Immer noch kein bisschen „meta“? Aufruf zum Diskurs!
BLOG: WILD DUECK BLOG
Sie schreien sich an, sie positionieren und verkaufen sich, sie diskutieren und zerfetzen die Argumente der Gegner, sie leiden im Grunde an wahrscheinlich schon unbewussten, internalisierten Glaubenssätzen. Was nicht stattfindet – kaum noch jemals – ist ein Diskurs, ein Miteinanderreden über die Glaubenssätze und Grundüberzeugungen der/des jeweils Anderen und der konstruktive Versuch, etwas Gemeinsames daraus für ein gemeinsames Leben zu fin-den.
Dieser Unterschied zwischen bloßer Diskussion von A gegen B und dem konstruktiven Diskurs, um etwas Ganzes zu errichten, wird kaum noch gesehen. Ja, wir sind damals in der gymnasialen Oberstufe gezwungen worden, die Erörterung von A gegen B mit einer Synthese zu beenden, aber unsere Aufsätze endeten doch meist einfach mit einer begründeten Entscheidung für A oder B. „Ich bin eigentlich für A, ich weiß aber, dass B erwartet wird, deshalb bin ich unter Berücksichtigung aller Prioritäten für B.“ Diese fatale Haltung, das freie Denken dann doch sehr irdischen Prioritäten unterzuordnen, hat sich in uns in der Regel stark verfestigt. „Ich bin für die Frauenquote, aber die Fraktionsdisziplin verlangt, dass ich anders darüber denke. Na, ich denke immer noch, dass ich eine Frauenquote will, aber ich muss fast durchweg anders handeln als ich von mir aus wollte. Mein eigenes Denken beginnt zu stören. Mein Denken ist noch nicht ganz weg, es agiert noch heimlich wie ein Gewissen, es ist aber ab 0,3 Promille weg – in Anwesenheit von Chefs oder Kanzlerinnen auch. Das Teamen ist wichtiger als die Überzeugung.“
Können wir nicht einmal wirklich miteinander reden? Kommunikationswissenschaftler träumen von einer allgemein geübten Metakommunikation, bei der man nicht aus den eigenen Denksilos heraus argumentiert, sondern sich einmal über die jeweiligen Grundüberzeugungen klar wird. Das üben wir nämlich nicht, ÜBER unsere Kommunikation zu reden, über unsere gegenseitigen Verhältnisse und Eingebundenheiten. Ich habe die Gelegenheit gehabt, bei der re:publica 2013 darüber zu „predigen“ (beim größten Bloggerfamilientreffen Europas, das jedes Jahr in Berlin stattfindet). Ich habe zu dem Thema hier unter dem Titel „Aufruf zum metakulturellen Diskurs“ geredet. Dazu musste ich einige Redezeit verwenden, um erst einmal ein paar Beispiele für spezielle Denk(be)reiche in unserem Leben zu geben, in denen viele von uns leben und mit ihren Gedanken darin wohnen. Hey, Leute, es gibt mehr als euren eigenen Denkbezirk! Die anderen wohnen in anderen! Können wir nicht einmal mit „Kulturempathie“ beginnen?
Ich fürchte, Sie müssen sich jetzt das Video dazu anschauen, das ist jetzt besser, oder?
Tja, und in der Rede ist mir gleich ein Unglück passiert. Das kommt vor! Bedauerlich! Aber immerhin, diese Pleite ist ein gutes Lehrstück für das Thema hier geworden. Das kam so: Ich habe am Morgen vor der Rede noch die Folien überarbeitet und um aktuelle Beispiele bereichert (Uli Hoeneß Steuerbetrug aus der Sachdenkweltbrille: „Ins Gefängnis!“, aus der Gefühlswelt: „Barmherzigkeit!“). Da habe ich wegen der augenblicklich tobenden Wirren um die neuen Telekomtarife auch das Wort „Telekomempathie“ genannt, also das interessierte Aufnehmen der Telekom-Argumente durch die Gegenseite, die ja in Berlin in großer Masse vertreten war.
Viele Anwesende mutmaßten sofort, es würde sofort einen Shitstorm gegen mich geben. Na, ein bisschen davon bekam ich ab.
Es ist so: Ich habe mich hingestellt und über Meta-Standpunkte, Meta-Diskussionen und Kulturempathie geredet. Ich gab ein paar Beispiele, wo es einfach nur um Krieg von A gegen B gibt und wo einfach absolut keine Empathie herrscht. Was passiert? Und zwar auf der Stelle? Weil auf der re:publica nur Gegner der Telekom sind, gehen sie nicht darauf ein, einmal friedlich meta-denken zu wollen, sondern sie sehen in mir augenblicklich einen Vasallen oder Büttel der anderen Seite. Da überschütten sie mich mit Argumenten, warum die Telekom die Freiheit des Internets und die Menschenrechte bekämpft – sie erklären mir, dass die Weltgrundordnung in Gefahr ist, nicht mehr und nicht weniger.
Dann, ausgeredet, triumphierend zurückgelehnt: „Was kannst Du nun noch zur Verteidigung der Telekom sagen?“ Ich will doch dazu nichts sagen, ich will nur zum Diskurs auffordern, wo einer notwendig wäre. Ich habe nur gesagt, dass ich genau gegen diese Grundsätzlichkeit der kriegerischen Argumentation bin. Das hilft mir nun leider nicht mehr: jetzt fragen mich alle, was ich denn an der Telekom gut finde – auch alle Journalisten, die eigentlich nur Empörungspotential suchen und bestimmt kein Meta…
Und irgendwann stehe ich dann allein da, eine weiße Flagge schwenkend, aber als Gesandter des Bösen stigmatisiert…
Na, so schlimm ist es nicht geworden, aber das Unaufgeregte hat einen schweren Stand – das will ich sagen. Warum? Stellen Sie sich vor, einer der Gegner oder Eheleute möchte metakommunizieren, aber der andere nicht (wobei der andere vielleicht gar nicht weiß, was Metakommunikation oder wenigstens Empathie ist). Dann versucht sich der eine Mensch am Ausgleichenden, der andere aber spürt in ihm sofort den Gegner. Wer finster für A ist, ist finster auch gegen alle, die nur ein bisschen für B sind! Und es erhebt sich die Frage: Wie also kann man EINSEITIG mit der Metakommunikation oder mit einem Diskurs beginnen?
Ich weiß keine gute Lösung. Ich bin darüber betroffen. Ist nicht alles um uns herum bestürzend un-meta? Beharken wir uns nicht unaufhörlich aus verschiedenen Denkwelten heraus? Oben, unten, Frau, Mann, Gewinn jetzt, Nachhaltigkeit, schwarzweiß. Nach jeder kriegerischen Diskussion von Schwarz gegen Weiß weiß der Schwarze besser, warum er schwarzsehen muss, weil er wieder neue Argumentationsnuancen beim Krieg gefunden hat, der Weiße ebenso. Die Teufelsspiralen des „Un-Meta“ sperren unser Denken immer mehr ein.
Raus! Raus! möchte ich rufen wie Bayern-Torwart-Titan Kahn.
Konfusion und Spaltung
Jesus wollte einfach nur die Armut beseitigen und ein Gesundheitssystem des geistig-heilenden Selbst- und Massenbewußtseins einführen. Doch da hat man ihm die Rechnung dafür gemacht und seine Taten und Theorien in Unwahrheit und Sündenbockfunktion gestellt, damit auch weiterhin eine konsum- und profitautistische Suppenkaspermentalität den bewußtseinsbetäubten / gleichermaßen bewußtseinsschwachen Zeitgeist in Überproduktion von “individualbewußten” Kommunikationsmüll zum nun “freiheitlichen” Wettbewerb um … zelebriert 🙂
eine zeitbeschränkungen für kommentare ?
… dann bleibt nur der letzte absatz.
“Ich weiß keine gute Lösung”
das ist eine umarmung wert ^^
Metaphysisch
“Wie also kann man EINSEITIG mit der Metakommunikation oder mit einem Diskurs beginnen?”
– na das predigen uns doch die “Geistlichen” dieser Welt- und “Werteordnung” ständig und stumpfsinnig-unbelehrbar vor: Beten bis der liebe Gott kommt 😉
Übringens, beim Wort meta kommt mir sofort der Gedanke an den wie ich empfinde hirnrissigen aber leider zeitgeistlich genau treffenden Spruch der allgemeinbekannten Margarine-Werbung: “Ich will so bleiben wie ich bin” 🙂
Schwieriges Thema
Ich finde den Artikel sehr gut. Ich habe gerade lange über meine eigene Sichtweise nachgedacht… aber noch zu keinem Ergebnis gekommen.
Herr Dueck… zwischen dem Blogfoto und der Person im Video scheinen Jahrzehnte zu liegen – so kommts mir vor.
Wenn “Weiß was wissen soll”, muß trotzdem eines derer einen anderen Buchstaben verwenden…oder? Oder hat die Rechtschreibreform hier versagt?
Das Problemeiner Metaauseinandersetzung ist: bei der Telekom: Dass ein Monopol (Netzbetreiber und Anbieter) darüber erhaben ist, sich der zu entziehen. Diese einseitige Erhabenheit erzeugt auf der anderen Seite natürlich entsprechende Haltung dagegen.
Andere verweigerte Metakommunikation finden wir in akademischer Humanwissenschaft und quasi-philosophischer Weltsichten. Etwa Schulmedizin vs. Homöophatie. Die “Telekom” der Humanwissenschaften (akademische Schulmedizin) hat hier überhaupt keinen Anlass und keine Not das ursächliche Problem zu erörtern. Hier ist das “politische” (Gesundheitssystem und zugrndeliegende Zielsetzungen) wahrschenlich ein Hauptfaktor. Ist es das bei der Internetfreiheit auch so?
Um Metakommunikation zu ermöglichen, bedarf es wohlzuerst den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden – für beide Parteien. Leider erfordert der meistens die Aufgabe der perönlichen Zielsetzungen.
Bei der Telekom seien das aber letztlich wirtschaftliche Erwägungen; Unternehmensstrategien, die man nicht so gerne ausserhalb der Einzugsbereiche und Zugehörigkeit des Unternehmens verhandelt.
Was wäre es denn also bei der Humanwissenschaft?
Das Katzenbeispiel ist unauffällig genial und wegen der verbreitung der katze als Haustier eine besondere Angelegenheit und mit besonderen Wirkungen auf die jeweiligen “Besitzer”.
Man kann am Unterscheidungskriterium Hunde- und Katzenbesitzer auf bestimmte tendenzielle Persönlichkeitsmerkmale der Besitzer schliessen.
Cartman’s got balls!
Gunter Dueck schrieb (24. Juni 2013, 13:07):
> […] Metakommunikation, bei der man nicht aus den eigenen Denksilos heraus argumentiert, sondern sich einmal über die jeweiligen Grundüberzeugungen klar wird.
Um gewissermaßen von Fundament zu Fundament zu peilen?
Oder von SciLog zu SciLog? …
> Wie also kann man EINSEITIG mit der Metakommunikation oder mit einem Diskurs beginnen?
Mace?
Cool bleiben
Ist auch eine Frage der Dosis , nur Grabenkrieg ist ätzend , aber immer nur brav sein auch , bißchen Leidenschaft muß auch sein dürfen.
Nicht so sehr auf die Bloggosphäre bezogen , sondern eher auf reale Erfahrungen mit Stammtisch-affinen Mitmenschen , gilt schließlich auch , daß man sich derer erwehren können muß , die gar nicht die Absicht haben , zu diskutieren , wenn sie irgendeine “Meinung” äußern .
Da geht es oft eher darum , wer lauter schreit und wer sich effktvoller auf die Brust klopfen kann, um damit seine Position in der Herde festzulegen.