Denken lernen
BLOG: Con Text

Twitter. Kennen Sie vermutlich, zumindest vom Hörensagen. Sofern Sie selbst kein Nutzer sind, lesen Sie darüber in Zeitschriften, hören manchmal was im TV – dort wird dann gerne irgendwas Absurdes oder Komisches oder schwer Verständliches zitiert. So manch eine Redaktion erfreut sich daran, billig Sendezeit oder Spalten füllen zu können, um gleichzeitig darüber herzuziehen, wie albern/doof/überflüssig/gefährlich Twitter ist.
Wie bei allem in der Welt, besonders bei der Kommunikation kommt es selbstverständlich darauf an, was wir daraus machen. Aufgrund seiner Beschränkung auf 140 Zeichen, ist ein Tweet erst einmal in der literaturwissenschaftlichen Schublade ‘Aphorismus’ zu finden. Verknüpft man Tweets kann aber auch mehr herauskommen, von kleinen Geschichten bis hin zu lehrreichen Diskussionen. Eine davon wurde vor kurzem von Joachim ‘Quantenwelt’ Schulz ausgelöst, driftete dann aber weit von seiner Ausgangsthese ab.Das Ergebnis finde ich Denkanstoß genug, um hier die Tweets noch einmal zu sammeln.
Diese These, Schüler/innen müssten nur selbstständig denken lernen, dann könnten sie sich die ganze Kultur selbst erschließen, ist falsch.
— Joachim Quantenwelt Schulz (@quantenwelt) 28. Februar 2014
@quantenwelt weil "selbstaendig denken" ist angeboren ?
— planetinspace (@planetinspace) 28. Februar 2014
@planetinspace Weil es auch Dinge gibt, die man einfach lernen muss. Konventionen, Messergebnisse, … Purer Rationalismus funktioniert nich
— Joachim Quantenwelt Schulz (@quantenwelt) 28. Februar 2014
@quantenwelt @planetinspace … ist btw DER philosophischer Streit des 17. Jhd. – Rationalismus vs. Empirismus.
— Joerg Blumtritt (@jbenno) 28. Februar 2014
@quantenwelt selber denken und gleichzeitig unter anleitung lernen ist kein widerspruch (aber selberdenken "anerziehen" ? es ist da)
— planetinspace (@planetinspace) 28. Februar 2014
@planetinspace Meine Betonung lab auf "nur". Gegen Denken will ich nichts gesagt haben.
— Joachim Quantenwelt Schulz (@quantenwelt) 28. Februar 2014
@jbenno @planetinspace Jep, aber zeitgenössische Philosophie (egal welche) vertritt keinen reinen Rationalismus oder Empirismus mehr.
— Joachim Quantenwelt Schulz (@quantenwelt) 28. Februar 2014
Mit dem nächsten Tweet entwickelte sich die Diskussion in eine grundsätzliche Frage über Erfahrung und Analyse der Welt.
@quantenwelt @planetinspace doch: alle Konzepte, die mit purem Denken arbeiten, führen ohne Erfahrung auf Axiome, also Glaubenssätze.
— Joerg Blumtritt (@jbenno) 28. Februar 2014
@jbenno Axiome als Glaubenssätze zu bezeichnen, macht mich allerdings gruseln. @quantenwelt @planetinspace
— Vero X. Y. Zero (@zerology) 28. Februar 2014
@zerology @quantenwelt @planetinspace … in Nat.Wiss. ist es eine Annahme, die im Augenblick noch nicht widerlegt werden kann.
— Joerg Blumtritt (@jbenno) 28. Februar 2014
@jbenno @zerology @quantenwelt @planetinspace Das wäre eine Theorie. Axiome mögen zu widerspruchsfreien Theorien führen, sind dann aber
— Dierk Haasis (@Evo2Me) 28. Februar 2014
@jbenno @zerology @quantenwelt @planetinspace selbst nicht beweisbar [name dropping anyone?]. Axiome sind Prämissen oder Glaubenssätze.
— Dierk Haasis (@Evo2Me) 28. Februar 2014
@zerology @jbenno @quantenwelt @planetinspace Sie sind 'self-evident'. Hypothesen sind Prämissen höherer Ordnung, sie sind arbiträr – anders
— Dierk Haasis (@Evo2Me) 28. Februar 2014
@Evo2Me die Theorie ist das Gebäude, das mit Hilfe des Satzes erstellt werden kann. @zerology @quantenwelt @planetinspace
— Joerg Blumtritt (@jbenno) 28. Februar 2014
@Evo2Me @zerology @quantenwelt @planetinspace z.B. Allg. Relativitätstheorie auf Basis des Äquivalenzprinzips.
— Joerg Blumtritt (@jbenno) 28. Februar 2014
@jbenno @zerology @quantenwelt @planetinspace Ist das ein Axiom? Beschränken wir uns bei den Beispielen auf die Axiome der Euklid'schen
— Dierk Haasis (@Evo2Me) 28. Februar 2014
@jbenno @zerology @quantenwelt @planetinspace Geometrie. Beweisbarkeit von Axiomen spielt keine Rolle. Gilt analog für Arithmetik etc.
— Dierk Haasis (@Evo2Me) 28. Februar 2014
Nebenher wanderten, wie in jeder Diskussion, in jedem Gespräch Nebenthemen rein und raus. Ich habe ein klein wenig Ordnung reingebracht, viele Tweets nicht aufgenommen. Halt redaktionell Hand angelegt. Wer will, kann alles bei Twitter nachlesen.
Wer Tweets versendet ist für mich so etwas wie eine wandelnde Litfassäule. Dessen sind sich viele, die das tun, auch bewusst. Das heisst sie wollen über ein solches Medium wirksam sein und andere beeinflussen. Scheinbar wird es in gewissen Positionen sogar erwartet auf diese Art und Weise Position zu beziehen und andere zu beeinflussen, selbst wenn die Betreffenden Zweifel an der Form haben. Zweifel beispielsweise an der Möglichkeit klimatologische Aussagen in einen Tweet pressen zu könnenn, wie das ein ETH-Klimatologie-Professor äusserte.
Vom Inhalt her zeigt der obige Tweet-Verlauf, dass Tweeten, aber wahrscheinlich plakatives Diskutieren überhaupt von Ungenauigkeiten und Missverständnissen lebt.
Die Alternative dazu wäre der Gedankenaustausch. Beim Gedankenaustausch geht es darum den andern zu verstehen und aufgrund des Verständnisses um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Inhalte seine eigene Position – unter anderem durch Nachdenken – zu klären. Nur wollen das – den Gedankenaustausch – heute nur noch sehr wenige. Heute dominieren diejenigen, die etwas hinaustrompeten wollen.
Es gibt jetzt (journalistische) Dienste wie Storify, ham’Se da ne Meinung zu?
Vgl. :
-> http://de.wikipedia.org/wiki/Storify
-> http://storify.com/SPIEGELONLINE
MFG
Dr. W
“Wie bei allem in der Welt, besonders bei der Kommunikation kommt es selbstverständlich darauf an, was wir daraus machen. ”
So isses , und wenn man das weiß , ist alles o.k.
Man muß sich aber im Klaren darüber sein , daß die Netzwerke dramatisch kleiner ausfallen würden , wenn diese Sichtweise vorherrschen würde.
Netzwerke sind gleichzeitig Anziehungspunkt und Verstärker für die nicht geringe Zahl der Herdentiere und derjenigen , die sich in einer Tour exhibitionieren wollen (oder müssen?) und ihren kleinkarierten Privatsch… dabei für mordsmäßig wichtig halten.
Und dann gibts noch viele Medienmacher , die hyper-panisch daran arbeiten , dazu zu gehören , an dem dranzubleiben , was sie für “jung” halten und als modern zu gelten , daher diese lächerlichen Einwürfe in immer mehr TV-Sendungen , wo gezeigt wird , was @Volltrottel etwa gerade zum aktuellen Fußballgeschehen absondert .
Dabei könnte es am modernsten sein , sich von diesem Hype wieder abzuwenden , es ist absehbar , daß da über kurz oder lang eine Gegenbewegung entstehen wird.
“Wie bei allem in der Welt, besonders bei der Kommunikation kommt es selbstverständlich darauf an, was wir daraus machen. ”
Alles was wir machen ist Kommunikation, leider nur im manipulativem Verstand der Hierarchie im geistigen Stillstand, also in Konfusion durch Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll.
… der Hierarchie von und zu materialistischer “Absicherung”!
“Diese These, Schüler/innen müssten nur selbstständig denken lernen, dann könnten sie sich die ganze Kultur selbst erschließen, ist falsch.”
Da hat er absolut recht, denn besonders die Gedanken (sind nicht frei!) werden abhängig zum System der Hierarchie im “freiheitlichen” Wettbewerb um “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei” geprägt / konfusioniert – die zeitgenössische Philosophie ist dabei besonders ein Beispiel dieser Bildung zu Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche im bewußtseinsschwach-gepflegten “Individualbewußtsein” in Angst und Gewalt.
Erst wenn wir diesen kreislaufenden Verstand im geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” (erster und bisher einzige geistige Evolutionssprung!) überwinden, hin zur zweifelsfreien Vernunft in den Möglichkeiten eines geistig-heilenden Selbst- und Massenbewußtseins (die Kraft des Geistes der uns alle im selben Maß durchströmt!), wird Denken im Verantwortungsbewußtsein zum Freien Willen …