Gutenberg feiern mit Schöfferhofer

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Es gibt etwas zu sehen
Denkmale

Auf den Etiketten von Bierflaschen findet man ja öfter mal Altertümliches. Ritter (Holsten), altmodische Kronen (Warsteiner, Königspilsner), Wappenartiges (Binding,  Krombacher), Mönche (Paulaner), gekrönte Adler mit Brauereizubehör (Binding) und so weiter sollen wohl an die ehrwürdige Tradition des Bierbrauens samt Reinheitsgebot erinnern.

Schöfferhofer Etikett mit Porträt Peter Schöffer
Etikett auf einer Flasche Schöfferhofer-Weizenbier (Ausschnitt)

So ist es zum Beispiel auch auf den Flaschen von Schöfferhofer Weizenbier: Hier sieht man ein Porträt, das aussieht wie irgendein frühneuzeitliches Bildnis, und zwei Wappen. Da wird es sich um einen alten Braumeister handeln, dachte ich immer, ohne die Umschrift des Porträts richtig zu lesen. Aber nein, abgebildet ist Peter Schöffer, einer der ersten Drucker der Geschichte, Mitarbeiter Gutenbergs und wichtiger Fortentwickler der Druckkunst. Schöffer hatte neben seiner Tätigkeit als Drucker und Typograf auch noch einen weiteren Beruf, aber auch das war nicht der des Brauers: Er war Richter.

Druckermarke von Peter SchöfferDruckermarke von Peter Schöffer, hier in einer Nachbildung auf einer Bronzetafel am Gernsheimer Schöfferhaus

Bei den vermeintlichen Wappen handelt es sich um die seitenverkehrte Wiedergabe der Druckermarke von Peter Schöffer. Er war der erste, der gemeinsam mit seinem Partner Johannes Fust überhaupt eine Druckermarke verwendete. Druckermarken waren damals eine Art Urhebernachweis. Sie sollten wohl gegen unrechtmäßigen Nachdruck schützen (funktioniert hat das nicht und die Druckermarken wurden später vor allem zu sehr dekorativen Elementen fortentwickelt).

Das Porträt auf dem Bieretikett zitiert ein Denkmal des Darmstädter Hofbildhauers Johann Baptist Scholl, das 1836 in der südhessischen Stadt Gernsheim errichtet wurde. Dort wurde Peter Schöffer um 1425 geboren.  Nach einem Studium in Erfurt und in Paris, wo er auch einige Zeit als Schreiber gearbeitet hatte, kam er um 1452 zunächst als Mitarbeiter Gutenbergs nach Mainz.

Im Jahr 1476 kaufte er ein schon älteres, damals „Zum Korb“ genanntes Haus und erweiterte es mit einem Nachbargebäude zum „Schöfferhof“. Hier befand sich dann auch die Druckerei. Schon wenige Jahre nach dem Tod seines Vaters (1503) verkaufte Peter Schöffer d. J.  das Haus wieder. Der Käufer errichtete dort dann das erste Brauhaus.

Der Name Schöfferhof wurde als Markenname für die Brauerei aber offenbar erst seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet. Möglicherweise waren die Gutenbergfeiern des Jahres 1840 der Anlass dazu. Wie keine andere Erfindung und wie keine andere historische Figur wurden Gutenberg und die in das Jahr 1440 datierte Erfindung des Buchdrucks über die Jahrhunderte kontinuierlich verehrt – und damit auch Johannes Fust und Peter Schöffer. Insbesondere die Jahrhundertfeiern dieses Ereignisses wurden aufwendig begangen, wobei jede Epoche ihre eigene Form des Gedenkens entwickelte.

Schöffer-Denkmal in Gernsheim

Das Denkmal für Peter Schöffer in seiner Geburtsstadt Gernsheim am Rhein wurde 1836 auf Initiative der städtischen Bürger im Vorfeld der Gutenberg-Jahrhundertfeiern errichtet.

Das 19. Jahrhundert mit seiner Denkmalversessenheit brachte erstmals Standbilder von Gutenberg und seinen Partnern hervor (Gutenbergdenkmäler in Mainz 1827 von Joseph Scholl, 1837 von Berthel Thorvaldsen, in Straßburg 1840 von David d’ Angers; Denkmal für  Gutenberg, Fust und Schöffer 1858 in Frankfurt und 1836 Denkmal für Schöffer in Gernsheim). Die Gutenbergfeiern und die Einweihung der Denkmäler im Vorfeld gingen jedesmal mit großem Pomp, mit Festzügen, Fackeln und Feuerwerk einher. Im Bericht über die Einweihung des Schöfferdenkmals am 9. Juni 1836 heißt es:

„Schon mit Tagesanbruch begannen sich die Straßen der Residenz Darmstadt zu beleben. Wagen auf Wagen rollten zum Neckarthore hinaus; in Scharen zogen die Fußgänger der Straße entlang. … Von allen Seiten zog man dem Städtchen Gernsheim zu. … Schon mehrere Stunden vor Beginn des Festes wogten Tausende von Fremden in den Straßen des Städtchens und auf dem Damme des Rheins. … Unter Glockengeläute und Böllersalven ward hierauf plötzlich das Denkmal enthüllt – ein wahrhaft überraschender Moment. …“

(aus: Rheinische Provincial-Blätter für alle Stände, Band 3, Köln 1836, S. 205ff)

Es ist ja nicht unwahrscheinlich, dass solche Begeisterung dazu führte, den Drucker Schöffer auch in Zusammenhang mit dem in seinem Haus gebrauten Bier zu ehren. Heute wird offenbar auf den Bezug zum Drucker kein großer Wert mehr gelegt: Das Porträt und die Druckermarke erkennt sicher nicht jeder und der dezente Namenshinweis wird nur bei wenigen Biertrinkern den Zusammenhang herstellen. In früheren Jahren war der Bezug auf den Drucker viel deutlicher. Ein Etikett vom Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt Schöffer nämlich bei der Arbeit.

Die damalige Biermarke gibt es ohnehin nicht mehr. 1921 wurde die Schöfferhofer-Brauerei von Binding übernommen, 1971 wurde der Braubetrieb eingestellt. Aber schon 1978 entsann Binding sich des Namens wieder und beschloss, ihn für das neu ins Binding-Programm aufgenommene Weizenbier zu verwenden. Inzwischen hat die Radeberger-Gruppe die Marke übernommen und um verschiedene Weizenbierprodukte erweitert. Für alle werden heute Porträt und Druckermarke von Peter Schöffer in der oben abgebildeten Form im Etikett verwendet.

Allerdings nicht schon immer. In den 1990er Jahren zumindest war die eingetragene Wort-Bildmarke mit einem anderen Porträt Schöffers versehen, das übrigens ebenso fiktiv war wie das heutige, vom Gernsheimer Denkmal abgeleitete.

Porträt Peter Schöffer auf einem BierkastenAuch Peter Schöffer, aber anders: So sah der Namenspatron der Biermarke nach einer älteren Version aus, die sich auf den Bierkästen heute noch findet.

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

6 Kommentare

  1. Zauber des Alltags

    Was mich an den Posts dieses Blogs immer wieder fesselt ist die gut gemachte Kombination aus Text und Bildern. Auch ich hatte die oben gezeigte Bierflasche schon in der Hand, habe die Gesichter und Wappen wahrgenommen – und mir kaum mehr dabei gedacht. Jetzt sehe ich einen Teil der wechselvollen Geschichte dahinter, vielen Dank!

  2. Nachtrag: Schöffer-Roman

    Wenn die Brauerei richtig pfiffig wäre, würden sie Dich (oder, falls Du ablehnen solltest, eine Kollegin oder einen Kollegin) mit dem Schreiben eines historischen Romans über den interessanten Namensgeber beauftragen. Das ist ja nicht nur ein gut laufendes Segment, sondern würde manchen seine Lieblings- oder Neumarke mit ganz anderen Augen sehen lassen! 🙂

  3. Bier

    Naja, Peter Schöffer war fast Brauer. 🙂 Ale er im Jahre 1502 starb fiel der Hof zum Korb seinem Sohn Peter Schöffer dem Jungen zu, der ihn am 20.06.1512 an Johann Koch verkaufte. Dieser richtete dort ein Brauhaus ein.

  4. Sehr gut gemachter Beitrag, habe selbst eine Abhandlung über die Mainzer Brauereien geschrieben. Da ist natürlich auch der Peter Schöffer mit der Brauerei zum Korb Schöfferhof mit weiteren Infos und Bildern. Schade nur, daß die Radeberger Gruppe ein Weizenbier für den Namen Schöfferhofer nimmt, die Schöfferhof in Mainz hat nie ein Weizen gebraut. Aber schön, daß der Name dadurch erhalten bleibt und an den Peter Schöffer erinnert. Vom Gutenberg gibt es leider kein Bier mehr ( war ja früher Namensgeber und Bildnis von der Rheinischen Brauerei in Mainz siehe meine Homepage bier-in-mainz.de)
    Nochmal Lob für den Beitrag.Gruß aus Mainz

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