Planmäßig verendet: Flache schwarze Messe CEBIT

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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Die CeBIT hat 2018 noch einmal einen letzten titanischen Schritt versucht: Man schreibt jetzt CEBIT, statt CeBIT, logo, das bringt‘s. Kennen Sie noch die ursprüngliche Bedeutung?

Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation“

Das war aufregend, damals. Heute? Altbacken. Ach damals, da kamen wir noch für eine neue Windows-Version zur CEBIT, für DigiCams und Tintenstrahldrucker, für Antivirus-Programme und Bluetooth. Alles brandneu und noch sehr teuer. Teuer! Das ist wichtig zu sehen: Teure Dinge muss man wohl auf Messen anschauen. Man geht doch nicht auf eine Automesse, um den neuen Corsa Diesel zu sehen, oder? Für erschwingliche Dinge reicht ein Rundgang im Media-Markt oder das Surfen bei Amazon oder Conrad. Wir haben inzwischen allesamt eigene Smartphones und Tablets, warum also sollten wir zur Messe? Warum sollten wir uns etwas von schnieken Vertriebsassistenten vorloben lassen, wo doch für alles viel objektivere Testberichte im Netz finden sind?

Ich war in meinen letzten IBM-Berufsjahren für das Thema Cloud auf der CEBIT. Mich hat damals schon gestört, dass es ein Meer kleiner Stände gab – und immer stand da ein eher junger Mensch (Messehilfskraft?) etwas gelangweilt wartend neben einem kleinen Tischchen hinter einem schwarzen Flachbildschirm, auf dem eine meist revolutionäre Software präsentiert werden konnte, wie das Plakat im Hintergrund versprach.

Lauter schwarze Flachbildschirme! Lauter nach Business gekleidete Leute, die etwas erklären wollten! Lauter Leute, die uns mindestens eine Prospektreklame nach Hause schicken wollten, damit sie unsere Visitenkarten ihrem Chef als „Leads“ vorlügen konnten.

Hey, gibt es denn nichts mehr real anzusehen? Einfach so, ohne die Hürde einer Gesprächsaufnahme, wie früher? Etwas Teures, wovon wir träumen können?

In den ursprünglichen Bereichen der CEBIT gibt es so etwas nicht mehr so sehr. Computer wandern wirklich in die Cloud. Software gibt es mehr und mehr als Abo-Modell pro User. Firmen wie Microsoft, Adobe, Tableau oder Autodesk haben diesen Wandel schon weitgehend vollzogen. Wer sich für solche Software interessiert, mietet sie für einen Monat und prüft sie wirklich.

„Cloud“ und Abo-Software kauft man nicht mehr auf einer Messe… Dann aber ziehen sich die Aussteller zurück, danach oder schon vorher bleiben die Leute fern, ein Teufelskreis dreht sich.

Dabei könnten wir uns Showcases für 3D-Druck, dem Internet der Dinge oder dem Gebrauch von VR-Brillen vorstellen („Hier ist das Auto-Health-Call-Center. Setzen Sie ihre gemietete Complete-Quick-Fix-Brille auf. Ich sehe von hier aus alles, was Sie durch die Brille sehen. Öffnen Sie die Motorhaube. Schrauben Sie hier auf. Aha, Wasser fehlt. Füllen Sie das nach, dann müssen wir Sie diesmal nicht abneppen.“ Startups könnten in Massen ihre Ideen zeigen, besonders solche, die von großen Konzernen in postagilen Inno-Excellence-Demo-Future-Hängematten-Design-Drinking-Centers gehalten werden. Warum schickt man sie nicht mal an Kunden-Frischluft?

Geht ja nicht, weil man damit nur Träume und folglich spätere Industrien vorbereiten würde, aber keine direkten Profite in die Bücher bekommt. Messen haben sich gewandelt – da werden keine Visionen vorgestellt, denn die Controller wollen den Aufwand für die Messe begründet wissen… dabei wäre doch so viel für das gemeinsame Business getan, wenn man der Allgemeinheit neue Träume einflößte?

Stattdessen lassen die IT-Firmen die Menschen lieber in der derzeitigen Digitalisierungsangst. Haben sie die vielleicht selbst? Gibt es keine Visionen? Keine von IT-Firmen, meine ich? Oder wacht sie noch einmal auf, die CEBIT?

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Sie haben jetzt diesen meinen Nachruf gelesen. Ja, ja, sagen Sie, hinterher ist man schlauer. Ich könnte einwenden, dass man es schon lange kommen sah, vorher, meine ich. Dann sagen Sie wohl, ich bin ein Besserwisser. Ich habe schon vor ziemlich vielen Jahren (>10) so etwas geschrieben wie hier, es wurde zart bittend wegzensiert (von den Messen) und blieb im Giftschrank. Vor der CeBIT 2013 habe ich dann versucht, mit der Firma HalloWelt die Plattform Blueforge als Software-Wiki aufzuziehen („Hier können Sie jede Software einen Tag als Demo in der Cloud ausprobieren! Ganz ohne CeBIT oder in Ruhe danach mit einem Gutscheincode vom Standpersonal!“). Wir wollten die CeBIT-Stand-Software-Demos einfach ins Netz stellen! Allgemeine erste Reaktion: Große Begeisterung überall. Dann aber sagten so etwa überhaupt alle sachkundigen Ansprechpartner (IT-Experten der Firmen), dass die Demos „nicht kundentauglich“ wären und es zu viel Aufwand bedeutete, sie in diesen Zustand zu bringen. Wir schlossen Blueforge, nachdem wir das verstanden hatten. Wir hatten die heute üblichen Abo-Modelle nicht vorhergesehen, die ja auch hinreichen könnten.

 

Schon 2013 titelte ich: Die CeBIT ist flach geworden, man sieht nur schwarz. Lesen Sie meinen Nachruf vor fünf Jahren. Ich bin etwas grimmtraurig, wenn ich ihn heute wieder anschaue.

 

https://www.fraunhofer-innovisions.de/arbeitsplatz-der-zukunft/die-cebit-ist-flach-geworden-man-sieht-nur-schwarz-3d/

 

 

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

7 Kommentare

  1. Alles hat seine Zeit, auch das
    ‘Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation’
    hatte diese.

    Seinerzeit ging es meist um Gerät, Dr. W war ebenfalls auf Anbieterseite, wie auch als Besucher eben seinerzeit vorrätig, gelegentlich.

    Heutzutage trifft man sich nicht mehr persönlich, jedenfalls nicht an zentraler Stelle und Ausstellung suchend, um Gerät und Software einzukaufen, so ist es halt.

    Bereits das ‘das Thema Cloud’ dort zu bewerben hatte etwas Widersprüchliches, gell?

    MFG
    Dr. Webbaer

  2. Ich war mehr als 20 mal auf der CeBIT und habe die Veränderung miterlebt. Das letzte Mal war ich 2013 da. Danach hat es mich nicht mehr interessiert. Die CeBIT war für mich anfangs eine sehr wesentliche Messe, weil man sich da Anregungen und Informationen holen konnte. Sogar Dokumentationen über Bauelemente (Schaltkreise) habe ich da bekommen. Das ging in späterer Zeit gar nicht mehr. Manche Hersteller haben bestimmte Chips später nicht frei verkauft, um Konkurrenz zu vermeiden. Damals war z.B. die Dokumentation von Grafikchips frei zugänglich. Heute ist das anders ! Informationen werden unter der Hand gehalten. Damit wir so eine Messe für viele wertlos, und nur noch Verkaufsshow.

    Leider waren an den Messeständen auch schon damals manchmal Verkäufer, die fast nichts über das Produkt wußten, was sie verkaufen wollten. Besonders weit war diese Unart bei den chinesischen Ausstellern verbreitet. Bei denen kam dann häufig auch noch fehlende Sprachkenntnis (Englisch) dazu. Wenn man eine Frage zu ihrem Produkt hatte, kamen immer wieder die selben wenigen englichen Sätze, die sie auswendig gelernt hatten, aber keine Antwort auf die Frage. Bei den chinesischen Ausstellern war in deren Produkten häufig ein und der selbe Cipsatz verbaut und man bekam viele, sehr ähnliche Produkte. Dieser Trend hat im Laufe der Jahre stark zugenommen. Da reletiviert sich das mit den Anregungen, die man bekommen kann, sehr.

    Ich finde es auch einer Messe unwürdig, daß es Bereiche der CeBIT gab (Planet Reseller) zu denen nicht alle Besucher Zutritt haben, die den doch erheblichen Eintritt (als Fachbesucher) bezahlt haben. Bin ich da auf einer Erotik-Show ? Wenn eine Messe an Atraktivität verliert, dann wachsen andere Messen auf deren Kosten. Es gibt auch in Nürnberg und in München sehr interessante Messen. Aber die CeBIT (und auch die Funkausstellung in Berlin) interessieren mich schon lange nicht mehr. Obwohl Hannover die messefreundlichste Stadt ist, die ich kenne. Hannover tut was für die Messe, da kommen Berlin und München überhaupt nicht mit. Aus dieser Sicht ist es schade, daß die CeBIT nicht mahr ist.

    Eine Sache hat mir auf der CeBIT sehr gefallen : Ich habe eigentlich auf jeder CeBIT abends nach dem Messebetrieb (an den ersten Tagen) Life-Musik gehört. Manchmal sogar sehr gute Musik (Mobotic/Crime an Passion, Melibokus,…) ! Und manchmal etwas ungewohnte Musik (Guano-Apes). Alles Musikgruppen, die ich nie wieder gehört habe. Zu den Fanta4 hätte ich auch gehen können, aber die haben mich nicht reingelassen, weil ich Plastiktrinkflaschen bei mir hatte.

    Und letztendlich sind auch die Preise auf der CeBIT ein Faktor für das Sterben. Für die Aussteller war das ein extrem teures Vergnügen. In Deutschland kam man über die IHK an preiswertere Messestände. Und die Dauereintrittskarte für Fachbesucher hat 2011 auch 100 Euro gekostet. Damit hat ein 4-tägiger Messebesuch auf die Größenordnung von 500 Euro, wenn man kein Hotel mit 150 Euro je Nacht nutzt. Exorbitant teuer ist auch Verpflegung auf der CeBIT gewesen. Ich habe deshalb auch immer Getränke in Plastikflaschen dabei gehabt. An vielen Messeständen, an denen man gute Gespräche geführt hat, hat man auch Kaffee angeboten bekommen. Aber die Restauration war eigentlich ungenügend und total überlaufen, trotz des Preises

  3. Hierzu :

    Damit hat ein 4-tägiger Messebesuch auf die Größenordnung von 500 Euro, wenn man kein Hotel mit 150 Euro je Nacht nutzt. Exorbitant teuer ist auch Verpflegung auf der CeBIT gewesen. Ich habe deshalb auch immer Getränke in Plastikflaschen dabei gehabt. [Kommentatorenkollege ‘Jürgen Altenbrunn’]

    Besucher wie Aussteller sind bei der seinerzeit so genannten CeBIT beschickt worden, so dass die Kosten keine besondere Rolle spielten, im WirtschaftlIchen.
    Von Unternehmerseite und i.p. Ausstellenden wie Besuchenden auf Firmen-Kasse unterwegs, Sie womöglich nicht.
    Sie womöglich nicht.
    >:->

    Macht abär den Braten nicht fett, das Ding ist tot.

    HTH (“Hope to Help”)
    Dr. Webbaer

  4. @ Dr, Webbaer

    Ich war natürlich auch auf Firmenkosten unterwegs. Aber wenn in der Firma ökonomische Verantwortung trägt, denkt man offensichtlich mehr über die Ökonomie nach.

  5. Hallo Herr Dueck,

    schon mal was von der CES in Las Vegas gehört? Mit Themen à la KI kann man durchaus auch heute noch Aussteller und Besucher begeistern.

    Begeisterung für Produkte, Trends und Technologien war aber ein Fremdwort in Hannover. Die Messe und ihre Macher waren einfach nur provinziell und bürokratisch.
    Man fühlte sich wie im Schlafwagen – und nicht wie in einer Rakete.

    Die Messe war einfach nur noch öde und langweilig. Ihr Aus hat im Ausland längst niemanden mehr interessiert. Zu Recht.

    Schade aber trotzdem – man hätte was draus machen können.

  6. Kirchen stellen sich auch gegen geltendes Recht, z.B. zeigen die Kirchenoberen ihre Kollegen, die Kinder missbrauchen, regelmäßig nicht bei der Polizei an, und setzen stattdessen noch die Opfer unter Druck. Nicht nur das ist Kriminell und Verfassungswidrig.