Wie super ist der “Supermond”?
BLOG: Go for Launch
Heute früh wurde in den Radionachrichten auf den heutigen Vollmond hingewiesen. Ein Supermond, wie die Sprecherin erklärte, denn der Vollmond findet nahe am Perigäum der elliptischen Mondbahn statt; er erscheint uns deswegen besonders groß und hell. Nebenbei wurden auch Hinweise gegeben, wie der Supermond am besten zu beobachten sei. Man soll sich nach Sonnenuntergang an einen dunklen Ort begeben.
Gute Vorschläge. Darauf wäre ich jetzt nicht gekommen.
Man könnte sogar noch hinzufügen, dass man erst nach Mondaufgang die Beobachtungsversuche aufnehmen sollte. Mondaufgang ist erst etwas nach Sonnenuntergang. Wenn ich nicht so träge wäre, hätte ich eine App entwickelt und für 99 Cent pro Download angeboten, mit der Leute den Supermond am Himmel finden können. Dann wäre ich auf einen Schlag reich geworden und könnte mich ganz meinen Hobbys widmen.
Yeah, right.
So ein Supermond soll zum letzten Mal vor 70 Jahren aufgetreten sein.
Wirklich?
Schauen wir uns doch mal die Bahngeometrie des Mondes an. Aber vorher muss ich noch ein paar weitere Superlative einführen.
- Ein Supermond ist also ein Vollmond am Perigäum der Mondbahn. Gut.
- Aber das Perigäum ist nicht immer gleich weit von der Erde entfernt, denn große Halbachse und Exzentrizität der Mondbahn, wenn man sie relativ zum Erdmittelpunkt berechnet, unterliegen zyklischen Störungen. Manche Perigäen sind dichter an der Erde als andere. Also brauchen wir eine neue Kategorie: Super-Duper-Mond. Ein Super-Duper-Mond ist ein Vollmond, der an einem Perigäum mit besonders niedrigem Erdabstand stattfindet.
- Dann muss man auch noch den Phasenwinkel betrachten. Nicht jeder Vollmond ist wirklich voll. Der Phasenwinkel ist der Winkel zwischen der Richtung vom Mond zur Sonne und der Richtung vom Mond zur Erde. Bei Vollmond erreicht dieser ein Minimum – vom Mond aus gesehen eine knackige Syzygie. Dieses Minimum ist aber meist nicht nahe Null, es sei denn, man hat bei diesem Vollmond auch noch eine totale Mondfinsternis. Der Phasenwinkel bei Vollmond kann sogar bis zu mehr als 5 Grad betragen. Das heißt, man sieht gar meist gar keinen echten Vollmond. Wir brauchen also noch eine dritte Kategorie: Super-Duper-Puper-Mond. Ein Super-Duper-Puper-Vollmond ist ein Vollmond, der an einem Perigäum mit besonders niedrigem Erdabstand und zudem auch noch mit einem Phasenwinkel von knapp über 1 Grad stattfindet
So, jetzt zur Bahngeometrie. Wir schauen uns erst den Abstand Erde-Mond, die wahre Anomalie, den Phasenwinkel und den scheinbaren Winkeldurchmesser des Mondes bei Vollmond für alle Vollmonde des Jahres 2016 an.
Wir sehen: Die Position des Mondes auf seiner Bahn, ausgedrückt durch die wahre Anomalie, wandert von Vollmond zu Vollmond ein Stück weiter. Eine wahre Anomalie von Null Grad bedeutet, der Mond ist am Perigäum seiner Bahn. So ist die wahre Anomalie definiert. Mitte November ist die wahre Anomalie nicht ganz Null, aber nur so ein Grad von der Nulllinie entfernt.
Naja. Das lassen wir mal gelten.
Im oberen Diagramm lese ich ab, dass der Vollmond am 14. November einen scheinbaren Winkeldurchmesser von fast 0.56 Grad hat, mehr als bei jedem anderen Vollmond des Jahres. Größer als bei jedem anderen Vollmond des Jahres, aber nicht wirklich dramatisch mehr als im Oktober und Dezember.
Aber egal, größer ist größer.
Der Erdabstand ist da weniger als 356000 km. Im März, April und Mai waren es jeweils deutlich mehr als 400000 km. Das macht schon was aus – da erschien der Mond weniger als ein halbes Grad groß.
Der Phasenwinkel ist aber heute mit fast 5 Grad auch schon recht groß. Also, ein Super-Duper-Puper-Mond ist das beim besten Willen nicht.
Schauen wir uns jetzt mal an, wie sich der aktuelle Vollmond im Vergleich mit den anderen im laufenden Jahrzehnt schlägt. Ab jetzt sind nicht mehr alle Vollmonde in den Diagrammen. Die würden sonst zu unübersichtlich. Ich habe nur die Vollmonde aufgenommen, bei denen die Mondposition weniger als 30 Grad vom Perigäum abweicht.
He, was ist das? 2012, 2013, 2014 und 2015 hat es Vollmonde gegeben, bei denen die wahre Anomalie dichter an Null lag als heute, am 14. November 2016. Da aber war der Erdabstand immer ein paar Hundert km größer als heute, sodass der scheinbare Durchmesser eben auch ein gaaaaanz kleines bisschen weniger ausfiel. Solche minimalen Unterscheide nimmt man nicht wahr, aber auf dem Papier sind sie halt da.
OK, schauen wir uns mal ein ganzes Jahrhundert an. Wieder nicht alle Vollmonde, sondern nur die nahe dem Perigäum.
Wie man hier deutlich sieht, ist Perigäum eben nicht gleich Perigäum. Es gibt gewisse Schwankungen im Perigäumsradius. Es gibt viele Vollmonde, bei denen der Mond fast so groß erscheint wie heute. Mag sein, dass es der größte seit 70 Jahren oder zumindest seit dem 1.1.1950 ist. Der tatsächliche Unterschied in der Helligkeit zu vielen anderen perigäumsnahen Vollmonden dürfte vernachlässigbar sein. Allein schon deswegen, weil man ja oft den Mond in der tatsächlichen Vollmondposition ohnehin nicht beobachten kann, wenn er da zu der Uhrzeit noch unter dem Horizont ist.
Ist aber alles nicht so wichtig.
Der Syzygienkönig rät: Liebe Leute – schauen Sie sich bitte heute unseren Trabanten an, wenn der Himmel an Ihrem Aufenthaltsort klar sein sollte. Egal ob Super-Duper oder auch -Puper: schön ist der Mond immer.
Ich möchte bitte Beschwerde einlegen gegen diese rücksichtslose Zerstörung von Sensationsmeldungen!
Wovon sollen Verschwörungstheoretiker denn jetzt bitte noch leben!?
Womit die BLÖD ihre Seiten füllen!?
Warum die Prepper noch ihre Keller mit Vorräten vollstopfen!?
Der volkswirtschaftliche Schaden, den alleine dieser Blogeintrag anrichtet! Denkt denn keiner an die Kinder!? ^^
Was wollte ich noch sagen…? Ach ja: Danke und schönen Abend noch! 😉 (Ich kann das Wort “Supermond” nicht mehr hören.)
Was beeinflusst denn den Perigäumsradius? Sind das die anderen Schwerkraftquellen im System? Oder sowas wie eine “Spin-Bahn-” bzw. “Spin-Spin-Kopplung”?
Diese wunderbaren (aber wohl korrekten) Ausführungen von Herrn Khan haben meine gute Laune für Wochen gesichert. Herzlichen Dank dafür!
Außerdem ist der Mond, wenn er hier aufgeht, schon ein ganzes Stück vom Vollmond und vom Perigäum entfernt. Man hätte vielleicht nach Neuseeland reisen sollen…
Ich habe seit ein paar Tagen hier nicht reingeschaut und schon ist mir ein aktueller und hochgradig aufklärerischer Artikel entgangen. Sch…ade, aber erneut einen herzlichen Dank für fundierte Informationen in diesen postfaktischen Zeiten.
(Btw. Wann war nochmal das “Faktum”?)
rok
Das ist etwas Off-Topic, aber wegen der Sache mit dem Phasenwinkel: 5 Grad müssten ja auch bei Neumond möglich sein. Wie ist es denn, wenn der Neumond 5 Grad nördlich (“über”) der Sonne steht? Dann ist es ja kein richtiger Neumond mehr, sondern eine extrem dünne Sichel. Lässt sich diese evtl. kurz nach Sonnenuntergang oder kurz vor Sonnenaufgang ganz tief über dem Horizont beobachten?
Mir ist klar, dass das, wenn überhaupt, nur unter äußerst günstigen Bedingungen (kristallklare Luft, freier Blick zum Horizont…) gehen könnte. Wurde eine solche Neumond-Sichel jemals freiäugig oder mit einer Optik beobachtet? Ich habe in der Richtung schon mal gegoogelt, aber nichts gefunden.
Nachtrag dazu: Der französische Astrofotograf Thierry Legault hat am 8.7.2013 eine solche Neumond-Sichel fotografiert. Allerdings nicht kurz nach Sonnenuntergang oder kurz vor Sonnenaufgang, sondern am Tag. http://www.astrophoto.fr/new_moon_2013july8.html
Naja, Thierry Legault ist halt Thierry Legault. Ich hätte so ein Bild nicht hinbekommen. Wahrscheinlich hätte ich noch nicht einmal den Mond gefunden.