Wieder Krieg um Troja

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Edle Einfalt, stille Größe

Heinrich Schliemann ließ sich in Troja nicht unterkriegen. Ein Leben lang musste er um seine Glaubenssätze, seine Arbeit, sein Ansehen kämpfen, da die studierten Schatzsucher alles ins Feld führten, den SelfmadeArchäologen unglaubwürdig, ja lächerlich zu machen. Die feine Gelehrtenwelt brachte die Dreckschleudern in Anschlag, weil sich ein hergelaufener Hobbyforscher erdreistet hatte, ihren Homer nicht nur zur Erbauung zu lesen. Heinrich Schliemann nahm ihn beim Wort, sah die Geschichten der Ilias und Odyssee als Geschichtsschreibung an. Und machte sich folgerichtig auf die Suche nach den Orten der Handlung: Mykene und Troja.
Die etablierten Altertumskundler, die sich zu dieser Zeit hauptsächlich in Bücher vergruben, weder sich noch Erde bewegten, machten mobil gegen den kleinen Kaufmann, der da auszog, Troja zu finden. Sie bemühten sogar die Diplomatie, um Schliemanns Grabungen im Osmanischen Reich zu stoppen. Vergebens. Heinrich Schliemann hatte Geld. Viel Geld. So kaufte er die türkischen Beys, kaufte sich den Hügel, unter dem er Troja vermutete, kaufte sich ein Heer von Arbeitern, um ratzfatz zu Homers Ilion vorzustoßen (dass er dabei mit seinem Graben den Hügel entzwei schlug, wollen ihm viele Archäologen bis heute nicht verzeihen.). Aber er kaufte mit Sicherheit nicht den Schatz des Priamos, wie ihm noch heute unterstellt wird. Der Sensationsfund dieses Kopf- und Halsschmucks aus Gold, den er seiner Gattin sehr medienwirksam anlegte, machte ihn zum Helden und brachte die Archäologie in die Schlagzeilen. Die feine Gelehrtenwelt wand sich. Sich mit der breiten Öffentlichkeit gemein machen, ihren Wissens-Schatz per Journaillensprache vor die Säue zu werfen, das durfte doch nicht sein. (Bis heute sind denn deutsche Archäologen der Ansicht, dass ihre Forschungs-ergebnisse nur in kongenial antiquierter Sprache vermittelt werden dürfen.)

Als dann feststand, dass Schliemanns Hügel tatsächlich Troja barg, als auch die Gralshüter der deutschen Altertumswissenschaft zähneknirschend eingestehen mussten, dass Schliemann wohl „im Ansatz“ recht gehabt hatte, verbiss man sich daraufhin in die Diskussion, ob der Trojanische Krieg tatsächlich stattgefunden hat. Die etablierten Wissenschaftler taten den Krieg als Mär ab, Fachfremde hingegen sahen ihn als historische Tatsache an. Troja blieb Kriegsschauplatz, war weiter Grund für viele Streitgespräche und Wortgefechte.

Und das Wunschziel vieler Ausgräber. 1989 wurde Manfred Korfmann, der leider viel zu früh verstorben ist, die Grabungsgenehmigung für Troja erteilt. Groß ging er dieses Unternehmen an, gewann Naturwissenschaftler als Mitarbeiter – und Daimler-Benz als großzügigen Sponsor. Was Segen und Fluch zugleich war. Wider die Standesetikette war er gezwungen, an die Öffentlichkeit zu gehen, musste nun Denkansätze als Forschungsergebnis verkaufen. (Ausgräber anderer Nationen sind da lockerer und machen ihre Denkschritte publik, auch wenn ein Beweis noch aussteht. Deutsche wollen immer alles hieb- und stichfest, was im Bereich der Archäologie ohnehin kaum möglich ist.) Wo sich früher Mykener und Trojaner bekriegten, bekämpften sich nun die die Wissenschaftler wegen Korfmanns Vorabmeldungen. Vom Kampfeslärm drang selten etwas an die Öffentlichkeit. Ob Troja nur ein Kuhdorf war – wie von Korfmann nach den ersten Kampagnen behauptet – darüber wurde nur im Kollegenkreis gestritten.

Doch dann mischte sich in die Diskussionen laut- und überzeugungsstark ein Außenstehender ein. Eberhard Zangger, ein Geologe, der mit seinen Forschungen über den mykenischen Wasserbau zum – wenigstens außerhalb Deutschlands –  anerkannten Geoarchäologen geworden war. Zangger tat nun etwas, was die Zunft als Wissenschaftslästerung ansah: Er vermengte die magisches Begriffe Troja und Atlantis, lud in einem Buch zum spannenden Gedankenspiel ein, dass Troja gleich Atlantis sei. Plötzlich waren sich die Archäologen wieder einig und gemeinsam gingen sie gegen den Trojabeschmutzer vor. Schweres Geschütz fuhr man gegen Zangger auf, untersagte ihm geologische Untersuchungen in der Troas (er hielt es für möglich, das die Kanäle rund um Troja die aus der Atlantis-Sage waren) und machte ihm schließlich die Mitarbeit an deutschen Ausgrabungen unmöglich. Mit Kanonen wurde auf den schrägen Vogel geschossen – Eberhard Zangger möge mir dies Bild verzeihen..

Es gibt keine Meinungsfreiheit  bei archäologischen Themen. Jetzt wieder so ein Fall. Ein gewisser Raoul Schrott – Mann, muss der Mann selbstsicher sein, um unter solch einem Namen Bücher zu schreiben. Oder ist es etwa ein gelungenes Pseudonym? – weiß Neues zu Troja zu sagen und zu schreiben. Er präsentiert die Theorie, dass Troja nicht an den Dardanellen, sondern viel weiter im Südosten Kleinasiens beim heutigen Adana gelegen hätte. Und dass Homer Gastarbeiter in Assyrien gewesen wäre und dort das (Keil)Schreiben erlernt hätte. Und schon schreien wieder alle namhaften Trojaforscher auf, blasen zur Attacke.

Schrotts Ankündigung, Homers Ilias neu zu übersetzen, bringt dazu noch die Altphilologen auf die Barrikaden (um für Ilias und Odyssee wieder ein breiteres Publikum zu gewinnen, muss endlich Homers Altgriechisch in gutes Neudeutsch übersetzt werden). Und alle nützen für ihren Kampagnen gegen Raoul Schrott die verpönten Medien, überschütten ihn da mit Häme und versuchen ihn fertigzumachen. Und das in gesetzter, antiquierter Sprache, was allerdings die Bösartigkeiten nicht weniger böse macht. Hätten sie ihn nicht einfach ignorieren können? Oder sich schlicht darüber freuen, dass Troja immer noch interessiert, weiter Stoff für fiction ist, die wenig mit science zu tun hat?

Aber es ist schon so, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Aber die Krähen den Paradiesvögeln.

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Geboren in Deutschland; Vater und Mutter – der eine klassischer Archäologe, die andere Altphilologin – brainwashten ihr einziges Kind bereits im zarten Alter, lasen ihr z. B. als Gute-Nacht-Geschichte die „Odyssee“ vor – auf Altgriechisch. Studium der Vor- und Frühgeschichte und Alter Geschichte in Tübingen, Oxford und Athen. Weil es ihr die alten Griechen angetan haben, zog sie nach ihrem Examen in deren Land; und lebt gern hier, auch wenn die neuen Griechen nichts unversucht lassen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Sie arbeitet hier als Archäologin; flüchtet mitunter – wenn Abstand von Griechenland angeraten ist – in ihren Blog und zu Grabungen in die Türkei, den Vorderen Orient, Mittleren und Hinteren Orient. Nera Ide

4 Kommentare

  1. Gelobt sei Raoul Schrott

    Ach, so ein Paradiesvogel ist ja Raoul Schrott gar nicht. (Das ist übrigens kein PSeudonym oder Künstlername.)

    Und ich behaupte, Schrott hat mit seinen Thesen (daß Troja in der Nähe des heutigen Adana gelegen haben muß) gezielt provoziert. Ich selbst hatte sein Essay in der FAZ mit viel Gewinn gelesen. In meinen Augen ist das schlicht ein anderer Zugang – Schrott (der Mann ist habilitierter Literaturwissenschaftler und hat sich durch die Übersetzung des Gilgamesh-Epos bleibende Verdienste erworben) argumentiert ja nicht im luftleeren Raum, sondern liest die Ilias eben nur sehr genau und gleicht die Beschreibungen mit geographischen Besonderheiten ab.

    Ein kleiner Link zu dieser Debatte:
    FAZ-Text von R. Schrott

  2. Kampf um Troja im Wissenschaftsbetrieb

    Der neue Kampf um Troja klärt nicht nur archäologische Fragen auf, er beleuchtet auch den deutschen Wissenschaftsbetrieb.
    Ich bin vor zwei Jahren zum Institut der Archäologie an der Universität des Saarlandes gegangen und wollte eine Forschungsarbeit einreichen. Es ging um einen neuen Zweig in der Wissenschaft, den ich Kulturarchäologie nennen wollte und der sich mit den Bedeutungen archäologischer Monumente beschäftigen sollte. Die Lehrstuhlinhaberin war zuerst sehr freundlich und hat sich nach meinem Vorhaben erkundigt. Doch als ich ihr meine ersten Forschungsergebnisse gezeigt habe, hat sie mir strengstens verboten, darüber zu reden. Sonst würde sie mir Redeverbot erteilen. Ich war gerade dabei, die griechische Religion und ihre Ursprünge genauer zu erforschen und aus diesem Wissen heraus Götter und Heldendarstellungen der griechischen Kunst zu deuten. Zufällig ist mir dabei eine Inschrift auf einer Homerbüste aufgefallen und ich habe wahrscheinlich die Namensbedeutung Homers gefunden. Aus weiteren Indizien habe ich eine neue Theorie über Homer aufgestellt. Skeptisch geworden, habe ich erst eine kleine Probearbeit dazu eingereicht, um mich über die Aussichten einer erfolgreichen Würdigung meiner Arbeit zur Kulturarchäologie zu informieren. In der Probearbeit habe ich meine Forschungsfragen allgemein umrissen und teilweise beispielhaft gelöst.
    Meine neuen Methoden zur Kulturarchäologie sind mir allgemein von der Professorin als Fehler angerechnet worden. Doch nach einem halben Jahr hat eine Doktorandin mit einem Teil meiner Arbeit an dem Lehrstuhl promoviert.
    Ich hatte in der Probearbeit geschlussfolgert, dass die homerischen Epen auf orientalische Vorbilder zurückgehen und Homer Zugang zu einer orientalischen Bibliothek gehabt haben muss. Ich bin an dieser Stelle aber nicht richtig weitergekommen. Genau an dieser Stelle hat Schrott angesetzt aufgrund eines Tipps von Professor Rollinger aus Tübingen ist er auf Assyrien gestoßen. Sein ganzes Buch basiert auf der These, dass Homer die assyrischen Bibliotheken kannte. Schrott ist in seiner Analyse allerdings zu einem anderen Ergebnis als ich gekommen.
    Ich halte es auch für keinen Zufall, dass in der Basler Ausstellung über Homer so viele Büsten wie noch nie zu Homer zusammengetragen wurden.
    In diesem Semester haben das Institut für Archäologie und das Institut für Alte Geschichte über die Hälfte der Veranstaltungen zu Fragestellungen aus meiner Probearbeit abgehalten. Das Institut für Archäologie fährt sogar in diese Ausstellung nach Basel.
    Ein Seminar am Institut für Alte Geschichte beschäftigt sich eingehend mit Homer. Ich war dort anwesend und habe mich nach den Parallelen zu meiner Probearbeit erkundigen wollen. Dabei ist mir untersagt worden, ein Referat über Schrotts Thesen zu halten. Als ich gefragt habe, ob der Professor des Instituts Alte Geschichte etwas zu verheimlichen habe, hat er dies bejaht. Als er mich später an der Universität herumlaufen gesehen hat, hat er mich in seine Sprechstunde gebeten und mir gesagt, wenn ich über meine Probearbeit an der Universität reden würde, würde er mir Institutsverbot erteilen. Dasselbe würde er machen, wenn ich mich zu Parallelen der Veranstaltungen zu meiner Arbeit erkundigen würde.
    Die Professorin am Institut für Archäologie versucht im Moment, selbst eine neue Methodik zur Archäologie zu entwickeln und stützt sich dabei auf meine Probearbeit, wie ich in ihr ersten Vorlesung gesehen habe. Als ich am Ende ihrer Vorlesung dagegen protestiert habe, dass neue innovative Forschungsarbeiten zurückgewiesen würden, damit andere Wissenschaftler diese aufgreifen könnten, um sie als eigene wissenschaftliche Leistung darzustellen, hat sie mir Vorlesungsverbot erteilt.
    Im Ergebnis ist meine Probearbeit in kleine Teile zerstückelt und an mehrere andere etablierte Wissenschaftler verteilt worden.
    Was hier sichtbar wird, sind verborgene Strukturen im deutschen Wissenschaftsbetrieb, die viel tiefer in der deutschen Wissenschaftslandschaft verwurzelt sind als dies in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
    Nach meiner Beobachtung sind diese ganzen Eliteinitiativen wie Deutschland, das Land der Ideen, Exzellenzinitiative etc. nichts anderes als der Versuch, in der Öffentlichkeit über die wirkliche Funktionsweise dieses Wissenschaftsbetriebes hinwegzutäuschen. Die wirklich innovativen Wissenschaftler werden systematisch aus der Wissenschaft vergrault und ihre Arbeiten dann von anderen ausgeschlachtet.
    Raoul Schrott aus Tirol unterscheidet sich insofern ein wenig davon, dass er ehrlicher ist. Er hat in mehreren Veranstaltungen mittlerweile diese für ihn vielleicht neue Art und Weise des Wissenschaftsbetriebes angesprochen. Leise und am Rande, aber immerhin.

  3. Wissenschaftsbetrieb.

    Lieber Tobias,

    ich bin wirklich schockiert! Kann so was wirklich passieren?
    Deine Erfahrung, wie hier geschildert, spricht dafrür:

    “Die wirklich innovativen Wissenschaftler werden systematisch aus der Wissenschaft vergrault und ihre Arbeiten dann von anderen ausgeschlachtet”

    Wie Recht du hast… Ich kenne meinerseits ähnliche Fälle – es wird lange dauern, die entsprechenden Beispiele aufzuzählen, aber das hier ist weder die richtige Zeit, noch der Ort.Ich hoffe, du bist von den Saarländischen Umwelt befreit und kannst deine Forschungen woanders fortsetzen, wo deine Bemühungen geschätzt werden.

    Zu R. Schrott´s Homer Vorstellung: Schon W. Burkert hat durch seine Forschungen bewiesen, daß der Band zwischen dem früheisenzeitlichen Griechenland und den Hochkulturen des Vorderen Orients viel stärker ist, als bis jetzt angenommen wurde. Trotzdem stimme ich in mehreren Stellen (z. B. über die Lage von Troia u. a.)mit der konventionellen Forschung (: Korfmann, Latacz); die Argumentation und die Funde sind überzeugend.
    Respekt über R. Schrott für seine Arbeit gibt es schon, mit Amateuren in der “Branche” (wie z. B. M. Bernal oder sogar E. von Däniken selbst!)sollte man trotzdem immer vorsichtig sein. Schließlich nicht jeder davon ist wie Schliemann oder Ventris…

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