Warum Hitzewellen Waldbrände begünstigen

Ihr habt ja sicherlich mitbekommen, was mit dem kanadischen Örtchen Lytton letzte Woche passiert ist. Erst wurde es da 49,6 Grad heiß – im Schatten, wohlgemerkt – und ein paar Tage später ist der ganze Ort durch einen Waldbrand abgefackelt. Dieses Zusammentreffen ist kein Zufall. In vielen Regionen der Nordhalbkugel beginnt jetzt die Feuersaison, und da werden wir sicher auch in anderen Ecken Ähnliches sehen. Hitzewellen und Waldbrände hängen zusammen, und der Klimawandel lässt das Brandrisiko durch allgemeine Erwärmung ebenfalls steigen.

Aber warum eigentlich? Es ist ja keineswegs offensichtlich, dass Hitze Feuer begünstigt. Kaltes Holz brennt genauso gut wie warmes, Hauptsache es ist trocken[1]. Man könnte deswegen meinen, dass Niederschläge und ihre Veränderung der entscheidende Faktor sind. Aber das stimmt nur zum Teil, denn Trockenperioden sind nichts per se Neues und der Klimawandel verändert Niederschläge in recht komplexer Weise, anders als die Temperatur. Dazu sind Wälder recht trockenheitsresistent und können Wasser sehr lange halten. Deswegen beeinflusst der Klimawandel “fire weather”, also Wetterlagen, die Brände begünstigen und verschlimmern, zu einem beträchtlichen Teil über die Verdunstung.

Dieser Faktor erklärt nicht nur, dass Feuer gerade in saisonal trockenen und brandträchtigen Ökosystemen[2] häufiger werden, sondern auch, dass sie seit einigen Jahren eine andere Qualität entwickeln. Sie werden nicht nur weit größer als bis vor einigen Jahren normal war, sie breiten sich außerdem unfassbar schnell aus und brennen heißer und heftiger als früher. Viele der tödlichen Brände von Kalifornien im September 2020 wuchsen in den ersten Stunden ihrer Existenz auf über 400 Quadratkilometer an. Das ist etwa die Hälfte der Fläche von Berlin.

Extreme Verdunstung

Ein weiteres Phänomen, das früher sehr selten war, aber heute häufiger vorkommt, ist das “Moonscaping” – wenn ein Bereich so intensiv brennt, dass die Vegetation komplett vernichtet wird. Das geht nur, wenn es wirklich sehr trocken ist. Das Wasser muss weitgehend aus Boden und Biomasse verschwinden, und das ist gerade bei Wäldern gar nicht so einfach. Boden und Pflanzen speichern sehr effektiv Wasser. Pflanzen können ihre Verdunstung regulieren (was den Zusammenhang zwischen Temperatur und Trockenheit komplizierter macht) und Waldboden liegt teilweise im Schatten. Unter Bäumen ist es selbst an heißen Tagen noch kühler und feuchter als anderswo.

Der Faktor, der einen Wald trotz alldem so trocken macht, dass er so explosiv abbrennt wie in den letzten Jahren geschehen, ist extreme Verdunstung[3]. Mehrere Bedingungen müssen dafür zusammen kommen. Auf molekularer Ebene ist Verdunstung ein dynamischer Prozess, bei dem Wassermoleküle permanent sowohl von der Flüssigkeit in die Luft als auch umgekehrt wechseln. Der Dampfdruck der Flüssigkeit beschreibt wie oft ein Molekül von flüssig zu gasförmig wechselt, der Druck des Wasserdampfes in der Luft – der Partialdruck – sagt, mit welcher Rate Wasserdampf gleichzeitig kondensiert.

Wenn der Dampfdruck der Flüssigkeit gleich dem Partialdruck des Dampfes ist, kondensiert und verdampft in jedem Moment genau gleich viel Wasser. An dieser als Sättigungsdampfdruck bezeichneten Grenze kann die Luft kein Wasser mehr aufnehmen, die relative Luftfeuchtigkeit ist 100 Prozent und überschüssiges Wasser bleibt im Boden. Dieser Fall ist außerhalb der Tropen selten, meistens verdunstet das Wasser in Boden und Vegetation nach und nach, und unter den obersten Zentimetern bleibt es auch Wochen nach dem letzten Regen noch feucht.

Wasserkreislauf aus dem Gleichgewicht

Die extremen Waldbrände zeigen jedoch, dass dieses Gleichgewicht zwischen Wasser in der Atmosphäre und jenem, das die vorhandene Vegetation daran hindert, wie Zunder zu brennen, immer häufiger dramatisch aus den Fugen gerät. Wetterlagen, in denen die trockene Luft wie ein gigantischer Schwamm die Feuchtigkeit aus Biomasse und Böden saugt, werden gerade in Regionen mit saisonalem Trockenstress deutlich häufiger.

Aber trocken ist nicht gleich trocken – und der Schlüssel dazu ist die Temperatur. Man gibt die Luftfeuchtigkeit normalerweise mit einer Prozentzahl als relative Luftfeuchtigkeit an. Sie gibt an, welcher Anteil des Dampfes, den die Luft theoretisch halten kann, tatsächlich in der Luft ist. Leider ist dieser Wert nicht allzu hilfreich, wenn es darum geht, Trockenheit einzuschätzen. Denn wieviel Dampf die Luft theoretisch aufnehmen kann, hängt stark von der Temperatur ab.

Dadurch beschreibt die gleiche relative Luftfeuchtigkeit bei verschiedenen Temperaturen sehr unterschiedliche Trockenheit. So kann bei 30 Grad die Luft sogar bei einer relativen Feuchte von 60 Prozent mehr zusätzliches Wasser aufnehmen als Luft bei 10 Grad und einer relativen Feuchte von 10 Prozent. Das heißt nichts anderes als: Je wärmer es ist, desto “trockener” ist ein gegebener Wert der relativen Luftfeuchtigkeit, weil in absoluten Zahlen immer mehr Wasser bis zu den 100 Prozent fehlt.

Obendrauf kommt ein weiterer Effekt: Wenn es warm ist, verdunstet Wasser leichter – das bedeutet, sein Dampfdruck ist höher. Und auch Wasser strömt vom hohen Druck zum niedrigen. Das heißt, je größer der Unterschied zwischen dem Dampfdruck des Wassers am Boden und dem Partialdruck des Wasserdampfes in der Luft ist, desto mehr und effektiver verdampft Wasser aus dem Boden, Pflanzen und abgestorbener Vegetation.

Waldbrände und Dampfdruckdefizit

Tatsächlich gibt es für diese beiden Effekte eine gemeinsame Maßzahl, das Dampfdruckdefizit. Dieser Parameter erfasst einerseits, wie viel Wasser die Luft aufnehmen könnte – was von der Temperatur abhängt – und andererseits, wie viel Wasserdampf bereits in der Luft ist, also die relative Luftfeuchtigkeit. Beides zusammen beschreibt direkt, wie stark die Atmosphäre Wasser aus Boden und Vegetation zieht. Die Verdunstung ist proportional zum Dampfdruckdefizit.

Das Dampfdruckdefizit bei einer gegebenen relativen Luftfeuchtigkeit steigt jedoch näherungsweise exponentiell mit der Temperatur. Und wie wir spätestens in den letzten zwei Jahren ja alle gelernt haben, ist mit exponentiellen Anstiegen nicht zu spaßen. Wenn es eine Weile trocken ist, dann macht es für die Verdunstung einen erheblichen Unterschied, ob es in dem Zeitraum zwei Grad Wärmer oder kälter ist.

Wegen seiner Proportionalität zur Verdunstung ist das Dampfdruckdefizit umgekehrt für die Frage, wie trocken es tatsächlich ist, viel relevanter als andere Werte. In der Landwirtschaft und Pflanzenzucht gibt er zum Beispiel ein viel klareres Bild als die relative Feuchte, wie groß der Trockenstress für eine Pflanze unter bestimmten Bedingungen ist. Dabei spielt die Temperatur eine wesentliche Rolle. Grob gesagt, die Luftfeuchtigkeit, unterhalb derer eine Pflanze Trockenstress hat, verschiebt sich mit steigenden Temperaturen immer weiter nach oben. Wann zum Beispiel Nadelwälder absterben wie in den letzten Jahren im Harz, hängt vor allem am Dampfdruckdefizit.

Das gleiche gilt für feuergefährdete Landschaften. Bei einer gegebenen relativen Luftfeuchtigkeit steigt das Dampfdruckdefizit ungefähr exponentiell mit der Temperatur, und es sagt viel direkter, ob eine Region “Trockenstress” hat, ob also “Fire Weather” herrscht. Deshalb ist der Wert für die Entstehung und Ausbreitung von Bränden meist aussagekräftiger als die relative Luftfeuchtigkeit. Und in vielen Regionen der Welt ist das Dampfdruckdefizit in den letzten Jahrzehnten durch den Klimawandel gestiegen – auch in Europa.

Und noch eine Exponentialfunktion

Lytton in Kanada ist zwar ein besonders drastisches Beispiel, aber illustriert das Grundprinzip ganz gut. Der exponentielle Zusammenhang zwischen Temperatur und Dampfdruckdefizit wiederum erklärt, warum der Temperaturanstieg durch den Klimawandel hier überhaupt merkliche Auswirkungen hat. Schon um wenige Grad wärmere Trockenphasen erzeugen dadurch eine merklich höhere Verdunstung. Und das ist keineswegs nur für Klimazonen relevant, die man gemeinhin mit Waldbränden assoziiert, also Nordamerika oder Australien, sondern besonders auch für die Regionen in und rund um die Arktis steigendes Risiko für Waldbrände sehen.

Die Arktis ist ja der Teil des Globus, der sich derzeit am schnellsten und stärksten erwärmt, und nach dem oben geschilderten müsste müsste man demnach dort mehr Feuer sehen. Genau das ist ja auch der Fall. In Schweden zum Beispiel gab es 2018 überraschend große Waldbrände, bei denen Analysen einen Klimazusammenhang nahe legen, dann natürlich die spektakulären sibirischen Feuer der letzten Jahre und nicht zuletzt Grönland.

Arktische Regionen haben da natürlich den großen Vorteil, dass sie meist relativ dünn besiedelt sind. Die Waldbrände dort sind dadurch tatsächlich ein Signal, dass sich der Wasserhaushalt verändert. In anderen Regionen, die wegen ihrer großen Feuer Schlagzeilen gemacht haben – zum Beispiel Kalifornien, der Mittelmeerraum oder Australien – spielen Umweltveränderungen durch den Menschen eine viel größere Rolle und verzerren quasi das Klimasignal.

Man kann das aber auch als gemeinsamen Trend betrachten: in vielen Regionen verschärfen veränderte Niederschläge und schlechtes Feuermanagement durch den Menschen die Waldbrandgefahr. Brände erreichen Siedlungen, die bisher als sicher galten, außerdem gibt es andersherum immer mehr Bauvorhaben in feuergefährdeten Regionen. Obendrauf kommt dann noch die globale Erwärmung und das mit der Temperatur exponentiell steigende Dampfdruckdefizit.

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[1] Tatsächlich stimmt das nicht ganz, wie ich eben auf Twitter belehrt wurde. Warmes Holz brennt etwas besser als kaltes, weil die Brennzahl Temperaturabhängig ist. Der Effekt ist bei massivem Holz gering, aber bei körnigen oder pulverförmigen Substanzen wird der Unterschied anscheinend groß genug, dass das veränderte Verhalten für Trocknungsprozesse wichtig wird.
[2] Trockenheit ist einer der banalen Punkte, die man sich eigentlich denken kann, mit denen aber immer wieder Leute bei diesem Thema ankommen, wenn man es nicht ausdrücklich reinschreibt. Es gibt noch zwei weitere, die hiermit for the record abgefrühstückt seien. Erstens, Feuer ist nicht gleich Feuer. Deswegen sagt die nackte Zahl an Bränden auch nichts darüber aus, ob es ein Problem gibt und wie groß es ist. Und zweitens, wir reden hier nicht über Auslöser der Waldbrände (Überraschung: man muss Dinge anzünden, damit sie brennen), sondern über den Grund, weshalb Wald & Co überhaupt von einer weggeworfenen Kippe oder einem Kurzschluss in Flammen aufgehen, und warum die resultierenden Feuer in einigen Weltgegenden extremer werden.
[3] Streng genommen ist der wesentliche Faktor natürlich, dass das Ökosystem genug Biomasse enthält, um so heftig zu brennen. Das ist auch ein bisschen der Knackpunkt beim Klimawandel. Der verursacht natürlich nicht “mehr Feuer”, sondern schiebt einfach Regionen mit übermäßig viel Biomasse in ein brandförderndes Regime. Der natürliche Prozess in so einem quasi “übertrockneten” Wald wäre eine Abfolge von mehreren großen Feuern und dann langfristige Versteppung mit regelmäßigen niedrigen Grasbränden.

6 Kommentare

  1. Keine Frage, Trockenheit begünstigt Waldbrände. Doch was löst sie aus?
    Bei Lytton wird das noch untersucht. Da der Brand anscheinend nicht von außen, d.h. von den umgebenden Wäldern auf den Ort zukam, sondern im südlichen Teil des Orts begonnen haben soll, wird vermutet, dass Funkenflug durch einen durchfahrenden Zug den Brand auslöste.
    Bei den schlimmen Waldbränden in Kalifornien hat ja einige Zeit danach die Elektrizitätsgesellschaft zugegeben, dass marode elektrische Leitungen der Auslöser gewesen waren.
    Als natürliche Auslöser von Waldbränden kommen Blitze in Frage.

  2. Die Waldbrände werden global anhand ihrer CO2-Emissionen vom Weltraum aus seit einiger Zeit quantitativ erfasst. Man findet dort die Ergebnisse.
    Hier der jeweils aktuelle Stand der wildfires:
    https://atmosphere.copernicus.eu/charts/cams/fire-activity?facets=undefined&time=2021070500,24,2021070600&projection=classical_global

    Q and A wildfires: https://atmosphere.copernicus.eu/qa-wildfires
    Jährliche Aktualisierung der Messungen

    und bei den News jeweils aktuelle Berichte zu den wildfires.
    Hier z.B. findet man die globalen wildfire-Messungen seit 2003:
    https://atmosphere.copernicus.eu/how-wildfires-americas-and-tropical-africa-2020-compared-previous-years

    Die CAMS-Internetseiten bringen noch viel mehr Interessantes nicht nur zu Waldbränden, auch zu Ozon, CO2 u.v.m.

  3. Feuermanagemant wird hier am ende ja auch angesprochen.
    Ich fand die aussagen hier in dem FG-Podcast auch etwas einseitig aber durchaus interessant.
    https://forschergeist.de/podcast/fg065-feueroekologie/
    Gerade wenn es darum geht dass wir ja nur Bäume Pflanzen müssten um unseren CO2 Haushalt auszugleichen muss ich immer wieder daran denken. Wenn wir einfach mehr Bäume Pflanzen gibt es halt auch mehr Wälder die Brennen können. Es reicht also nicht x ha Wald zu pflanzen sondern man kämpft da gegen ein x + y das durch Waldbrände wieder verloren geht wobei das y exponentiell im Verhältnis zu x wächst. Ist also die frage ob man genug Platz für ein x und das dazugehörige y hat.

  4. Vielen Dank für diese klare, präzise und wissenschaftlich fundierte Zusammenfassung. Kachelmann hat sich zu diesem Thema schon so oft und so aggressiv aus dem Fenster gelehnt, dass er jetzt nicht mehr zugeben kann, falsch gelegen zu haben. Er wird seine Märchen immer weiter verbreiten (s. SPON, 17.07.2022). Deshalb sind Beiträge wie dieser um so wichtiger.

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