Alles auf einen Blick: Das Astronomische Jahr 2011
BLOG: Astronomers do it at Night
Den Inhalt eines astronomischen Jahrbuchs auf ein einziges Blatt im A1-Format komprimieren – geht nicht, sollte man meinen. Die Autoren des Astronomischen Jahrs 2011 beweisen aber – es geht wohl. Das Ergebnis ist ein Poster, das sich viele Amateurastronomen gern über den Schreibtisch hängen werden, denn es ist nicht nur vollgepackt mit Informationen, sondern auch noch schön anzusehen.
In seinem Plädoyer für ein friedliches Miteinander von astronomischen Jahrbüchern, Planetariumssoftware und Internetdatenbanken hat Stefan Oldenburg es kurz erwähnt – das Astronomische Jahr aus dem Oculum-Verlag, das sich – leider – nicht gegen die alteingesessene Konkurrenz von Kosmos Himmelsjahr, Ahnerts Kalender für Sternfreunde und Sternenhimmel durchsetzen konnte. Nach den beiden Jahrgängen 2007 und 2008 verschwand es wieder vom Markt. Gleiches galt übrigens ja auch für "Der Himmel", das Jahrbuch das in Konjunktion mit Astronomie Heute erschien.
In den beiden Folgejahren wurde es still um das Astronomische Jahr, das zum auf eine tageweise Anordnung der Daten einen wie im Sternenhimmel, aber auch auf gleichzeitig ansprechende und praktische grafische Darstellungen gesetzt hatte. Für das Jahr 2011 hat sich das Autorentrio aus dem Ehepaar Susanne und Peter Friedrich, das die notwendigen Berechnungen angestellt und die Himmelsereignisse gesammelt hat, und Grafiker und Kartendesigner Stephan Schurig nun mit einem neuen Konzept zurückgemeldet. Die Daten wurden auf das wichtigste reduziert und anschließend grafisch umgesetzt, auf die zugrundeliegenden Tabellenwerke hat man dann komplett verzichtet.
Übrig bleiben der Jahreslauf von Sonne, Mond und Planeten sowie der jeweils sichtbare Sternhimmel. Die einfachste und wohl bekannteste Möglichkeit diese Daten auf einmal zu visualisieren, wäre die Verwendung einer drehbaren Sternkarte. Für all die Informationen, die sich dabei allerdings nicht jährlich wiederholen, wie zum Beispiel Position und Sichtbarkeit der Planeten, bräuchte man dann aber doch wieder die nötigen Zahlenwerte zusätzlich.
Das Astronomische Jahr 2011 tauscht die Universalität der drehbaren Sternkarte gegen eine fixierte Übersicht über das ganze Jahr und teilt die Daten in zwei Bereiche auf: zum einen Auf- und Untergangszeiten, Dämmerungsphasen, Planetensichtbarkeit und Mond, zum anderen die sichtbaren Sternbilder mit den Positionen der Planeten. Und Platz findet all das tatsächlich auf besagtem Poster.
Die linke Seite des Posters nimmt ein Sichtbarkeitsdiagramm ein, das die Uhrzeiten – zentriert auf Mitternacht – gegen das Datum aufträgt und so, gerechnet für 50° Breite und 10° Länge, zunächst die Nacht- und Dämmerungsstunden in Blau-, Lila- und Grautönen sichtbar macht. Leser von Sky and Telescope kennen diese Darstellung vom SkyGazer’s Almanac, auch der Ahnert druckt den für unsere Breiten sanduhrförmigen Verlauf der Nacht über das Jahr hinweg in vereinfachter Form mit ab. Zusätzlich zu den ebenfalls enthaltenen Auf- und Untergangszeiten der Planeten, die als Kurven dargestellt sind, enthält die Version des Astronomischen Jahrs allerdings noch jede Menge weitere Informationen: So sind die Phasengestalten der Planeten (wo vorhanden) und ihre wechselnden scheinbaren Durchmesser ebenfalls eingezeichnet, und zwar im richtigen Maßstab zueinander. Als aufgehellte, schräge Streifen ziehen sich zudem die Sichtbarkeitszeiträume des Mondes durch die Nachtstunden, die Mondphasen sind ebenfalls eingetragen. Der Deep-Sky-Beobachter kann daher sofort beurteilen, wann er ohne störendes Mondlicht arbeiten kann. Gelb unterlegte Markierungen weisen auf insgesamt 37 wichtige Himmelsereignisse hin – Planetenoppositionen, Finsternisse, Maxima von Meteorströmen und Planetenkonjunktionen. Das Astronomische Jahr füllt den Platz seitlich des Sichtbarkeitsdiagramms mit Anmerkungen zu jedem dieser Ereignisse, teilweise mit zusätzlichen kleinen Grafiken. Obwohl die Beschreibungen schon kurz gefaßt sind, wirken die Texte allerdings recht gedrängt. Generell gilt, daß man wegen der vergleichsweise kleinen verwendeten Schriften recht nah an das Poster herantreten können muß, um die Beschriftungen lesen zu können.
Ziffern im Sichtbarkeitsdiagramm verweisen auf die rechte Seite des Posters. Dort finden sich 12 Sternkarten, ausgearbeitet für den Vollmondtag eines jeden Monats (etwa die Monatsmitte). Mit einem Versatz von zwei Stunden passen sie auch auf den Vormonat bzw. den Monat im Anschluß und decken so rasterartig die Ansicht des Sternhimmels über die ganze Nacht und im Verlauf des Jahres ab. Die eingetragenen Positionen des Vollmonds und der Planeten gelten aber natürlich nur für den jeweiligen Monat. Aufgrund ihrer Größe können die Karten nicht besonders detailliert sein, unauffälligere Sternbilder und ihre Bezeichnungen fehlen. Sterne sind bis zur 4. Größenklasse eingetragen, Deep Sky Objekte sind nicht verzeichnet. Sehr schön dargestellt und auch mit durchaus realistischer Struktur versehen ist dagegen die Milchstraße.
Obwohl das Astronomische Jahr 2011 fast komplett rotlichttauglich ist (einzig die Lage der Ekliptik in den Sternkarten und die auch bei Tageslicht unauffälligen Auf- und Untergangskurven von Uranus und Neptun werden unsichtbar), wird kaum jemand das Poster mit zur nächtlichen Beobachtungssession nehmen. Dort ist die drehbare Sternkarte praktischer, und ein Teleskopbesitzer wird auf die ausführlicheren Daten eines Jahrbuchs oder ähnlichem zurückgreifen wollen. Als Übersicht für das gesamte Jahr und damit zur langfristigen Beobachtungsplanung im Voraus ist es dagegen hervorragend geeignet. Und da es auch insgesamt grafisch ansprechend gestaltet und vom Layout her gut durchdacht ist, wird es bei vielen Astronomieinteressierten mit Jahreskalendern und Pinnwänden um den Platz an der Wand konkurrieren. Von Größe und Format her paßt es dafür wunderbar, Volkssternwarten und Amateurvereine würden sich vermutlich auch über eine A0-Version freuen, vor der eine größere Zahl von Leuten gleichzeitig stehen kann.
Die Autoren geben das Poster im Eigenverlag heraus, zu haben ist es über viele Astrohändler und auch beim Science-Shop. Mit 14,90 Euro kostet es allerdings genausoviel wie das Himmelsjahr und ist teurer als der Ahnert. Wenn man aber bedenkt, wieviel Arbeit in die Zusammenstellung der Daten und das grafische Design geflossen sind und daß schon einfache Kunstdrucke mit wesentlich schlechterer Druckqualität oft erheblich teurer sind, sicherlich kein extrem unangemessen hoher Preis. Wer also noch ein Weihnachtsgeschenk für einen Astronomiebegeisterten sucht – vielleicht ist dieses Poster ja das Richtige.
Offen gestanden …
… bin ich erst durch diesen Kommentar von Daniel Fischer auf das in neuem Gewand wiedererstandene (und nun im Selbstverlag veröffentlichte…) Oculum-Werk aufmerksam geworden. Danke für Deine präzise Beschreibung dieses astronomischen Jahrbuchs der besonderen Art, die mich in jedem Fall davon überzeugt, mir ebenfalls ein Exemplar davon über den Schreibtisch zu hängen! 🙂 Das Sichtbarkeitsdiagramm scheint eine Menge didaktisch guter Ideen zu enthalten, die einem Überblick dienen, den herkömmliche astronomische Jahrbücher so nicht bieten.
@Stefan
Tatsächlich bin ich erst durch Daniels Kommentar bei dir erst auf die Idee gekommen, hier etwas über das Poster zu schreiben. Von daher: Paßt! 🙂
Ich schließe daraus, daß die Kommentare von Daniel Fischer auf den KosmoLogs unerwünscht sind, gell. 😉
Klar. Mehr Blogbeiträge, mehr Arbeit für dich 😉