Wettlauf mit der Evolution

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researchblogging Philipp sagt Philipp sagt:
Nach Bastis exzellenten Artikeln über Open Access bring ich wieder was über ein Paper.
Veröffentlicht diese Woche in PLoS Biology geht es in „How to Make Evolution-Proof Insecticides for Malaria Control“ eigentlich um viel mehr als den Kampf gegen Malaria; der gleiche Vorschlag gilt für alle Krankheiten, die sich erst im höheren Alter ihres Überträgers übertragen lassen.

Kleine Vorgeschichte: Malaria ist ein Krankheitsbild, das durch den einzelligen Erreger Plasmodium ausgelöst wird. Übertragen wird dieser Erreger durch die Weibchen des Moskitos (Anopheles).

Die meisten Insektenpestizide töten ihre Ziele auf der Stelle. Dies hat auf den ersten Blick natürlich Vorteile für den Menschen, sind doch fast keine Krankmacher mehr zur Stelle. Auf den zweiten Blick offenbart sich jedoch das grundlegende Dilemma solcher Haudraufmethoden: Nur ein überlebender Moskito muss zufällig ein bisschen resistent sein, damit sich eine grundlegende Resistenz in der Population ausbreiten kann. Mit ein wenig Glück bekommt auch er nicht die volle Dosis ab.
Unser Moskito mit ein bisschen Resistenz findet nach dem Pestizideinsatz logischerweise schön viel Platz zum Ausbreiten vor, und hat er ein Weibchen, so haben deren Nachkommen eine überproportional hohe Wahrscheinlichkeit zu überleben, da ihnen kein Artgenosse so schnell das Essen streitig macht.
So haben wir also eine erste Generation (in Fachsprache F1-Generation) mit dem bisschen Resistenz unseres ersten Moskitos. Wird jetzt wieder gesprüht, könnten schon mehr überleben, und das Spielchen geht von vorne los. So werden die Moskitos langsam, aber sicher resistenter gegen das eingesetzte Gift.
Gleiches gilt natürlich überall dort, wo solche Methoden eingesetzt werden, also auch bei der Erregererkämpfung in der Medizin. Man sollte sich also nicht bei jedem Nasenjucken mit Antibiotika zubomben, sonst haben wir bald noch mehr multiresistente Keime.

Die Forscher stellen in ihrem Artikel eine elegante Methode vor, um der Malaria vielleicht Herr zu werden; da sich die Krankheit erst im späteren Leben der Moskitos auf den Menschen übertragen lässt, schlagen sie vor, nur noch Pestizide zu verwenden, die Moskitos im höheren Alter töten. Bis die Malaria-Erreger nach einer Infektion des Moskitos am Stechapparat ankommen, wo sie auf den Menschen übertragen werden, kann der weibliche Moskito ungefähr 2-6 Runden Eier legen, das sind so 10-14 Tage.
So sollte weniger Selektionsdruck auf die Moskitos ausgeübt werden; sie haben ja genug Zeit, sich fortzupflanzen. Gleichzeitig bleiben die Menschen von der Malaria verschont. (So lautet jedenfalls der Plan)

Ich glaube aber nicht das sich Plasmodium solche Methoden auf Dauer „gefallen lässt“; logischerweise hätten Plasmodium-Parasiten einen gewissen Selektionsdruck, schneller beim Stechapparat anzukommen. Die Forscher argumentieren dagegen, dass Plasmodium eine schnellere Generationszeit aber mit einer niedrigeren Infektionsrate bezahlen müsste – was dann wiederum zum Vorteil für den Menschen wäre. Ich bin da allerdings skeptischer.
Die Wege der Evolution sind verschlungen und oftmals schlecht vorhersagbar. Vielleicht muss Plasmodium sich gar nicht schneller beeilen, sondern nur andere Wege beschreiten – wie auch immer diese aussehen mögen. Wie das wiederum Auswirkungen auf den Menschen hat, kann man nicht sagen.

Besser als alles mit dem Holzhammer vollzugasen ist die Methode allerdings auf jeden Fall!


Read, A., Lynch, P., & Thomas, M. (2009). How to Make Evolution-Proof Insecticides for Malaria Control PLoS Biology, 7 (4) DOI: 10.1371/journal.pbio.1000058

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Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

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