“all exponentials have to come to an end” — Zum Tode von Gordon Moore

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Gordon Moore (1929 — 2023)

Moore wurde 1929 in San Francisco geboren und ist vielen für Moore’s Law (das Mooresche Gesetz) bekannt, das besagt, dass sich die Anzahl der Transistoren auf einem Mikrochip jedes Jahr verdoppelt, während die Kosten pro Chip halbiert werden.

Moore studierte Physik an der University of California, Berkeley, an der er 1954 in Chemie promovierte. Nach seinem Studium arbeitete er zunächst bei der Firma “Shockley Semiconductor Laboratory”, wo er zusammen mit Robert Noyce und anderen Silizium-Transistoren weiterentwickelte.

Im Jahr 1968 gründete Moore zusammen mit Noyce und Andy Grove die “Intel Corporation”, die sich auf die Produktion von Mikroprozessoren spezialisierte. Unter seiner Führung wuchs Intel zu einem der führenden Unternehmen der Halbleiterindustrie heran. Das Unternehmen revolutionierte die Computertechnik und trug dazu bei, dass Computer kleiner, preisgünstiger und letztlich für Menschen in den Indrustriestaaten persönlich nutzbar und erschwinglich wurden.

Moore wurde für seine Leistungen mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit der National Medal of Technology and Innovation, der Presidential Medal of Freedom und der IEEE Medal of Honor. Er ist auch bekannt für sein Engagement in der Wissenschafts- und Bildungsförderung, seine Familienstiftung verwaltet mehrere Milliarden Dollar für gemeinnützige Zwecke.

Mooresches Gesetz: 12, 18 oder 24 Monate?

Das Mooresche Gesetz gibt es in vielen zitierten Varianten, was zur Verwunderung und zu gelegentlichen Kontroversen beiträgt. Wie lautet es denn nun genau?! Schon die Aussprache seines Names mit kurzem ‘o’ (statt langem ‘u’) fällt vielen Deutschen schwer. In Naturwissenschaft und Technik ist man an fest stehende und klar formulierte Gesetzmäßigkeiten gewohnt, warum dann hier diese Unklarheiten?

Moore hat dieses Gesetz niemals “aufgestellt” oder “vorgeschlagen”, er wurde Mitte der 60er Jahre schlicht von einem Technikjournalisten gefragt, welche Entwicklung die Chiptechnologie nach seiner Einschätzung nehmen würde, und er wagte die Prognose, dass eine vom ihm beobachtete jährliche Verdoppelung der Anzahl der Transistoren bei gleichzeitiger Kostenreduktion pro Chip noch zehn Jahre anhalten würde. Eine Prognose zur Technologieentwicklung über zehn Jahre ist stets gewagt, aber er war in einer Position, diese Einschätzung geben zu können. Andere machten daraus später das Mooresche Gesetz, und aufgrund seiner Treffgenauigkeit wurde das Gesetz rasch berühmt.

Später wurde Moore vielfach erneut gefragt, ob er seine Prognose über die Mitte der 70er Jahre hinaus aufrecht erhalten würde und er bestätigte dies vorsichtig, wies aber darauf hin, dass die Verdopplungsrate sich weiter verlangsamen würde, er nannte selbst 18 Monate, später 24 Monate als ungefähren Wert. Er wies aber früh darauf hin, dass die Physik Grenzen der Miniaturisierung setzt, die kein Ingenieur überwinden kann.

Gilt das Gesetz heute noch?

Das Mooresche Gesetz sollte eher als Ansporn und sich damit selbst erfüllende Prophezeihung verstanden werden. Auch nach dem Jahr 2000 stieg die Leistungsfähigkeit von Computern weiterhin rasant an – und noch immer traten dabei exponentielle Wachstumsraten auf. Dabei sind weitere Innovationen zu berücksichtigen wie die parallele Verarbeitung von Daten innerhalb der Prozessoren und durch mehrere Prozessor-Kerne gleichzeitig. Computerspeicher (RAM) und Massenspeicher wurden ebenfalls massiv größer, was die verfügbare Datenmenge und damit auch Machine Learning revolutionert. Nutzbare Quantentechnologie erscheint am Horizont. Zudem spielen verbesserte Algorithmen eine wesentliche Rolle, wenn Systeme als leistungsfähiger, schneller oder effizienter empfunden werden. Ob eine klar definierte Metrik sinnvoll ist, die es uns erlaubt, eine Verdopplungszeit weiterhin zu messen, mag zur kontroversen Party-Konversation von Digitalexperten beitragen.

Aus technisch-wissenschaftlicher Sicht kann man festhalten: Ein Mooresches Gesetz im Sinne eines physikalischen Grundsatzes oder eines technischen Prinzips hat es nie gegeben. Vielmehr bleibt uns das Vermächtnis eines Mannes, der eine optimistische und erstaunlich treffsichere Sicht auf unsere technische Innovationsfähigkeit hatte – und der zusammen mit Bob Noyce und Andy Grove ein Unternehmen aufbaute, das bis heute in über der Hälfte der benutzten Computer für hohe Rechenkapazität sorgt. Der nächsten Generation von Technologie-Expertinnen und -Experten gab Moore oft den Rat, am Beginn ihrer Ausbildung für solides Grundlagenwissen zu sorgen, denn Technologien ändern sich schnell und es wird zunehmend schwieriger, Schritt zu halten. Vielleicht sollte man das als ein weiteres Mooresches Gesetz ansehen.

„The technology at the leading edge changes so rapidly that you have to keep current after you get out of school. I think probably the most important thing is having good fundamentals.“ (Gordon Moore)


Edit: In der ersten Version des Beitrags wurde der “Japan Prize” als Auszeichnung Moores benannt, Dies war eine Verwechslung und wurde korrigiert. Ich danke für den Hinweis eines Lesers. -ug

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”The purpose of computing is insight, not numbers.” (Richard Hamming) Ulrich Greveler studierte in Gießen Mathematik und Informatik, arbeitete sechs Jahre in der Industrie im In- und Ausland, bevor er als Wissenschaftler an die Ruhr-Universität nach Bochum wechselte. Seit 2006 lehrt er Informatik mit dem Schwerpunkt IT-Sicherheit an der Fachhochschule Münster (bis 03/2012) und der Hochschule Rhein-Waal (seit 03/2012). Sein besonderes Interesse gilt datenschutzfördernden Technologien und dem Spannungsverhältnis zwischen Privatsphäre und digitaler Vernetzung.

8 Kommentare

  1. Danke für den Artikel. Ich kann mich an einen Artikel aus Telepolis von vor 25 Jahren erinnern, in dem die Grenze für das Moorsche Gesetz für einen Laptop mit 1 Kg Masse und 1 Liter Volumen berechnet wurde. Denn wegen des Plankschen Wirkungsquantum gibt es da auch eine Grenze. Diese sollte etwa in 200 bis 300 Jahren erreicht sein.

    Gruß
    Rudi Knoth

  2. Das Mooresche Gesetz zeigt eigentlich 3 Dinge:
    1) Eine in ihren Grundzügen und „Ingredienzen“ bekannte Technologie kann über Jahrzehnte hinweg schrittweise verbessert und skaliert werden
    2) Fehlt eine skalierbare Basis bezüglich Materialien und Komponenten für eine bestimmte Technologie ist auch nicht mit einer exponentiellen Entwicklung und stetiger Verbesserung zu rechnen. Das gilt etwa für die Technologie der Stromerzeugung, wo nur gerade die Subgruppe der Wind- und Solaranlagen eine kontinuierliche Verbesserung erlebte aber fast jede andere Sparte nicht, also keine Verbesserung etwa bei Geothermie.
    3) Sogar wenn eine Technologie wie die Chipfabrikation skalierbar ist, kann es mehrere Jahrzehnte dauern bis man an die allerletzten Grenzen stösst.

    Fazit: Exponentielle Verbesserungen über Jahrzehnte hinweg sind eigentlich ein Paradox, denn exponentiell bedeutet „schnelles Wachstum“, aber Jahrzehnte sind eine lange Zeit und es ist gewagt etwas als schnell zu bezeichnen, was 30 Jahre dauert. Technologische Verbesserungen scheinen überhaupt sehr viel mehr Zeit in Anspruch zu nehmen als es Zeit in Anspruch nimmt, neue wissenschaftliche Kenntnisse zu erarbeiten. Der Teufel liegt noch heute im Detail. Man kämpft buchstäblich um jeden Nanometer.

    • Moore hat es geschafft eine Prognose beizubringen, die sich über Jahrzehnte bestätigt hat bzw. bestätigt werden konnte, was schwer fällt, denn Aussagen über die Zukunft sind in einem sozusagen chaotischen, zumindest nichtlinearen System, äh, herausfordernd.
      Zu vergleichen wäre insofern damit, was andere Personen zur hier gemeinten technologischen Entwicklung gesagt haben.
      Denkbarerweise ist sozusagen alles gesagt worden, so dass es immer zumindest einen gibt, der im Ex Post betrachtet recht gehabt hat(te).
      Wobei derartige Einschätzung nur freundlich gemeint ist, es gibt sicherlich Leutz, die besser oder schlechter zukünftige Entwicklung erahnen können, in wie gemeinten nichtlinearen Systemen mit vielen sogenannten Forcings.

      Hier spielen auch die Materialwissenschaften eine wichtige Rolle, Dr. Webbaer stieß kürzlich noch auf einige Texte zur Entwicklung des Mobiltelefons, das 1973, also genau vor fünfzig Jahren in einem (unhandlichen sozusagen Handy und) Gerät als sogenannter Prototyp bereit gestellt werden konnte.
      Von “Motorola” bzw. von Personal von “Motorala”, Ingenieure meinend, “Motorola” konnte schon lange Funktechnik, auch sog, Walkie-Talkies und wollte mal von den bereits existierenden Autotelefonen, vgl. bspw. mit den “James Bond”-Filmen, weg, und wie gemeint sozusagen handgreiflich (“Handy” – wie es so schön heißt) werden.
      Es hat dann tatsächlich noch bis 1983 gedauert, bis das gemeinte Produkt marktfähig wurde.
      Ja, auch hier geht es um “Computer-Chips” und Herrn Moore.

      Mit freundlichen Grüßen
      Dr. Webbaer

    • Vielen Dank für den aufmerksamen Hinweis: In der ersten Version des Beitrags wurde der “Japan Prize” als Auszeichnung Moores benannt, Dies war eine Verwechslung und wurde korrigiert.

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