Buta et al: The de Vaucouleurs Atlas of Galaxies

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Astronomie mit eigenen Augen
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Der Titel dieses Werks kann irritieren: Wer sich die Neuauflage einer Publikation des französisch-amerikanischen Astronomen Gérard Henri de Vaucouleurs (1918-1995) erhofft, liegt daneben. Den Leser erwartet ein moderner Galaxien-Atlas, welcher die von de Vaucouleurs entwickelte Galaxien-Klassifikation im Lichte der aktuellen Astrophysik präsentiert.

Die erste Galaxien-Klassifikation überhaupt wurde von Edwin Hubble (1889-1953) in Grundzügen im Jahr 1926 vorgelegt. Hubble teilte Galaxien rein nach ihrer Morphologie in Haupt- und Untergruppen ein, wobei er von Entwicklungsreihen ausging. Hubbles Klassifikationsschema blieb auch nach mehreren Verfeinerungen rein beschreibend und spiegelt, wie wir heute wissen, die Entwicklung von Galaxien freilich nicht wider. Gérard de Vaucouleurs erweiterte das zweidimensionale System Hubbles und stellte seine Klassifikation – anhand eines unzureichend illustrierten Artikels im "Handbuch der Physik" – erstmals im Jahr 1959 vor. Obwohl de Vaucouleurs zeitlebens über Galaxien forschte, gab es von ihm kein Werk wie "The Hubble Atlas of Galaxies" (1961) vom Hubble-Schüler Allan Sandage oder "The Carnegie Atlas of Galaxies" (1994) von Allan Sandage und John Bedke. An diese beiden Meilensteine knüpfen die Autoren dieses Buchs nun an und legen zum ersten Mal einen Galaxien-Atlas vor, der die Systematik von de Vaucouleur anhand von CCD-Bildern illustriert, die mit modernen Großteleskopen gewonnen wurden.

Auf den ersten 90 Seiten finden sich sehr ausführliche, systematische Erläuterungen und eine fundierte Darstellung des von de Vaucouleurs entwickelten Klassifikationsschemas für Galaxien. Wie andere aktuelle Galaxien-Klassifikationen ebenso, berücksichtigt jene von de Vaucouleurs nicht mehr nur die sichtbare Morphologie, vielmehr auch Eigenschaften wie die Absorption durch Staub und Gas oder differenzierten Rotationsgeschwindigkeiten. Zudem werden heute Galaxien als in ihre galaktische Nachbarschaft eingebundene Systeme betrachtet, die in Interaktion mit Nachbarsystemen und intergalaktischem Medium stehen.

Der Hauptteil des Buchs umfasst rund 200 Seiten und stellt die Galaxien nach dem Klassifikationsschema von de Vaucouleurs ausführlich dar. In 13 Kapiteln werden Galaxien ausgehend von elliptischen Galaxien (Typ E) bis zu den differenziertesten Galaxien der Klasse Sd anhand zumeist mehrerer Beispiele detailliert in Bild und Wort präsentiert. Den Abschluss bilden interaktive Galaxien, von denen M51 das prominenteste und selbst visuellen Beobachtern zugängliche Objekt ist. Die Auswahl der Galaxien orientiert sich ausschließlich am New General Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars (NGC). Für die Vergleichbarkeit vereinheitlichten die Autoren die CCD-Aufnahmen nach einem nachvollziehbaren Schema. Auch für Amateurastronomen ist der Galaxienatlas interessant: Es ergeben sich unzählige Möglichkeiten für eigene Beobachtungen, wenngleich die meisten der NGC-Galaxien eher für CCDs als für visuelle Beobachter erreichbar sind.

Das in einer sehr klaren Sprache verfasste Werk wird mit einem ausführlichen Index und einem Literaturverzeichnis mit grundlegender, aber auch aktueller Literatur abgerundet. Im Anhang des durchgängig schwarz-weiß illustrierten Buchs schließt sich der Bogen mit biografischen Anmerkungen zu Gérard de Vaucouleurs. Im Rahmen seiner Forschungen über Galaxien veröffentlichte er ein Gesetz (de-Vaucouleurs-Profil), das die Helligkeitsverteilung in elliptischen Galaxien als Funktion das Abstands vom Zentrum beschreibt. Schon in jungen Jahren verließ er Frankreich und forschte zunächst am australischen Mount-Stromlo-Observatorium, ab 1960 dann an der Universität von Texas. In jedem Fall zählt er zu den wichtigen Astronomen des 20sten Jahrhunderts – und auch dieser Tatsache zollt der Galaxien-Atlas Respekt. Insofern ist der Titel des Buchs als eine Hommage der Autoren an ihren einstigen Lehrer zu verstehen, gehen sie inhaltlich doch weit über die von de Vaucouleurs entwickelte Galaxien-Klassifikation hinaus. Wünschenswert für eine spätere Auflage ist eine deutlicher erkennbare Gliederung des Atlas-Teils. Eine Kopfzeile könnte dem Leser auf jeder Seite verdeutlichen, bei welcher Galaxien-Klasse er sich gerade befindet.

Zum Buch gibt es eine vom Hauptautor Prof. Ronald J. Buta unterhaltene, eigenartig urtümliche Website ( http://bama.ua.edu/~rbuta/devatlas/ ), die aus der Steinzeit des Internet zu stammen scheint. Hier finden sich zahlreiche Informationen zur Ergänzung des Galaxien-Atlas: Unter anderem ein umfangreiches Verzeichnis weiterer Galaxien, die im Buch nicht behandelt werden. Oder eine Liste mit Errata. Es ist zu hoffen, dass diese Informationen bzw. Korrekturen Eingang in eine spätere Auflage des "The de Vaucouleurs Atlas of Galaxies" finden werden, der mit 105 € zu den durchaus teuren Werken zählt, aber keineswegs nur ein Buch für Spezialisten ist.

Clear Skies! Stefan Oldenburg

Ronald J. Buta, Harold G. Corwin, Stephen C. Odewahn: The de Vaucouleurs Atlas of Galaxies
Cambridge University Press, New York 2007.
356 Seiten mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Abbildungen.
Englisch.
ISBN 978-0-521-82048-6.
Gebunden 105 €

Diese Rezension erschien in "Sterne und Weltraum" 12/2008

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Astronomische Themen begeistern mich seit meiner Kindheit und ich freue mich, Zeuge des goldenen Zeitalters der Astronomie zu sein. Spannende Entdeckungen gibt es im Staccatotakt, aber erst im Erkunden unserer kosmischen Nachbarschaft mit den eigenen Augen liegt für mich die wirkliche Faszination dieser Wissenschaft. "Clear Skies" lautet der Gruß unter Amateurastronomen, verbunden mit dem Wunsch nach guten Beobachtungsbedingungen. Deshalb heißt dieser seit November 2007 bestehende Blog "Clear Skies".

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