden kann keine persönliche Beziehung zu den Eltern entstehen. Dazu braucht es mehr, beispielsweise Hausbesuche.

  10. Liest sich gut – aber wie…

    …kommt man dann an den richtigen Studiengang, wenn man kein gutes Abitur macht angesichts des kommenden Doppeljahrganges in NRW?

    Ich habe meinem Abi damals mit extrem viel Ruhe entgegengesehen…das war für mich OK, ich wollte kein Abi mit 1,, sondern nebenbei auch noch LEBEN!

    Was aber passiert im Moment mit meinem mühelos die 4. Klasse übersprungenen, dann kräftig gemobbten Kind, das jetzt – leider erst nach einem Schulwechsel – viele gute Freunde aber keine guten Schulleistungen mehr sein Eigen nennt, sondern im Dreier- bis Viererbereich herumschwimmt?

    Das sich außerschulisch als extrem wissbegierig und intelligent beweist (zum Beispiel in einem Betriebspraktikum o. ä.) und Wissen hier förmlich aufsaugt?

    Das sich zu Recht aufregt, wenn ein Lehrer pauschalisiert und nur, weil es den Sitznachbarn bittet, jetzt ruhig zu sein, vom Lehrer mit “Halt´s Maul” angeschnauzt wird?

    Was sich dann zu Recht beleidigt fühlt und einfach nur fragt, was der Lehrer sagen würde, wenn es ihm diese Worte entgegenbringen würde?
    Und der Lehrer jetzt noch ungerechter wird und sich aufregt, dass dieses Kind ihn nun gerade beleidigt hat, obwohl es diese Worte NIE in den Mund nehmen würde?
    Soll dieses Kind einfach weiter “laufen” und dann schauen, nach wie vielen Wartesemstern es vielleicht dann einen Studienplatz erhält?

    Ich bin ratlos!

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