Rindertuberkulose und das Töten der Dachse

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Martin Huhn: Hallo Catharina, was hast du wo studiert, und was interessiert dich daran?

Catharina Vendl: Hi, ich habe Tiermedizin in Berlin studiert. Ich interessiere mich vor allem für die verschiedensten Wildtierarten und ihre Erhaltung. Seit einigen Jahren spielen Krankheiten bei Wildtieren eine immer größere Rolle. Diese können manche Arten sogar an den Rand der Ausrottung bringen. Oft ist das nicht nur ein Problem für die Tierarten selbst, sondern immer öfter auch für Nutztiere oder uns Menschen. Zoonosen, das sind Erkrankungen, die vom Tier auf den Menschen und andersherum übertragen werden können, spielen eine immer größere Rolle. Beispiele der letzten Jahre sind: Ebola, Schweinegrippe, SARS oder MERS. Bei all diesen Krankheiten war es zunächst eine bestimmte Tierart, die den Erreger wie einen Funken auf den Menschen übertragen und so eine Krankheitswelle ausgelöst hat. Eine weit verbreitete Theorie ist, dass die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensräume den Menschen in immer engeren Kontakt mit Wildtieren bringen. Dabei kommt es immer öfter vor, dass wir sie und sie uns anstecken.

Huhn: Dein Praktikum bei Spektrum ist mittlerweile vorrüber. Weshalb hast du dieses Praktikum gemacht?

Vendl: Ich habe gerade meine Doktorarbeit beendet und wollte mit diesem Praktikum die Chance nutzen, mal in den Bereich Wissenschaftsjournalismus reinzuschnuppern und ihre Grundlagen zu erlernen. Mein breitgefächertes Interesse an den Naturwissenschaften und der Spaß am Schreiben schienen mir ideale Voraussetzungen dafür.

Huhn: Wie war deine Zeit hier? Hast du viel gelernt und konntest was mitnehmen?

Catharina Vendl
Catharina Vendl

Vendl: Nach einem dreimonatigen Praktikum ist man noch weit davon entfernt, ein professioneller Wissenschaftsjournalist zu sein. Aber umso mehr man schreibt, umso besser wird man. Da mir der Job so gut gefällt, möchte ich ihn nebenberuflich zusätzlich zu einer Stelle in der Forschung oder einer Tierarztpraxis gerne weitermachen.

Huhn: Welches Thema hattest du zuletzt und wie lange hast du daran gearbeitet?

Vendl: Mein aktuelles Thema ist Dachse in Großbritannien und wie sie dort zum Staatsfeind Nr. 1 geworden sind. Ich habe mich ungefähr zwei Wochen lang damit beschäftigt.

Huhn: Oh, so lange? Gibt das Thema denn so viel her?

Vendl: Und ob! Dabei geht es nicht nur allein um die Dachse. Viel mehr um Auseinandersetzungen und Konflikte verschiedener Interessengruppen, die nicht in einen Dialog miteinander treten, sondern sich stattdessen beinahe bis aufs Blut bekämpfen. Konkret gesagt: Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern (u.a. Deutschland) ist Tuberkulose immer noch ein großes Problem in englischen Rinderherden. Aber auch Wildtiere können die Krankheit übertragen. Vor allem soll der Dachs eine regelrechte Erregerschleuder sein. Deshalb wollen die Landwirte ihn loswerden. Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass das nicht die Lösung ist. Tierschützer finde es eh doof, wenn Tiere getötet werden und sind strikt dagegen. Die aktuelle Regierung ist konservativ und daher mit den Landwirten eng verbunden. Deshalb gab es in den letzten Jahren mehrere Aktionen, tausende Dachse abzuschießen. Der Erfolg dieser Aktion ist jedoch zweifelhaft.

Huhn: Da gibt es doch sicherlich andere Lösungswege, die du im Artikel ausführlich beschrieben hast

Vendl: So ist es. Rinder können sich rein theoretisch bei Dachsen anstecken. Forscher haben jedoch herausgefunden, dass das viel seltener passiert, als die Ansteckung der Rinder untereinander. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Rinder öfter getestet werden sollten. Das würde schon weiterhelfen, die Krankheit einzudämmen. Für die Zukunft ist aber die Impfung von Rindern das Mittel der Wahl.

Huhn: Kannst du genauer erklären, was es damit auf sich hat? Das klingt eigentlich ganz simpel. Warum wird es dann nicht gemacht.

Vendl: Bei nur einem einzigen Test, kann der zu 20 % falsch liegen. Kranke Tiere bleiben dann unerkannt. Je regelmäßiger getestet wird, desto mehr kranke Rinder werden gefunden. Realistisch Tests, die alle sechs statt alle zwölf Monate stattfinden. Viele Landwirte sind davon nicht begeistert, weil es einfach unpraktisch ist. In der Regel werden die jährlichen Tests im Winter durchgeführt. Dann sind die meisten Rinder im Stall und für die Tierärzte leicht zugänglich. Wenn man nach sechs Monaten wieder testen wollte, sind die Tiere verstreut auf der Weide. Das ist sicherlich machbar, aber eben ein viel größerer Aufwand. Die Kosten für die Tests werden übrigens vom Staat übernommen.

Huhn: Es ist schwierig für mich nachzuvollziehen, weshalb in Großbritannien versucht wird einen eigenen Weg zu bestreiten. In anderen Ländern hat es doch schon erfolgreich geklappt.

Vendl: Genau weiß niemand, warum die Ausrottung der Rindertuberkulose in England und Wales missglückt ist. Jedes Land hat etwas andere Bedingungen. Offenbar kamen in GB einfach ein Haufen unglücklicher Faktoren zusammen. Dass die Gesamtsituation mit der Rindertuberkulose seit Jahren so festgefahren ist, ist sicherlich auch ein menschliches Problem: Die verschiedenen Interessengruppen misstrauen einander, schenken den Argumenten des anderen keinen Glauben. Der Dachs und die Rindertuberkulose in England könnten daher auch als Metapher herhalten, die nur allzu häufig in unserer Gesellschaft vorkommt: Wir gehen nicht gerne Kompromisse ein und hören nicht auf die Argumente der anderen: Denn das kostet Kraft, ist mitunter frustrierend und erfordert eine gewisse Opferbereitschaft. Aber lösen lassen sich Probleme auf diese Weise nicht. Zumindest nicht das der Rindertuberkulose in England.

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Martin Huhn hat Verfahrenstechnik studiert und arbeitet seit dem Jahre 2000 bei Spektrum der Wissenschaft. Dort ist er im Bereich Webentwicklung tätig. Sein Geschäft ist so ziemlich alles, was mit dem Webauftritt des Spektrum Verlages zu tun hat.

3 Kommentare

  1. Liebe Kollegen,
    gleich in der Headline ein Fehler: “Rindertuberkulose und das Töten von Dachse”.
    Es muss natürlich heißen: “von Dachsen”.

    Mit freundlichen Grüßen
    Markus Lammersen, Hamburg

    • … der Dachse

      … würde natürlich auch gehen. Hübsch zweideutig bliebe es in jedem Fall. Wir sollten uns deswegen nicht gegenseitig zerfleischen.

  2. Die Dachse dienen also als Feindbild der britischen Rinderfarmer, denn wenn jemand schuld ist an der Rindertuberkulose, dann wohl die Dachse nicht aber sie selbst.

    Der Spezialfall britischer Rinderfarmer ist in Wirklichkeit aber der Normalfall. Sogar innerhalb Europas gibt es grosse Unterschiede in der landwirtschaftlichen Praxis, noch viel grössere Unterschiede in der Art wie Landwirtschaft betrieben wird gibt es aber beispielsweise innerhalb Afrikas. Die niedrigen landwirtschaftlichen Erträge in weiten Teilen Afrikas oder die Tatsache, dass in Afrika am meisten Feuer von Menschen gelegegt werden ( im Rahmen der slash&burn-Landentwicklungsstragie), deutet auf ganz andere landwirtschaftliche, stark verbesserungswürdige Praktiken hin.

    Vielleicht sind ja auch die Techniken der britischen Rinderfarmer nicht üger allen Verdacht erhaben.

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