Wie viel Zeit hat SLIM noch?

CGI-Darstellung der JAXA-Mondlandesonde SLIM auf der Mondoberfläche, Quelle: JAXA-ISAS

Die Mondlandesonde SLIM der japanischen Raumfahrtagentur JAXA ist am Freitag, dem 19.1.2024 in Shioli, einem kleinen Krater zwischen den größeren Cyrillus und Theophilus nahe am Mare Nectaris gelandet. Offenbar gelang eine weiche Punktlandung, dann aber stellte die Bedienermannschaft fest, dass die Solargeneratoren keinen Strom produzieren. Die Ursache des Problems ist anscheinend nicht bekannt, zumindest wurde sie meines Wissens nicht kommuniziert.

CGI-Darstellung der JAXA-Mondlandesonde SLIM auf der Mondoberfläche, Quelle: JAXA-ISAS
CGI-Darstellung der JAXA-Mondlandesonde SLIM auf der Mondoberfläche, Quelle: JAXA-ISAS

SLIM (ein Akronym für “Small Lander for Investigating Moon” – an etwas holpriges Englisch muss man sich in Japan gewöhnen) soll punktgenaue Landungen ermöglichen, wobei “punktgenau” als “nicht weiter als 100 Meter vom anvisierten Ort” zu verstehen ist. Die Auswahl von Landeorten auf anderen Himmelskörpern wird durch die erreichbare Landegenauigkeit eingeschränkt. Innerhalb der Unsicherheitsellipse darf sich kein gefährliches Oberflächenmerkmal wie ein Geröllfeld, eine steile Klippe  o.ä. befinden.

Wenn die Unsicherheit kleiner wird, nimmt nicht nur die Anzahl der möglichen Landepunkte zu. Sichere Regionen sind geologisch oft nicht besonders interessant. Man will beispielsweise an frisches Auswurfmaterial um junge Krater heran, die noch nicht durch über Jahrmilliarden hinweg durch Erosion abgeschliffen worden sind. Je dichter man an solchen Gebieten landen kann, desto kürzer ist die Zeit, in der man sie mit einem Rover erreichen kann. Das ist gerade auf dem Mond sehr wichtig, wo es – außer in den Polarregionen – von jeweils vier Wochen zwei Wochen lang dunkel und kalt ist und eine solarbetriebene, stationäre oder mobile Landeplattform mangels Energie dann im Standby bleiben muss. Weiteres finden Sie im Press-Kit der Mission von der JAXA

Der SLIM-Landeort im Krater Shioli

Krater Shioli, der Landeort von SLIM, liegt zwischen den großen Kratern Cyrillus und Theophilus nahe am Mare Nectaris. Die folgenden Bilder, erstellt mit der Webseite Moon-Trek von NASA/JPL, zeigen die Region im Überblick, dann in Nahaufnahme. Bemerkenswert ist das noch frische, helle Auswurfmaterial. 

Krater Cyrillus und Theophilus, mit dem dazwischen liegenden, pink markierten, kleinen Krater Shioli (13.3 Grad Süd, 25.2 Grad Ost), Quelle: Moon Trek, NASA-JPL
Krater Cyrillus und Theophilus, mit dem dazwischen liegenden, pink markierten, kleinen Krater Shioli (13.3 Grad Süd, 25.2 Grad Ost), Quelle: Moon Trek, NASA-JPL
Krater Shioli (13.3 Grad Süd, 25.2 Grad Ost) zwischen den großen Kratern Cyrillus und Theophilus, Quelle: Moon Trek, NASA-JPL
Krater Shioli (13.3 Grad Süd, 25.2 Grad Ost) zwischen den großen Kratern Cyrillus und Theophilus, Quelle: Moon Trek, NASA-JPL

Die Touchdownsequenz von SLIM

Das Aufsetzen der Mondsonde SLIM ist ungewöhnlich, weil zwischen Ausschalten des Haupttriebwerks und Bodenkontakt noch eine beträchtliche Drehung der Sonde erfolgen muss. Hierzu ein Auszug aus dem Press-Kit: 

Darstellung der Touchdown-Sequenz aus der Pressemappe der Mission SLIM, Quelle: JAXA-ISAS
Darstellung der Touchdown-Sequenz aus der Pressemappe der Mission SLIM, Quelle: JAXA-ISAS

Wenn das Haupttriebwerk absgeschaltet wird (MECO=”Main Engine Cut-Off”), ist die Sonde annähernd im Schwebezustand, fällt dann aber unter Einfluss der Mondschwerkraft immer schneller. Allzu hoch darf man das Triebwerk nicht ausschalten, sonst wird der Aufschlag zu hart. Wenn man 5 m/s Aufsetzgeschwindigkeit zulässt, darf das Triebwerk in einer Höhe von nur noch 7.7 m ausgeschaltet werden. Es verbleiben dann noch gut 3 Sekunden, um die Kippbewegung zu absolvieren. Wenn man aber lediglich 2 m/s Aufschlaggeschwindigkeit zulässt, muss man bis auf bloß noch 1.2 m heruntergehen und hat dann nur etwas mehr als eine Sekunde Zeit. Diese Sequenz erscheint mir ziemlich riskant – sie soll aber laut JAXA sichere Landungen auch bei stark geneigtem Boden ermöglichen … falls alles funktioniert wie geplant. Laut JAXA hat das bisher immer hervorragend geklappt – allerdings in Simulationen.

Offenbar hat diesmal aber nicht alles geklappt. Eine Möglichkeit ist, dass die Sonde nicht auf ihren vier kleinen Knubbelbeinen steht, sondern schief, oder möglicherweise auf die Seite gekippt. Anscheinend weiß das aber niemand so genau – es ist nur ein mögliches Fehlerszenario. In der Pressekonferenz nach der Landung wurde diese Möglichkeit genannt – wobei man da noch keine Zeit hatte, um die bis dahin empfangene telemetrie auszuwerten. 

Die Landung erfolgte am Vormittag des aktuellen Mondtages, als also die Sonne noch östlich stand. Im Laufe des Mondtags wird sie immer weiter nach Westen wandern. Falls die Solargeneratoren so ausgerichtet sind, dass sie dann Sonnenlicht empfangen, könnte sie in Betrieb genommen werden. Es könnte versucht werden, das wissenschaftliche Programm zu absolvieren und Daten herunterzuladen. Vor allem könnten dann auch die Batterien geladen werden.

Im Folgenden sieht man die Beleuchtungsverhältnisse am Tag der Landung sowie am 29.1.2024, einen Tag vor Eintritt der Mondnacht am Krater Shioli. Bis maximal zu diesem Tag hat man noch, um SLIM noch zu retten. Ob die Sonde die lange und kalte Mondnacht mit nicht voll geladenen Batterien überlebt, ist mehr als ungewiss. 

Beleuchtungsverhältnisse auf dem Mond, am Landetag (19.1.2024). Die Lokation des Kraters Shioli im Krater Cyrillus ist pink markiert: Quelle: Michael Khan via Lunarscope App
Beleuchtungsverhältnisse auf dem Mond am Landetag (19.1.2024). Die Lokation des Kraters Shioli im Krater Cyrillus ist pink markiert: Quelle: Michael Khan via Lunarscope-App
Beleuchtungsverhältnisse auf dem Mond, am Tag vor Sonnenuntergang (29.1.2024). Die Lokation des Kraters Shioli im Krater Cyrillus ist pink markiert: Quelle: Michael Khan via Lunarscope App
Beleuchtungsverhältnisse auf dem Mond, am Tag vor Sonnenuntergang (29.1.2024). Die Lokation des Kraters Shioli im Krater Cyrillus ist pink markiert: Quelle: Michael Khan via Lunarscope App

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

6 Kommentare

  1. Pressemitteilung der JAXA vom 25.1.2024

    Der Abstieg war zunächst nominal, die erzielte Landeposition wäre wahrscheinlich nur 3-4-Meter von den anvisierten Koordinaten entfernt gewesen (was ein phänomenales Ergebnis darstellt). Kurz vor der Landung trat ein plötzlicher Schubabfall eines der beiden Haupttriebwerke auf. Dieser wurde zwar vom anderen Triebwerk kompensiert, allerdings führte dies zu einer Seitwärtsbewegung. Deswegen kippte die Sonde nach dem Aufsetzen um. Sie steht nicht mehr auf den Landefüßen, sondern liegt fast senkrecht auf der den Haupttriebwerken gegenüberliegenden Seite. Die Solargeneratoren sind nun nach Westen orientiert, was die Hoffnung nährt, dass vor Sonnenuntergang elektrischer Strom generiert werden kann. Es wurden viele Daten und auch Bildmaterial heruntergeladen, bevor die Sonde abgeschaltet wurde, um eine Tiefentladung der Batterie zu vermeiden.

  2. Leicht OT: Bitte nicht mit Pastellfarben markieren. R-G-Farbenblinde wären für eine kräftige Kontrastfarbe (Gelb, Blau bzw. Weiss auf Dunkel oder Schwarz auf Hell) dankbar.

    • Eine sehr gute Nachricht, aber es folgt halt unaufhaltsam der baldige Sonnenuntergang, und dann wird es 2 Wochen dunkel und kalt sein, danach wird es wieder heiß, aber nach den Erfahrungen der vergangenen Woche zu urteilen, gibt es dann wahrscheinlich immer noch keine elektrische Leistung, bis die Sonne wieder weit im Westen stehen wird, vielleicht erst wieder Ende Februar. 🙁

      • Dann mal ran und messen, was noch geht! Sie werden ja sicherlich in den letzten Tagen eine Prozedur für die Situation ausgearbeitet haben.

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