Der Fall H&M

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Wie Wirtschaft und Ethik zusammenpassen
Gute Geschäfte

Heute möchte ich ein klassisches Ethik-Problem ansprechen: die Ausbeutung von Arbeitnehmern. Anlass dafür ist ein Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger, der wiederum auf einem ARD-Bericht beruht. Es geht um die Textilkette H&M, der unmögliche Arbeitsverhältnisse bei Zulieferern in Asien vorgeworfen werden, ähnliche Vorwürfe gab es aber auch schon gegen die Konkurrentin Zara, außerdem gegen Puma.

Eigentlich ist der Fall klar: Wenn Leute unter so schlechten Arbeitsbedingungen leiden, dass sie körperlich zusammenbrechen, gibt es nichts zu diskutieren. Und wenn Modefirmen ihre Ware in Lohnfertigung von anderen Unternehmen herstellen lassen, ist auch die unmittelbare Verantwortung für die Arbeitsverhältnisse dort nicht ernsthaft zu bestreiten. H&M lehnt die Verantwortung ja auch gar nicht ab, sondern hat einen Code für die Zulieferer eingeführt, kontrolliert nach eigener Aussage die Einhaltung und will allen Vorwürfen nachgehen und im Zweifel Verträge kündigen. Diese Reaktion des Unternehmens ist so weit in Ordnung – wenn sie denn tatsächlich ernst gemeint ist und hilft.

Aus meiner Sicht betrifft der Fall aber zwei grundlegende Fragen, die nicht in allen Fällen leicht zu beantworten sind. Erstens: Welche Standards muss ein Unternehmen (oder in dem Fall seine Zulieferer) im Ausland denn einhalten? Und zweitens: Wie weit reicht die Verantwortung – bis zum direkten Zulieferer, oder noch weiter? Wie groß ist zum Beispiel die Verantwortung der Geschäfte, die die billig erzeugten Klamotten verkaufen – und die der Käufer?

Ich will mich heute auf die erste Frage konzentrieren. Sie betrifft auch große Industriekonzerne, die weltweit eigene Fabriken betreiben.  Welche Standards sind hier bei der Bezahlung, der sozialen Absicherung, den Arbeitsbedingungen, der Sicherheit – aber letztlich natürlich auch in anderen Fragen, etwa dem Umweltschutz, einzuhalten? Hier muss jedes Unternehmen Regeln setzen und diese auch rechtfertigen.

Ich denke, man kann sozusagen vorweg zwei Aussagen als unmittelbar plausibel ansehen. Erstens: Das Unternehmen muss die gesetzlichen und wohl auch die gesellschaftlich allgemein akzeptierten Regeln der jeweiligen Länder einhalten – jedenfalls alle derartigen Regeln, die pro Arbeitnehmer gelten. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen, das für sich eine weiße Weste beansprucht, Gesetze oder gute Sitten eines Landes nicht einhalten. Auf der anderen Seite gilt aber auch zweitens: Löhne (und bis zu einem gewissen Grade auch Sozialleistungen) können kaum weltweit einheitlich gestaltet werden – das wäre wirtschaftlich nicht machbar.

Es wäre aus meiner Sicht aber möglich, bei Löhnen wenigstens eine Art Vergleichbarkeit herzustellen. Zum Beispiel, indem ein Unternehmen sich selbst verpflichtet, weltweit mindestens Durchschnittslöhne zu zahlen, oder etwas über Durchschnitt. Denkbar sind auch Mindeststandards – etwa die Anforderung, dass eine Arbeiterin, die Vollzeit arbeitet, die Chance haben muss, von ihrem Lohn auch zu leben. Und für direkte Zulieferer sollte das jeweils vergleichbar gelten, jedenfalls wenn sie den größten Teil der Produktion erstellen (wie weit diese Verantwortung reicht, ist, wie gesagt, ein eigenes Problem – gilt es z.B. auch für Kleinzulieferer, die nur wenige Anteile beisteuern?). Vergleichbarkeit und Mindeststandards wären damit Möglichkeiten, sich trotz der wirtschaftlichen Unterschiede auf eine allgemein gültigen Ethik zu berufen.

Es gibt aber auch Bereiche, wo aus meiner Sicht tatsächlich weltweit einheitliche Standards erforderlich sind – und meist nehmen Unternehmen das dort auch für sich in Anspruch. Beispiele wären die Arbeitssicherheit und der Umweltschutz. Letztlich greifen bei Löhnen und bei der Sicherheit unterschiedliche Kategorien. Bei Löhnen geht es um die Arbeitskraft, und deren Wert ist vom wirtschaftlichen Umfeld abhängig, also nicht überall gleich hoch. Bei der Sicherheit und der Gesundheit geht es um direkt um den Menschen, nicht nur um seine Arbeitskraft. Hier sollte man argumentieren, dass Menschen überall denselben Wert habe, nicht in Geld ausgedrückt, sondern gemessen an dem Aufwand, sie zu schützen (der ja bei gleichem Schutzniveau unterschiedliche Kosten verursachen kann).

Die Beispiele zeigen: Ein Unterthemen, das an sich einen ethischen Anspruch anstellt, muss eine Menge an Fragen klären – und immer wieder konkrete Probleme an allgemeinen für sich in Anspruch genommenen Standards messen.

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Veröffentlicht von

Ich habe Betriebswirtschaft in München und Philosophie an der Fernuni Hagen studiert, früher bei einer großen Bank gearbeitet, und bin seit über 20 Jahren Journalist beim Handelsblatt mit Spezialisierung auf Finanzthemen, davon fünf Jahre in New York und seit November 2017 in Frankfurt. Im Jahr 2013 habe ich das Buch „Wie fair sind Apple & Co?“ veröffentlicht.

5 Kommentare

  1. Was zum zweitgrößten Arbeitgeber

    Was zum zweitgrößten Arbeitgeber Deutschlands.
    Passt gut zu Religion, Ethik, Doppelmoral und Co.
    In einem anderen Thread wurde ein Beitrag von mir ja ignoriert … naja vielleicht gibt es hier ja eine Antwort dazu.

    Einer der größten Arbeitgeben in Deutschland sind die Kirchen. Wie gehen die den mit ihren MItarbeitern so um?

    Der Beitrag
    http://www.focus.de/…-keine-spur_aid_468469.html
    zeigt was man von den Verkündern der “Nächstenliebe” etc. zu halten hat …

  2. Sehr schöner Beitrag! Zufällig habe ich meine Bachelorarbeit zum Thema geschrieben. Ganz klar, die Arbeitsbedingungen sind miserabel. Erschreckend dabei ist, dass die Beschäftigten größtenteils nicht einmal Arbeitsverträge habe. Ein rechtlicher Schutz bleibt vollkommen verwährt. Allerdings sind Niedriglohnänder, außerhalb Chinas, noch nicht einmal so weit entwickelt, dass Menschen flächendeckend Geburtsurkunden besitzen.
    Die Verantwortung liegt nicht nur bei den Unternehmen Mindeststandards und Codes durchzusetzen, sondern auch bei den Regierungen. Leider spielen für Unternehmen nur die Ausnutzung jeglicher Wettbewerbsvorteile, und für die Regierungen ausländisches Kapital und Deviseneinnamen eine Rolle. Die Menschen, die den eigentlichen Wert bzw. Gewinn schaffen, sind egal.
    Letztendlich kann ein Unternehmen wie H&M sogar den Anspruch haben, Codes durchzusetzen, es wird kaum ankommen. Wenn Arbeiter noch nicht msl lesen können und ihre Rechte kennen, wird man sie immer ausnutzen können. Ich bin dafür, dass man an der Wurzel anpackt.
    Abgesehen davon können Konsumenten etwas dafür tun, dass Arbeit nicht billig bleiben oder immer billiger werden muss. Vielleicht nicht zweimal im Jahr ne neue Garderobe holen;)

  3. zweitgrößter Arbeitgeber

    Zur Kirche als Arbeitgeber kann ich nicht viel sagen, weil ich da kein unabhängiges Urteil habe (jemand, der mir nahe steht, arbeitet dort). Nur als Anmerkung: Eine wichtige Frage ist in dem Zusammenhang, wie weit Kirchen als Arbeitgeber ihr eigenes Recht setzen dürfen, also von den allgemeinen Spielregeln befreit werden. Darüber kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein …

  4. Beitrag

    Ich finde den Beitrag wirklich ansprechend denke aber nicht, dass besonders solche Unternehmen wie h&m etwas an den Arbeitsbedingungen ändern werden. Diese Unternehmen leben von der billigen Herstellung und Lieferung wobei Menschenrechte völlig vernachlässigt werden.
    Sehen wirs mal so:
    Die verkaufen billig Kleidung…sehr billig. Aber dafür müssen sie bei der Produktion sparen. Das bedeutet giftige Färbemittel und schädliche aber billige Bleichmittel, sehr schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen und keine umweltfreundliche Produktion und Lieferung um das alles billig zu halten.

    Ich persönlich kaufe nur Fairtrade weil ich nicht glaube, dass andere Leute und die Umwelt dafür leiden muss, dass ich mich billig einkleiden kann.
    Fairware ist natürlich teuer aber es ist für einen guten Zweck. Wer nicht genau weißt, was Fairtrade bedeutet kann das im Internet nachlesen.
    Darüber hinaus ist die Qualität von Fairware bei weitem besser.

    Wenn die Menschen in ihrem ständigen Konsumwahn nicht mehr auf die Welt und andere Menschen acht haben können weiß ich auch nicht weiter. Das Leben ist nicht billig und wer es billig halten will kann wirklich nicht viel davon erwarten…

    Ich will damit nur ausdrücken, dass man es auch anders und besser machen kann und hoffe, dass sich das ein paar etwas zu Herzen nehmen

    Danke 🙂

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