Covid-19 wird endemisch – doch was bedeutet das für uns?
Wie schwer die vierte Welle wird, ist im Moment nicht abzusehen, aber sicher ist: Nach der Welle ist vor der Welle, Impfungen hin oder her. Sars-CoV-2 wird nicht wieder verschwinden. Damit aber fangen die wirklich spannenden Fragen erst an. Endemisch bedeutet nämlich keinesfalls, dass wir Sars-CoV-2 demnächst ignorieren können. Dass das Pandemievirus endemisch wird, sagt uns wenig darüber, wie die Zukunft mit Sars-CoV-2 tatsächlich aussehen wird.
Bis ein langfristig stabiler endemischer Zustand erreicht ist, kann es auch noch eine Weile dauern – und durchaus turbulent werden, wie wir an den Fallzahlen gerade sehen. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung in Deutschland, und weltweit ohnehin, ist nach wie vor ungeimpft und hatte keinen Kontakt mit dem Virus. In dieser Gruppe bleibt die pandemische Dynamik natürlich noch eine Weile erhalten.[1] Deswegen gibt es kein schnelles Ende der Pandemie, sondern ein langes Herantasten an eine neue Corona-Normalität.
Und es ist auch nicht klar, wo wir sind, wenn wir die erreicht haben. Wie sich Sars-CoV-2 als endemisches Virus langfristig benimmt, lässt sich nicht mit Hilfe von ein paar Parametern einfach im Computer simulieren. Auch endemische Viren können überraschende und schwer vorherzusehende Dynamik entfalten, deren Ursache deterministisches Chaos ist. Bei Hepatitis B zum Beispiel gibt es stabile Zustände mit einerseits hohen, andererseits niedrigen Inzidenzen, zwischen denen das Virus abrupt wechselt.
Auch manche endemische Atemwegsinfektionen zeigen deterministisches Chaos; dort erzeugt der Effekt im jährlichen Wechsel milde und schwere Wellen. Am besten beschrieben ist dieser Effekt für das Respiratorische Syncytial-Virus (RSV), aber Studien zeigen den zweijährige Rhythmus tatsächlich auch bei saisonalen Coronaviren – zum Beispiel deuten Daten aus Japan beim “Erkältungsvirus” hCoV-HKU1 darauf hin.[2]
Viren sind auch endemisch noch unberechenbar
Bei Coronaviren kann die Häufigkeit deswegen im Laufe der Zeit und zwischen unterschiedlichen Orten sehr stark schwanken, oft auf unvorhersehbare und überraschende Weise. Dass Sars-CoV-2 endemisch wird, kann also bedeuten, dass jedes Jahr hunderttausende oder wenige hundert Menschen erkranken. Sicher ist aber, dass man dieses Virus auf Jahre hinaus beobachten und auch bekämpfen muss, möglicherweise sogar für immer.
Wie viel Aufwand wir letztendlich in die Bekämpfung stecken, hängt einerseits davon ab, wie viele Menschen nach einer Infektion erkranken oder sterben, andererseits aber auch, welchen Anteil an Betroffenen die Gesellschaft akzeptiert. Es gibt auch Viren, die wir schlicht ignorieren können – wenn nämlich relativ wenige Leute schwer erkranken, weil das Virus sich entweder nur wenig ausbreitet oder aber nur selten schwere Erkrankungen verursacht.
Ein Beispiel: wir bekämpfen die regelmäßigen Erkältungswellen durch Coronaviren und andere Schnupfenerreger kaum, denn die Krankheiten verlaufen fast immer mild, und die volkswirtschaftlichen Kosten durch Krankheitstage und Arztbesuche sind daher vergleichsweise mäßig bis gering. Ob dies auch bei Covid-19 irgendwann so sein wird, ist bislang noch ziemlich offen.
Bei gefährlicheren Viren muss man anders kalkulieren. Bei der Grippe zum Beispiel ist das anders, da Influenza oft ernste Erkrankungen verursacht und Tausende tötet – und manchmal Zehntausende. Bei Influenzaviren gibt es – analog zu Sars-CoV-2 – verschiedene Subtypen und Varianten, gegen die kaum Immunität in der Bevölkerung besteht und die dadurch überdurchschnittlich schwere Grippewellen verursachen. Deswegen wird dieses Virus sorgfältig überwacht und Teile der Bevölkerung werden jedes Jahr geimpft.
Angesichts der Parallelen zwischen Covid-19 und Grippe liegt die Vermutung nahe, dass beide Krankheiten langfristig ähnlich behandelt werden: Im Alltag macht mal sich keine Gedanken darüber, aber die Gesundheitsbehörden überwachen die Lage, und es gibt für bestimmte Bevölkerungsgruppen regelmäßig aktualisierte Auffrischungsimpfungen. Argumente für dieses Szenario sind die nach wie vor recht hohe Sterblichkeit innerhalb der Risikogruppen und natürlich der Umstand, dass sich haufenweise Leute gerade ohnehin bereits einen solchen Booster holen oder erhalten haben.
Das Erkältungs-Szenario
Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zwischen Sars-CoV-2 und Grippeviren, welcher möglicherweise für ein anderes Szenario spricht. Influenzaviren nämlich sind viel variabler, es können ganze Oberflächenproteine durch andere ersetzt werden, ein sogenannter Antigen-Shift. Der kommt zustande, weil das Erbgut der Influenza nicht in einem Stück vorliegt, sondern in mehreren Segmenten, die die Viren untereinander tauschen können. Deswegen hat man da nicht nur einen ganzen Schwarm immunologisch sehr unterschiedlicher Viren, sondern auch große Unterschiede von Saison zu Saison. Coronaviren dagegen tun sich mit dem Austausch vor Erbgutsegmenten sehr viel schwerer. Ihr Genom muss nach und nach mutieren – es verändert sich also sehr viel weniger und nur Stück für Stück.
Deswegen ist die Grippe möglicherweise nicht das beste Vorbild für die Zukunft dieses Pandemievirus und seiner Bekämpfung. Manche Fachleute gehen davon aus, dass Sars-CoV-2 langfristig eher den anderen endemischen Coronaviren ähneln wird. Gegen diese muss man sich nicht regelmäßig erneut impfen. Die meisten Infizierten sind maximal vier Jahre alt und bekommen den klassischen Kita-Schnupfen. Deswegen haben alle Erwachsenen bereits Infektionen mit mehreren oder allen diesen Viren durchgemacht und dadurch eine gewisse Grundimmunität.
Die wird zwar wohl nicht verhindern, dass man sich über die Jahre immer und immer wieder mit Sars-Cov-2 infiziert, die Reinfektionen werden aber wohl mild verlaufen – wie das den klassischen Erkältungsviren auch der Fall ist. Hintergrund ist die nachlassende natürliche Immunität zusammen mit der langsamen Veränderung der Oberflächenproteine des Virus. Solche Reinfektionen werden um so wahrscheinlicher, je länger die letzte Infektion zurück liegt, aber der Schutz vor schweren Erkrankungen hält vermutlich sehr viel länger – und zwar auch dank der Reinfektionen.
SARS-CoV2 ist nun ja ein völlig neuer Vertreter aus der Familie der Coronaviren, tatsächlich ist aber zumindest plausibel, dass die “harmlosen” Coronaviren einst auch Pandemieviren waren. Harmlos wurden sie laut dieser Vermutung erst durch das Muster aus erster Infektion in der Kindheit plus durch regelmäßige Reinfektionen “aufgefrischten” Schutz vor schweren Verläufen. Das ist das optimistische Szenario: Covid-19 wird auf diesem Weg zu einer weiteren Erkältung, die wir im Wesentlichen ignorieren.
Wird man langfristig gegen Covid-19 impfen?
Bis SARS-CoV-2 aber ein “Erkältungsvirus” geworden ist, wird es ganz sicher noch eine ganze Weile dauern. Bis dahin müsste man möglichst viel systematisch impfen. Denn für Erwachsene ohne vorherige Immunität wird Covid-19 noch lange Zeit recht gefährlich sein. Es ist auch möglich, dass Covid-19 nur bei jenen zuverlässig harmlos verläuft, die bereits als Kind damit Kontakt hatten. Erst wenn alle Menschen schon als Kind mit Virus oder Impfung in Kontakt waren, hätte man dann diesen endemischen “Erkältungszustand” erreichen.
Der Knackpunkt dabei ist natürlich, wie harmlos Covid-19 bei Kindern wirklich verläuft. Genauer gesagt, ob die Zahl an schweren Verläufen und potentiellen Langzeitfolgen so niedrig sind, dass man sie hinnehmen würde. Das muss tatsächlich gar nicht so niedrig sein, wenn man sich andere Krankheiten anguckt. Einige der “akzeptierten” Atemwegserreger hauen auch bei Kindern ganz schön rein, zum Beispiel RSV oder Grippe. Und die Erkältungs-Coronaviren können immer wieder mal tödliche Ausbrüche zum Beispiel in Pflegeheimen verursachen.
Insofern ist also einerseits möglich, dass man hohe Raten von Covid-19 bei Kindern in Zukunft akzeptiert, weil Covid-19 sich endemisch nicht groß von klassischen Erkältungen unterscheidet, die man in jungen Jahren ja auch dauernd kriegt. Allerdings gibt es auch weniger optimistische Szenarien. Eine weniger schöne Möglichkeit ist, dass die Immunität aus der Kindheit zwar hält, aber die Folgen der Krankheit bei Kindern so schwerwiegend sind, dass die Gesellschaft das langfristig nicht einfach hinnehmen kann. Oder aber Covid-19 bleibt trotz Teilimmunität auch langfristig so gefährlich wie die Grippe und tötet jedes Jahr tausende Menschen.
In solchen Szenarien würde man eine Vakzine gegen Sars-CoV-2 zu einem Bestandteil der routinemäßigen Impfungen bei Kindern machen und vermutlich auch regelmäßig Risikogruppen impfen. Nicht zu vernachlässigen ist ein möglicher Nebeneffekt: die gesellschaftliche Sicht auf “Erkältungen” allgemein könnte sich nach Covid-19 wandeln. Womöglich schaut man angesichts der neuen Impfstofftechnologien dann auch bei anderen Atemwegserregern noch mal genauer hin, ob eine Impfung hier ebenfalls eine sinnvolle Option sein könnte.
Welche Rolle die Varianten spielen
Die Parallelen zu den saisonalen Atemwegsviren legen natürlich nahe, dass Sars-CoV-2 jedes Jahr gemeinsam mit den meisten anderen Atemwegserregern in einer deutlichen Welle in Herbst und Winter grassieren wird. Dafür gibt es eine Reihe möglicher Gründe, über die ich am Anfang der Pandemie ausführlich geschrieben hatte. Auch die schon endemischen Coronaviren sind recht stark saisonal.
Interessant daran ist aber, dass sie das Muster immer wieder durchbrechen. Alle paar Jahre verursachen sie außer der Reihe kleinere Wellen im Frühjahr und Sommer. Woran das liegt, ist bisher unbekannt. Möglicherweise entstehen diese untypischen Wellen durch Varianten, gegen die in der Bevölkerung etwas geringere Immunität besteht. Bisher hat das aber meines Wissens nach bei den endemischen Coronaviren noch niemand hinreichend genau untersucht.
Sars-CoV-2 entwickelt zudem immer neue Varianten, welche erhebliche Auswirkungen auf die Intensität einzelner Wellen haben und auch Wellen im Sommer verursachen. [3] Da wird auch in nächster Zeit noch einiges auf uns zu kommen, denn je mehr Menschen infiziert sind, um so schneller entwickeln sich neue Varianten. Die hohen Inzidenzen weltweit werden deswegen auch in Ländern mit schon hoher Immunität noch merkliche Auswirkungen haben. Es kann also sein, dass wir erst in vielen Jahren ein berechenbares saisonales Muster sehen, mit dem wir umgehen können wie bei anderen endemischen Viren..
Das Ende der Pandemie ist noch weit weg
Dass wir an den Punkt kommen, an dem Sars-CoV-2 als endemisches Virus in einem dynamischen Gleichgewicht mit uns als Wirt steht, daran bestehen kaum Zweifel. Wann und wie das geschieht, hängt aber nicht nur vom Virus ab, sondern auch von unserem Umgang damit. Auch für diesen Übergang zwischen Pandemie und Endemie gilt: es gibt verschiedenen Möglichkeiten, wie sich das abspielen kann, und Überraschungen sind möglich.
Was man nicht tun sollte ist, das Virus einfach ungebremst durch alle Ungeimpften durchlaufen zu lassen. Das geht zwar relativ schnell, könnte aber viele Menschenleben kosten und das Gesundheitssystem zerlegen – und es geht keineswegs so schnell, wie manche zu denken scheinen. Ohne einen Haufen mehr Impfungen werden wir im Herbst 2022 vermutlich das gleiche Theater noch mal erleben. Wenn man einfach hingeht und alle Leute impft, hat man das Thema in ein paar Wochen durch. Unsere Entscheidung.
Auf jeden Fall müssen wir uns über die nächsten Jahre angucken, wie sich Sars-CoV-2 endemisch verhält. Je nachdem, wie das dann in der Praxis aussieht, müsste man unter Umständen auch im endemischen Zustand die Krankheitslast durch gezielte Schutzmaßnahmen begrenzen, aber vermutlich nur punktuell und mit wenig Aufwand. An der Grippe und anderen endemischen Viren haben wir ja gesehen, wie dramatisch die Auswirkungen von Masken und anderen simplen Maßnahmen sein können. Die Grippe ist allein durch die Anti-Corona-Maßnahmen fast verschwunden[4], desgleichen einige andere Atemwegserreger. Es ist also durchaus denkbar, dass die Corona-Inzidenz von Land zu Land abhängig von der Bereitschaft schwankt, im Bus eine Maske zu tragen.
Das ist jetzt natürlich etwas salopp gesagt, aber letztendlich läuft es darauf hinaus, dass wir als Gesellschaft durch unser Verhalten entscheiden, was “endemisch” bei Covid-19 wirklich bedeutet. Das nämlich hängt keineswegs nur vom Virus ab, sondern wie wir langfristig damit umgehen und welches Maß an Krankheit und Tod wir in Kauf nehmen. Und umgekehrt natürlich, wie groß der Aufwand ist, diese Zahlen niedrig zu halten und ob es uns das wert ist. Und das ist genau das, was wir in den nächsten paar Jahren herausfinden werden.
Diese Winterwelle ist bestenfalls der Anfang vom Ende der Pandemie. Viele wichtige Aspekte sind noch ungeklärt. Zum Beispiel ob es wirklich regelmäßige Winterwellen nach dem Muster der anderen Coronaviren geben wird und ob die Krankheit ebenso mild wird. Oder ob man langfristig impfen muss, weil es eben schwerer verläuft und Long Covid eine nennenswerte Bedeutung hat. Und nicht zuletzt, ob wir als Gesellschaft aus all dem etwas für die Zukunft mitnehmen oder es einfach nur schnell hinter uns lassen wollen[5]. Eine Art Normalität wird es erst wieder geben, wenn all diese Fragen beantwortet sind.
Danke, sehr gut geschrieben!
Gibt es aber nicht einen gewissen Widerspruch, wenn sich das Coronavirus im Vergleich zu Grippeviren eher schlecht verändern kann, und gleichzeitig auf besondere Gefahren von immer neuen Coronavirusvarianten hinzuweisen?
Was wäre das für eine Welt, wenn Eltern ihr Immunsystem mit an ihre Kinder vererben könnten!
Tatsächlich vererben Mütter einen Teil ihrer Immunität als biochemischen Nestschutz an ihre neugeborenen Kinder. Allerdings hält das nur ein halbes Jahr oder so, AFAIK.
Zu den Varianten: siehe die entsprechende Fußnote. Ich sehe Grund zur Annahme, dass neu auftauchende Varianten langsam an Bedeutung verlieren werden. Bisher war ja das Problem, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung überhaupt irgendwelchen Schutz hatte und das Virus relativ neu und damit nicht “optimiert” war. Deswegen hatten zwei neue ansteckendere Varianten so goße Konsequenzen. Langfristig ist das Problem für das Virus aber die Immunität, und um die kommt so ein Virus nicht gut rum, wenn es mit dem Spike-Protein noch andocken will. Deswegen gibt es vermutlich einen Trade-off zwischen Immunescape und Ansteckung: ein Spike, das von den Antikörpern wegevolviert, bindet auch nicht mehr so gut an den Rezeptor. Aus dem gleichen Grund ist der Spielraum für Neuerungen kleiner und die Entwicklung graduell. Bei der Grippe ist das ganz anders, da kann das bindende Protein komplett ausgetauscht werden.
“Bisher war ja das Problem, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung überhaupt irgendwelchen Schutz hatte und das Virus relativ neu und damit nicht “optimiert” war.”
40 Prozent merken nichts von der Infektion – so das Ergebnis einer Studie der Uni Mainz. 40 Prozent haben perfekten Schutz – mitnichten nur ein “kleiner Teil der Bevölkerung”.
Ich bezweifle stark, dass sich die Influenza und dadurch auch Covid durch die Masken im Bus oder Supermarkt wesentlich begrenzt werden. Im Ggs. zu Covid spielen Kinder bei der Influenza eine größerer Rolle. Ebenso werden bei Feiern und Großveranstaltungen auf Dauer keine Masken getragen werden. Ob ich diese dann im Bus oder Supermarkt trage spielt dann auch keine Rolle mehr. Was die Influenza in Schach gehalten hat war maßgeblich der Lockdown und nicht die Maske im Supermarkt oder Bus.
Könnte Covid-19 eventuell genauso abflauen wie die drei Pandemien “Spanische Grippe”, “asiatische Grippe” und Honkong-Grippe? Denn davon hörte man einige Jahre auch nichts mehr. Und dann stellt sich die Frage, ob eine Immunisierung durch Infektion nicht besser als die durch Impfung mit einem eventuell “veralteten” Impfstoff ist.
Gruß
Rudi Knoth
Endlich mal eine unaufgeregte Betrachtung möglicher Szenarien. Erstmal vielen Dank dafür. Mich stimmt ja da ein Bericht aus Kenia hoffnungsfroh, wo man das wieder Corona-Spital abgebaut hat (nach intensiver Nutzung). Die Randbedingungen sind Altersdurchschnitt 20,X, 70..80% haben Antikörper (vermutlich durchgestandene Infektionen) und das ohne Impfungen. Daher mach ich mir um die junge Generation eher weniger Sorgen. Bei der Hysterie ist Long-Covid vielleicht eher eine psychosomatische Erkrankung und weniger körperlich bedingt.
Das würde ich so nicht unterschreiben. LongCovid ist schon real. Allerdings bin ich auch ein bisschen zurückhaltend bei den Horrorszenarien, die da aufgemacht werden.
Als Amerika von Europäern besiedelt wurde, starb ein großer Teil der Ur-Bevölkerung weil dort keine Grundimmunität gegen eingeschleppte neue Erreger vorhanden war. Mittlerweile kann man dort gut mit diesen Erregern umgehen.
Wir haben aktuell mit Covid eine ähnliches Problem: Weil noch keine Grundimmunität vorhanden ist, ist dieser Erreger besonders für Risikogruppen und ältere Personen gefährlich.
Eine Grundimmunität kann man bekommen, wenn man nach Erkrankung überlebt oder wenn man einen Impfschutz bekommt.
Wir haben aber die Wahl – das unterscheidet uns von den amerikanischen Ur-Einwohnern
Ist denn wirklich keine Grundimmunität vorhanden? Die Tatsache, daß etwa Kinder meist keine Probleme damit haben, könnte auf eine Grundimmunität hinweisen.
GRUß
Rudi Knoth
Da hat endemisch in der Biologie und der Medizin einfach eine krass abweichende Bedeutung, geht ja gar nicht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Endemisch
Vielen Dank für diesen unaufgeregten und sachlichen Überblick. Mutmaßlich werden wir eine Kombination bekommen aufgrund der Dynamik (und sehr unterschiedlichen Handhabe) weltweit.
Was mir nicht so behagt ist der Satz
Wie an den steigenden Zahlen der Geimpften auf den Intensivstationen zu sehen ist, ist es eben nicht “einfach durch”. Leider werden derartige Simplifizierungen weiterhin, auch hier, vorgebracht, was uns ja aktuell zunehmand auf die Füße fällt (und leider auch Futter für Impfskeptiker ist…).
Dochdoch, das passt schon. Man hat in einer weitgehend durchgeimpften Bevölkerung ja eine viel geringere Weitergabe zwischen den Geimpften, dadurch sinkt die Inzidenz, die Ansteckungswahrscheinlichkeit sinkt weiter. Hohe Impfquoten drücken die Krankheitszahlen viel stärker als die “Impfwirkung” nahe legt.
Vielen Dank für die Rückmeldung.
Ich bin schon bei Ihnen, dass die Impfung das Ganze entschärft.
Wo ich mich nicht anschließen möchte ich das blinde Vertrauen in die “pauschale” Wirkung der Impfungen in der Gesamtpopulation. Das ist mir persönlich zu viel Blindflug, obgleich Instrumente wie AK-Titer-Bestimmung u.ä. vorhanden wären. Bin da zugleich sehr einsam auf weiter Flur.
Hatte Herrn Fischer auch eine zuletzt publizierte Studie aus UK weitergeleitet, die zeigen konnte, dass trotz Impfung die Weitergabe erfolgt und auch die Viruslast nahezu ähnliche Höhe wie bei Ungeimpften erreichen kann.
Es wird sich denke ich zeigen, ob und wie gut auf die Impfung allein zu vertrauen ist, da es ja mit z.B. Portugal und Spanien gut vergleichbare Länder mit sehr hoher Impfquote gibt.
Diese Argumentation ist plausibel, deckt sich in der Praxis leider nicht mit weitgehend durchgeimpften Bevölkerungen wie Irland oder Island. Dort: stark steigende Inzidenzen.
Liest sich gut, vielen Dank für Ihre Einschätzung, Herr Lars Fischer.
(Geahnt wird womöglich, dass der biologisch-medizinische Laie Dr. Webbaer es ähnlich sieht bzw. ähnlich (als Laie) ahnt, sein Lob also nicht wichtich (mittelniederdeutsch) sein kann.)
Einige Fragen vielleicht noch, vielleicht kann auf diese kurz eingegangen werden :
1.) Ist die Annahme korrekt, dass vor einigen Jahrzehnten “Corona” (COVID-19 und Mutationen) nicht bemerkt worden wäre und (fälschlicherweise) der Grippe zugeordnet?
2.) Ist es korrekt, dass nach alter WHO-Definition wegen geringer Letalität keine Endemie vorgelegen hätte, diese Definition erst vor einigen Jahren geändert worden ist?
3.) Wäre es eine Möglichkeit diese Endemie schlicht “auszusitzen”, Alte und Kranke, potentielle Risiko-Patienten besonders zu schützen, hierfür “Geld in die Hand zu nehmen” und nur hierfür?
(Das war die erste Idee des Schreibers als diese “Sache losging”, allgemeine Durchseuchung war nicht mehr zu verhindern und die Schadwirkung eher gering – so hat Dr. Webbaer auch Anfang 2020 mal bei anderen Wissenschafts-Bloggern gefragt, allerdings ohne eine Antwort zu erhalten.)
4.) Was ist vom regelmäßigen “Boostern” zu halten, Nachimpfungen sind gemeint, vielleicht quartalsweise, vielleicht alle sechs bis neun Monate?
Ist so etwas nicht frickin riskant, auch weil das Virus so sozusagen trainiert werden könnte und weil sich irgendwann, im Sinne des größten anzunehmenden Unfalls, Murphy’s Law und so, beizeiten sozusagen zwingend beträchtliche und unerwartete Impfschäden ergeben müssten?
5.) Ist es korrekt, dass die individuellen statistischen Personenschäden (bisher) auf einen Tag oder etwas mehr Lebenszeitverlust hinauslaufen?
Mit freundlichem Grüßen + nochmals Danke!
Dr. Webbaer
@Dr. Webbaer
Die Fragen wurden Ihnen doch schon an anderer Stelle mehrfach beantwortetet. [Beleidigung entfernt] haben Sie die Antworten nicht behalten (Sie verwechseln anscheinend auch Pandemie mit Epidemie), oder sind Sie mit den Antworten nicht zufrieden?
1) Nein
2) Nein
3) Nein
4.1) Viel
4.2) Nein
5) Nein
HTH
@Webbaer
zu 1) Ja: Vor einigen Jahrzehnten war man technisch noch nicht in der Lage die Struktur zu analysieren (Gen-Sequenzen)
zu 3) Nein: Der Virus verändert sich leider. Weil momentan eine viel ansteckendere Variante unterwegs ist, haben wir jetzt sehr viele Infektionen. Risiko-Personen lassen sich nicht von der Umwelt abschotten – da viele Kontaktpersonen/Pfleger aus der normalen Umwelt kommen.
zu 4) Boostern ist eine effektive Methode um den Impfschutz wieder zu erhöhen, wenn die durch die erste Impfung erzeugte Immunität sich verringert hat. Momentan habenwir nicht Besseres.
zu 5) Nein: Statistische Aussagen sind sinnlos, solange die Pandemie noch andauert. Und – neben den aktuellen Todesfällen erhöht sich als Folgewirkung die spätere Sterberate deutlich (im Vergleich zu Nicht-Erkrankten) – das zeigten Untersuchungen in den USA, 1/2 Jahr nach der Infektion. Diese Todesfälle werden aber nicht dem Virus zugeordnet. Zudem ist es so, dass etwa 10-15% der Erkrankten Long-Covid haben. Bei diesen Leuten kann die Lebensqualität sehr stark beeinträchtigt sein – d.h. sie verlieren zwar keine Lebenszeit; aber das Leben macht weniger Spass.
Herzlichen Dank für diesen lesenswerten Beitrag. Was mich betrifft, bin ich vor allem auf ihn gestoßen, weil ich in Hinblick auf den zu erwartenden Übergang von der Pandemie zur Endemie Antworten darauf suche, was für das Immunsystem von Heranwachsende die beste Anpassungsstrategie ist.
Aufgrund des sehr geringen Risikos, ernsthaft an Covid zu erkranken, würde ich dazu neigen, auf natürliche Infektionen und den damit verbunden Lernprozess für das Immunsystem zu setzen. Allerdings weiß ich nicht, ob das vielleicht auch nur ein Mär ist – und das Immunsystem von Teenagern durch Impfungen ebenso gut und nachhaltig trainiert wird wie durch natürliche Infektionen.
Glasklare Antwort wäre super. Ich bin aber dankbar für Hinweise, die bei der Recherche weiterhelfen.
Definitive Evidenz, ob die Immunität durch Impfung oder durch Ansteckung stärker ist, ist schwer zu bekommen. Man misst da bestimmte Immunparameter, aber deren Aussagekraft ist begrenzt. Die “Stärke” von Immunität, also den tatsächlichen Schutz, kann man ja nur statistisch erfassen, und da gibt es Unsicherheiten ohne Ende. Klar ist aber aus den Daten, dass beides guten Schutz gibt, der mit der Zeit nachlässt.
Die Geschichte, dass die Infektion einen besseren Schutz bietet, ist möglicherweise ein Missverständnis. Daten zeigen, dass Infektion plus Impfung bessere Immunparameter gibt als Impfung allein. Das ist natürlich was anderes. Und ob der Schutz dadurch tatsächlich messbar besser ist, ist noch mal ne andere Frage.
Die Infektion hat halt das Problem, dass so Sachen wie thromboembolische Ereignisse, die bei der Impfung extrem selten sind, bei tatsächlich Erkrankten weit öfter auftreten. Zum Beispiel gibt man bei Covid-19 in der Klinik so weit ich weiß routinemäßig Blutverdünner gegen Gerinnsel. Und bei Covid-19 kommt dann noch mal LongCovid obendrauf, dessen Bedeutung fürs Gesamtbild grad bei Kindern noch nicht so klar ist. So weit man das jetzt sehen kann, kommen Kinder in den meisten Fällen ziemlich gut durch die Infektion, aber das Risiko ist ja unnötig, wenn’s ne Impfung gibt.
“Wenn man einfach hingeht und alle Leute impft, hat man das Thema in ein paar Wochen durch.”
Warum ist das Thema dort, wo dies mit Impfquoten von 90-95% der Fall ist, nicht der Fall?
Und wie kann dies bei uns der Fall sein, wenn selbst bei 100% Impfquote mindestens eine Nachimpfung – mit bestehenden Vakzinen – notwendig ist und kommende weitere noch unklar sind?
es wäre ja evtl. auch die überlegung wert, nicht immer unter jeder zeitnot mit impfen anzufangen, sondern einfach mal unsere natürliche infektions-abwehr die arbeit machen zu lassen. hat bei mir gut funktioniert.
das hätte dann wahrscheinlich auch den vorteil, dass unser immun-system langfristig die fähigkeit mitbrächte, nicht nur einmal akut eine erkrankung zu kurieren, sondern auch varianten in der zukunft..
das zu erwartende argument, damit würden wir mehr opfer in kauf nehmen, halte ich für zu kurzfristig gegriffen.
wir sollten lernen, für die aussicht auf die opfer längerfristig zu denken.
und dann muss am ende auch geschaut werden, was die verschiedenen impf-versuche für ein bilanz aufweisen.
inklusive nebenwirkungen, zusätzliche opfer und impfschäden etc.
Im wesentlichen ein guter Beitrag, aber hier stimmt manches nicht. Influenza wurde letztes Jahr nicht durch “vergleichsweise simple Maßnahmen” zurückgedrängt sondern als Nebeneffekt davon dass man die komplette Bevölkerung unter Hausarrest gesetzt hat. Mit dem Ergebnis dass dieses Jahr eine geringere Immunität herrscht und die Grippewelle dieses Jahr höchstwahrscheinlich sehr stark ausfallen wird. Unter anderem auch weil man die Kontakte durch die “Schutzmaßnahmen” immer weiter ins Private drängt.
Zu versuchen die Pandemie weiterhin zu bremsen, bedeutet ein System zu erstellen dass sich immer weiter hochschaukelt. Durch die Impfung hatte jeder die Möglichkeit sind zu schützen, jetzt ist es an der Zeit die Querdenken möglichst schnell zu durchseuchen damit wir bis zum Frühjahr eine Herdenimmunität erhalten. Masken und Tests sind da nur hinderlich.
Ich weiß ja nicht, wo Sie gesteckt haben, aber ich war nicht unter Hausarrest.
Ich habe mich regelmäßig mit Freunden getroffen, meine Eltern besucht und sogar während der Pandemie meine aktuelle Freundin kennengelernt. Und das erstens immer im Rahmen des Erlaubten, und zweitens sogar noch mit deutlich umfassenderen Schutzvorkehrungen als die meisten, weil ich ja nierentransplantiert und höchste Risikokategorie bin.
Da der Beitrag jetzt extrem viel Reichweite kriegt, schließe ich die Kommentare. Erfahrungsgemäß wird mir das sonst zu viel. Ich mache das hier ja als Hobby.
Ggf werde ich einige der vorhandenen Kommentare noch beantworten.