John T. Wilson, vom Tanz der Kontinente bis zum unausweichlich Ende der Welt

„Die Herren sind wie Kontinentalschollen, sie lassen sich nur durch ungeheure, durch geologische Zeiträume wirkende Kräfte bewegen.“
Der Däne Johan Peter Koch, der Alfred Wegener auf zwei Grönlandexpeditionen begleitete.

Gegen Mittag des 6. Juni 1924 suchte der Geologe Noel Ewart Odell auf 8.100 Meter Meereshöhe nach Fossilien. Odell war Teilnehmer einer britischen Expedition die als erste den Gipfel des Mount Everest erreichen wollte. Am selben Tag versuchten die beiden Bergsteiger Sandy Irvine und George Mallory ihr Glück. Keiner der beiden kam lebend zurück. Die Fossilien die Odell an jenen schicksalhaften Tag gesammelt hatte, zeigten das die Gipfelregion des Mount Everest aus ehemaligen Meeressedimenten aufgebaut war. Odell führte später einen jungen John Tuzo Wilson in das Wunder der Geologie ein. Wilson wurde am 24. Oktober 1908 in Ottawa geboren und nach den Treffen mit Odell beschloss er Physik und Geologie zu studieren. Später erforschte Wilson die geologische Geschichte Kanadas und der Vereinigten Staaten. Das Kanadische Schild, eine Abfolge von sehr alten metamorphen Gesteinen die unter einen Großteil von Kanada liegen, erklärte er zunächst als die Reste der primitiven Kruste der Erde, die beim Zusammenschrumpfen der abkühlenden Erde zerbrochen war.

Um 1960 erlebte die Theorie der Kontinentalverschiebung, die fast 50 Jahre vorher vom deutschen Meteorologen Alfred Wegener veröffentlicht worden war, eine Wiedergeburt. Wilson lehnte zunächst, wie viele seiner Zeitgenossen, die Idee von wandernden Kontinenten ab. Allerdings bemerkte Wilson rasch, dass diese Theorie viele der bis dahin ungelösten Fragen in der Geologie erklären konnte. Wenn man davon ausging, dass nicht nur die Kontinente, sondern auch die Ozeankruste beweglich war, konnte man seltsame Strukturen, die wie parallele Linien entlang von Unterwassergebirgen verliefen, als große Störungen erklären.

Entlang der Unterwassergebirge in der Mitte der ozeanischen Becken, den Mittelozeanischen Rücken (MOR), strömt heißes Magma vom Erdinneren heraus und drückt dabei die ozeanische Kruste zur Seite. Dieser Mechanismus erzeugt dabei den Schub, der benötigt wird um Ozeane und Kontinente zu „verschieben“. Entlang der parallelen Transformstörungen, die jeden MOR begleiten, zerbricht dabei die abgekühlte Platte, da die Erde eine Kugel ist und die Platten der Krümmung folgen müssen. In den Subduktionszonen entlang der Kontinente wiederum versinkt die ozeanische Kruste wieder ins Erdinnere und wird dabei aufgeschmolzen. Der Zyklus kann von vorne beginnen.

Mit der Plattentektonik konnte Wilson auch die erdgeschichtlichen Phasen der Gebirgsbildung erklären. Ungefähr alle 200 Millionen Jahre bilden sich Gebirge da die Kontinente zusammenstoßen. Der Wilson-Zyklus beschreiben, wie durch die Einengung der Meeresbecken Gebirge aufgetürmt werden. Diese werden durch Erosion abgetragen und es bilden sich Sedimente, die sich in neu gebildete Meeresbecken ablagern. Aus diesen Sedimenten können in einem neuen Zyklus auch wieder neue Gebirge entstehen. Nach modernen Schätzungen bleiben der Erde noch weitere 2 bis 3 Wilson-Zyklen. Da sie sich ständig abkühlt wird die Energie schließlich nicht mehr ausreichen um die Plattentektonik anzutreiben. Wie sich das Innere der Erde abkühlt, so heizt sich die Oberfläche allerdings kontinuierlich auf während sich die Sonne zum roten Riesen aufbläht. Bei zunehmenden Temperaturen verdampft in 1 Milliarde Jahre die Atmosphäre und in 2 Milliarden Jahre die verbleibenden Ozeane. Wasserdampf und andere leichte Elemente werden sich in den Weltraum verflüchtigen und nur der schwere Sauerstoff wird sich länger halten können. In der dichteren Atmosphäre führen seltene, aber sehr heftige, Niederschläge zu gewaltigen Schlammströme, die die letzten Gebirgsketten abtragen. Ohne Plattentektonik, die laufend die Gesteine recycled und frisches Material zur Oberfläche bringt, verwittert schließlich die gesamte Erdoberfläche und der einst blaue Planet wird sich, durch die Eisenoxide die sich bilden, blutrot verfärben.

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David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

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