Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz – Wie KI und Big Data unsere Gesellschaft prägen

BLOG: Beobachtungen der Wissenschaft

Grenzgänge in den heutigen Wissenschaften
Beobachtungen der Wissenschaft

Die digitalen Technologien sind ein Musterbeispiel für die Zweischneidigkeit des technischen Fortschritts die. Neben seinen aufregenden neuen Möglichkeiten des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Austauschs beschert uns das Internet auch ganz neue Formen der persönlichen Überwachung und massiver Eingriffe in unsere Privatsphäre, ganz zu schweigen von der zunehmenden Abhängigkeit unserer gesamten Infrastruktur von ihm, die uns angreifbar für Cyberterroristen macht.

Dass der wissenschaftliche und technologische Fortschritt zumeist sowohl mit positiven Entwicklungen als auch mit massiven Ängste kommt, ist keine neuartige Erscheinung unserer Zeit.

  • Als die Eisenbahnen eingeführt wurden, hatten Menschen Angst vor der „unmenschlichen“ Geschwindigkeit der Lokomotiven. Es gab tatsächlich eine Reihe schwerer Unfälle, Kessel explodierten, Züge stiessen zusammen, Brücken stürzten ein.
  • Die Industrialisierungswellen des 18. und 19. Jahrhunderts bewirkten ein massives Wirtschaftswachstum, aber auch die Entstehung eines Proletariats des Elends und die Auflösung der traditionellen Grossfamilie.
  • Neben Computern, Laser und moderner medizinischer Diagnostik brachte uns die Quantenphysik die Atombombe.

Neu ist allerdings, was wir vom technologischen Wandel für die Zukunft erwarten. Bis ins 19. Jahrhundert hinein zeichneten Philosophen und Literaten der westlichen Welt in ihren Zukunftsvisionen ausgesprochen positive Bilder von dem, was den Menschen bevorsteht. Erst im 20. Jahrhundert kippte das Bild, aus Utopien wurden Dystopien. Die Zukunftsentwürfe der letzten hundert Jahre beschreiben überwiegend unangenehme bis apokalyptische Welten, die durch Ökozid, mörderische Roboter, totalitäre Regime und atomare Vernichtung geformt werden. George Orwells „1984“ und Aldous Huxleys „Schöne Neue Welt“, die Aushängeschilder des Zukunftsromans im 20. Jahrhundert, beschreiben Albtraumwelten, hervorgerufen durch despotische Weltdiktaturen, die allein durch moderne Technologien möglich wurden. Und Alfred Döblin schrieb noch vor „Berlin Alexanderplatz“ den Roman „Berge, Meere und Giganten“, der 1924 erschien und von einer in zwei grosse Machtblöcke geteilten Welt erzählt, in der die Besiedlung Grönlands das Abschmelzen der Eismassen zur Folge hat. Und wer die Zukunftsromane von heute betrachtet, sieht auch hier: Dystopien beherrschen das Genre, von Freiheitsverlust durch digitale Totalüberwachung („Zero“ von Marc Elsberg, „Das Erwachen“ von Andreas Brandhorst, „NSA – Nationales Sicherheits-Amt“ von Andreas Eschbach), optimierten und mit künstlicher Intelligenz erzogenen Menschen („Die Hochhausspringerin“ von Julia von Lacadou), virtuellen Identitäten („Die Tyrannei des Schmetterlings“ von Frank Schätzing) bis hin zum Kollaps des globalen Klimas („Ausgebrannt“ von Andreas Eschbach, „Der Platz an der Sonne“ von Christian Torkler).

Viele Technologieskeptiker glauben, dass nur der Verzicht auf technologische Weiterentwicklung die Lösung sein kann. Ganz nach der Logik: Der Fortschritt hat uns all die Probleme beschert, daher kann nur seine Beschränkung sie lösen. Diese Logik vergisst allerdings die andere Seite der Medaille: Neue Technologien waren immer auch hervorragende Problemlöser. Hunger, Krankheiten, die Auswirkungen extremer Wetterereignisse und viele weitere Menschheitsplagen liessen sich mit ihnen auf einen Bruchteil des Ausmasses bringen, der für frühere Generationen ganz normal war. Ein feuriges Plädoyer für Wissenschaft und Aufklärung hält der Harvard Professor Steven Pinker in seinem lesenswerten Buch Enlightenment Now.  Pinkers Ansicht nach sind die Wissenschaften und Technologien die treibenden Kräfte hinter den positiven Entwicklungen der vergangenen Jahrhunderte – und werden dies auch in der Zukunft sein.

Ein Beispiel für die geschilderte Technologie-Ambivalenz ist die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI). Die der heutigen KI zugrunde liegenden Lern-und Optimierungsverfahren, das so genannte „deep learning“, ermöglichen eine massive maschinelle Intelligenzsteigerung in die Breite: Computer bewältigen nicht mehr nur ausschliesslich den bestimmten Zweck, für den sie konstruiert wurden, zum Beispiel Schach spielen oder Datenbanken durchstöbern, sondern sie sind längst auf weit vielfältigeren Gebieten einsatzfähig. Früher oder später wird die künstliche Intelligenz der menschlichen in den meisten, ja vielleicht sogar in allen kognitiven Belangen überlegen sein. Das betrifft im Übrigen auch Bereiche, die die meisten Menschen heute noch immer als unumstössliche Domänen menschlicher Fähigkeit ansehen: Intuition, Kreativität und das Erfassen von Emotionen anderer Menschen. Gerade letzteres wird wohl bereits in den nächsten Jahren eine Standardfähigkeit von KI-Systemen sein. KI-Programmierer sprechen von „affective computing“.  

Diese Entwicklungen sind potenziell sehr positiv, zum Beispiel wenn es um die Pflege von Menschen geht, oder in therapeutischen Behandlungen, wenn es wichtig ist, angemessen auf die Emotionen des Gegenübers zu reagieren. Es sind aber auch sehr bedrohliche Szenarien denkbar, zum Beispiel dass Maschinen unsere Emotionen zu erkennen und diese dann auch zu manipulieren vermögen, und dies bedeutend wirkungsvoller als Menschen dies tun können. So berichtet der ehemalige Google-Mitarbeiter und Silicon-Valley Experte Tristan Harris, dass Youtube, basierend auf den Sehgewohnheiten seiner User, bereits über digitale Simulation von fast zwei Milliarden Menschen und ihrem Online-Verhalten verfügt. Mit ihnen optimiert die Firma ihre KI-Algorithmen um zu bestimmen, mit welchen Videos die einzelnen Menschen am längsten auf der Plattform gehalten werden können.  „Silicon Valley hackt sich in unsere Gehirne“, sagt Harris.

Auch durch die Analyse der wohl alltäglichsten Form unserer Kommunikation, dem Sprechen, wird uns die KI schon bald besser lesen können als wir uns selber. So entwickelte die deutsche Firma Precire Technologies eine Software, die nur anhand der Stimme einer Person ein sehr akkurates Persönlichkeitsprofil dieser Person erstellen kann. Dazu hatten die KI Experten neuronale Netze auf Sprachdaten zusammen mit den psychologischen Profilen von ca. 5000 Probanden trainiert. Und dies sehr erfolgreich: Firmen setzen diese Software bereits in Bewerbungsverfahren ein. Man braucht nicht viel Phantasie um sich vorzustellen, welch mächtiges Tool diese Software in den Händen totalitärer Systeme ist.

Hyperintelligente Computer wiederum werden die Wissenschaft selbst noch schneller vorantreiben. Dies wiederum könnte dann weitere künstliche Systeme schaffen, die noch intelligenter sind. Solch eine Rückkopplung würde dafür sorgen, dass Menschen intellektuell schon bald nicht mehr mithalten können. KI-Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Superintelligenz“. Bereits 1993 veröffentlichte der Mathematiker und Computerpionier Vernor Vinge die Prognose, dass wir „innerhalb von 30 Jahren über die technologischen Mittel verfügen werden, um übermenschliche Intelligenz zu schaffen.“  Wir sind auf dem besten Wege, diese Voraussage für das Jahr 2023 zu erfüllen. Sorge sollte uns der gleich anschliessende Satz Vinges machen: „Wenig später ist die Ära der Menschen beendet.“

Doch bei aller Zukunftsmusik dieser Art drohen mit den Entwicklungen auf dem Gebiet der KI bereits heute dramatische gesellschaftliche und politische Verschiebungen und Verwerfungen mit dem Potential für massive soziale Krisen. Hochrangige Ökonomen warnen bereits vor grosser sozialer Ungleichheit zwischen wenigen Gewinnern und vielen Verlieren in der „Winner takes it all“-Ökonomie der digitalen Welt.  Einer grossen Anzahl von Menschen drohen Job- und sozialer Bedeutungsverlust. Und dies nicht nur im unteren Lohnsegment: Auch Akademiker wie Ärzte, Juristen und Lehrerwerden betroffen sein. Bereits in 25 Jahren könnten bis zu 50 Prozent der heutigen Berufe überflüssig geworden sein.  In Zukunft entsteht soziale Ungleichheit also nicht mehr durch Ausbeutung von Menschen, sondern schlicht durch die soziale Bedeutungslosigkeit vieler Berufsgruppen.

Zudem wird das Land mit der am weitesten entwickelten KI mit hoher Wahrscheinlichkeit zur dominierenden wirtschaftlichen und militärischen Macht auf diesem Planeten aufsteigen. Zurzeit kämpfen bzgl. KI zwei Länder um die globale Vormachtstellung: Die USA und China. China hat dabei in den letzten Jahren stark aufgeholt und setzt unterdessen sogar zum Sprung auf Platz 1 an. Die Europäer wurden in diesen Rennen längst abgehängt und zu Statisten degradiert. Die Grundlage des Vorsprungs der Amerikaner und Chinesen sind nicht schlauere Forscher, bessere KI-Algorithmen oder bessere Computer-Programmierer, sondern schlicht und einfach die Verfügbarkeit von Daten. Daten gelten als „das Öl des 21. Jahrhunderts“. Dass die grossen Datensammler („Big Data“) grosse Macht haben, zeigt bereits der gewaltige kommerzielle Erfolg von Firmen wie Facebook und Google, oder Tencent und Baidu. Diese Unternehmen verdienen mit personalisierter Digital-Werbung Dutzende von Milliarden Dollar und sind längst zu bestimmenden Kräften in Wahlkämpfen und anderen politischen Auseinandersetzungen geworden. Unternehmen wie Google, Microsoft und Apple sowie Staaten selbst sammeln ohne unser Wissen Daten über uns, teilweise an Orten und von Geräten die völlig unverdächtig erscheinen wie Fernseher oder Xbox-Konsolen. So verklagte 2016 eine Verbraucherin den Hersteller eines vernetzten Vibrators, der höchst intime Daten über die Verwendung des Gerätes gesammelt und an den Hersteller weitergegeben hatte.

In einer Welt der totalen Vernetzung verschwindet unsere Privatsphäre zunehmend. Längst ist mit entsprechender Software für Gesichts- und Bilderkennung und einem dichten Netz von Kameras die Erstellung von Bewegungsprofilen einzelner Menschen in Echtzeit kein Problem mehr. Wir können also schon bald kaum mehr etwas tun, ohne dass jemand davon erfährt. Eric Schmidt, dem Chef von Google, hat es so ausgedrückt: „Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun.“  Dies alles findet innerhalb demokratischer Strukturen statt. Was uns blüht, wenn es keine demokratische Kontrolle des Staates gibt, und wie weit vollständig unkontrollierte manipulative Datenverwendung und der Fütterung von KI-Algorithmen gehen kann, zeigt das Beispiel China. Wir sollten auf der Hut sein.

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www.larsjaeger.ch

Jahrgang 1969 habe ich in den 1990er Jahren Physik und Philosophie an der Universität Bonn und der École Polytechnique in Paris studiert, bevor ich am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden im Bereich theoretischer Physik promoviert und dort auch im Rahmen von Post-Doc-Studien weiter auf dem Gebiet der nichtlinearen Dynamik geforscht habe. Vorher hatte ich auch auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorien und Teilchenphysik gearbeitet. Unterdessen lebe ich seit nahezu 20 Jahren in der Schweiz. Seit zahlreichen Jahren beschäftigte ich mich mit Grenzfragen der modernen (sowie historischen) Wissenschaften. In meinen Büchern, Blogs und Artikeln konzentriere ich mich auf die Themen Naturwissenschaft, Philosophie und Spiritualität, insbesondere auf die Geschichte der Naturwissenschaft, ihrem Verhältnis zu spirituellen Traditionen und ihrem Einfluss auf die moderne Gesellschaft. In der Vergangenheit habe ich zudem zu Investment-Themen (Alternative Investments) geschrieben. Meine beiden Bücher „Naturwissenschaft: Eine Biographie“ und „Wissenschaft und Spiritualität“ erschienen im Springer Spektrum Verlag 2015 und 2016. Meinen Blog führe ich seit 2014 auch unter www.larsjaeger.ch.

9 Kommentare

  1. Ich sehe die KI, ihre Entwicklung und die Bedeutung in der Gesellschaft eigentlich genau so wie Sie.

    Allerdings meine ich, dass die Menschen zwar KI nutzen werden, weil sie sich zunehmend jeder wird leisten können.

    Es ist auch so, dass alle Menschen viel „gleicher“ werden, vor der KI sind alle „Dummerchen“.

    „Manipulation“ hat es immer schon gegeben, zumindest instinktiv, kommen mehr oder weniger viele Menschen irgendwann drauf, unterlaufen sie, z.B. indem sie grundsätzlich das Gegenteil vom „Erwarteten“ tun, wie die „Querdenker Demos“. Oder dass sie wie in Amerika „die Bevormundung und Manipulation“ der Medien satt haben und Trump wählen.

    Die Medien haben versucht, durch die Verbreitung von „Binsenwahrheiten“, an denen sich keiner „versündigen“ darf, sich ein Image als „Alleswisser“ aufzubauen um danach die Menschen z.B. mittels Werbebotschaften zu manipulieren bestimmte Produkte zu kaufen und sie danach fest abzustieren. Amerika war auch so weit, dass kein Politiker ohne den „Segen der Medien“ etwas erreichen konnte.

    Das ist vielen Amerikanern klargeworden, Trump hat die Situation genutzt und konnte sich nicht nur wegen seines Geldes durchsetzen. Absichtlich nutzte er jede Konfrontation mit den Medien und sie sind ihm auf den Leim gegangen, reagierten voll erwarteter Entrüstung.

    Selbstverständlich wird ein Politiker zum Nutzen seines eigenen Volkes handeln. Die Amis konnten einfach die Heuchelei der Medien nicht mehr ertragen.

    Sie haben die „richtige Arbeit“ (die Werkbänke) ausgelagert und meinten, durch Manipulation der ganzen Welt deren Erträge und Pensionsgelder verwalten zu können, um die ganze Welt im Sinne der „Amikapitalisten“ abzustieren, wie z.B. die „Privatpensionisten“ in Amerika, die fast bis zum Tod arbeiten müssen, oder die Krankenversicherten.

    Die Menschen sind nicht wirklich blöd und auch nicht (mehr) beliebig manipulierbar, nicht einmal mit einer halbwegs realistischen „Wahrheit“.

  2. Nicht nur Hyperintelligenz, selbst Intelligenz fehlt bei heutigen Systemen künstlicher Intelligenz, denn sie sind eng begrenzt in ihrer Erkenntnisfähigkeit. Kein Roboter und kein KI-System versteht heute was es macht, könnte eine Firma gründen oder nur schon den Haushalt einer Person führen. Denn diesen Systemen mit eng begrenzter Intelligenz fehlt das nötige Welt – und Selbstverständnis und die geistige Autonomie. Sogar kontinuierliches Dazulernen gibt es heute nur im Labor und nicht in der Praxis.
    Der Geist des Menschen dagegen integriert nicht nur viele Kompetenzen, sondern auch sehr viel Offenheit für neue und noch unbekannte Dinge und er ist bereit nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst kennen zu lernen.

    Ja, es sind, wie im obigen Beitrag von Lars Jaeger gesagt, die Daten und der datenzentrierte Ansatz, die heutiger künstlicher Intelligenz schon jetzt sehr viel Macht gibt. Zwar nicht einmal die Macht etwa einen alten Menschen im Pflegeheim zu versorgen, aber doch die Macht, Dinge und Menschen richtig zu klassifizieren und damit richtig einzuordnen, so dass ihr Verhalten bis zu einem gewissen Grad berechenbar wird und ihnen „geholfen“ werden kann (mit der passenden Werbung beispielsweise). Zunehmend können hochparametrisierte Systeme wie GPT-3 Menschen „simulieren“. GPT-3 etwa im sprachlichen Bereich, wo es etwa in die Rolle von Bill Gates schlüpfen kann und dann Fragen in seinem Stil beantwortet – und das für Laien überzeugend.

    Von Robotern, die Pflegeheiminsassen betreuen sind wir aber noch weit entfernt. Doch schon bald werden wir solche Roboter dringend benötigen. Denn die Menschen werden immer älter und jemand muss die Pflegebedürftigen darunter versorgen.

    Die heute fast 8 Milliarden Menschen könnte es ohne moderne Technologie nicht geben. Ebenso kann es eine Zukunft nicht geben, in der die Menschen einen Grossteil ihrer Lebenszeit nicht arbeiten – es sei denn, Technologie ermögliche das. Technologie, ja intelligente Technologie ist also keine Option, sondern ein sine qua non (ein Ohne-Das-Geht-Es-Nicht). Das was wir uns als unsere Zukunft wünschen geht gar nicht ohne fortgeschrittene Technologie zu der auch künstliche Intelligenz gehört, denn nur künstliche Intelligenz kann uns genügend entlasten um das Leben führen zu können, das wir uns wünschen.

    Und klar bedeutet das eine neue Welt, eine neue Welt die wir uns aneignen müssen und mit deren neuen Chancen und Gefahren wir umgehen können müssen. Doch das kann der Mensch. Denn der Mensch ist offen für Neues und Unbekanntes.

  3. “sind die Wissenschaften und Technologien die treibenden Kräfte hinter den positiven Entwicklungen der vergangenen Jahrhunderte”
    Das stimmt nicht. Technologie kann nur entstehen, wenn Gesellschaften es zulassen, Ursprung ist also die Bereitschaft zur Offenheit und die hat erstmal kulturelle Ursachen.
    Im Mittelalter gab es mit Sicherheit genügend Leute, die den Zusammenhang ahnten zwischen Pest und Hygiene, aber sie bekamen nie eine Chance, weil es schlicht lebensgefährlich war, aufgeklärte Lösungen auszusprechen.
    Geht diese Bereitschaft verloren, folgt mit Verspätung der technologische Zusammenbruch, siehe spätrömisches Reich, wo die Kultur begann, spätestens im 4.Jhd zu verfallen, teils schon deutlich früher, und die Technik so ab 430 folgte.
    Neben der berechtigten Warnung im letzten Absatz gibt es heute auch eine andere Gefahr- wir haben einen zunehmenden Hang zu verschwörungstheoretischem Denken und zur Esoterik, 80% davon im Establishment.
    Es ist nicht sicher, ob wir nicht sogar am Beginn eines neuen Mittelalters stehen, vielleicht in einer leichteren Version.
    “Ich bin mir noch im Unklaren darüber, ob es sich um eine vorrübergehende (europäische) Erschöpfung handelt, oder um einen grundsätzlichen Kulturbruch”
    (Helmut Schmidt)

  4. KI in Assistenzsystemen bei PKWs und LKWs sind eine Hilfe für den Autofahrer. Sie helfen Unfälle zu vermeiden.
    Andererseits wird die Fahrstrecke aufgezeichnet , die Fahrgewohnheiten werden gespeichert, der Telefonverkehr wird aufgezeichnet.

    Wohin diese Daten gehen, das bleibt uns verborgen, denn die Betreiber dieser Assistenzsysteme liegen im Ausland und unterliegen nicht unserer Gesetzgebung.

    Durch die Internationalisierung werden die nationalen Gesetze ausgehebelt.
    Wir müssen uns also klar werden, was uns wichtiger ist. Teilhabe am technologischen Fortschritt um den Preis der Aufgabe demokratischer Rechte oder eine Abschottung gegenüber dem chinesisch/amerikanischen Zugriff zu unseren Daten um den Preis einer kostengünstigen Technologie.

    • @lioninoil: auf die Idee, deutsche Firmen unter deutscher Gesetzgebung könnten (Zitat) KI-Assistenzsysteme bauen – auf diese Idee kommen sie nicht einmal.

      Erschreckend dieser Realismus!

  5. @Alternativen zur KI-Dystopie

    Die Folgen der KI-Nutzung können auch Chancen sein. Wenn Staat und Wirtschaft nur noch einen Teil der Menschen zum Arbeiten braucht, kann das auch zu einer grundlegenden Vermehrung von Freiheit führen. Der Leistungsgedanke hätte dann ausgedient, der Druck auf die Menschen würde überflüssig. Und im allgemeinen Produktivitäts-Übermaß wäre sowohl 100% Klimaschutz wie auch ein Ende der Armut bis in die letzten Winkel Afrikas möglich.

    Alles Öko und alles Bio kann dann zur Selbstverständlichkeit werden. Arbeiten muss nur noch, wer Lust hat, der Produktivsektor würde sich selbst tragen, und könnte alles liefern, was Sinn macht, ohne dass die Menschen gezwungen sind, ihre Teilhabe durch Lohnarbeit zu ermöglichen. Die ganze KI und die ganzen Roboter wären steuerlich gesehen Kapital, das Profit abwirft, und können dann genau so hoch besteuert werden, dass alle Menschen, also auch die, die das System überhaupt nicht mehr braucht, genug davon abbekommen, dass sie sich alles kaufen können, was sie brauchen.

    Das sich daraus ergebende Beschäftigungsproblem wäre allerdings dann die eigentliche Aufgabe, um die sich die Menschen dann eben selber kümmern müssten. Ich wage die Behauptung, dass der Mensch dazu fähig ist. Insbesondere wenn man schon zu Schulzeiten nicht leistungsmäßig unter Druck gesetzt wird, sondern von Kind auf die Möglichkeiten hat, seiner eigenen Neugier nach zu gehen, und lernt, so seine freie Zeit selbst zu füllen. Der Übergang zu der neuen KI-Wirtschaft geht ja auch über vielleicht 50 Jahre, und anfangs reicht es, wenn nur ein kleiner Teil sozusagen freigestellt wird. Eben so viele, wie damit auch schon klar kommen würden. Der Anteil kann dann immer höher werden, wenn einerseits die Automatisierung fortschreitet, und gleichzeitig immer mehr Menschen lernen, sich selbst sinnvoll zu beschäftigen.

    Die wirtschaftliche Bedeutung des derzeitigen Arbeitnehmers muss dann eben mit einer persönlichen Bedeutung des persönlichem Lebens des freigestellten Menschen ersetzt werden.

    Ich kann mir hier vorstellen, dass ein nicht unerheblicher Teil der freigestellten Menschen sich dann mit Landwirtschaft und Nutztierhaltung in kleinerem Ausmaß beschäftigt, mit Kunst im weitestem Sinne und mit Kunst am Bau. Und wesentlich mehr Miteinander pflegt, dass man sich mehr mit den Kindern und den alten Menschen beschäftigt. Auch Reisetätigkeiten könnten viel Zeit sinnvoll füllen, dass man sich die Welt, in der man lebt, noch mal wesentlich genauer anguckt. Das gilt letztlich auch für die Beschäftigung mit Wissenschaft, sofern man dazu fähig ist.

    Was den gläsernen Kunden angeht, so entscheiden wir immer noch selbst, was wir kaufen. Ich glaube nicht, das dieses Problem wirklich gravierend ist. Auch wenn da zig Milliarden mit verdient werden.

    Die Situation des grundlegenden Arbeitsüberflusses würde auch die Situation in den derzeitige Diktaturen grundlegend ändern. Wenn man hier genauso die nicht benötigten Menschen ausreichend finanziert, und ihnen den Raum gibt, sich selbst zu beschäftigen, könnten auch dort entspannte Verhältnisse einkehren. Bei der zukünftigen Überwachungsdichte könnte man sich ganz darauf konzentrieren, dass die Menschen nichts Konkretes gegen das Regime unternehmen. Pauschal alle Regierungskritik zu verfolgen wäre gar nicht mehr nötig, wenn der Schritt von der Kritik zum effektivem Widerstand so dicht kontrolliert wird, dass er unmöglich wird.

    Das würde auch z.B. Rechtsradikale Umtriebe in den freien Demokratien genauso betreffen. Die Menschen könnten destruktive Meinungen haben wie sie wollen, wenn aber einer es wagt Gewalttätig zu werden, dann hat er keine Chance. Bei der KI-bedingten Überwachungsdichte wird auch bei uns Kriminalität im wesentlichen unmöglich werden, fürchte ich.

  6. Wenn uns die Technik die „ganze Arbeit“, besonders auch die geistige Arbeit (KI) abnimmt, hat das schwere Konsequenzen auf die Psyche der Menschen.

    Die Menschen sind nicht darauf programmiert mit „Luxus“ fertig zu werden, sondern mit schwierigen Lebensumständen. Für die Psychiater sind die „Luxusgeschöpfe der Reichen“ die besten Kunden.

    Hat man keine realen direkten Probleme mehr, so sucht man sich „künstlich“ Probleme und „arbeitet“ sich an er Problembewältigung ab, teilweise mit abenteuerlichen Mitteln. (Z.B. Fridays for Future)

    Es ist z.B. gut denkbar, dass die in vielen tausenden Jahren entstandene, Kohlenstoff enthaltende Biomasse nicht ewig unter der Erde bleibt, vermutlich auf irgend eine Art wieder „ausdünstet“, z.B. durch die immer mehr auftauenden Permafrostböden in Sibirien, was sich massiv auf das Klima auswirken könnte.

    Sinnvoll erscheint es, sich der Situation durch neue Lebensformen, der Energie- Ressourcengewinnung, und des Städtebaues anzupassen. Wir können uns nur selbst schützen, müssen irgendwie mit der Umwelt zurechtkommen, können aber nicht ernsthaft auf das Klima einwirken. Das wäre sinnlose Vergeudung von Ressourcen.

    In Saudiarabien mussten die Menschen eine besondere Ideologie entwickeln um mit den Problemen wie große Hitze, wenig Wasser, zurecht zu kommen. Das Klima konnten sie nicht ändern.

    Bei der Pandemiekrise sieht man wieder, was für schwere Auswirkungen durch Pleiten, Arbeitslosigkeit und Schulden entstehen, obwohl die Einschränkungen eigentlich lächerlich erscheinen.

    Ich meine, es kommt hauptsächlich auf die Lösung der mit den Entwicklungen zwangsweise auftretenden psychologischen Probleme an, weil sich die Gesellschaft sonst selbst wegen ihrer inneren Widersprüche zerstören könnte.

  7. Tobias Jeckenburger,
    was Sie beschreiben, das gab es schon mal, vor 2000 Jahren. Die KI , das waren die Sklaven, die den Römern die Arbeit abnahmen.
    Sie vergessen, dass sich der Mensch mit seiner Umwelt identifizieren muss. Wenn er das nicht tut, weil er sich selbst ausgeschlossen hat, der ist nicht mehr bereit seine Lebensumwelt zu verteidigen.
    Daran ist das Römische Weltreich gescheitert.

    Selbstlernende Schüler, das gibt es, aber eben nicht in der Mehrzahl.
    Die Überwachungsdichte wird zunehmen, wer kontrolliert dann die Überwacher ?
    Big Data kann man auch manipulieren. Damit eröffnen sich ganz neue kriminelle Felder. Es gibt schon Romane, die sich damit beschäftigen. Ein krasser Fall:
    Durch einen Eingabefehler im Computer wurde ein Mann beschuldigt einen Mord begangen zu haben. Die Gerichtsverhandlung lief instrumentalisiert ab, d.h. der Richter war eine KI. Die Hinrichtung war auch instrumentalisiert, durch einen Stromschlag.

  8. Künstliche Intelligenz, die nicht für Google, Apple oder Amazon arbeitet, sondern für mich, würde völlig anders wahrgenommen werden als es heute der Fall ist.
    Und ja, warum soll das nicht möglich sein? Warum soll es nicht möglich werden, dass ein digitaler Assistent voll für mich da ist und mir hilft wo es nur geht? Ein intelligenter Freund also, treu wie ein Hund aber zugleich blitzgescheit und in jeder Lage hilfsbereit.

    Beim Einkaufen gibt er mir Ratschläge die meine persönliche Situation berücksichtigen und warnt mich vor Fehlinvestitionen, beim Treffen mit der Freundin macht er mich darauf aufmerksam, was jetzt gerade das richtige Verhalten und Gesprächsthema ist und in der Freizeit bringt er mich mit den „richtigen“ Leuten zusammen.

    Und ja, er kennt nur eine Loyalität. Die Loyalität zu mir und zu niemand anderem – auch nicht zur Firma von dem ich diesen Assistenten gekauft habe. Gäbe es so einen digitalen Assistenten, würden die meisten wohl völlig anders über Künstliche Intelligenz denken als viele Kommentaristen es hier tun.

    Warum aber gibt es einen solchen digitalen Assistenten noch nicht? Nun, da gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist aber schlicht und einfach, dass die vielgelobte Künstliche Intelligenz eben noch nicht so weit ist wie uns viele weismachen wollen, dass eine Künstliche Intelligenz bis jetzt eben kein ernstzunehmender Partner ist, sondern nur ein Tool, das vielleicht auf vielen Gebieten besser ist als ich selbst, ein Tool das mich aber nicht wirklich versteht und nicht mit mir denken und fühlen kann.

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