Rumänienreise von Christiane und Siegfried Grätsch

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Vom 26. September bis zum 07. Oktober besuchten Christiane und Siegfried Grätsch die Hilfsgebiete in Rumänien, in denen der Verein „Rumänien-Arbeitsgruppe-Hemmingen – Ein Haus für Morgen“ tätig ist. Über diesen Besuch haben die beiden einen Bericht verfasst, den ich hier gerne veröffentliche. Interessierten ist zudem das Interview mit Herrn Grätsch zu empfehlen, welches letzte Woche in diesem Blog veröffentlicht wurde. 

In diesem Jahr besuchten wir, Christiane und Siegfried Grätsch, unser Hilfsgebiet in Rumänien. Während der gesamten Reise hatten wir herrliches Wetter und freuten uns an der wunderschönen Herbstfärbung der Laubbäume. Ein typisches Bild im rumänischen Herbst sind die Menschenansammlungen um die Walnussbäume an den Straßen, wenn die Walnüsse geerntet werden. Beim ersten Gespräch in Cristuru Secuiesc wurden die anstehenden  Programmpunkte für die nächsten Tage geplant.

Schul- und Studienjahr

Das Schul- und Studienjahr hatte begonnen. – Kinga aus Mugeni hat einen Studienplatz an der Klausenburger Universität im Fach Geografie/Touristik bekommen. Gleich am ersten Tag begleiteten wir sie zum Studentenwohnheim und bekamen einen Eindruck vom Wohnheim und der Umgebung. Mit uns fuhr Imola zur Trauerfeier einer früheren Nachbarin ihrer Familie, von der sie nach dem Tod ihrer Mutter betreut worden war bis sie ins Familienhaus aufgenommen wurde.
In diesem Jahr hatte die Kinderschutzbehörde den Aufenthaltsort von Kingas Mutter ausfindig gemacht. Kinga musste Kontakt zu ihr aufnehmen. Die Mutter ist auch heute nicht fähig, ein Kind zu betreuen und so wurde die Verbindung wieder abgebrochen. Kinga ist das zweite Roma-Mädchen aus unseren Familienhäusern, das studiert. Insgesamt haben sechs „unserer“ Kinder die Hochschulreife erreicht. Alle aus den vier Familienhäusern herausgewachsenen Jugendlichen haben je nach ihren Fähigkeiten einen Ausbildungsabschluss erlangt und sind in der Lage, ihr Leben zu meistern.

Familienhäuser 

Zum Standardprogramm unserer Reisen gehört mindestens ein Besuch bei den vier Familienhäusern: Die Familienhaus-Eltern Tövissy in Mugeni waren in Urlaub. Der Betrieb lief aber offensichtlich auch ohne sie für die kurze Zeit gut. Ernsthafte  Probleme wurden nicht genannt.
Im Familienhaus Dobos von Ruganesti fanden wir eine sehr angenehme Familienatmosphäre vor. Die Kinder wirkten alle sehr selbstbewusst und fröhlich. Sie kennen ihre Tätigkeiten innerhalb der Gemeinschaft. Tiere und Pflanzen werden von den Kindern gepflegt. – Alle Fenster im ersten Stockwerk wurden in diesem Jahr erneuert. Das Ziergitter von der Vorderfront ist zum Teil marode und muss ausgebessert werden.
Auch in den beiden Familienhäusern in Újszekely herrschte eine schöne Stimmung. Nach Aussage der Familienhaus-Eltern Bán gibt es keine Probleme – und so wirkte es auch. Es gedeiht alles prächtig, seien es die Kinder, die Tiere oder die Pflanzen.
Unsere Häuser werden häufig von nichtrumänischen Pädagogen besucht. Sie zeigen sich erstaunt über die familiengerechten Arbeitsverhältnisse und die guten Ergebnisse in „unseren“ Familienhäusern. Vor allem die offensichtliche Motivation der Kinder wird bestaunt.

Ähnlich gut läuft der Betrieb bei der Familie Bálint. Bei der Besichtigung einiger Zimmer der Kinder erhielten wir wieder neue Eindrücke zur individuellen Entwicklung unserer Schützlinge. Z.B. kamen wir in ein Jungenzimmer, in dem beide Jungen lasen. Einer von ihnen – István – las in der Bibel und hatte auch über dem Bett einen Bibelspruch angebracht. – In einem Mädchenzimmer erfuhren wir angesichts einer Violine, dass beide Mädchen – Erzsika und Arzsika – seit fünf Jahren Geigenunterricht haben. Der bisherige Geigenlehrer meint, dass sie einen anderen Lehrer bräuchten, er könne ihnen nichts mehr beibringen. Der Unterricht  wurde von dem Patengeld unseres Vereins für die beiden bezahlt. Die Jugendlichen verdienen sich in der  Nachbarschaft etwas Taschengeld.
In unseren Familienhäusern wurden auch einige schwer verhaltensgestörte Kinder aufgenommen, die nach einiger Zeit gut integriert waren. – In den Familienhäusern ist nach den Jahren des intensiven Betriebs die Ausstattung z.T. sehr abgenutzt; vieles müsste ausgebessert oder ersetzt werden (z.B. Bodenbelag).

Während unseres Aufenthaltes wurde das 5. Familienhaus in Simonesti von innen verputzt. Zur Zeit werden Fenster, Türen und Treppenhaus eingebaut. Das Haus wird nicht  vor März 2009 bezugsfertig sein. Der Gasanschluss für den Ort ist erst in einigen Jahren zu erwarten. Aus diesem Grund haben wir uns erst einmal für die dort übliche Holzbeheizung der Zentralheizung des Hauses entschieden. Außerdem wird eine Solaranlage zur Warmwasseraufbereitung installiert.
Der Bürgermeister des Ortes freut sich über unser Engagement. Vor allem der Erhalt der dortigen Elementarschule liegt ihm am Herzen, die mit „unseren“ Kindern gesichert wäre.

Kinderschutzbehörde 

Ein Treffen mit dem zuständigen regionalen Leiter der Kinderschutzbehörde Herrn Bódo konnte wieder organisiert werden. Er freut sich, dass unser 5. Haus nun bald bezugsfertig ist, da die Plätze für weitere 10 Waisenkinder sehr benötigt werden. Von den Vertretern des Kinderschutzes wird klar gesehen, dass unser pädagogisches Konzept besonders für kleine Kinder geeignet ist. Trotzdem wird es nicht als allgemein verbindlich übernommen. Herr Bódo riet, dass unser Geschäftsführer sich schnellstens beim neuen Leiter des Kinderschutzes um eine schriftliche Anerkennung unseres Konzepts für die fünf Familienhäuser bemühen sollte.-  Von Seiten der rumänischen Regierung wird angestrebt, soziale Einrichtungen für Waisenkinder vertraglich in Eigenregie zu übergeben. Ein derartiges Angebot würden wir ablehnen.
Die Umsetzung von EU-Forderungen wirkt sich sehr unerfreulich auf unsere Hilfsarbeit aus: Die Befreiung der 19%igen Mehrwertsteuer für Sozialeinrichtungen ist  in diesem Jahr aufgehoben worden, das betrifft auch unser 5. Haus. Wir müssen jetzt mehr als 17.000.– EUR zusätzlich aufbringen.

Nachmittagsschule

Bei der Nachmittagsschule zur Förderung sozial benachteiligter Kinder begann ebenfalls das neue Schuljahr. Márta, die Leiterin, stellte für jedes Kind die Lernerfolge vor. Die beiden Mädchen Barbara und Bernadett sind ausgeschieden, weil sie den Anschluss in der allgemeinen Schule gefunden haben. Wir sind mit den Lehrerinnen und  Pastor Alpár übereingekommen, dass für das laufende Schuljahr 2008/2009 zwei Lerngruppen für je 6 Kinder beibehalten werden.

Für die Ferienzeit hatte jedes Kind den Auftrag, drei ausgewählte Bücher zu lesen. Lehrerinnen und Kinder trafen sich viermal in der Ferienzeit. Während des vergangenen Schuljahrs trafen sich die Eltern der Kinder dreimal mit den Lehrerinnen. Die Gespräche waren sehr offen.- Hauptsächlich Mädchen nehmen an dem Unterricht teil. Jungen sind nach Familientradition für Feldarbeit und andere schwere Arbeit eingeplant und finden so kaum Zeit zum Lernen, während Mädchen es im Hause eher einrichten können. Die Kinder erscheinen immer schon vor der Unterrichtszeit und danach möchten sie am liebsten noch dortbleiben.
Im nächsten Jahr würden die Lehrerinnen gemeinsam mit den Kindern eine kleine Ferienfreizeit durchführen. – Die Lehrerinnen legen den teilnehmenden Roma-Kindern nahe, dass sie ihre Roma-Zugehörigkeit akzeptieren.
Mit den Kindern werden auch kleine Feste gefeiert (z.B. am 1. Juni der „Tag des Kindes“,  doch das kostet natürlich etwas mehr). – Bei unserem nicht angekündigten Besuch im Unterricht ließen sich die Schülerinnen (Janos musste zu Hause helfen) bei ihrer Arbeit zum Thema „Herbst“ nicht stören. Sie wirkten fröhlich. Der Umgangston untereinander war höflich.

Für den kommenden Hilfsgüter-Transport im März 2009 wird unweit von Cristuru Secuiesc eine Lagerhalle zur Verfügung stehen. Sie ist für LKWs gut erreichbar, trocken und kostenlos – ein Ergebnis der zahlreichen Kontakte unseres rumänischen Geschäftsführers László, die er für den Verein und damit für „unsere„ Kinder nutzt.

In allem können wir unsere Freude darüber zum Ausdruck bringen, wie erfolgreich die rumänischen Freunde die Hilfe unseres Vereins nutzen.

Christiane + Siegfried Grätsch

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

4 Kommentare

  1. Ehrenamtliche Tätigkeiten

    Mich hat die Frage interessiert, wie groß der Umfang von ehrenamtlichen Tätigkeiten in Deutschland ist. Laut Freiwilligensurvey sind ca. 36% aller Bürger in ehrenamtlichen Tätigkeiten involviert. Allerdings ist anzumerken, dass dort auch alle Vereinsmitglieder mitgezählt wurden, auch Mitglieder von Sportvereinen. Dies soll jedoch nicht die Leistung der Freiwilligen schmälern. Ich finde es sehr beeindruckend, dass sich so viele Bürger in ihrer Freizeit freiwillig engagieren.
    Ich denke, bei einer genaueren Betrachtung ließen sich viele beeindruckende Beispiele, wie obiges, finden.
    Ich möchte noch anmerken, dass es mich sehr freut, dass eines der Kinder ein Studium der Geographie angetreten ist.

  2. Ehrenamt mit Herz

    Ich denke, daß diese Art von Hilfe wesentlich effektiver und erfolgreicher als jegliche staatliche Hilfe ist. Die ist gezwungenermaßen bürokratisch und unpersönlich.

    Mit den 19 % Mehrwert Steuer das habe ich nicht verstanden? Wieso ist denen von der EU die Arbeit erschwert worden?

  3. @Martin

    Ich denke mal, dass Rumänien ihre Steuergesetzgebung an das EU-Recht anpassen musste. Wahrscheinlich fielen gleichzeitig aber auch viele Steuerleichterungen für Unternehmen weg. Für solch einen kleinen Verein ist das natürlich eine gewaltige Summe.

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