Kleiderordnung

BLOG: Anatomisches Allerlei

Kopflose Fußnoten von Helmut Wicht
Anatomisches Allerlei

Zwei deutsche Wissenschaftler stehen vor einem delikaten Problem: was zieht man anlässlich der Nobelpreisverleihung an? Laborkittel? Anzug? Frack?

Vornehm, vornehm muss es natürlich sein! Vom unnachahmlichen Hauke Reddmann (doch doch, den gibt's, machen Sie sich mal im Usenet auf die Suche) stammt dieser gereimte Rat bezüglich der Oberbekleidung:

"Müsst' ich mich beim Nobel zeigen,
würde ich zum Zobel neigen."

Gäb's Nobelpreise in der Kategorie "Schüttelreim" – er wär' schon längst nominiert. Es gibt aber keinen, und ich vermute, dass Hauke auch nichts Passendes zum Anziehen hätte. Das bringt mich nun aber zum Thema: "Kleiderordnung in der Wissenschaft". Zumindest in der Medizin ist es nämlich ulkiger Usus, dass die, die nicht (mehr) in den Labors und an den Krankenbetten arbeiten, mithin also die Chefs und Professoren, die meist beschlipst und befrackt in hochwichtigen Kommissionen, Ausschüssen, Leitungs- und Geldvergabegremien sitzen – was im übrigen so sein muss, denn der Mensch ist durch und durch und in allem was er tut ein "zoon politicon", selbst wenn er Wissenschaft betreibt, ja, ich versteige mich sogar zu der Behauptung, dass die Wissenschaft selbst immer auch ein politisches, von Interessen getriebenes, mithin subjektives, und nie ganz objektives Unternehmen ist – dass also die Chefs, wollte ich sagen, nur noch bei einer Gelegenheit in den weissen Laborkittel steigen: wenn sie den Studenten eine Vorlesung halten. Klar: als Ausweis ihrer naturwissenschaftlichen Kompetenz im Labor und im Experiment, als Signum ihrer objektiven Unbestechlichkeit.

Was ich damit sagen will?
Nichts weiter. Nur ein ästhetischer Nachtrag zur modischen Debatte über das Verhältnis von Subjekt und Objekt. Das Objekt trägt Kittel, das Subjekt trägt Frack und Zobel. Was jedoch im Kern darunter steckt, ist nur schwer zu sagen – vielleicht aber, wie beim Professor im Zobel oder im Kittel, ein und dasselbe.

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Veröffentlicht von

Gedankenfragmente von Helmut Wicht, Dozent an der Frankfurter Universität, über Neurobiologie, Anatomie, Philosophie, Gott und die Welt. Seine eigentliche Expertise bezieht sich auf die (Human-)anatomie und die vergleichende Anatomie des Nervensystems.

1 Kommentar

  1. Nichts sagen

    Das ist Ihnen hervorragend gelungen. Nichts sagen, aber auf etwas aufmerksam machen, worüber man sich selbst schon Gedanken machte. Der nicht benötigte Kittel ist ein typisches Beispiel von alle finden es blöde, aber jeder macht es mit, doch keiner weiß genau warum. Sollte es aber jemand anders machen, ist es ein komischer Kauz, der wohl eine Schraube locker hat.

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