Das organisierte Böse

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Erstaunlich: Man kann über das Böse theoretisieren, und kommt mit nur einem wirklich grusligen Beispiel aus. Trotzdem ist das Thema anstrengend, und das empfohlene Buch ist es noch mehr. Vielleicht nicht wirklich etwas für sommerliche Tage …


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Das Böse ist ein ergiebiges Thema: Hier lang gehts zum fröhlichen Beisammensein in Auschitz. Hier finden Sie den Film Blue eyed – blauäugig, sogar auf deutsch. Dann die Homeland-Security, der Threat Level unten links am Bildschirm. Und schlussendlich eine Argumentation gegen die These der Banalität beim Psychologist.

 

SHOWNOTES

Keines der Stücke sollte als Soundtrack des Bösen herhalten müssen, aber einige waren dunkel genug: David Emeny mit Black Dust und CRS Official mit Vanish, A Song for Emily mit ExhumaDisparition mit The Snake und Waves In The Moonlight von ericP.

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Veröffentlicht von

www.nurindeinemkopf.de

Nach diversen Artikeln und zwei Büchern zwischen Geist und Gehirn hier der Podcast. Wichtigster Punkt: die Übersetzung der aktuellen Erkenntnisse in verständliche Sprache, praktischen Alltag und guten Humor.

9 Kommentare

  1. Ein gutes (?) Buch über das Böse

    Hallo
    Ein Buchtip zum Thema:
    Paul Watzlawick “Vom schlechten des Guten”
    Die besten Grüße

  2. “Man kann über das Böse theoretisieren”

    Ja, das kann man. Aber es verschleiert das Eigentliche. Das “Böse” ist ein unzulänglicher Begriff -zudem erinnert es mich an das Mittelalter. Da werden schnell die alten Geister wieder recht munter, die mit “Christus” im Schlepptau die Dämonen austreiben wollen. Sicher, es ist schon viel psychologisiert worden -egal, ob Auschwitz oder Guantanamo. Von vaterlosen Gesellen, die mit Gewalt der Welt beweisen wollen, daß sie einen Schwanz in der Hose haben bis hin zum Kadavergehorsam -was so ziemlich das Gleiche ist -nur mit umgekehrten Vorzeichen (Schlappschanz). Viel interessanter scheint mir deshalb die Frage zu sein, warum es die Gewalt gibt. Statt den sogenannten Feind zu bekämpfen, wäre es doch angebrachter, in ihm den Schlüssel zu sehen, der doch nur deshalb in Erscheinung tritt, um uns auf unsere Wunde hinzuweisen? An der in die Erscheinung tretende Kritik durch den “Feind” ist noch keiner gestorben! Erst durch die Gewalt fließt das Blut.

  3. Ich würde es über die Verhältnismäßigkeit definieren. Die Bösen sind bereit, wegen geringer eigener Vorteile oder Bedürfnisse große Schäden bei anderen anzurichten.

  4. “die Bösen” @ adenosine

    Ich halte von den Begriffen “das Böse” oder “die Bösen” nichts. Es zieht eine unnötige Grenze über den Abgrund ein. Alles Leben, soweit wie ich es beobachte, strebt nach Erweiterung seiner Möglichkeiten. Dieser Trieb ist so stark, das selbst die Pflanze Asphalt sprengt, wenn sie zum Lichte strebt. Was wir also “das Böse” oder “die Bösen” nennen, ist objektivierter, blindwütiger Wille. Kommt der Wille nicht zur Vernunft, so muß eher von Sturheit oder Dämlichkeit gesprochen werden. “Nimm doch Vernunft an” -diese Aufforderung ist die Grundlage dessen, was wir Erziehung nennen. Der Erzieher aber muß nicht nur über ein hohes Maß an Wissen, sondern über eine Sensibilität verfügen, die ihm erst zum nötigen Einfühlungsvermögen befähigt. Der Wille kann nicht gebrochen und auf Dauer nicht betäubt, sondern muß überzeugt werden. Von einer Wahrheit wird er aber nur dann überzeugt, wenn er sich befreiter fühlt. Ich spreche hier natürlich immer wieder der Willensmetaphysik das Wort und ich kann nicht anders als Nietzsche recht zu geben: wir sind nicht die Ebbe jener Flut, die wir Evolution nennen.

  5. Theorie und Praxis

    “Der Erzieher aber muß nicht nur über ein hohes Maß an Wissen, sondern über eine Sensibilität verfügen, die ihm erst zum nötigen Einfühlungsvermögen befähigt”

    Ich spreche in dieser Episode nicht von Kindern, nicht von Erziehern, nicht vom Deutschland des Jahres 2008, nicht von Europa nach Bosnien.

    Der Begriff des Bösen mag im Mittelalter verwurzelt sein, aber dieses geistige Mittelalter herrscht noch in weiten Teilen des Planeten, und das ist Praxis. Den Begriff negieren zu wollen, nur weil er in unserem behüteten Leben nicht stattfindet, ist naiv. Mit Verlaub. In dieser Hinsicht ist das Buch von Zimbardo ein echter Augenöffner.

  6. @Leyh

    “Den Begriff negieren zu wollen, nur weil er in unserem behüteten Leben nicht stattfindet, ist naiv. Mit Verlaub”

    Das Abschlachten ganzer Völker wird schon im alten Testament beschrieben. Ich weiß natürlich auch, daß es das gibt. Ich bin nicht blind, um nicht zu sehen, zu was für Greueltaten der Mensch fähig ist. Der Begriff “das Böse” muß decodiert werden, um an die Wurzel des Übels herantreten zu können. Mit der Beschreibung der Greuel ist es nicht getan. Entweder erstarrt der Mensch (Lots Frau), stumpft ab, resigniert oder nimmt es als gottgegeben hin. Schlimmer noch: in den Medien wird zusätzlich noch ein Voyeurismus bedient (Tsunamiwelle als Dauerschleife). Was ich unter Einfühlungsvermögen verstehe, ist keine Gefühlsduselei, sondern ein Hinweis darauf, daß ohne diese Fähigkeit ein Urteilen nicht möglich ist. Wenn der Kriminalbeamte den Täter finden will, muß er sich in den Täter hineinversetzen können.

  7. @ Hilsenbein

    Ich nehme an, Sie haben den Inhalt gehört und reagieren nicht nur auf die Überschrift.

    Dann habe ich wohl einen schlechten Job in der Decodierung gemacht, denn die Aussage von Zimbardo ist eben genau das nicht: kein Tsunami, mehr Profiler, keine Erstarrung, keine faulen Äpfel, aber ein faules Fass.

  8. faules Faß @ Leyh

    “SZ: Das Gesetz erkennt doch mildernde Umstände an?
    Zimbardo: Das ist ein Feigenblatt. Aufgrund meiner Aussage hat Frederick vielleicht gerade einmal ein Jahr weniger Haft bekommen – wenn doch obere Chargen und Politiker, die straffrei blieben, für das Vorgefallene ebenso verantwortlich sind. Die haben dieses Fass gezimmert, in dem aus guten schlechte Äpfel geworden sind.” Das Faß haben nicht die Politiker gezimmert, da die Politiker selbst Bewohner des Fasses sind. Verstehen Sie, was ich meine? “Die Welt ist der falsche Ort, es gibt kein richtiges Leben im falschen” (Adorno) Wenn, wie Zimbardo schreibt, jeder Mensch aufgrund der “Umstände” zu Greueltaten fähig ist, so greift dies zu kurz, was er ja auch weiß, da er auf Mandela hinweist. Und hier wird wieder die Diskussion um den “freien Willen” aktuell. Ich kann nicht anders als Libet recht zu geben: der Mensch besitzt ein Vetorecht!

  9. Unempfänglich für “das Böse”

    Besonders interessant bei Braincast-Episoden wie dieser, finde ich immer, wenn von Gruppenexperimenten berichtet wird. Wie z.B. von dem mit den Kindern, die andere wegen einer beliebigen Nebensächlichkeit, die in den Fokus gerückt wird, schlechter behandeln. Oder von Versuchen, die zeigen, daß “der Mensch” nach Konformität strebt und diesem Streben gerne mal alles unterordnet.

    Ich als Asperger-Autist kann nie auch nur ansatzweise – für mich – die typischen Ergebnisse solcher Experimente nachvollziehen. Und würde bei sowas von Zeit zu Zeit gerne mal die Ergebnisse von einer Art “Asperger-Kontrollgruppe” sehen. Fände ich durchaus spannend.

    Hab als Kind schon immer schwerste Irritation geerntet, wenn ich mich, wenn ich es für richtig hielt, gegen meine eigene Gruppe stellte, Außenseiter verteidigte, etc.pp.
    Der Wunsch nach Konformität um jeden Preis (mitsamt seinen absurden, negativen Auswirkungen) und auch die Autoritätshörigkeit wird mir zum Teil immer ein Rätsel bleiben. Aber wenigstens ist es ein berechenbarer Faktor im Umgang mit (neurotypischen) Menschen. Auch was wert. :0)

    Schöne Episode auf jeden Fall. Fast schon ein wenig zu kurz geraten für dieses interessante Thema.

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