Über multiresistente Tuberkulose

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researchblogging Philipp sagt Philipp sagt:
„Manchmal scheint es mir, Gehirn und Lunge hätten sich ohne mein Wissen verständigt. ‘So geht es nicht weiter’ hat das Gehirn gesagt und nach fünf Jahren hat sich die Lunge bereit erklärt, zu helfen.“ – Franz Kafka, verstorben u.A. an Tuberkulose

Heute werde ich eine etwas ältere Veröffentlichung vorstellen, von Anfang 2004 aus dem Journal of Infectious Diseases, mit dem schön sperrigen Titel Genetic Polymorphism in Mycobacterium tuberculosis Isolates from Patients with Chronic Multidrug-Resistant Tuberculosis. Die Veröffentlichung dreht sich um die Entstehung von multiresistenten Stämmen in den Körpern der an Tuberkulose erkrankten Menschen, begünstigt durch die Anwendung verschiedener Antibiotika.
In der Studie wurde Sputum (Hustenauswurf) von (gerade mal) 13 positiv getesteten Patienten auf Bakterien untersucht und die Isolate wurden genetisch untersucht, um mehr über den Hintergrund der entstandenen Resistenzen zu erfahren.

Dabei kam u.A. heraus, dass keiner der Patienten mit einem zweitem Stamm infiziert wurde, bestätigt wurde auch, dass die Isolate der 13 Patienten gegen alle üblichen Mittel resistent waren.
Viel interessanter ist jedoch, und das ist der Kernpunkt dieser Veröffentlichung, ist dass in mehreren aufeinanderfolgenden Charakterisierungen bei 4 der 13 Patienten Mutationen innerhalb der Bakterienpopulation auftraten, sodass eine heterogene Population entstand – das also im Lungengewebe verschiedene „Dörfer“ mit unterschiedlichen „Bewohnern“ entstanden sind. Dies ist enorm wichtig für Diagnose und Behandlung: Bei der Sputum-Diagnose werden rein zufällig ein oder mehrere „Dörfer“ rausgepickt und charakterisiert, die Behandlung erfolgt dann zugeschnitten auf die Eigenschaften (Resistenzen) der jeweiligen „Bewohner“.
Ist ein andere unerkannte Population aber resistent gegen die eingesetzten Mittel, so findet sie nach der Behandlung freien, unbenutzten Platz vor, der dann schleunigst besiedelt wird, weshalb der Patient kurze Zeit nach der Therapie wieder genauso krank wie am Anfang ist.

Gleiche Erkenntnisse gelten höchstwahrscheinlich auch für andere Infektionskrankheiten, was diese Veröffentlichung (in meinen Augen) so wichtig macht – es werden neue Diagnosemethoden gebraucht, die das gesamte Bild erfassen, anstatt nur einzelnen Kolonien.
Nicht zu übersehen ist auch, dass früher oder später der erste gesamtresistente Stamm erscheinen wird, und was dann?


Frank A. Post, Paul A. Willcox, Barun Mathema, Lafras M. Steyn, Karen Shean, Srinivas V. Ramaswamy, Edward A. Graviss, Elena Shashkina, Barry N. Kreiswirth, Gilla Kaplan (2004). Genetic Polymorphism in Isolates from Patients with Chronic Multidrug-Resistant Tuberculosis The Journal of Infectious Diseases, 190 (1), 99-106 DOI: 10.1086/421501

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

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