Ist Krebs ansteckend?

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Seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie hören wir überall von ansteckenden Viren. Wie sieht es eigentlich mit Krebs aus, ist auch Krebs ansteckend? Die Antwort lautet: wenn Sie kein Tasmanischer Teufel sind, praktisch nicht. Jedoch gibt es ansteckende Krankheitserreger, die eine Krebsentstehung begünstigen können. Impfungen können vor Krebs schützen.

Was ist Krebs eigentlich?

In meinen Texten rund um das Thema Krebs erkläre ich zu Beginn immer kurz, was Krebs eigentlich ist. Wenn Sie meinen letzten Text über mRNA-Impfungen gegen Krebs gelesen haben, können Sie die folgenden beiden Absätze überspringen.

Die Bausteine unseres Körpers wissen genau, wo sie hingehören

Unser Körper ist aus vielen winzigen Bausteinen aufgebaut: den Zellen. Verschiedene Zellen in unserem Körper übernehmen ganz unterschiedliche Funktionen – manche sitzen im Herzen, andere im Hirn. Ihnen gemein ist, dass sie alle ganz genau wissen, wo sie hingehören. Um das zu verstehen, strecken Sie nun bitte einmal eine Ihrer Hände vor sich aus. Spreizen Sie die Finger und achten ganz genau auf die Abstände dazwischen.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Ihre Finger eigentlich nicht zusammenwachsen? Woher wissen die Finger, wo sie aufhören? Und warum wachsen sie nicht immer weiter und bleiben stattdessen gleich lang? Die Antwort auf diese Fragen liegt im Inneren der Zellen. Dort ist eine Bauanleitung (DNA) sicher verpackt in einem Tresor (Zellkern). Dank dieses Bauplans wissen die Zellen, wo sie hingehören, und was ihre Aufgaben sind.

Krebszellen missachten ihren ursprünglichen Bauplan

Geraten Fehler in diesen Bauplan (Mutationen), verlieren die Zellen ihre Orientierung, wissen nicht mehr, wo sie hingehören – und wachsen schließlich irgendwo hin. Krebs entsteht.

Krebszellen sind keine infektiösen Partikel

Krebszellen entstehen also aus unseren eigenen Zellen, es handelt sich nicht um Eindringlinge von außen. Einen Krebskranken umarmen, küssen, aus einem Glas trinken, mit einem Krebskranken schlafen – überhaupt kein Problem. Berührungsängste sind nicht angebracht.

Was wäre, wenn wir Krebszellen in einen fremden Körper implantieren würden?

Was würde aber passieren, wenn wir ganz gezielt die Krebszellen einer Person in den Körper einer anderen einpflanzen würden? Würden sie sich in dem fremden Körper ansiedeln und dort weiterwachsen? In den allermeisten Fällen nicht: denn das Immunsystem des neuen Körpers würde die Krebszellen als fremd erkennen und sie zerstören.

Tasmanische Teufel übertragen Krebs mit Bissen

Die Frage, was passieren würde, wenn man Krebs in einen fremden Körper implantieren würde, beantworten in der Praxis Tasmanische Teufel. Wenn die Tiere an der sogenannten Devil Facial Tumor Disease leiden – einer Krebserkrankung, die das Gesicht befällt – und sie dann mit anderen Artgenossen kämpfen und sich gegenseitig ins Maul beißen, können sie den Krebs tatsächlich untereinander übertragen. (Bilder) Die Tiere sind aufgrund der Erkrankung vom Aussterben bedroht.

Auch bei Hunden ist eine übertragbare Krebserkrankung beschrieben, die die äußeren Geschlechtsorgane betrifft.

Einzelfälle von Krebsübertragung bei Menschen in der Literatur beschrieben

Tatsächlich sind in der Literatur auch einzelne Fälle beschrieben, bei denen es zu einer Krebsübertragung von Mensch zu Mensch gekommen ist. Etwa haben bereits Organempfänger (die Medikamente einnehmen, die das Immunsystem bremsen) die Krebserkrankung des Spenders bekommen. Genau aus diesem Grund dürfen Menschen, die Krebs haben oder hatten, in Deutschland kein Blut und auch keine Organe spenden.

Auch ist ein Fall eines Chirurgen beschrieben, der sich während einer Krebs-Operation an der Hand verletzte – in der Wunde wuchs dann der Tumor des Patienten. Eine Labormitarbeiterin verletzte sich an einer Nadel, an der Tumorzellen klebten. Auch sie entwickelte einen Tumor an der Einstichstelle.

Babys stecken sich bei Müttern mit Krebs an

Zwei traurige Fälle haben kürzlich japanische Wissenschaftler in einer der renommiertesten medizinischen Fachzeitschrift der Welt beschrieben. Sie behandelten zwei Kleinkinder mit Lungentumoren. Die Mütter der beiden litten an Gebärmutterhalskrebs und wurden vaginal entbunden. Bei der Geburt durch den Gebärmutterhals müssen die Neugeborenen Krebszellen der Mütter eingeatmet haben, die sich dann in den Lungen der Kinder vermehrt haben. Vermutlich weil das Immunsystem von Babys noch sehr schwach ist und es die fremden Zellen der Mutter nicht erkennen und abtöten konnte. In der Literatur sind, so schreiben die Autoren, 18 weitere Fälle beschrieben, bei denen eine Mutter an Krebs erkrankt war, und es während der Schwangerschaft oder Geburt zu einer Übertragung auf das Kind gekommen ist.

Im Alltag ist keine Übertragung zu befürchten

In diesen extrem seltenen Fällen (die auf Millionen Krebskranke kommen) handelte es sich also immer um eine Art Transplantation des Krebsgewebes in einen fremden Körper – durch gewöhnlichen alltäglichen Körperkontakt wäre eine Übertragung nicht zustande gekommen. Auch stoppte die Kette der Übertragung bei der zweiten Person. Der Krebs wurde, anders als bei Infektionskrankheiten, nicht auf weitere Menschen übertragen. Im Alltag geht also keinerlei Ansteckungsgefahr von Krebskranken aus.

Ansteckende Krankheitserreger können Krebs auslösen

Allerdings gibt es eine Reihe ansteckender Krankheitserreger, die eine Krebsentstehung begünstigen können:

Viren:

  • Humanes Papillomvirus (HPV): wird vor allem über ungeschützten Sexualkontakt übertragen und kann zur Entstehung von Krebs an Gebärmutterhals, Vagina, Penis, Anus und im Kopf-Hals-Bereich führe. Sehr viele Menschen sind mit Typen dieses Virus infiziert. Es existiert eine Schutzimpfung für Frauen und Männer. Die Impfung wird im Jugendalter empfohlen, ist aber auch im Erwachsenenalter möglich. (Ich selbst habe mich im Alter von 32 Jahren noch gegen HPV impfen lassen und meine Krankenkasse hat die Kosten sogar übernommen!)
  • Hepatitis B Virus (HBV): wird vor allem über ungeschützten Sexualkontakt übertragen, es befällt die Leber und kann zu einer chronischen Leberentzündung führen, aus der in seltenen Fällen Krebs entstehen kann. Eine Schutzimpfung existiert.
  • Hepatitis C Virus (HCV): wird vor allem über Blutkontakt übertragen (z. B. geteilte Spritzen, geteilte Rasierer, Sexualkontakt mit Schleimhautblutungen, Blutkonserven), das Virus befällt ebenfalls die Leber und kann zu einer chronischen Leberentzündung führen, aus der Krebs entstehen kann. Inzwischen ist eine Heilung durch (sehr teure) Medikamente möglich, eine Impfung existiert nicht.
  • Ebstein-Barr-Virus (EBV): das EB-Virus ist ein Herpesvirus, mit dem viele von uns infiziert sind, ohne dass wir Beschwerden haben. Es wird vor allem über Speichel übertragen und kann das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen. Es ist mit dem Auftreten von bestimmten Arten von Lymphdrüsenkrebs und Krebs im Nasenrachen assoziiert. Eine Schutzimpfung existiert nicht.
  • Humanes Herpes-Virus 8 (HHV-8): ist ein Herpesvirus, das vor allem über Speichel übertragen wird und die Entstehung eines Kaposi-Sarkoms sowie von bestimmten Lymphdrüsenkrebserkrankungen begünstigen kann
  • Human-Immunodeficiency-Virus (HIV): HIV wird vor allem über ungeschützten Sexualkontakt und geteilte Spritzen übertragen, eine Schutzimpfung existiert nicht. HIV-Positive haben, vor allem, wenn die Infektion fortgeschritten und das Immunsystem bereits geschwächt ist, ein erhöhtes Risiko für viele Krebserkrankungen, etwa das Kaposi-Sarkom, Gebärmutterhalskrebs und Arten von Lymphdrüsenkrebs.
  • Humanes T-lymphotropes Virus 1 (HTLV-1): wird vor allem über Sexualkontakt, Blutkontakt und bei der Geburt übertragen, kann selten eine Form vom Blutkrebs auslösen. Eine Schutzimpfung existiert nicht.

Bakterien (Beispiel):

  • Helicobacter pylori: Das weit verbreitete Bakterium Helicobacter pylori kann eine Magenschleimhautentzündung hervorrufen und die Entstehung von Magenkrebs und einer bestimmten Art von Lymphdrüsenkrebs begünstigen. Es wird vermutlich durch kontaminierte Nahrung übertragen. Eine Impfung existiert nicht, eine symptomatische Infektion (Magenschleimhautentzündung) kann mit Antibiotika therapiert werden.

Parasiten (Beispiele):

  • Schistosoma haematobium: Die Wurmerkrankung Schistosomiasis (Bilharziose) kann die Entstehung von Blasenkrebs begünstigen.
  • Opisthorchis viverrini: Eine Infektion mit dem Wurm kann die Entstehung von Gallengangskrebs begünstigen.

Ob die genannten Erreger noch weitere Krebserkrankungen verursachen können und ob es weitere Erreger gibt, die Krebs auslösen können, ist Gegenstand aktueller Forschung.

Fazit

In Alltagssituationen, selbst bei engem körperlichen Kontakt, geht keine Ansteckungsgefahr von Krebskranken aus. Wer sein Krebsrisiko senken möchte, kann sich allerdings vor ansteckenden Viren schützen, die Krebs auslösen können. Schutzimpfungen gegen HPV und HBV können das individuelle Krebsrisiko senken.

Übersichtsartikel zum Weiterlesen:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3228048/

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5082865/

Veröffentlicht von

Marisa Kurz ist Assistenzärztin an einem Universitätsklinikum und befindet sich in der Ausbildung zur Fachärztin für Hämatologie und Onkologie. Vor dem Medizinstudium hat sie ein Studium der Biochemie (M. Sc., B. Sc.) und der Philosophie mit Nebenfach Sprache, Literatur und Kultur (B. A.) abgeschlossen. Nebenbei schreibt sie als freie Journalistin, u. a. für den Georg Thieme-Verlag. Sie promoviert in der Krebsforschung zu Immuncheckpoints bei Lungenkrebs. Mein Ziel: Ich will, dass Patienten ihre Erkrankungen und Therapien besser verstehen. Deshalb möchte ich Medizin leicht verständlich ohne Fachbegriffe erklären. Nur gut informierte Patienten können autonome Entscheidungen über ihre Behandlungen treffen. Und gut informierte Patienten fühlen sich, so bin ich überzeugt, besser aufgehoben.

2 Kommentare

  1. Übertragbare Krebsformen demonstrieren, dass es in Biologie und Medizin nichts gibt, was es nicht gibt.
    Fast alles was biologisch mindestens möglich erscheint, das gibt es auch, wenn vielleicht auch nur selten. Das seltene kann aber recht exotische, die Phantasie anregende Formen annehmen. Mir können bereits die HeLa-Zellen einen Schauder auslösen, also die Gebärmutterhalskrebszellen von Henrietta Lacks, die am 9.Februar 1951 dieser Patientin entnommen wurden und die sich heute noch munter vermehren, womit sie die potentielle Unsterblichkeit von Krebszellen demonstrieren.
    Auch die im obigen Beitrag [von Marisa Kurz] erwähnten übertragbaren Krebse der äußeren Geschlechtsorgane bei Hunden [Canine transmissible venereal tumor (CTVT)] demonstrieren potentielle Unsterblichkeit von Krebszellen und wie Zellen von längst vergangenen Zeiten berichten können, denn es ist ja immer die gleiche Krebszelllinie, die von Hund zu Hund weitergegeben wird oder wie man dazu liest (übersetzt von DeepL):

    Die CTVT trat erstmals bei einem Hund mit geringer genomischer Heterozygotie [=geringem Unterschied zwischen den beiden von Mutter und Vater vererbten Genen] auf, der vor etwa 11.000 Jahren gelebt haben könnte. Der von diesem Individuum hervorgebrachte Krebs verbreitete sich vor etwa 500 Jahren über die Kontinente. Unsere Ergebnisse liefern ein genetisches Identikit eines alten Hundes und demonstrieren die Robustheit somatischer Zellen von Säugetieren, trotz einer massiven Mutationslast über Jahrtausende zu überleben.

    Wenn ich solche Dinge lese, erscheinen mir Bram Stokers Vampirgeschichten gar nicht mehr so weit hergeholt. Damit möchte ich aber das allzu exotische hinter mir lassen und zu den über Krankheitserreger ausgelösten Krebsformen übergehen.

    Eine ansehnliche Liste ist das, die Liste aller viralen, bakteriellen und parasitären Infektionen , die eine spätere Krebserkrankung begünstigen. Nun Viren ist tatsächlich vieles zuzutrauen. Auch die Auslösung von Krebs. Allein schon über eine durch den Virenbefall ausgelöste chronische Entzündung. Dazu kommt noch, dass gewisse Viren sich fest ins humane Genom einbauen können. Bei HIV/AIDS kommt dann noch die durch das Virus ausgelöste Immunschwäche hinzu, eine Immunschwäche, die auch die natürliche Krebsabwehr schwächt. Und tatsächlich sind es mindestens 3 Krebsarten bei HIV-Infizierten gehäuft vorkommen: Das Kaposi Sarkom, Non-Hodgkin’s Lymphome und Gebärmutterhalskrebs.

    Früher las man häufig, Viren, Bakterien und Parasiten seien für deutlich weniger als 10% aller Krebserkrankungen verantwortlich. Heute aber werden von einigen Forschern 15 bis 20% aller Krebserkrankungen auf chronische Infektionen zurückgeführt – wobei bestimmte Viren die Hauptübeltäter sind.

    Etwas lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen: Viren werden die Menschheit wohl noch lange beschäftigen.

    Zum Schluss möchte ich mich noch bedanken für die Führung/Einführung ins Kuriositätenkabinetts der Krebserkrankungen und ihrer Ursachen.

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