Bittere Lehrstunde für die Physikdidaktik
BLOG: Graue Substanz
Zwischen der Fachphysik und Fachdidaktik ist ob des Karlsruher Physikkurses ein grundsätzlicher Streit entbrannt.
Längst geht es um mehr als nur um einen Physikkurs. Entwürdigt und nun erkennbar um Fassung bemüht will und kann eine Seite die Debatte nicht als beendet erklären. Schon gar nicht als nach erzielter Einigung beigelegt. Zuletzt hatte die Fachdidaktik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) vorgeworfen, Defizite in ihrer wissenschaftlichen Diskussionskultur zu zeigen. Der Vorwurf war höflich, weil er in der rhetorischen Figur einer These und als Aufruf zum Dialog vorgetragen wurde. Trotzdem, Fachphysiker der DPG ficht das nicht mehr an, sie halten die Angelegenheit wohl längst für erledigt. So kann man das Schweigen interpretieren.
Hätte man nochmal eine Reaktion erwarten dürfen, oder ist Schweigen klüger? Worum geht es denn mittlerweile überhaupt noch, der Streit ist ja nun schon fast zwei Jahre alt?
Darauf gibt das neue Thesenpapier Anworten. Wenn man sieht, dass viele Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktiker in den angehängt gleich mitveröffentlichten Kommentaren zustimmen, kann man zu dem Schluss kommen, dass sich die in insgesamt fünf Thesen formulierten scharfen Anmerkungen und Vorwürfe an die DPG wahrscheinlich nicht ignorieren lassen werden. Von einem Riss und tiefer Resignation ist die Rede, von Respekt versagen und überkommenen Sichtweisen das Wort reden, im Subtext sei der Verbleib der Didaktikerinnen und Didaktiker in der DPG in Frage gestellt, die Legitimität und Qualität eines Gutachten wird angezweifelt und all das gipfelt dann im testierten Defizit der wissenschaftlichen Diskussionskultur.
Es geht um die „Begeisterung für das Fach und … [den] Wunsch nach gelingender Vermittlung“ – soweit ist man sich auch noch einig. (Nebenbei bemerkt: dieser Teil ist auch für viele Wissenschaftsblogger zentrale Motivation – dort ist es aber sehr still, siehe Linkliste unten.) Dann entzweien sich die Ansichten. Was gilt als empirischer Beleg gelungener Vermittlung? In welchen Maß bringt sich hier die Systematik des Faches oder die Systematik des Lernens gestaltend ein?
Dass zwei Menschen, die man mit Begeisterung für das Fach Physik und gelungener Vermittlung verbindet, in diesem von einigen Didaktikern als Posse gebrandmarkten Zerwürfnis vorkommen, wundert nicht und wundert dann doch.
Da ist zum einen der DFG Communicator-Preisträger von 2013, Metin Tolan. Ihm wird eine nicht geringe Rolle in der Debatte zugeschrieben. Zum anderen denkt man unwillkürlich an Richard Feynman. Feynman kommt natürlich nur indirekt vor, obwohl der Physikkurs schon so alt ist, dass theoretisch Feynman ihn fast noch hätte erleben können, in seinem Todesjahr 1988 wurde er erstmal in 20 Schulen erprobt.
Als ich einige Seiten des Karlsruher Physikkurses las, wurde ich sofort an die Feynman Lectures erinnert. Irgendwie war alles anders. Damit will und kann ich noch gar nicht sagen, dass ich den Karlsruher Physikkurs für ähnlich gut halte.
Auch die DFG-Gutachter hatten offensichtlich die gleiche Assoziation.
Wenn Autoren meinen, die Physik müsse anders dargestellt werden, weil andere Konzepte, andere Begriffe und andere Maßeinheiten adäquater seien – wofür es gute Gründe geben mag – dann kann diese Diskussion nur nach den seit über 400 Jahren bewährten Regeln der empirischen Naturwissenschaft Physik geführt werden. Andernfalls kann der Anspruch, Physik wissenschaftlich fundiert darzustellen, nicht eingelöst werden. Die Feynman Lectures oder der Berkeley Physics Course sind berühmte und erfolgreiche Beispiele, wie neue Konzepte der Darstellung sogar sehr befruchtend gewirkt haben.
Nun ist mir nicht bekannt, das Richard Feynman in Demut vor den seit über 400 Jahren bewährten Regeln die Wirkung seiner neuen Lehrkonzepte erst einer empirischen Forschung unterzog hätte, bevor er sie veröffentlichte. Aber genau an dieser Stelle würde man ja nun zunächst wieder zwischen der Vorherrschaft der Systematik des Faches oder der Systematik des Lernens auswählen müssen, bevor man das Argument jeweils auf eine Art sezieren kann.
Wenn ich es richtig verstehe, argumentiert die eine Seite, die Feynman Lectures aber nicht der Karlsruher Physikkurs (KPK) würden sich an die Systematik des Faches halten. Die anderen sagen, der Karlsruher Physikkurs behauptet nichts falsches (wie es ihm vorgeworfen wurde) und die Fachdidaktik bringt notwendigerweise jedoch auch die Systematik des Lernens als empirische Forschungsrichtung ein. An welcher Stelle die Empirie hineinkommt, scheint mir also der zentrale Streitpunkt zu sein.
Das will ich nicht weiter ausführen. Wer sich schnell einlesen möchte sollte u.a. nach der Frage schauen, ob sich der KPK-Impulsstroms bzw. seine Richtung messen lässt. Wenn dem nicht so wäre bzw. wenn dies in einigen statischen Situationen mit konzeptionellen Schwierigkeiten verbunden wäre (spiegelsymmetrische Situationen vs. willkürliche Definitionen), ist dies allein ein Verstoß gegen die Systematik des Fachs Physik? Dazu s. z.B. den Vortrag von Matthias Bartelmann, gelistet bei den Dokumente zur Diskussion zwischen Unterzeichnern eines Schreibens von Theoretischen Physikern und den Autoren des Gutachtens.
Ich selbst habe mir noch nicht umfassend genug meine Meinung bilden können, um heute schon Stellung zu beziehen. Konkret kann ich auch nicht (hinreichend schnell) etwas zum KPK-Impulsstrom sagen sondern nur in einem Punkt auf den Karlsruher Physikkurs fachgerecht eingehen, nämlich in Bezug auf die angebliche Deutung der Entropie als „Wärme“. Dazu später mehr.
Ich würde gerne von weiteren Wissenschaftsbloggern wissen, ob und wie sie sich in dieser Debatte verorten können. Denn Wissenschaft wissenschaftlich fundiert darzustellen geht uns ja auch an. Eine Neustrukturierung des Physikunterrichts würde ja nie nur auf die Schule begrenzt bleiben. Wäre eine solche radikale Neustrukturierung wirklich klar überlegen, würde sie nicht nur in den Bereich der Wissenschaftskommunikation überwandern sondern natürlich hinein in die Hochschulen zu den Fachphysikern.
Fühlen sie sich davon bedroht?
Linksammlung
Gutachterliche Stellungnahmen (DPG Webseite)
Die DPG-Aktion gegen den Karlsruher Physikkurs (KPK Webseite)
Fünf Thesen zur DPG und ihrem Verhältnis zur Didaktik (von Karsten Rincke)
Blogbeiträge (wird aktualisiert)
- DPG kritisiert Karlsruher Physikkurs (Mathlog, Thilo Kuessner)
Markus A. Dahlem schrieb (15. Oktober 2014):
> Zwischen der Fachphysik und Fachdidaktik ist ob des Karlsruher Physikkurses ein
grundsätzlicher Streit entbrannt. […]
> Ich würde gerne von weiteren Wissenschaftsbloggern wissen, ob und wie sie sich in dieser
Debatte verorten können.
Mir (Wissenschaftsblogger, wenn auch z.Z. ohne eigenen SciLog) ist diese Debatte ziemlich schleierhaft, denn es sollte doch spätestens seit Einsteins Beträgen feststehen, dass Fachphysik
ganz auf didaktisch nachvollziehbaren Begriffen beruhen muss; insbesondere:
[ “Die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie”, §3;
http://www.physik.uni-augsburg.de/annalen/history/einstein-papers/1916_49_769-822.pdf ]
Im Übrigen kann ich nur empfehlen, von Betrachtungen zur Dynamik die Finger zu lassen, wenn man Geometrie/Kinematik noch nicht beherrscht.
Der Karsruher Physikkurs wurde in folgenden sci-logs Beiträgen bereits kommentiert, auch wenn es dazui keinen eigenen Beitrag gab:
– Tyrannei der Präzision (Markus Pössel) wo Markus Pössel auf eine Anfrage durch einen Kommentator schreibt:
– Blühende Neulandschaften, Neue Medien und Wissenschaftskommunikation (Markus Pössel) wo Markus Pössel schreibt:
In sciencblogs-Beitrag DPG kritisiert Karlsruher Physikkurs wird die Stellungnahme der DPG widergegeben und zur Diskussion aufgerufen ohne dass Thilo selber explzit Stellung nimmt.
Die Kommentare dort zu lesen lohnt sich. Die meisten sind allerdings negativ gegenüber dem Karsruher Physikkurs, vor allem wegen der fehlenden “Anschlussfähigkeit”. Auch Thilo kommentiert dort folgendermassen:
Der Karlsruher Impulsstrom wird übrigens von vielen Kommentatoren speziell erwähnt, weil er so “exotisch” wirkt. Die Wärmelehre a la Karlsruhe wird dagegen von einigen Kommentatoren verteidigt.
Die mangelnde Anschlussfähigkeit ist eine Schutzbehauptung von Dozierenden, die ihren Stoff das ganze Lehrerleben lang nicht überarbeiten wollen. Die in Winterthur auf der Basis des KPK entwickelte Systemphysik wird an der ZHAW schon seit Jahren gelehrt. In den letzten Jahren sind immer mehr Dozierende dazu gekommen, welche die Systemphysik oder Teile davon in ihre Vorlesung integriert haben. Von den9 Studiengängen der SoE (vormals Technikum) haben diejenigen, in welchen die Systemphysik unterrichtet wird, die höchste Lektionenzahl (Credits) für diesen Unterrichtsteil bekommen. Das ist kein Zufall, das sind 30 Jahre harte und erfolgreiche Arbeit an einem neuen Zugang zur Physik. Und nun kommt der Vorstand der grössten physikalische Gesellschaft (Eigendeklaration) und behauptet, dass es im “Gebäude der Physik” (!!!!!!) keine Impulsströme gebe oder geben dürfe. Haben die noch nie ein Lehrbuch zur Kontinuumsmechanik in den Händen gehalten?
Spannendes Thema – wo kann man sich einlesen? (Die Frage ist ernst gemeint!)
Vorläufige Meinung von mir: Die Qualität einer bestimmten Didaktik zu überprüfen ist selbstverständlich nicht die Aufgabe der Physik. Außer in dem trivialen Sinn, zu beurteilen, ob die Inhalte denn auch richtig seien. Über verfälschende Darstellungen in den Populärwissenschaften wird zwar oft geschimpft, bessermachen ist selten.
Die Physik untersucht nicht den Menschen, aber in der Didaktik geht es um die Wirkung von bestimmten Lehrmethoden auf den Menschen. Damit ist die Physik nicht zuständig.
@Feyman: Über ihn wird auch unterschiedlich berichtet. Stimmt es, dass in seinen Vorlesungen am Ende nur Fachkollegen sassen und er in der Lage war, die grundlegende Physik der Atome nur mit grundlegenden Rechenoperationen zu erklären?
Es gibt auch immer wieder Gerüchte über seine Nobelpreisrede.
Markus A. Dahlem schrieb am 15.10.2014:
„Als ich einige Seiten des Karlsruher Physikkurses las, wurde ich sofort an die Feynman Lectures erinnert.“
Tatsächlich finden sich Parallelen zwischen dem KPK und Feynman:
So schreibt der KPK im Band Mechanik, Sek. 1 gleich zu Anfang im Kapitel “Energy and Energy Carriers” (engl. Ausgabe):
Automobiles need gasoline, diesel locomotives need diesel oil, and electric locomotives need electricity. Every vehicle needs fuel, but not only vehicles need it. If you walk or ride a bicycle, you also use up fuel. A person walking or riding a bicycle uses up food. All these ‚fuels‘ have something in common: A vehicle or a person gets energy through them. Energy is what is really needed for transportation.
Energy has something to do with effort. If we pull a wagon, we make an effort. We need energy to pull the wagon. While we pull we are sending energy into the wagon.
Energy is needed in order to move something.
Zum Vergleich dazu Feynman:
For example, there was a book that started out with four pictures: first there was a wind-up toy; then there was an automobile; then there was a boy riding a bicycle; then there was something else.
And underneath each picture it said, “What makes it go?” ……
I turned the page. The answer was, for the wind-up toy, “Energy makes it go.” And for the boy on the bicycle, “Energy makes it go.” For everything, “Energy makes it go.”
Man findet man diese Sätze allerdings nicht in den Feynman Lectures, sondern in „Surely you are joking Mister Feynman“. Und es geht heftig weiter:
Now that doesn’t mean anything. Suppose it’s “Wakalixes.” That’s the general principle: “Wakalixes makes it go.” There’s no knowledge coming in. The child doesn’t learn anything; it’s just a word!
What they should have done is to look at the wind-up toy, see that there are springs inside, learn about springs, learn about wheels, and never mind “energy.” Later on, when the children know something about how the toy actually works, they can discuss the more general principles of energy. …..
But that’s the way all the books were: They said things that were useless, mixed-up, ambiguous, confusing, and partially incorrect. How anybody can learn science from these books, I don’t know, because it’s not science.
So zu finden im Kapitel „Judging Books by Their Covers“
Ohje, ich finde diese Stelle im KPK auf schlecht auf den ersten Blick zumindest. Wobei mir noch mehr der Satz: “Energy is needed in order to move something” aufstößt. Ich müsste natürlich nachschauen, ob dann Reibung erklärt wird und das ohne diese keine Energie benötigt wird um etwas in Bewegung zu halten.
Mir geht es aber ohnehin nicht im eine Verteidigung des KPK.
Feynman hatte ein gutes Urteilsvermögen – in vielen Bereichen. Mit didaktischen Fragen hat er sich zudem intensiv beschäftigt. Wenn er übergescheite Erklärungen mit Allgemeincharaketer kritisiert (hier die undifferenzierte Verwendung des Begriffs Energie) dann kritisiert er noch aus der Vergangenheit heraus auch den Karlsruher Physikkurs.
Ich halte das für übertrieben.
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Ich habe als Student die Entwicklung des KPK hautnah miterlebt, heute habe ich einen Lehrstuhl für Physik in Österreich inne. Das Hauptmerkmal des KPK ist das Aufzeigen von Analogien zwischen den verschiedenen Gebieten der Physik, das hat mich als Student nicht nur extrem beeindruckt, es charakterisiert mein ganzes wissenschaftliches Wirken. Ich arbeite bevorzugt mit Kollegen der Chemie, Elektrotechnik und technischen Mechanik zusammen, Anschlussprobleme hatte ich dabei nie. Dass ich in meiner Forschung bevorzugt mechanische, elektrische und thermodynamische Fragestellungen untersuche verdanke ich den faszinierenden Vorlesungen von Falk, Herrmann und Ruppel, die mir gezeigt haben wie spannend und lebendig gerade diese scheinbar “ollen Kamellen” der Physik sind.
Ist der KPK perfekt? Nein. Sind “traditionelle” Physikbücher perfekt? Nein.
Ist der KPK innovativ? Darüber lässt sich streiten, mich hat der Kurs sehr stark geprägt.
Muss der KPK allen gefallen? Nein, natürlich nicht. Was für mich toll war und ist, kann für andere selbstverständlich abschreckend sein. Wissenschaft wird von Menschen für Menschen gemacht und lebt von der Vielfalt der Ideen. Im KPK finde ich immer wieder viele bachtenswerte Ideen, aber natürlich auch in traditionellen Physiklehrbüchern. Besonders stark am KPK ist die Thermodynamik.
Soll man den KPK abwerten? Nun, das soll natürlich jeder für sich selbst entscheiden, dann aber bitte mit derselben kritischen Schere tradierte Physiklehrbücher beurteilen. Auch da ist längst nicht alles Gold was glänzt! Und Fehler finden sich in allen Büchern, auch im Feynman. Wir sind doch keine Götter.
Un zum Schluss: Sind wir als Fachphysiker ausgewiesene Experten in den Grundlagen der Physik? Nein. Bestenfalls Amateure. Mir wird das jedesmal bewusst, wenn ich mich auf meine Vorlesungen vorbereite oder mit Kollegen der jeweiligen Fachdisziplinen diskutiere.
Der Hauptvorwurf, den man dem KPK machen muss, ist, dass er kein zutreffendes Bild aktueller physikalischer Denk- und Vorgehensweisen vermittelt. Obwohl er vorgibt „Altlasten“ zu beseitigen, greift er auf längst überholte Vorstellungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert zurück.
Dazu gehört z.B. die „Verdinglichung“ abstrakter Konzepte, wie im folgenden beschrieben:
„Im Karlsruher Physikkurs wird in den verschiedensten Zusammenhängen von einem bestimmten Modell Gebrauch gemacht: dem Modell des kontinuierlich verteilten Stoffs. Von elektrischen Feldern, magnetischen Feldern, von Licht, von Elektronen („Elektronium“), aber auch von den extensiven (mengenartigen) physikalischen Größen bilden wir uns eine Anschauung, indem wir uns einen Stoff vorstellen.“
(F. Herrmann: Atomphysik, Kernphysik, Elementarteilchenphysik Unterrichtshilfen S. 19).
Damit befindet sich der KPK aber im völligen Widerspruch zum Mainstream der Physik. Es lohnt sich z.B. den lesenswerten Artikel von D. Mermin „What‘s bad about this habit“ (Physics Today, May 2009, S. 8 f.) genau zu studieren. Hier ein Auszug:
„When I was a graduate student learning quantum field theory, I had a friend who was enchanted by the revelation that quantum fields were the real stuff that makes up the world. He reified quantum fields. But I hope you will agree that you are not a continuous field of operators on an infinite-dimensional Hilbert space. Nor, for that matter, is the page you are reading or the chair you are sitting in. Quantum fields are useful mathematical tools. They enable us to calculate things…… When I was an undergraduate learning classical electromagnetism, I was enchanted by the revelation that electro-magnetic fields were real. Far from being a clever calculational device for how some charged particles push around other charged particles, they were just as real as the particles themselves, most dramatically in the form of electromagnetic waves, which have energy and momentum of their own and can propagate long after the source that gave rise to them has vanished.
That lovely vision of the reality of the classical electromagnetic field ended when I learned as a graduate student that what Maxwell’s equations actually describe are fields of operators on Hilbert space. Those operators are quantum fields, which most people agree are not real but merely spectacularly successful calculational devices. So real classical electromagnetic fields are nothing more (or less) than a simplification in a particular asymptotic regime (the classical limit) of a clever calculational device. In other words, classical electromagnetic fields are another clever calculational device.“
Man kann aber auch Anton Zeilinger zitieren „Photons are clicks in photon detectors“.
Ähnlich äußert sich Roy Glauber: A photon is what a photodetector detects “.
(Mathukrishnan, Scully u.a. in: The nature of light: What is a photon?, S. 38).
Es geht deshalb nicht an, dass der KPK als Unterrichtsgang verbindlich in einem Lehrplan verankert wird, wie dies in BW versucht wurde.
Drei Merksätze aus einem Schulbuch, freigegeben für die Klassen 2. und 3. an allgemein bildenden höheren Schulen. Die Autoren nenne ich nicht, weil es einfach nur unfair wäre die Autoren an den Pranger zu stellen! Ich habe größen Respekt vor jedem, der ein Schulbuch schreibt mit dem Kinder für die Physik gewonnen werden sollen. Aber fehlerfrei ist niemand.
1. Je dichter der Körper, desto höher ist die Schallgeschwindigkeit.
??? Hier ist ein Vergleich von Wasserstoff und Blei sehr lehrreich.
2. In einer Schallwelle schwingen die Luftteilchen um ihre Ruhelage.
???
Und zum Schluss der erste Merksatz aus dem Kaiptel Wärmelehre
3. Unter Wärme versteht man die Bewegungsenergie der Teilchen eines Körpers, also die innere Energie des Körpers.
???
Wenn man Sätze aus einem Lehrbuch ohne den zugehörigen Kontext zitiert, kann es sehr schnell sehr problematisch werden.
In einem anderen Lehrbuch findet man z.B:
„Entropieerzeugung:
Um einen Raum zu heizen, kann man eine Wärmepumpe benutzen: Man holt Entropie von draußen ins Haus herein.“
Zum Vergleich: A room is not heated by increasing its internal energy but by decreasing its entropy due to the fact that during heating, the volume and pressure remain constant and air is expelled.
(H.J. Kreuzer, S.H. Payne: Thermodynamics of heating a room, Am. J. Phys. 79 (1), January 2011)
Man kann bereits bei R. Emden (Nature 1938) und im Sommerfeld Band V nachlesen, dass beim Heizen eines Raumes die Entropie abnimmt.
Ein weiterer Auszug aus demselben Lehrbuch zum Zusammenhang zwischen Energiestrom und Entropiestrom:
„P = T*Is (2) Ein Zufall? Ganz und gar nicht. Die Temperaturskala, die jeder benutzt, und mit der wir schon so viel zu tun hatten, ist nämlich über Gleichung (2) definiert.“
Zuvor lernen die Schüler folgende Merksätze:
„Entropie strömt von selbst von Stellen höherer zu Stellen niedrigerer Temperatur.“
und
„Ein Temperaturunterschied ist ein Antrieb für einen Entropiestrom.“
Sollen die Schüler die absolute Temperatur wirklich mit einem System verbinden, das sich nicht im Gleichgewicht befindet?
@W.Herzog: Mich würde zunächst interessieren, was an dem Satz: “Um einen Raum zu heizen, kann man eine Wärmepumpe benutzen: Man holt Entropie von draußen ins Haus herein.“ falsch ist. Außer den IR-Strahlungsheizungen ist mir keine Heizung bekannt, bei der nicht Entropie in die Raumluft hineingesteckt würde, um diese Aufzuheizen. Diese kann erzeugt oder per Wärmepumpe von draußen hereingeholt werden. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass im KPK die Behauptung aufgestellt wird, die Entropie _eines Raumes_ nehme beim Heizen zu (oben steht, dass man Entropie _ins Haus_ holt). Was zunimmt, ist die Entropie der Luftmenge, die sich ursprünglich im Raum befunden hat. Dass sich ein Teil davon am Ende nicht mehr in dem betrachteten Raum befindet, da die Luft expandiert, ist ein “technischer Effekt”, der lediglich darauf hinweist, dass das Volumen bei Gasen kein geeignetes Mengenmaß ist.
Mir ist schleierhaft, was die Entropie in diesem Zusammenhang überhaupt aussagen soll. Es scheint, die Entropie wird hier nicht verstanden. Jedenfalls ist sie keine physikalische Größe und deshalb physikalisch nicht messbar. Wenn ein Raum (nicht hermetisch abgeschlossen) geheizt wird, ganz egal wodurch, dann ändert sich neben der Temperatur die Dichte der Luft. Das ist alles. Mit Entropie hat das direkt nichts zu tun. Da in einem geschlossenen System, wie auch im Weltraum, die Temperatur abnimmt und die Entropie zunimmt, ergibt sich ein Widerspruch zu Ihrer Behauptung.
Sehr geehrter Herr Dr. Vinzelberg,
Sie wissen sicher auch, dass man in der Thermodynamik normalerweise den Anfangs- und den Endzustand betrachtet. Wenn die Entropie also abnimmt, so ist es, bezogen auf den gesamten Prozess, falsch zu behaupten, man habe Entropie ins Haus geholt.
Tatsächlich hat sich ja nicht einmal die innere Energie vergrößert. Ich verstehe allerdings nicht, wieso Sie das Volumen mit ins Spiel bringen. Wenn Sie – in KPK-Tradition denkend – die Zahl der Teilchen im Raum nicht betrachten wollen, wäre doch das Phasenraum-Volumen die adäquate Größe!
Im übrigen würde ich Ihnen empfehlen, einfach den o.g. Artikel zu lesen.
MfG
Wolfhard Herzog
Vielen Dank für Ihren Hinweis, Herr Herzog. Von diesem Effekt hatte ich schon gehört, und
er ist in der Tat eine schöne Übung für Studierende an der Hochschule. Zur Kritik der KPK-Thermodynamik halte ich ihn für ungeeignet.
Im KPK wird gesagt: “Einen Gegenstand kühlen heißt, ihm Entropie zu entziehen, einen Gegenstand heizen heißt, ihm Entropie hinzuzufügen.”. Dieses Prinzip funktioniert prima, solange der “Gegenstand” eine definierte Menge eines Stoffes enthält, also wenn man sich auf Prozesse ohne Änderung der Stoffmenge und ohne Phasenumwandlungen beschränkt. An der besagten Stelle zu Beginn des Themas Wärmelehre ist diese Beschränkung angemessen.
Bei dem Gegenstand “Glas Wasser” kann man nun die Wassermenge über die Größen Volumen, Masse oder Stoffmenge angeben. Ist der Gegenstand ein Gas, so sind die Größen Masse und Stoffmenge zur Festlegung der Menge geeignet, die Größe Volumen aber aufgrund der starken thermischen Ausdehnung nicht.
In dem betrachteten Raum liegt anfänglich eine bestimmte Menge (soundsoviel kg oder Mol) eines Gases vor. Dieser Gasmenge wird nun Entropie und Energie hinzugefügt und ihre Temperatur steigt. Ich denke, das ist Konsens, aber wenn Sie hier schon anderer Meinung sind, bitte ich um einen Hinweis. Die Entropie, die dieser Gasmenge hinzugefügt wird, kann per Wärmepumpe von draußen hereingeholt oder vor Ort erzeugt werden. Ich kann also nichts Falsches in der Behauptung sehen, dass man sich beim Heizen mittels Wärmepumpe Entropie ins Haus holt.
Es ist nun richtig, dass diese Gasmenge sich ausdehnt, so dass am Ende eine geringere Gas- und Entropiemenge in dem ursprünglichen Volumen verbleibt. Ich kann mich nicht erinnern, im KPK die Behauptung gelesen zu haben, die im ursprünglichen Raumvolumen verbleibende Entropie (also die Entropie einer Teilmenge der beheizten Gasmenge) steige an.
Wie sich die hereingeholte Entropie letztlich über den geheizten Raum, angrenzende Räume, Treppenhaus und Umgebung aufteilt, darüber macht der KPK keine Aussage. Falls Sie ein Heizprinzip kennen, bei der der ursprünglich im Raum vorhandenen Gasmenge keine Entropie hinzugefügt wird, würde mich das sehr interessieren.
Beste Grüße, S. Vinzelberg
Sehr geehrter Herr Vinzelberg,
Ihre Ausführungen sind unzweifelhaft alle richtig. Mir ging es aber darum zu zeigen, dass eine physikalische Aussage ohne Kontext sehr schnell problematisch werden kann.
Dies geschah als Reaktion auf den Beitrag von Herrn Bauer.
Dennoch müsste der Satz im KPK-Lehrbuch richtigerweise lauten: Um einen Raum zu heizen, muss man Entropie an die Umgebung abgeben.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfhard Herzog
Sehr geehrter Herr Herzog,
Sie haben sicher recht, dass man mit aus dem Zusammenhang gerissenen Lehrbuchzitaten vorsichtig sein sollte. Ich fand allerdings bemerkenswert, dass das Raumheizparadoxon in letzter Zeit öfter auftritt. Herr Meschede hat es kürzlich bei einer Lehrerfortbidung in Bonn schon recht deutlich als “Widerlegung der KPK-Thermodynamik” positioniert. Viele Gegner des KPK scheinen Anstoß daran zu nehmen, dass im KPK so zwanglos über Entropie geredet wird.
In diesem Zusammenhang fand ich auch Ihren Beitrag von Ende November recht interessant. Sie kritisieren, dass der KPK Begriffe zu konkret “verdinglicht”, und eine solche Vorgehensweise sei nicht mehr “Mainstream”.
Herr Lehn macht in seinem Beitrag bei der Diskussion mit den theoretischen Physikern offenbar den entgegengesetzten Vorwurf (siehe http://www.dpg-physik.de/veroeffentlichung/stellungnahmen_gutachter/vortrag-lehn.pdf, Folie 3).
Man kann sich des Eindrucks einer gewissen Beliebigkeit der KPK-Kritik nicht erwehren. Schulbuchautoren scheinen es wirklich nicht leicht zu haben.
Beste Grüße, S. Vinzelberg
S. Vinzelberg schrieb:
“Viele Gegner des KPK scheinen Anstoß daran zu nehmen, dass im KPK so zwanglos über Entropie geredet wird.”
Seltsamerweise sind (bzw. waren) diese KPK-Gegner über den ganzen Globus verteilt. So meldete H. A. Buchdahl, als Wissenschaftler nicht gerade unbedeutend, bereits 1988 erhebliche Zweifel an, dass man mit dem Bild der Entropie, das der KPK vermittelt, mit Leichtigkeit mit dieser Größe umgehen könne.
– H.A. Buchdahl: Remarks on a proposed up-to-date approach to physics, Am. J. Phys., Vol. 56, Nr.9, September 1988.
Interessanterweise schlägt er dann vor, die Entropie über die adiabatische Erreichbarkeit einzuführen.
Herr Herrmann behauptet ja immer wieder, seine Veröffentlichungen seien nicht widerlegt worden.
Buchdahls Aufsatz scheint seiner Aufmerksamkeit entgangen zu sein.
Ich verfolge die Diskussion um den KPK seit einiger Zeit mit Interesse, wenn auch “nur” als Außenstehender (da seit vielen Jahren nicht mehr als Physiker tätig). Möglicherweise habe ich deswegen auch nicht viel Neues beizutragen.
Meine erste Beobachtung ist, dass sich sehr viele Einzeldiskussionen überschneiden: KPK (fachlich, didaktisch, …), Gutachten (formal und fachlich), DPG (Rolle, Vorgehensweise, …), Rolle der Didaktik innerhalb der DPG, …
Meine zweite Beobachtung ist, dass “die DPG” eines nicht schafft, nämlich einen Raum und ggf. eine Moderation für diese Diskussion(en) anzubieten; sie ist Partei.
Meine dritte Beobachtung ist das beredte Schweigen der Mehrheit der Physiker, die doch innerhalb der DPG gegen den KPK abstimmen, abstimmen lassen (wer schweigt …). Die Unterstützer des KPK sind zumindest wesentlich präsenter als die Gegner, und dennoch stellen die Gegner die Mehrheit (wenn die Vertretung in der DPG tatsächlich repräsentativ ist).
Nach Monaten der Diskussion über Sinn und Unsinn des Impulsstromes stelle ich für mich persönlich folgendes fest: selten ist über einen Teilaspekt der Mechanik so viel geschrieben worden, und selten ist dabei so wenig konkretes herausgekommen. Alleine das sollte klar machen, dass der Sinn des Impulsstromes eines nicht ist: offensichtlich. Hat der KPK und haben die Diskussionspartner außer zu diesem Punkt nichts zu sagen? (OK, provokant formuliert, natürlich wird auch zur Entropie diskutiert, aber es ist schon erstaunlich, dass moderne Physik des 20 Jh. keine Rolle zu spielen scheint).
Bezugnehmend auf das Thesenpapier von Prof. Rincke und der Erkenntnis, dass es wohl eher um Semantik, Modelle und anschauliche Bilder geht möchte ich den Kommentar von W. Herzog vom 29. November 2014 zurückkommen: “Der Hauptvorwurf, den man dem KPK machen muss, ist, dass er kein zutreffendes Bild aktueller physikalischer Denk- und Vorgehensweisen vermittelt. Obwohl er vorgibt „Altlasten“ zu beseitigen, greift er auf längst überholte Vorstellungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert zurück. Dazu gehört z.B. die „Verdinglichung“ abstrakter Konzepte, wie im folgenden beschrieben …”
Daraus sollte man evtl. einen Gegenentwurf zu den Thesen von Herrn Prof. Rincke entwicklen und diskutieren.
These: Der KPK ist nicht in der Lage, eine der modernen Physik angemessene Begriffsbildung und Semantik zu entwickeln.
Diese These kann man nun nicht in Form mathematischer Gleichungen und experimentellen Methoden diskutieren. Aber sie scheint das auszusagen, was nicht wenige der Physiker, die sich gegen den KPK aussprechen, von diesem halten (und was auch mein Eindruck ist).
Viele Grüße
Thomas Stör
Die “Verdinglichung abstrakter Konzepte” ist nicht eine Sache des 18. oder 19. Jhdts., sondern in einem gewissen Sinn Grundlage jedes Unterrichtens einer Naturwissenschaft. Das dem zugrundeliegende didaktische Credo lautet “vom Konkreten zum Abstrakten”. Zuerst wird Konkret vermittelt und dann erst folgt ggf. ein Abstraktionsprozess.
Es ist klar, dass die (Hochschul-)Mathematik einen anderen Weg geht; da Mathematik nicht über naturwissenschaftliche Experimente verfügt, ist ein logisch konsistenter Aufbau notwendig, der sich im “Definition-Satz-Beweis”-Stil äußerst. Dem oa. didaktischen Credo kann in der Mathematik dadurch Raum verschafft werden, dass man Definitionen und Beweismethoden eine “Motivation” vorausstellt.
Die Art der Wissenschaften – Mathematik als Formalwissenschaft ohne Experimente, Physik als Naturwissenschaft mit Experimenten – erfordert Unterschiede in Stil und Vermittlung.
Es steht keineswegs fest, dass ein “Definition-Satz-Beweis”-Stil für die Physik sinnvoll wäre.
In der Physik glaube ich heute eine Tendenz zum Theoretisieren zu erkennen, es wird sogar über Theorien diskutiert, bei denen nicht klar ist, ob sie jemals falsifizierbare Aussagen treffen werden geschweige denn experimentell zugänglich sind. Es mag zwar “Mainstream” sein, möglichst abstrakt zu formulieren und Theorien zu vermitteln. An der Physik als Naturwissenschaft geht das möglicherweise vorbei. Ob es der Physik als Ganzes gut tut, sei dahingestellt (Publikationen mit Titeln wie “Die Zukunft der Physik – Probleme der Stringtheorie und wie es weitergeht”, “Vom Urknall zum Durchknall” zeichnen kein gutes Bild, sind aber notwendige deutliche Warnungen.) Nur weil es derzeit Mode ist, möglichst abstrakt formulieren zu wollen, bedeutet es nicht, dass es besonders wissenschaftlich oder gut wäre.
In einem andern Blog in scilogs habe ich den Link zu meiner Analyse des Gutachtens der DPG schon geteilt. Ich habe mich aber nur zum Impulsstrom geäussert: https://t.co/bGpOvixwTj
Auf Anraten einiger Kollegen habe ich die Analyse zum Gutachten der DPG gestrafft. Die Botschaft bleibt aber diesselbe: der Energie-Impuls-Vektor (Körper).bzw. der Energie-Impuls-Tensor (Kontinuum) ist wie die elektrische Ladung (Körper) oder der Viererstromvektor (Kontinuum) eine Grundgrössen der Physik. Wieso soll man etwas falsch machen, wenn man aufgrund dieser Erkenntnisse einen neuen Zugang zur Mechanik entwickelt? Oder geht es in der Schule nur noch darum alte Meister zu zitieren?
Hier noch der LInk zu meiner Analyse: https://www.academia.edu/12951878/Analyse_zum_Gutachten_der_DPG_%C3%BCber_den_Karlsruher_Physikkurs
In meinen neuesten Videos zeige ich nochmals den neuen Zugang zur Mechanik, bei dem man vom Impuls als mengenartige Grösse ausgeht. Das vierte Video beschäftigt sich unter anderem mit dem Impulsstrom durch einen ruhenden Faden. Ich glaube, wenn man diesen Gedankengang begriffen hat, reibt man sich beim lesen des Gutachtens der DPG nicht nur die Augen.
Viedeo: https://www.youtube.com/watch?v=w2-sLHHqn3E