Kontrafaktisches 2

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auf der Frequenz von Geist und Gehirn
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Braincast 350

Wer mit der Realität nicht zurande kommt, holt sich Hilfe – hier in Gestalt von Isaac van Deelen. Unangenehme Wahrheiten können dabei durchaus vorkommen.

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www.nurindeinemkopf.de

Nach diversen Artikeln und zwei Büchern zwischen Geist und Gehirn hier der Podcast. Wichtigster Punkt: die Übersetzung der aktuellen Erkenntnisse in verständliche Sprache, praktischen Alltag und guten Humor.

15 Kommentare

  1. Ja, sehr nett, dass Sie auch audio-visuell verfügbar sind, Herr Leyh.
    Bei Aussagen wie, dass das Sofa nicht mehr da ist, wenn der Raum verlassen worden ist, denn die Erkenntnis ist ein kontinuierlicher Prozess, bedarf beständiger Zeugenaussage, musste Dr. W ein wenig schmunzeln, Herr Isaac van Deelen liegt hier richtig, aus konstruktivischer Sicht, vergleiche auch hiermit :

    -> https://www.youtube.com/watch?v=P0CzhJePocs (‘Existiert der Mond auch dann, wenn keiner hinsieht?’ – Zeilinger ist hier recht “trocken”)

    Ansonsten, es wurde so um die Minute acht herum, i.p. Xavier Naidoo auch, politisch, weiter ist der Schreiber dieser Zeilen bisher nicht gefolgt, vielleicht sollte er dies tun, ein diesbezügliches Zeichen mag gegeben werden, Webbaeren sind ja auch neugierig, setzt es abär einen Minuspunkt.
    Xavier Naidoo ist kein Dummkopf und hier muss auch nicht gönnerhaft womöglich ergänzt werden, Dr. W stimmt ihm oft nicht zu.

    Es ist nicht cool politisch links zu stehen und sich dieses gemeinsamen Linksseins gegenseitig zu bestätigen, dabei aufklärerisch zu erscheinen.
    Wir bedenken, dass das Sapere Aude das Individuum meint und kollektivistische Sicht hier entgegen steht. Egal wie aufgeklärt sich politisch Linke hier halten mögen, womöglich JJ Rousseau folgend.

    MFG
    Dr- Webbaer (der mal so, sich auch ein wenig exponierend, eine Zwischen-Nachricht abgesetzt hat, womöglich wird er sich das gute Stück (Kompliment noch einmal für die audio-visuelle Zusammenstellung!) auch zu Ende anhören)

  2. Verspätet und explizit als sozusagen besonders sachnahes Feedback beigebracht, als partielles Transkript :

    Herr van Deelen (ab 22:40) : ‘Narrativ ist son ausgelutschter Begriff, aber was uns doch gelingen muss, dass in irgendeiner Form die Ökologie und die Digitalisierung und die materielle Welt und die Migration, das muss doch alles in irgendein System, in irgendeine Gesellschaftsstruktur hineinpassen und es ist offensichtlich, dass derzeit nichts zusammenpasst, und es funktioniert auch alles so, wie es eben, wie eben eine Waschmaschine auch funktioniert, so lange sie noch nicht kollabiert ist, aber man hört schon Knirschen, man hört schon Poltern, und immer wieder die Umwuchten im Motor und so weiter, das ist alles schon, äh, ziemlich klar erkennbar, und man weiß ganz genau früher oder später kracht dieses gesamte System zusammen.’

    (Dr. W ist bekannt, dass das Bereitstellen von Transkripten von Interviews ein wenig unfair ist, in der Regel wird ja in der BRD Text erst von Aussagenden autorisiert, um dann in Medien zu gelangen.
    Hier allerdings ist nichts unfair, weil die Beitragenden erkennbar über ein hohes sprachliches Niveau verfügen (vs. bspw. Merkel)).

    Also ja, die Immigration (‘Migration’ für einige, womöglich auch, um die Richtungsangabe zu unterlassen, Dr. W ist zweifacher Remigrant und hat dbzgl. mit Richtungsangaben keine besonderen Probleme) ist die besondere Herausforderung, der sich die BRD freiwillig gestellt hat, Stichwort : Islam, aber diesbezüglich will Dr. W an dieser Stelle zumindest nicht gesondert ausbauen.

    Sondern hierzu :
    Sinngemäß im dankenswerterweise bereit gestellten Dokument von Herrn van Deelen so beigebracht, die ‘digitale’ (die “Fingerung” ist adressiert) Revolution meinend.
    Also diesbezüglich sieht es i.p. Arbeit und Arbeitsbeschaffung gar nicht schlecht aus, der Mensch wird halt mehr Dienstleister, die Robotik produziert, der Dienstleister Mensch kann ganz absehbarerweise nicht durch die Robotik ersetzt werden.
    Die ist zu blöd und wird dies auch bleiben, die KI-Forschung hat im Prinzip nur Geräte geschaffen, die arbeiten, nicht erkennen.
    Denn die Erkenntnis, das was zwischen den Ohren ist, um einmal Braincast-Slang zu bemühen, kann nicht in ihrer Vorgehensweise in die Robotik implementiert werden.
    Dafür ist wiederum der Mensch zu blöd. [1]

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    Das, was die Verständigkeit ausmacht, womöglich mit dem Auge von Tieren beginnend, denen sich dann ein Hirn angeschlossen hat, evolutionär, das Auge gilt ja auch als Teil des Gehirns, folgte einem se-ehr lange iterierenden Prozess, der das Leben meint. Wobei es natürlich sozusagen Glückssache war, dass es die “Erde” erwischt hat derart hervorzubringen.
    Die derart erforderlichen Rechenleistungen sind se-ehr hoch und insofern liegt wohl nur Glück vor, das abär auch pers. Pech bedeuten kann, wenn bspw. mit einem Braincast-Vortrag etwas nicht stimmig war.

    • Isaac von Delen irrt nicht nur, wenn er die Ausbildung von Filterblasen als etwas völlig Neues betrachtet, er scheint sogar selber – mit vielen Gleichgesinnten – eine Denkwelt aufgebaut zu haben, die man als Filterblase bezeichnen kann. Wer nämlich meint, ein Sofa höre auf zu existieren, wenn man den Sofa-Raum verlassen hat, der gehört wohl zu der Spezies von geistige Universen Schaffenden, die die Wirklichkeit erst durch das Bewusstsein erstehen sieht: Was nicht wahrgenommen und in die Denkwelt (die gute Stube) eingeordnet wird oder werden kann, das existiert nicht. Deshalb fordert er auch eine neue Generation von politisch/gesellschaftlichen Theoretikern, denn es (Zitat) “muss uns doch gelingen, dass in irgendeiner Form die Ökologie und die Digitalisierung und die materielle Welt und die Migration, das muss doch alles in irgendein System, in irgendeine Gesellschaftsstruktur hineinpassen …” kurzgefasst: Wir leben im Durcheinander, das ist aber an und für sich gar nicht so schlimm, das heisst nur, dass wir in einem (Zitat) Multiversum leben. Das Schlimme ist für Isaac von Delen vielmehr, dass dieses Durcheinander bis jetzt niemand – kein Marx, kein Konstruktivist oder Dekonstruktivist -, auflösen und in ein überzeugendes Gesamtbild integrieren kann.
      Dabei ist das, was Isaac von Delen da beklagt, der Normalzustand der Welt und wenn es ihm bis kurz vor jetzt gelungen ist, alles unter einen (geistig/theoretischen) Hut zu bringen, dann heisst das nur, dass entweder alles zu vorhersehbar geworden war und die von ihm bevorzugten Gesellschaftstheorien nicht mehr herausgefordert wurden. Oder aber er hat dazumal, als alles noch seinen Platz hatte, in einer Filterblase, einem Kokon, gelebt. Jetzt tun ihm das alle andern nach. Wobei die Filterblase der meisten andern sicherlich einfacher gestrickt ist als die von Isaac von Delen.

  3. Isaac von Delen irrt, wenn er den Fake News Raum, die Übernahme von linken Positionen durch Rechte, Filterblasen und die Ausbildung von Gruppenrealitäten als etwas völlig Neues betrachtet. Wenn schon hat hier Quantität
    (ermöglicht durch das Netz und seine vielen Teilnehmer) in Qualität umgeschlagen.
    Isaac von Dalen will das heutige Durcheinander durch eine neue Welterklärung, ein neues Narrativ auflösen ( “wir brauchen Antworten”). Doch ein “wir” gibt es nur begrenzt, hat es immer schon nur begrenzt gegeben. Und deshalb können auch Antworten nur begrenzt sein. Das mit dem aber alle leben müssen, die Antwort, die für alle gilt, die wird durch die politische und gesellschaftliche Realität bestimmt, durch die Gesetze und die Lebensrealität in Deutschland. Unter anderem deswegen ist ja die AfD eine Partei: weil sie die Lebensrealität in Deutschland über einen politischen Prozess ändern will. Wenn ihr das nicht gelingt und sie abgewählt wird, dann verliert sie an Bedeutung und Macht. Und genau so – und nicht durch ein Narrativ – löst man das Problem. Wenn schon kann ein Narrativ vielleicht dabei helfen – helfen, indem es möglichst viele Bürger von einer Alternative überzeugt.

    • Isaac von Delen irrt, wenn er den Fake News Raum, die Übernahme von linken Positionen durch Rechte, Filterblasen und die Ausbildung von Gruppenrealitäten als etwas völlig Neues betrachtet.

      Och (kurz gesprochen), das Web ist schon gänzlich neu, Herr van Deelen rührt in diesem Sinne, auf typisch (aufklärerisch) politisch linke Art und Weise dialektisch, hier herum und der Schreiber dieser Zeilen will Herrn van Deelen keine Irrtümer unterstellen, es ist schon richtig, dass im Web “Hinz und Kunz” zu Wort kommen, dass alte Einsichten sozusagen fallen, auch diese Unterscheidung zwischen Lechts und Rinks ein wenig in Frage gestellt wird, und Herr Donald J. Trump seinen Wahlkampf primär über die sogenannten sozialen Medien gewonnen hat, was politisch Linke schon abnerven muss.
      So wie früher hätte der Schreiber dieser Zeilen, womöglich Sie ebenfalls, seine Meinung als “Dienstmeinung” angelegt, vielleicht in Leserbriefen oder in dienstlichen Verlautbarungen ein wenig versteckt, nicht aneckend und eher konform, was nun im Web nicht mehr der Fall ist, Sie nutzen ebenfalls ein Pseudonym, woll?! (Nicht als solche erkennbare Pseudonyme im Web zu nutzen, gilt als ein ganz wenig unethisch, allerdings ist auch Dr. Webbaer schon oft gefragt worden, ob er mit Nachnamen ‘Webbaer’ heißt.)

      Das Web ändert, vielleicht kann sich darauf geeinigt werden, seine aufklärerische Wirkung ist weit geringer, als dies sich welche, Dr. Webbaer ist seit mehr als 35 Jahren im Bereich der netzwerkbasierten Kommunikation unterwegs, erhofft haben.

      MFG
      Dr. Webbaer (der im Abgang nicht vergessen möchte für das bereit gestellte Dokument zu danken, es war in vielerlei Hinsicht für den Schreiber dieser Zeilen interessant)

      • PS :
        Gerade auch die Einsicht, dass sogenannte linksliberale [1] Meinung für viele gesellschaftlich relevante Fragen schlicht keine Antworten hat, kam hier gut an, diesbezügliche Einstellungen scheitern wohl; das hier dankenswerterweise zur Verfügung gestellte Dokument beschreibt womöglich dieses Scheitern.

        [1]
        ‘Linksliberal’ ist ein Oxymoron, es ist nicht möglich politisch links zu stehen, sich also dem (philosophischen) Kollektivismus verpflichtet zu haben, und gleichzeitig in Sapere Aude zu machen, sich so aufklärerisch -und explizit der Menge als Individuen vertrauend- dem (philosophischen) Individualismus zu verpflichten.

  4. PS und später beigebracht, Grundsatz-Kritik :

    Herr Leyh: (ab ca. 25:12 im dankenswerterweise bereit gestellten Audio-Video-Dokument) Aber wie sollen wir, also (RR : Zaudern), es gibt diese Welten-Vermehrung, im Netz vor allem, gibt es eine enorme Vielzahl an unterschiedlichen Realitäten, glaubst Du wirklich, dass wenn wir diesen Narrativ, dieses Integrative, wenn wir dies hinbekommen, dass aus diesem Multiversum wieder eines werden kann?
    Herr van Deelen: Glaube ich nicht. Ich glaube, dass wir es hinkriegen müssen im Multiversum zu leben. Hmm, und, äh, das auch auszuhalten, also im Sinne dies positiv zu besetzen, im Augenblick ist es ja son Bedrohungsszenario, aber das Bedrohungsszenario kommt ja nicht aus den unterschiedlichen Realitäten, das Bedrohungsszenario („Bedrohungsse-se-szenario“) kommt daraus, dass unsere Lebensbedingungen bedroht sind, dass unser Kleingarten bedroht ist und unsere Rente bedroht ist und was auch immer, äh, was wir uns als Leben eingerichtet haben, da kommt die Bedrohung her, die, wir halten das aus, dass wir nachts etwas anderes träumen, als wir tags leben, wir halten das aus, äh, dass die Beziehungen an bestimmten Stellen unterschiedliche Wahrnehmungen von der Wirklichkeit haben, wir halten, han, unterschiedliche Realititäts-Versatzstücke aus, das können wir alles in uns selber reintegrieren. […]

    MFG
    Dr. Webbaer (der derart mit einem zweiten Transkript nur ganz dezent zu bedeuten geben möchte, auf welchem Niveau bestimmte Diskussionen in der BRD heutzutage geführt werden können; Dr. Webbaer ist, dies ganz niederrangig und aus dem Ausland heraus angemerkt, schon in der Lage in etwa so zu sprechen, wie zu schreiben, mehrsprachig, ist abär auch Altsprachler, vielleicht half ihm dies ein wenig)

  5. Letzte Nachricht, versprochen :

    Und von wegen Optimismus, wenn morgen die Welt untergeht, werde ich heute einen Apfelbaum pflanzen.

    MFG
    Dr. Webbaer (der sich wohl, mit Verlaub!, nur diesen Satz des dankenswerterweise bereit gestellten Dokuments merken wird; der auch nicht näher (im Web) geforscht hat, was Isaac van Deelen so treibt; der zudem zwei Personen kennengelernt hat, die Isaac van Deelen, ähneln, auch ähnlich reden, insofern lag ein Déjà vu vor, netter Mann btw)

  6. Zuerst einmal Kompliment für die kluge Gesprächsführung von Arvid Leyh. Die Versuchung, auf die Idee (den Versuchsballon) Isaac van Deelen’s zu reagieren, beim Verlassen eines Raums verschwänden auch die Sofas darin, wäre für mich übergross. Darauf nicht einzugehen braucht entweder gehörige Kommunikationserfahrung oder Klugheit oder beides.
    Nun zum Thema. Isaac von Deleen’s Weltbild siedle ich im intellektuellen, geisteswissenschafftlichen, gesellschaftsanalytischen und -kritischen Bereich an. Die Besseren, die zu dieser Kategorie gehören, entwickeln über die Lektüre der philosophisch/politisch/gesellschaftskritischen Literatur und über eigene Stellungnahmen dazu, ein sehr umfassendes Weltbild, in dem im Idealfall alles seinen Platz findet. Doch nun kommt mein vielleicht auch von Arvid Leyh nachvollziehbarer Angriff: Es gibt in Wirklichkeit gar keine erfolgreichen, realitätsimmunen Welterklärungen von grossen Männern(Frauen?), ja es gibt nicht einmal entsprechend erfolgreiche Gesellschaftserklärungen. Die Welt haben die Grossphilosophen und andere Geisteswissenschaftler nie in den Griff bekommen. Gerade gestern las ich dazu in der Kolumne Klassiker schreiben, das Geheimrezept Rezept für Klassiker: Ein heller Kopf, eine gute Feder, ein relevantes Problem, eine leicht verständliche Idee und womöglich eine klare Lösung. — Doch: Ludwig Wittgensteins “Tractatus”, Martin Heideggers “Sein und Zeit” und Karl Barths “Römerbrief” – alle drei haben keine eindeutige “Idee”, alle lesen sich atemberaubend schwierig, bei allen gabs kontroverse Interpretationen
    Mir scheinen die genannten 3 Bücher nur Stellvertreter für viele (alle) anderen Büchern von Geisteswissenschaftlern mit grossem Erklärungsanspruch: Sie erklären wenig – auch wenn sich eine Schar von Apologeten und Jüngern um solche Werke schart.

    Wie dann sollen wir zu “besseren” Welterklärungen oder mindestens zu besseren Gesellschaftserklärungen kommen. Das dies nötig, aber mindestens sehr hiflreich wäre, zeigt für mich die Ökonomie: Sie hat praktisch keine Prognosekraft obwohl (oder trotzdem) sie über einen reichen Schatz an mathematischen Modellen verfügt.
    Wie nun? Ich glaube an einen interdisziplinären und multmethodischen Ansatz in dem naturwissenschaftlich/mathematische Modelle, Big Data, Echtzeitdaten aus sozialen und gouvernamentalen Netzen und künstliche Intelligenz über ihre Fähigkeit verborgene Korrelationen zu entdecken, eine Rolle spielen werden – etwa im Sinne von FuturICT.
    Das mag nun vielen als technokratischer Ansatz erscheinen. Doch gerade die jüngsten Erfolge mit Deep Neuronal Networks und künstlicher Intelligenz haben gezeigt, dass der Mensch gar nicht so gut ist, in einem grossen Heuhaufen von Daten die interessanten Muster herauszufinden. Maschinen sind hier zum Teil zu verblüffenden Leistungen fähig . Sie können eine Schwangerschaft anhand des Kaufverhaltens als Erste erkennen oder das Risiko für einen bevorstehenden Aktiencrash besser oder ebensogut wie Menschen beziffern.
    Die Geistes- und Gesellschaftstheoretiker spielen in einem solchen interdisziplinären Welterklärungsansatz und einem Welt-Monitoring auch eine wichtige Rolle, denn sie kennen die Grundphänomene und die Begriffe und Begriffszusammenhänge.
    Damit Geisteswissenschaftler überhaupt einen solchen interdisziplinären Ansatz annehmen können, müssen sie aber zuerst einmal akzeptieren, dass man mit Beobachten und Denken allein Welt und Gesellschaft nicht erklären kann.

  7. Für eine ausführliche, offene Diskussion, zumal eine anstrengende, ist dies sicher nicht der rechte Ort. Andererseits zeigen die Diskussionsbeiträge Interesse, und dafür bin ich dankbar. Ich möchte in zwei Punkten darauf eingehen, und zwar eher im Grundsatz als in der Sache.

    Was Herrn Dr. Webbaer betrifft, so verstehe ich ihn nur selten. Damit will ich besonders klar ausdrücken, dass es mir zunächst gleich gültig wäre, ob er mir zustimmt oder nicht; beides ist mir, sei es als Bestätigung oder als Entwicklungspfad, gleich lieb. Ich habe auch nichts dagegen, dass er sich ausführlich und im Detail mit bestimmten Positionen auseinandersetzt, im Gegenteil! Dafür sind Angebote, wie dieses Interview, ja gemacht. Ich verstehe aber seine quälend manierierte Sprache nicht und seine irrlichternden Intentionen auch nicht. Das ist doof, denn dass er auch „ordentlich“ reden könnte, das lässt sich immer mal wieder zwischendurch feststellen.

    Was Herrn Holzherr angeht, so verstehe ich ihn gut, sprachlich. In der Sache aber weiss ich es nicht. Ich rede, und Arvid Leyh hat dieses Gespräch angeregt, weil wir, aus unterschiedlichen Perspektiven, Probleme mit der Wirklichkeit haben. Lassen die sich in einem halb-stündigen Gespräch „klären“? Sicher nicht. Warum dann also das Gespräch? Es gibt Anstösse, will es zumindest; stellenweise will es provozieren, um Denkfallen aufzubrechen; bei den „besonders windigen“ Passagen bleibt das Meiste, was zur Begründung angeführt werden müsste, um die Position wenigstens nachvollziehbar zu machen, im assoziativen Hintergrund. Das ist kaum zu vermeiden. Was aber ist die Intention?

    Ich versuche ein Beispiel: während der medialen Begleitung der Krawalle in Hamburg beim G20-Gipfel gab es (… zumindest in meiner Wahrnehmung), anfangs eine kurze Phase, in der (medial) „die Polizei durch Überreaktion“ den Verlauf geprägt hat. Je länger die Auseinandersetzungen andauerten, desto stärker wurde eine mediale „Welle“, der zufolge „die Chaoten gleich mal alle an die Wand gestellt werden“ sollten (ich übertreibe zur Deutlichkeit). Diese Welle hielt ein paar Tage, bevor sich wieder andere „moderatere“ Darstellungen durchsetzten, die besondere Betonung auf „strategische“ Fehler etc. legten, „Gegenbeispiele“ nachwiesen, Hamburg für einen vorhersehbar-katastrophalen Austragungsort hielten, etc. Damit will ich folgendes sagen: die Realität in Hamburg, die an jeder Strassenecke „anders“ ausgesehen hat, kann im Nachhinein (und nur dann ist es überhaupt möglich) nur durch Verabredungen „hergestellt“ werden. Nie sind zwei Menschen am exakt gleichen Ort, sehen das Gleiche etc. Wir sind geneigt zu glauben, dass wir die Wirklichkeit kennen, tatsächlich aber haben wir bestenfalls eine eigene eingeschränkte Perspektive. Diese „eingeschränkten“ Perspektiven sind in der Politik gang und gebe, treten dort jedoch (fast) immer als „Wahrheit“ auf und machen geltend, dass alle anderen Perspektiven un-gültig sind. Und das selbst dann, wenn diese „Wahrheiten“ vorsätzliche Lügen sind. Mit dieser (immer noch mehrheitlichen) „Weltvorstellung“ können wir, meine Meinung, nichts mehr anfangen, und zwar auch dann nicht, wenn niemand (mit Vorsatz) lügt. Was wir also über Sein oder Nichtsein einer Realität glauben, schlägt unmittelbar durch auf unser Politikverständnis.

    Soweit zu dem Beispiel, mit dem ich deutlich machen will, dass hinter der blossen Tatsache, dieses Gespräch zu führen, eine diskursive Intentionalität steht. Wer also auf diese Anstösse eingehen will, wie die Herren Webbaer und Holzherr, der sollte (abgesehen davon, dass jeder tun und lassen kann, was er/sie will) im Sinne dieser Intentionalität argumentieren, wenn ihm oder ihr tatsächlich an der Diskussion gelegen ist. Herr Holzherr nähert sich diesem Anspruch (wenigstens in meinen Augen), aber auch ihm ist mehr daran gelegen, etwas zu sagen, als „dazu“ etwas zu sagen. Diese Art der Diskussion empfinde ich als unfruchtbar.

    • Da kann ich Isaac von Deelen zustimmen: Was bei politisch/ideologisch aufgeladenen Ereignissen als „Wahrheit“ auftritt, ist oft die Wahrheit für eine bestimmte politsche Gruppe und wird von andern, insbesondere (politischen) Gegnern ganz anders wahrgenommen. Wenn mir mehr daran gelegen war (Zitat) ” etwas zu sagen, als „dazu“ etwas zu sagen” so liegt das an meiner ganz anderen Interpretation des Gesagten. Ich habe sie als Aussage über die Welt an und für sich und was man über sie erkennen kann, aufgefasst. Dennoch würde ich sogar beim Beispiel “Hamburger Krawall” folgendem nicht voll zustimmen (Zitat): “die Realität in Hamburg, die an jeder Strassenecke „anders“ ausgesehen hat, kann im Nachhinein (und nur dann ist es überhaupt möglich) nur durch Verabredungen „hergestellt“ werden.”. Es gibt schon Fakten zu den Krawallen in Hamburg, die beispielsweise in der Wikipedia unter G20-Gipfel in Hamburg 2017 festgehalten sind. Fakten, die Bestand haben können und zwar über einen Konsens nur der politischen Lager hinaus. Dazu gehören etwa folgenden Sätze aus der Wikipedia (Zitat): “Verschiedene Täter, darunter mutmaßlich Linksextremisten, begingen Sachbeschädigungen, Plünderungen und Angriffe auf Polizeibeamte. Dabei und durch Polizeiübergriffe wurden hunderte Personen verletzt. Verschiedene politische Konsequenzen werden debattiert.”
      Wer grundsätzliche Dinge bestreitet, wie die, dass es Sachbeschädigungen, Plünderungen, Angriff auf Polizeibeamte und Polizeiübergriffe gab, mit dem kann man gar nicht diskutieren. Vieles – ja das meiste -, was im Wikipediaartikel über den G20-Gipfel in Hamburg steht, sind Fakten, die überprüft werden können. Wenn man bezweifelt, dass es solche von einer parteilichen Sicht weitgehend unabhängige Fakten gibt, der müsste ebenso bezweifeln, dass man in einem komplizierten Kriminalfall die “Wahrheit” herausfinden kann.

      • Ergänzung: Verzerrte Wahrnehmung ist in politischen Auseinandersetzungen häufig, gerade auch wenn Gewalt im Spiel ist. Wut, Hass, Läge sollte man aber als solche erkennen und die dazugehörigen Rationalisierungen als Rationalisierungen entlarven und sie nicht einfach als berechtigte Sicht akzeptieren. Dies zu: “Wir sind geneigt zu glauben, dass wir die Wirklichkeit kennen, tatsächlich aber haben wir bestenfalls eine eigene eingeschränkte Perspektive. Diese „eingeschränkten“ Perspektiven sind in der Politik gang und gebe, treten dort jedoch (fast) immer als „Wahrheit“ auf und machen geltend, dass alle anderen Perspektiven un-gültig sind. Und das selbst dann, wenn diese „Wahrheiten“ vorsätzliche Lügen sind. Mit dieser (immer noch mehrheitlichen) „Weltvorstellung“ können wir, meine Meinung, nichts mehr anfangen, und zwar auch dann nicht, wenn niemand (mit Vorsatz) lügt. Was wir also über Sein oder Nichtsein einer Realität glauben, schlägt unmittelbar durch auf unser Politikverständnis. “
        Das Problem das hier angesprochen wird, sehe ich auch, doch man kann es teilweise lösen indem man zu erkennnen versucht, was ideologisch motiviert ist, wo Emotionen und Affekte eine Rolle spielen und was den rational erfassbaren Hintergrund darstellt.
        Beispiel: Die beabsichtigte Abschaffung/Schleifung von Obamacare durch Donald Trump und viele Republikaner ist ideologisch/weltanschaulich, aber auch pekuniär (Geld einsparen, damit die Reichen weniger Steuern zahlen müssen) motiviert. Gültig bleibt die Aussage, dass durch die Abschaffung von Obamacare Betroffene schlechter gestellt werden. Dem können wohl sogar die zustimmen, die Obamacare abschaffen wollen.

    • Warum soviel Worte über eine Binsenweisheit.
      Jeder sieht nur einen Teil der Geschehnisse. Die Medien machen ein Gesamtbild daraus.
      Wie sollte es anders sein?

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