Darm mit Hirn

Liebe geht durch den Magen heißt es. Und manchmal hat man ein schlechtes Bauchgefühl bei einer Sache. Welchen Einfluss hat der Darm und die Verdauung auf das Gehirn? Und wie funktioniert das? Die Darm-Hirn-Achse, oder Gut-Brain Axis beschreibt das Zusammenspiel zwischen Darm und Hirn.

Hormone und Hunger

Es ist schon länger bekannt, dass der Körper Hormone ausschüttet, die vom Verdauungstrakt das Gehirn erreichen.
Die Hormone erfüllen vielfältige Aufgaben und werden an unterschiedlichen Orten im Magen-Darm-Trakt ausgeschüttet. Typischerweise signalisieren die Botenstoffe dem Gehirn ein Sättigungs-/bzw. Hungergefühl. Beispiele für solche Hormone sind Leptin, Orexin, Ghrelin und Cortisol, die alle auf die Hirnstruktur Hypothalamus wirken.
Nicht immer ist dabei der Auslöser für die Hormonausschüttung eine Mahlzeit. So wird Leptin von Fettzellen des Dünndarms produziert und signalisiert dem Hypothalamus, dass wenn es genügend Fettreserven im Körper gibt, der Appetit gezügelt werden soll.
Hingegen vermittelt das im Magen und Bauchspeicheldrüse produzierte Ghrelin dem Hypothalamus Heißhunger und sinkt entsprechend nach dem Essen.
Zahlreiche andere Hormone, wie das appetithemmende Stresshormon Cortisol aus der Bauchspeicheldrüse oder Dehnungsrezeptoren in der Magenschleimhaut sind an der Appetitregulierung beteiligt.
Zusammenfassend nennt man diese Verbindung Darm-Hirn-Achse (engl. Gut-Brain-Axis). Diese Achse ist keine Einbahnstraße. So sendet das Gehirn (besonders der Hypothalamus) Signale an den Magen-Darm-Trakt und beeinflusst Motilität und Sekretion der Darmschleimhäute, Immunfunktion und Schmerzempfinden.

Mikroben im Darm

Ein weiterer Bestandteil der Darm-Hirn-Achse ist erst seit Kurzem Bestandteil der Forschung: Das Mikrobiom.
Als Mikrobiom des Menschen wird die Gesamtheit der Mikroorganismen bezeichnet, die den Menschen bevölkern. Unzählige Bakterien, Pilze und Viren besiedeln insbesondere Schleimhäute und -höhlen sowie die Haut des Menschen. Die Organismen sind lebenswichtig und üben zahlreiche, noch nicht annähernd vollständig erforschte Funktionen aus.
Sie produzieren Hormone, besetzen die (Schleim-)Haut und schützen diese vor Krankheitserregern oder trainieren das Immunsystem. In den letzten Jahren wurde besonderes Augenmerk auf das Mikrobiom im Darm gelegt, da im Dickdarm die mit Abstand höchste Dichte an Mikroorganismen besteht (Anzahl im Trilliardenbereich).
Bei einer so hohen Anzahl verschiedener Lebewesen auf engstem Raum ein ausgeklügeltes Ökosystem notwendig. Bisher sind Forschende noch dabei, dieses Zusammenspiel zu verstehen. Jedoch sind einige Funktionen des Mikrobioms sowie Zusammenhänge von Darmmikrobiom und Gehirn bereits nachgewiesen: So können Darmbakterien Hormone produzieren oder deren Synthese mitbestimmen, welche auf das Gehirn (insbesondere auf Hypothalamus und Stammganglien) wirken wie z.B. Dopamin, Noradrenalin oder Serotonin. Eine wichtige Rolle in der Darmschleimhaut spielen dabei die enterochromaffinen Zellen. Sie setzen Serotonin in den Darm und Blutbahn frei, abhängig der Stoffwechselprodukte des Mikrobioms.

Der Vagusnerv

Auch der Vagusnerv, der größte Hirnnerv reicht vom Hirnstamm bis an den Dickdarm und ist wichtiger Bestandteil der Magen-Darm-Achse. Er wird durch die Mikroorganismen des Mikrobioms beeinflusst. Beidseitige Kommunikation des Vagusnervs und des Magen-Darm-Trakts ist wichtig für Sättigungsgefühl und Stimmung einer Person. Aktuell wird erforscht, ob der Vagus Nerv mit den Mikroorganismen physisch interagiert oder durch Botenstoffe beeinflusst wird.

Fettsäuren im Darm

Eine weitere wichtige Rolle in der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn spielen spezielle Fettsäuren. Es handelt sich dabei um kurzkettige Fettsäuren (engl. short chained fatty acids, SCFA), welche zum größten Teil aus dem Abbau von Ballaststoffen aus der Nahrung durch Bakterien des Darmmikrobioms entstehen.
SCFA haben positive lokale Effekte auf die Darmschleimhaut, erreichen über die Blutzirkulation die Leberzellen und dienen dort als Energiequelle. Zudem wirken sie auf die Immunantwort und Mitochondrienaktivität im Körper ein. Nicht zuletzt beeinflussen sie den Appetit.
Interessanterweise konnten aktuelle Tierexperimente zeigen, dass SCFA im Hirnwasser nachweisbar sind und die Aktivität und die Kommunikation von Neuronen im Gehirn mitbestimmen. Dies deutet darauf hin, dass SCFA Einfluss auf die Zellen des zentralen Nervensystems haben.

Krankheiten durch Fettsäuren

SCFA mit werden mit einigen Erkrankungen des Gehirns in Verbindung gebracht.
So stehen niedrige SCFA Spiegel und nicht behandelter Depression bei Tieren und Menschen in Verbindung. Da SCFA die Immunantwort beeinflussen und Entzündung reduzieren, wird auf eine Assoziation von Depression und entzündlichen Prozessen im Darm spekuliert.
Zudem gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang von Alzheimer (der häufigsten Demenzform des Menschen, ausgelöst durch Akkumulation von Aß Plaques) und SCFA. In Mäusen zeigte sich ein möglicher Einfluss von niedrigen SCFA Spiegeln auf die Ablagerung von Aß-Plaques im Gehirn.
Die Hypothese, dass ein gesundes Mikrobiom der Alzheimer Demenz Erkrankung vorbeugen kann, wird u.a. durch eine Studie am Alzheimer Mausmodell unterstützt, in der sich nach Transplantation eines gesunden Mikrobioms die Symptome der Alzheimer Erkrankung der Mäuse besserten.

Auch bei Parkinson, einer ZNS Erkrankung mit Bewegungsstörung und Demenz, ausgelöst durch Ablagerung eines pathologischen Proteins, spielt das Mikrobiom vermutlich eine Rolle.
Es wurden im Mikrobiom von Parkinson Patienten spezielle Bakterienstämme gefunden. Bei einigen Patienten konnte in experimentellen Studien die Symptome verbessert werden durch Transplantation eines neuen gesunden Mikrobioms. Wurde jedoch das Mikrobion eines anderen Parkinson Patienten transplantiert, verschlechterten sich die Symptome.

Nicht zuletzt konnte ein Zusammenhang von SCFA und Multipler Sklerose nachgewiesen werden. Bei MS führt eine krankhafte Aktivität eigener Immunzellen zur Zerstörung von Nervengewebe im zentralen Nervensystem. Dies deutet erneut auf die Wirkung von SCFA auf die Immunantwort im Körper hin.

Fazit

Insgesamt wird deutlich, dass zahlreiche Mechanismen das Zusammenspiel der Darm-Hirn Achse prägen. Eine (un-)gesunde Darmflora trägt maßgeblich zur psychischen und kognitiven Gesundheit bei.

Referenzen

https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fendo.2020.00025/full

https://www.nature.com/articles/d41586-021-00260-3

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8165828/

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Veröffentlicht von

Mein Name ist Ina Mayländer und studiere zurzeit Neurowissenschaften im Masterprogramm an der Universität zu Köln. Während meines Bachelorstudiums der Biowissenschaften in Heidelberg, habe ich meine Begeisterung für das Gehirn finden dürfen. Ich möchte das Geschehen in der Wissenschaft um das hoch komplexe Organ verständlich an interessierte Leser weitergeben.

1 Kommentar

  1. Man kann die Wirkung des Essens ja selbst spüren. Wenn man viel gegessen hat, macht Denken keinen Spaß.
    Wer es sich zutraut, einen Tag lang fasten, am nächsten Tag hat man einen klaren Kopf wie schon lange nicht mehr.

    Jesus ging übrigens einige Tage in die Wüste vor großen Entscheidungen.
    Auch Ghandi hat gefastet.

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