Kohle-Inschrift in Pompeji verlegt Ausbruch des Vesuvs in den späten Oktober

„Dies ist der Vesuv, eben von Traubenranken noch grün umschattet!
Schwer wurden hier feuchte Kufen (mit dem Saft) edler Trauben gefüllt!
Diese Hänge hier liebt Bacchus mehr selbst als die Hügel von Nysa!
Auf diesem Berg führten noch neulich Satyrn ihre Reigentänze auf!
Dies ist der Venus Wohnsitz: Angenehmer als selbst Lakedaimon war er ihr einst!
Und dieser Ort hier war durch des Hercules Namen berühmt.
… Alles das liegt jetzt darnieder, in Flammen versunken und trauriger Asche:
Die Himmlischen selbst wünschen nunmehr, sie hätten dies nicht gedurft!”
Marcus Valerius Martialis , um 88 CE

Wir kennen den genauen Tag des Ausbruchs des Vesuvs, der 24. August 79, durch zwei Briefe, die der Augenzeuge Plinius der Jüngere an den römischen Geschichtsschreiber Tacitus im Jahre 106 schickte. Allerdings haben die Originale nicht in die heutige Zeit überlebt und wir wissen von Plinius Bericht nur aus zweiter Hand und aus späteren Abschriften. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass sich Fehler in diese Abschriften hineingeschlichen haben. So gibt es zahlreiche Kopien der zwei Briefe, die aber unterschiedlichen Angaben zum Zeitpunkt des Ausbruchs machen. So reicht das angegebene Datum von August bis Ende November. Archäologen und Geologen haben lange gerätselt, welches Datum nun stimmen könnte. Die Hitze der pyroklastischen Ströme, die Pompeji verschüttet haben, hat auch organisches Material sehr gut konserviert. Die Reste von frischen Garum, einer sehr speziellen römischen Delikatesse, in Amphoren die durch den Ausbruch verschüttete wurden, deuten auf einen späteren Zeitpunkt als August hin. Garum ist eine Soße, die aus vergorenen Fischresten hergestellt wird. Wichtigste Zutat dabei ist die Gelbstriemenbrasse (Boops boops), die im Mittelmeer zwischen Juli und August gefangen wird. Die frischen Fische müssen mindestens einen bis zwei Monate lang gelagert werden, um das Garum herstellen zu können. Der Fund von fertigen Garum weist daher auf ein Datum des Ausbruchs im September oder später hin. Der Fund von frischen Kastanien, Oliven und Granatäpfel in den Ruinen von Pompeji ließ ebenfalls vermuten, dass der Vulkanausbruch im späten Herbst, nach der Ernte dieser Früchte im September und Oktober, erfolgte. In einigen Amphoren wurden auch Reste von Wein nachgewiesen. Auch hier gilt, nach der Ernte der Reben im frühen Herbst muss einige Zeit verstrichen sein, mindestens einen bis zwei Monate, damit der Wein hergestellt und abgefüllt werden konnte. Auch die Verteilung der Ascheschichten des Vesuv weist auf ein späten Zeitpunkt als August für den Ausbruch hin. Die Verteilung der vulkanischen Asche deutet darauf hin, dass während des Ausbruchs der Wind von Nordwest kam und die Asche nach Südost geblasen wurde. Solche Windverhältnisse sind ungewöhnlich für Neapel während der Sommerzeit. Das italienische Festland erwärmt sich im Sommer schneller als das Mittelmeer. Über das Festland erwärmt sich die Luft, die aufsteigt, und es entsteht ein Unterdruck. Luft strömt nun von der Wasserfläche zum Festland hin um den Unterdruck auszugleichen. Im Herbst ist es genau umgekehrt. Das Festland kühlt sich schneller ab als das Meer und der Wind strömt nun hinaus auf die Bucht von Neapel, ungefähr von Nord nach Süd/Südost.

Auch archäologische Indizien wurden gesammelt. Die berühmten Gipsabgüsse der Opfer von Pompeji, die verwesenden Körper haben Hohlräume in den harten vulkanischen Ablagerungen hinterlassen, die durch die ersten Ausgräber mit Gips ausgefüllt wurden, zeigen Menschen, die warme Kleidung tragen. In den Häusern sind auch kleine Öfchen gefunden worden. Anscheinend bereiteten sich die Bewohner von Pompeji auf kühle Temperaturen vor, wie sie im Spätherbst auch im sonnigen Süditalien vorkommen können. Spektakulär war der Fund in 2017 eines “Steinbock-Denar” der neben einen der Toten lag. Diese Silbermünze, die auf der einen Münzseite einen stylisierten Steinbock zeigt, war im August 79 noch nicht im Umlauf. Kritiker wiesen allerdings rasch darauf hin, dass die Münze sehr schlecht erhalten und das Prägedatum nicht lesbar war. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine ähnliche Münze, die aber vor August 79 geprägt worden war, handelte.

Dies sind alles nur indirekte und sehr vage Hinweise für einen späten Ausbruch des Vesuvs. Archäologen stießen nun während einer Ausgrabung zweier römischen Villen in Pompeji auf eine Wand, die einen ersten direkten Hinweis liefern könnte. Anscheinend hatten Arbeiter, die die Räumlichkeiten renovieren sollten, sich einen Spaß daraus gemacht, auf die noch zu übermalenden Wänden Sprüche und teilweise obszöne Zeichnungen zu verewigen. Eine der Inschriften, die mit einem Kohlestück an die Wand gekritzelt wurden, lautet nun, dass [am] 17. Oktober hat er mit der Speise übertrieben. Anscheinend war einem der Arbeiter an jenen Tag eine Mahlzeit nicht besonders bekommen. Die Inschrift nennt kein Jahr, allerdings scheint es unwahrscheinlich, dass die Schmiererei lange Bestand hatte, bevor sie von vulkanischen Material begraben und so bis in die heutige Zeit konserviert wurde. Einerseits kann Kohlestaub schnell verwischen, andererseits scheint es unwahrscheinlich, dass der Hausbesitzer die Schmierereien lange geduldet hätte. Die Archäologen gehen daher aus, dass gerade mal eine Woche später, am 24. Oktober 79, der Vesuv ausgebrochen ist.

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David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

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