Pharaonentochter in Jerusalem gesucht!

BLOG: Archäologische Spatenstiche

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Archäologische Spatenstiche

Peter van der VeenIn 1. Könige 3,1 und 7,8 wird erzählt, wie König Salomo die Tochter eines ägyptischen Pharaos zur Hauptfrau genommen hatte. Zu ungefähr derselben Zeit hatte der (weiter nicht namentlich erwähnte) Pharao die Stadt Geser (südöstlich des heutigen Tel Aviv) erobert, mit Feuer zerstört (1. Könige 9,16) und seiner Tochter als Mitgift in die Ehe gegeben. Eine nicht alltägliche Geschichte. Vielleicht hatte sich der Pharao zu dieser Handlung verpflichtet gefühlt, da ihm Salomo zu mächtig geworden war und er nur über eine Heirat mit Salomo die Chance sah, weiterhin seinen Einfluss über Teile der Levante geltend zu machen.

Gibt es ägyptische Funde aus der Zeit Salomos in Jerusalem, die auf eine solche politische Beziehung mit Ägypten hindeuten? Vielleicht gibt es sie, auch wenn vor allem im zentralen Bergland Israels (weit weg von den Haupthandelsstrassen) ägyptische Funde selten sind. Professor Gabriel Barkay veröffentlichte 1996 einen Artikel in der Zeitschrift Israel Exploration Journal 46 („A Late Bronze Age Egyptian Temple in Jerusalem?“) in dem er auf mehrere ägyptische Funde einging, die über eine Periode von mehr als 100 Jahren nördlich des Jerusalemer Damaskustors entdeckt worden waren. So erwähnte er u.a. ein Fragment einer ägyptischen Grabesstele (Abb., mit freundlicher Genehmigung der Ecole Biblique, Jerusalem) aus der 19. Dynastie (konventionell 1292-1190 v. Chr.), aus Ägypten importierte Alabastergefäße aus der Spätbronzezeit, eine ägyptische Statuette einer Person oder Gottheit, ein von Blüten gekröntes Säulenkapitell und einen Herzskarabäus ebenfalls aus der 19. Dynastie.

Seit 2001 habe ich begonnen, Barkays Funde zu studieren und seit 2006 wurde aus bloßem Interesse eine postdoktorale Studie in Zusammenarbeit mit Dr. John Bimson für die Uni Bristol. Einen zusätzlichen Impuls bekam die Arbeit 2006 als ein Kollege ganz unerwartet in einer Privatsammlung eines deutschen Professors (dessen Schwiegervater in den 1920er Jahren in Jerusalem gearbeitet hatte) das Oberteil (Kopf und Büste) einer ägyptischen Königinnenstatue aus rötlichem Granit gesehen hatte. Sie war im nordwestlichen Stadtteil  Jerusalems bei Straßenbauarbeiten gefunden worden, ca. 500m entfernt von dem Ort, woher die oben erwähnten ägyptischen Stücke kamen. Eine Ägyptologin aus Belgien (Dr. Simone Burger-Robin) hat inzwischen die Statue erforscht und ein Artikel darüber wird demnächst in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erscheinen. Auch dieses Stück datiert aus der 19. Dynastie und zwar mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Regierungszeit des berühmten Pharaos Ramses II.

Sommer 2007 folgte eine kurze Vorstudie (zusammen mit Dr. David Ellis aus England und Johannes Schweinsberg),  während der zwei weitere interessante ägyptische Fundstücke, ein Fuß einer Grabesfigurine und ein Deckel eines Alabastergefäßes entdeckt wurden. Seit einem Jahr jedoch arbeiten wir nun systematisch an einem etwas breiter ausgelegten Projekt, worin u.a. ein klarerer Überblick über die exakte Herkunft und das Ausmaß der ägyptischen Präsenz in Jerusalem verschafft werden soll.  Im August haben wir (nun mit einem deutsch-englischen Team der ABA), mit der Genehmigung der israelischen Antikenbehörde, mehrere Gebiete in Jerusalem und Umgebung erforscht. Auch wenn dabei manche frühere etwas voreilige Schlussfolgerungen widerlegt wurden (es konnte z.B. nicht bestätigt werden, dass es in diesem Gebiet einen ägyptischen Tempel gegeben hat), erhärtet sich aber das Bild, dass es in Jerusalem während der 19. Dynastie (konventionell um 1200 v. Chr.) eine größere ägyptische Präsenz gegeben haben muss. Tatsächlich belegen ägyptische Quellen aus dieser Zeit (u.a. Papyrus Anastasi III), dass  nordwestlich von Jerusalem bei Lifta (wo wir ebenfalls erste Bodenuntersuchungen unternommen haben) und in Salem/Jerusalem ägyptische Soldaten stationiert gewesen waren. Die wohl aufregendste Entdeckung dieses Jahres war die „Wiederentdeckung“ einer zweiten ägyptischen Statue eines hohen Amtsträgers. Sie war 1951 in Jerusalem (unweit der Stelle, wo die andere Statue gefunden wurde) entdeckt und den Behörden übergeben worden, aber weder untersucht noch publiziert worden. Nur durch Zufall stießen wir in der Kartei der Antikenbehörde auf dieses interessante Stück. Die Statue des Beamten (Militärführers?) besitzt eine leider nur fragmentarische Inschrift auf der Rückseite. Auch wenn sie bisher noch nicht zufrieden stellend gedeutet werden konnte, scheint sie zu betonen, dass es sich bei der Statue wohl um eine Weihgabe an den Totengott Osiris handelt (pers. Kommunikation mit dem Ägyptologen Dr. Bill Manley). Erneut handelt es sich hier um ein Stück aus der 19. Dynastie.

Was nun haben all diese interessante Funde mit Salomos Pharaonentochter zu tun? Manche Leser von archäologischen Spatenstichen dürfen mit der von Uwe Zerbst und mir in unseren Büchern (Biblische Archäologie am Scheideweg?, Keine Posaunen vor Jericho?, Von Ur bis Nazareth) dargelegten Revision von ca. 200 Jahren vertraut sein. Wie in der neuen Einleitung zum Buch „Keine Posaunen vor Jericho?“ (Neuauflage 2009) erneut betont wurde, arbeiten wir zusammen mit einem internationalen Team von Altorientalisten und Ägyptologen (BICANE-Projekt genannt) an mehreren Problemen in der Chronologie Ägyptens, Mesopotamiens und der Levante. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass eine größere Verkürzung der Chronologie von mehr als 150 Jahren wahrscheinlich ist und manche Fragen lösen würde (vgl. auch: Peter James & Peter van der Veen, "Geschichtsbild in Scherben?", Spektrum der Wissenschaft Dez. 2008, S. 88-93). Eine solche Verkürzung der Zeitrechnung hätte sehr wahrscheinlich zur Folge, dass die Fundstücke aus der ägyptischen 19. Dynastie nun auf die Zeit der letzten Richter oder sogar auf die der frühen Könige Israels, David und Salomo, um 1000 v. Chr. datieren könnten. In diesem Fall würden die ägyptischen Funde aus Jerusalem der Königstochter oder wahrscheinlicher noch ihren Gefolgsleuten (Hofstaat und Militär) gehört haben. Bis heute fehlt jedoch noch eine direkte Verbindung zwischen dem ägyptischen Material und König Salomo. Auf alle Fälle (ob sich nun die Chronologie so weit verschieben lässt oder nicht) sind diese Funde zweifellos einzigartig in der Archäologie Jerusalems und es steht fest, dass sie auf wichtige politische Beziehungen zwischen dem Jerusalemer Hof und den Ramessiden-Pharaonen der 19. Dynastie hindeuten.       

Eine weitere Feldstudie ist für Sommer 2010 geplant und es bleibt zu hoffen, dass sich die Bedeutung der Funde für die biblische Archäologie klar herausstellen wird.

Peter van der Veen

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Peter van der Veen hegt seit seiner Jugend großes Interesse an der Geschichte und Archäologie der Bibel. Er ist Leiter einer deutschen Arbeitsgruppe für Biblische Archäologie und arbeitet seit seiner Promotion über antike Beamtensiegel (Uni Bristol, 2005) an mehreren Forschungsprojekten zur Archäologie des alten Israel.

5 Kommentare

  1. Pharaonentochter

    Als Zusatzbemerkung zum oberen Beitrag ist mir noch unser neues populäres Büchlein: U. Zerbst/P. van der Veen, Von Ur bis Nazareth, 2009, eingefallen, das Ende August veröffentlicht wurde (80 S., 4,95 €). Es enthält neben einer Einführung in die Geschichte des alten Israels einen 16-Seitigen Museumskatalog zu unserer permanenten archäologischen Ausstellung im Schönblick bei Schwäbisch Gmünd > Beitrag Archäologie vor der Haustür. Ich werde demnächst erneut darüber berichten. Liebe Grüsse Peter

  2. Die Frau des Judenkönigs

    Hallo Herr Dr. van der Veen,

    ich erinnere mich an einen biblischen Themenabend, bei dem uns ein junger – in Insrael auch archäologisch arbeitender – Theologe beibrachte, dass David und Salomo nach dem was wir wissen, allenfalls Dorfhäuptlinge ohne großen Tempelbau gewesen sein konnten. Die biblischen Darstellungen z.B., von großartigen Bauwerken und Königshöfen mit dem, was das Wissen über die Zeit hergibt, nicht auf einen Nenner zu bringen sind.

    In Bezug auf unsere Abende im Keller des Neustädter Bibelhauses habe ich damals über “Kellerkinder ohne König” (www.theologie-der-vernuft.de) nachgedacht.

    Ich befürchte, wenn wir nicht bereit sind, nach einer die Welt bewirkende kosmischen Weisheit/Vernunft/Wort zu fragen, das sich auch hinter den Personifizierungen/Gestalten der Könige verbirgt, löst sich alles in Luft auf. Da hilft auch ihre Arbeit nur wenig, kann sie die Inhalte der Bibel nicht wirklich bestätigen.

    Doch ich bin sicher, dass auch die Ergebnisse Ihrer Suche nach Spuren einer Pharaohnentochter in Jerusalem helfen können deutlich zu machen, wie das damals bereits vorhandene Wissen um reale kreative (=schöpferische) kosmische Ordnung, wie wir es bei der ägyptischen Hochkultur mit großem Staunen feststellen, in den die “königliche Weisheit” des jüdischen Monotheismus eingeflossen ist: Warum die Pharohnentochter wirklich die Frau des Saolmo bzw. der Weisheit war, die sich in seiner königlichen Person(ifikation bzw. Rolle, Aufgabe) der Welt mitteilte.

    Letztlich, warum es bei Salomo & Co. bereits genau um die kosmisch-menschliche Weisheit bzw. “schöpferische Vernunft” ging, die Benedikt XVI. in seinem Jesusbuch als biblisches Wesen auswertet. D.h. dann auch, warum der Jesus genannte Logos/die schöpferische Weisheit in menschlicher Ausdrucksweise, die bei den Vätern der Kirche und den Verfassern des Kanon eindeutig das Thema ist, der wahre König der Juden war bzw. wäre.

    Gerhard Mentzel

  3. Spannend!

    Eine Rückfrage hätte ich: Bei uns im Ländle ist ja gerade die Qatna-Ausstellung (die ich mir heute Abend anschauen werde) – und was ich bisher gesehen habe, deutet auf doch starke, ägyptische Einflüsse hin. Wirkt sich die Fundlage dort auf die Interpretation der israelischen Funde und die chronologischen Debatten (noch) nicht aus? Oder haben wir es da mit noch getrennten Fachdiskursen zu tun, die erst später aufeinander bezogen werden?

  4. Spannend

    Ich war auch schon in der Qatna-Ausstellung in Stuttgart. Wirklich lohnend. Die ägyptische Funde in Qatna und die in Jerusalem haben nicht wirklich viel mit einander zu tun. Qatna wurde in der späten Amarnazeit (ca. 1330 v. Chr.), mehr als 100 Jahre vor der zeit der Ägypter in Jerusalem (konv. um 1200 v. Chr.) von den Hethitern zerstört. Qarna lag an einer wichtigen Handelstrasse in Syrien und war deshalb für die Ägypter sehr wichtig gewesen. Jerusalem liegt im zentralen Bergland Palästinas und ist als solches eher zu “remote”. Das Hinerland war eigentlich nie wirklich für die Ägypter von grosser Bedeutung. Sie konzentrierten sich auf die Hauptstrassen Via Maris und die Königstrasse. Die besondere Interesse an Jerusalem zurzeit der späten 19. Dynastie muss wohl einen anderen Grund gehabt haben, z.B. das Bezwingen der Bergstämme oder eben einen Friedenspakt mit dem dort regierenden Fürsten um die Macht im Bergland durch ihn besser zu kontrollieren. Liebe Grüsse und viel Spass bei der Ausstellung, Peter

  5. @ Peter

    Die Ausstellung hat sich wirklich gelohnt! Nun kann ich die Faszination Deines Faches noch ein bissel besser nachvollziehen! Danke auch für Deine Blogbeiträge, die das Interesse immer wieder anregen! 🙂

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