Von Röntgenstrahlen, Nobelpreisen und anderen Schandtaten
BLOG: Enkapsis



In der Tat war die Entdeckung so spektakulär, dass ihr andere Wissenschaftler indirekt die Verleihung des Nobelpreis zu verdanken haben. Die Chemie-Nobelpreise aus den Jahren 1936 und 1964; die Physik-Nobelpreise aus den Jahren 1914, 1915, 1917, 1924 und die für Medizin und Physiologie aus 1946 und 1962 hatten allesamt direkt mit der Röntgenstrahlung zu tun und noch viele mehr wurden durch diese Entdeckung mal mehr und mal weniger beeinflusst. Es ist natürlich klar, dass Forschungsarbeiten immer auf den zuvor erlangten Erkenntnissen beruhen, aber trotzdem ist Wilhelm Röntgen etwas Besonderes und durchaus ein Rockstar in der Wissenschaftsgemeinde, obwohl er eigentlich ein ruhiger und introvertierter Mensch war. Die Entdeckung und richtige Einschätzung der Röntgenstrahlen musste schließlich unter den damaligen Bedingungen auch erst einmal richtig über die Bühne gebracht werden und er began damit, egal wie man es dreht und wendet, das bisher erkenntnisreichste Jahrhundert, das wohlmöglich so erst möglich gemacht wurde, einzuläuten. So stellt Röntgens Erbe eines der größten Meilensteine der Wissenschaft dar und macht aus ihm ganz klar einen Pionier des Fortschritts.
Eine Prognose fällt schwer, aber betrachtet man, was die "Röntgenstrahlen-Revolution" ausgelöst hat, kann man sich vorstellen, wie alles durch eine neue Entdeckung auf den Kopf gestellt werden kann. Zukunftsweisend dürften durchaus ein paar Forschungsarbeiten sein, die in den letzten 10 Jahren mal hier und mal da durch einen Nobelpreis ausgezeichnet wurden und denen in der Schnittstelle zwischen Biologie und Medizin bereits heute einiges an Bedeutung zukommt. Die Rede soll hier jetzt aber nicht von den üblichen Verdächtigen, wie RNA-Interferenz, Gentherapie, Stammzellen oder der Epigenetik sein, sondern in den Fokus sollen nun auch mal Peptide, Ubiquitinierungen und grün fluoreszierenden Proteine geraten, über die man vielleicht nicht immer so viel hört.
Ein immer wieder thematisiertes Problem der Medizin besteht nicht erst nach der jüngsten E.coli-Seuche aus den auftretenden bakteriellen Resistenzproblemen. Bakterien scheinen immer resistenter gegenüber Antibiotika zu werden, was durchaus auf deren Missbrauch zurückzuführen ist. Weltweit werden diese Art von Medikamente nämlich nicht immer rezeptpflichtig herausgegeben und so kommt es vor, dass Menschen sich mit ihnen falsch therapieren, da sie vorher keinen Arzt konsultieren müssen. Dies kann eine allgemeine Resistenzbildung fördern und wird auch von der Weltgesundheitsorganisation immer wieder auf´s Neue als Diskussionsthema angestoßen. Dieses Jahr z.B. wieder zum Weltgesundheitstag am 7. April. Dehnt sich dieser Missbrauch weltweit aus, ist es klar, dass Mikroben langsam die "Überhand" gewinnen und Menschen in Panik ausbrechen, da sie glauben, es würde keine Nachschub an neuen Antibiotikaklassen mehr geben, die uns zukünftig vor den noch resistenteren Bakterien schützen könnten.
Die Forschung steht aber bekanntlich niemals still und so gibt es bereits heute Alternativen zu Antibiotika, die sich als antimikrobielle Peptide (AMPs) bezeichnen und die aus kurzen Aminosäureketten bestehen. Sie scheinen Bakterien so gut bekämpfen zu können, dass sogar der härteste unter ihnen – der multiresistente Krankenhauskeim Staphylococcus aureus (MRSA) – Paroli geboten werden kann. Das Tolle daran ist, dass unser Immunsystem solche AMPs von ganz allein produziert, da sie zur Abwehr von Mikroorganismen auf Haut und Schleimhäuten unverzichtbar sind, doch Wissenschaftler können sich deren Strukturen am Computer ansehen und sie so verändern und verbessern, dass damit die therapeutische Alternative zu Antibiotika unendlich scheint. Eine Revolution in der Medizin scheint daher möglich.


Erste klinische Tests mit Medikamenten, die ein dereguliertes UPS versuchen wieder ins Lot zu bringen, laufen bereits und könnten ebenfalls in Zukunft eine wichtige Rolle in der Medizin spielen. Nicht zuletzt scheint ein dereguliertes Ubiquitin-Proteasom-System beim Ausbruch von Alzheimer beteiligt zu sein – Eine Krankheit, die bisher nicht therapiert werden kann und deren genaue Ursache bis heute immer noch nicht richtig aufgeklärt ist.
Kommen wir nun zum letzten Punkt, dem grün fluoreszierenden Protein (GFP), dessen Entdeckung in den 60er Jahren 2008 mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde und welches – mittlerweile auch noch in weiteren Farben verfügbar – aus der Biologie nicht mehr wegzudenken ist. Es handelt sich dabei um ein Protein, dass in vielen Varianten in marinen Organismen vorkommt und sich in der Biologie dazu eignet, Proteine auf ihrem Weg durch eine Zelle oder durch ein Lebewesen sichtbar zu machen. Möchte man ein bestimmtes Protein von Interesse untersuchen und gucken, was es in einer Zelle so macht und in welchen Gegenden es sich aufhält, bringt man hinter dessen Gensequenz im Erbgut, die für dieses Protein codiert, das Gen für das fluoreszierende Protein ein, damit so beim Ablesen des Erbguts ein Fusionsprotein entsteht. Dieses besteht dann aus dem zu untersuchenden Protein und dem, welches jetzt unter dem Fluoreszenzmikroskop zum leuchten angeregt werden und so gleichzeitig zurückverfolgt werden kann. Dieses sogenannte "GFP-Imaging" ist eine übliche Standardmethode und ermöglicht durch eine in diesem Jahr erst erschienene Publikation eine völlig neue Anwendung: Es kann lebende Zellen dazu veranlassen zu einem Laser zu werden

Schon erstaunlich, was man alles anstellen. Da fällt es dann doch nicht ganz so leicht, sich die Zukunft vorzustellen oder?
Quellen:
- Malte C. Gather, Seok Hyun Yun. Single-cell biological lasers. Nature Photonics, 2011; DOI: 10.1038/nphoton.2011.99
- An Allosteric Inhibitor of the Human Cdc34 Ubiquitin-Conjugating Enzyme; Ceccarelli, Derek F.; Tang, Xiaojing; Pelletier, Benoit; Orlicky, Stephen; Xie, Weilin; Plantevin, Veronique; Neculai, Dante; Chou, Yang-Chieh; Ogunjimi, Abiodun; Al-Hakim, Abdallah; Varelas, Xaralabos; Koszela, Joanna; Wasney, Gregory A.; Vedadi, Masoud; Dhe-Paganon, Sirano; Cox, Sarah; Xu, Shuichan; Lopez-Girona, Antonia; Mercurio, Frank; Wrana, Jeff; Durocher, Daniel; Meloche, Sylvain; Webb, David R.; Tyers, Mike; Sicheri, Frank; Cell, volume 145 issue 7 pp.1075 – 1087, doi:10.1016/j.cell.2011.05.039
- Riederer, Beat M, Leuba, Genevieve, Vernay, Andre, Riederer, Irene M, The role of the ubiquitin proteasome system in Alzheimer’s disease, Exp. Biol. Med. 2011 236: 268-276, doi: 10.1258/ebm.2010.010327
- The 1000 Genomes Project Consortium. A map of human genome variation from population-scale sequencing. Nature, 2010; 467 (7319): 1061 DOI: 10.1038/nature09534
- X-Rays – Report of the Surgeon-General United States Navy – Medical Notes, 1896, The Boston Medical and Surgical Journal, P. 174-178, V. 134, N. 7, doi:10.1056/NEJM189602131340707
- Röntgenstrahlung, Wilhelm Conrad Röntgen und Alfred Nobel auf Wikipedia
@Sebastian
“Wilhelm Röntgen etwas Besonderes und durchaus ein Rockstar in der Wissenschaftsgemeinde, obwohl er eigentlich ein ruhiger und introvertierter Mensch war.”
Unter Physikern gründet seine Popularität darin, daß Röntgen nach seiner Entdeckung dazu gedrängt wurde, sich Rechte und Patente an allen möglichen X-ray-Anwendungen sichern zu lassen, aber Röntgen daraufhin nur trocken entgegnete: “Ich bin Physiker – und kein Krämer.”.
Das ist der Grund, warum sich X-ray so schnell ausbreiten konnte und heute auch inn der 3. Welt recht billig verfügbar ist: Weil einer im richtigen Moment nicht an sich selbst gedacht hat.
@Elmar
Ja, die Nicht-Patentierung ist im nachinein ein echter Segen für die Menschheit gewesen und spricht durchaus für den Charakter von Röntgen.
Eine noble Absicht
Wie immmer interessante Neuigkeiten aus der Forschung – aber aus dem Stoff hättest Du vier Blogartikel machen können…..
@Joe
Auf jeden Fall, aber der Publikationsflut kann man garnicht mehr hinterherkommen und so fallen viele interessante Sachen leider unter den Tisch.
Ach, manchmal muss man halt einen raushauen. Hast du ja auch schon oft gemacht ^^