pc, dennoch lustig

BLOG: Anatomisches Allerlei

Kopflose Fußnoten von Helmut Wicht
Anatomisches Allerlei

“pc” steht für “politically correct”. Das finde ich meist unlustig, vor allem, wenn die euphemistischen Mäntelchen, die da über vermeintliche Garstigkeiten drapiert werden, mehr der Zier des Dekorateurs als des Dekorierten dienen. Ausserdem will man ja ab und zu garstig sein. Zum Beispiel möchte man “Klappergreis” sagen, weil man “golden ager” irgendwann schlicht nicht mehr hören mag.

Vorletzte Woche, angelegentlich einer Tagung der Leopoldina in Frankfurt, hatte ich das Vergnügen, einen Vortrag des überaus gelehrten Professor Till Roenneberg von der Ludwig-Maximilians-Universität in München zu hören, der nicht nur über einen Wikipedia-Eintrag, sondern auch über jede Menge Sprachwitz verfügt.

Er trug auf englisch vor. Er sprach über Chronomedizin und Chronobiologie (da geht es um Uhren und Zeiten, endo- und exogene Rhythmusgeneratoren). Er sprach unter anderem davon, wie sich die inneren Uhren verstellen, wie sich unser Dasein als Frühaufsteher oder Möchtegernmorgenschläfer im Lauf eines Lebens verändert. Das kennt man ja: Der Kinderlein heitere Schar, die die morgenmuffligen Eltern Sonntagsfrüh aus dem ersehnten Morgenschlummer reisst, wobei es dann fast ein Segen ist, wenn noch ein tattriger Opa in der Familie ist, der sich, dank der senilen Bettflucht, um die Kurzen kümmern kann. Wenn er noch kann.

Von Altersgruppen also, und deren “Chronotype” (früh/spät) redete der Herr Roenneberg. “Childhood”, “Puberty”, “Adulthood” — und dann, als er zu der Gruppe kam, die auf dem Diagramm, das er projizierte, als “60+” beschriftet war, da machte er plötzlich mitten Satz, wo alle das Wort “aged”, wenn nicht gar “senescence” erwarteten, plötzlich eine winzige Kunstpause. Und sagte dann, derweil der Pointer auf die “60+” zeigte: “Well, in this group – let’s call it ‘consolidated adulthood’ [Blick ins Publikum, hinterhältiges Grinsen] – the chrontype shifts…[etc.pp]”

“Consolidated adulthood” (1). Aus mehreren Ecken des Hörsaales: schallendes Gelächter. Von mir auch. Der Herr Roenneberg wird übrigens, wie man bei Wiki nachlesen kann, nächstes Jahr selber sechzig. Wenn sich sein Wortwitz noch weiter konsolidiert – dann kann das ja noch heiter werden.

(1)Ich hab’ das gegoogelt und nicht gefunden. Es kann also wohl sein, das er es wirklich, vielleicht sogar in diesem Moment, erfunden hat. Chapeau! Ein schöner Euphemismus. So erkennbar ironisch…

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Veröffentlicht von

Gedankenfragmente von Helmut Wicht, Dozent an der Frankfurter Universität, über Neurobiologie, Anatomie, Philosophie, Gott und die Welt. Seine eigentliche Expertise bezieht sich auf die (Human-)anatomie und die vergleichende Anatomie des Nervensystems.

1 Kommentar

  1. Die Behinderten nicht vergessen

    “wobei es dann fast ein Segen ist, wenn noch ein tattriger Opa in der Familie ist”

    Recht so, einem tattrigen Opa kann man mit gutem Gewissen schon mal garstig begegnen: Warum bist Du so alt und geradezu lächerlich, so unbeholfen und langsam? Die mutige Lust am Garstigsein auf biologische Handicaps zu konzentrieren, ist überhaupt eine gute Idee, und dennoch lustig. Wenn ich mal alt und tattrig bin, werde ich der erste sein, der seine Witze darüber macht, damit die Familie nicht ungehalten wird, falls ich mal unpäßlich bin.

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