Hypokognition der Idealisten und Hyperkognition der Controller

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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Der Begriff „Hypocognition“ stammt von Robert Levy, der 1973 in einem Buch seine Eindrücke seines langen Tahiti-Aufenthaltes wiedergab. Tahitianer haben keine Begriffe für zum Beispiel „Schuld“. Wenn sie sich schuldig oder traurig fühlen, empfinden sie sich als „krank“. Sie haben einen zu weiten Rahmen, der die Feinheiten nicht wiedergibt. Im Jahre 2004 warf George Lakoff den fortschrittlichen Kräften in den USA vor, sie litten unter „massiver Hypokognition“, weil sie immer nur verwaschen „weniger Staat“ oder „weg mit freien Märkten“ wollten, anstatt einmal einen präziseren Rahmen zu setzen, was sie genau anstrebten. (Unter Wikipedia englisch „Hypocognition“, im Deutschen gibt es den Begriff nicht so wirklich).

Da „hypo“ für „zu wenig“ steht, gibt es auch „hyper“ für „zu viel“. Hyperkognition ist dann das genaue Planen und Denken bis ins Einzelne.

Vieles an den heutigen Träumen ist wohl hypokognitiv. Die Menschheit soll systemisch denken, achtsam und nachhaltig sein, höhergebildet, agil, ambidextrous, verantwortungsvoll und empathisch, der Kapitalismus soll weg, das Geld auch, alle sollen gleich sein und jeder besonders sein dürfen. Es liegt einfach an der richtigen Ernährung.

Das alles regten die Religionsstifter auch schon an, aber beim Umsetzen fällt fast jede Idee, bestimmt aber jede große, den Hyperkognitiven zu Opfer. Denn das Ideale wird zum vermeintlich Perfekten umfunktioniert, was aber sowieso an der schwierigen Struktur des Menschen an sich und seines Verhaltens im Team oder in der Gesellschaft scheitert.

Der ideale Gottesglaube wird durch „ich glaube an den heiligen Geist, die heilige katholische Kirche“ perfektioniert (fehlt da noch das Wort „also“?), das Wirtschaften für den Wohlstand der Nationen des Propheten Adam Smith wird zum perfekten „vollkommenen Markt“ umgedreht. Aus der Völkervereinigung wird eine regelwütige EU.

Ach ja, es müsste eine Mittelschicht geben, etwas zwischen Hypo und Hyper, zwischen dem Ideal und dem verbissenen Hang zu Perfektionismus. Pragma vielleicht?

Hypokognitiv: „man müsste, sollte, könnte – ja dann“ (leuchtende Augen)

Hyperkognitiv: „und wie sieht es konkret aus, und ah, da ist ein Haken, dann nicht“ (fehlerstrengkonzentriertes Gesicht)

Quelle: Adobe Stock Photo

Wir retten die Menschheit, aber es muss datenschutzkonform geschehen…

In allen solchen Innovationsfragen treffen Hypokognitive auf Hyperkognitive. Innovationen zeigt man bekanntlich am besten den möglichen Kunden, um ein Gefühl für die realen Möglichkeiten zu bekommen. Dadurch bekommt die hypokognitive Idee die Chance, eine wirkliche Gestalt anzunehmen. Aber nein, vorher muss der Innovator beim Controller aufkreuzen, dem Inbegriff der Hyperkognition. Der Business Case, der dabei entsteht, beschreibt dann wieder zu sehr eine Paukschule oder eine Credit-Point-Uni, wo ursprünglich an Bildung gedacht war.

Hypokognitive: Denkt ein bisschen weiter und handelt zum Lernen.

Hyperkognitive: Denkt noch nicht zu Ende, was noch nicht durch Handeln gelernt wurde.

Das Ideale ist dem Perfekten nicht gleich.

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

12 Kommentare

  1. ‘Hyper’ meint das ‘Über’, ‘Meta’ das ‘Mitten’, es ist oft cooler meta-(irgendwas) zu argumentieren, auch wenn sich so, indirekt, schon selbst erhöht wird, das Hyper dagegen meint das direkt Obige, auch das von oben Herabsehende, Dr. W war insofern nie hyper-aktiv, sondern nur meta-aktiv.
    Genau deshalb nennt sich kein Argumentierender um das Hyper bemühend, weil er sich so (nur ungünstig) exponieren würde, wenn das Meta genügt.

    Hierzu also :

    Ach ja, es müsste eine Mittelschicht geben, etwas zwischen Hypo und Hyper, zwischen dem Ideal und dem verbissenen Hang zu Perfektionismus. Pragma vielleicht?

    Das Pragma meint halt die Sachbezogenheit, es gilt bspw. pragmatisch vorzugehen, wenn ein Umstand droht, der beeinträchtigend für das Individuum sein könnte, so wie ein Stein im Weg zum Stolpern anregen könnte.

    Die ‘Mittelschicht’ ist das Meta.

    Begriffe werden, weil Konzepte meinend, kulturell gebildet, ein nicht von Krokodilen Bedrohter, beispielsweise, kann keine Kroko-Phobie entwickeln.
    Begriffe sind idR der Bemühung Altvorderer geschuldet, in heutigen aufklärerischen Gesellschaften sieht der Schreiber dieser Zeilen keine Notwendigkeit den Eigenbedarf meinend mit dem Begriff der ‘Hypocognition’ zu hantieren, sich um Verständnis anderer bemühend dagegen schon, denen bedarfsweise ‘Hypocognition’ zu unterstellen. [1]

    Der Schreibär dieser Zeilen sieht insofern also auch nicht “hyper’, wie “Super-Greta” beispielsweise, die atmosphärischen Kohlenstoff, im Hyper also, mit ‘bloßem Auge’ sozusagen, zu erkennen vermag, angeblich, sondern im Meta.
    (Was auch schon sozial problematisch sein kann, manchmal : sehr.)

    MFG + schöne Mittwoche!
    Dr. Webbaer

    [1]
    Vgl. mit ‘Tahitianer haben keine Begriffe für zum Beispiel „Schuld“.’ – korrekt, deckt sich zwar nicht im Speziellen, aber allgemein kulturell schon mit dem Kenntnisstand des anthropologisch bemühten Schreibers dieser Zeilen : Es gibt für bestimmte, unsereins klar fassbare, Konzepte in anderen Kulturen oft keine passende Entsprechung.

  2. Der Beleg, das Hyper meinend und “Super-Greta”, noch kurz nachgetragen :

    -> https://www.derwesten.de/panorama/greta-thunberg-familie-schreibt-buch-und-erntet-viel-kritik-id217056933.html (‘Greta gehört zu den wenigen, die unsere Kohlendioxide mit bloßem Auge erkennen können. Sie sieht, wie die Treibhausgase aus unseren Schornsteinen strömen, mit dem Wind in den Himmel steigen und die Atmosphäre in eine gigantische unsichtbare Müllhalde verwandeln.’)

  3. @Dueck

    Hyper und Hypo – wie würden Sie denn die Worte Fusion und Konfusion einordnen?

  4. “ich glaube an den heiligen Geist, die heilige katholische Kirche”, also bin ich systemrational und reformistisch wie der bewusstseinsbetäubende Zeitgeist! 😎

  5. Um es klarzustellen:

    Ich glaube an den Geist der “Gott” ist und uns alle im selben Maße “durchströmt”, für wirklich-wahrhaftige Möglichkeiten / befriedende Kommunikation und zweifelsfrei-eindeutige Menschenwürde von und zu geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstsein.

  6. @ hto
    22. Mai 2019 @ 14:31

    Es gibt ja Menschen, die glauben, Geist würde heilen können. Da müsse man sich nur irgerndwie geistig “verbiegen” und dann würde man gesund. Ich habe da eine andere Sichtweise von.

    Und Selbstbewusstsein und Massenbewusstsein sind soweit auseinander, dass man das gar nicht in einem Satz schreiben dürfte.

    Kannst du eigendlich das alles auch erklären, was du da immer schreibst?

  7. @demolog

    Geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein bedeutet nicht nur körperliche Gesundheit, sondern vielmehr den wirklich-wahrhaftigen Verstand von Vernunft und die daraus entstehenden Möglichkeiten!

  8. Aufgrund einer Ausserkörpererfahrung (die jedem Mensch möglich sein sollte!) weiss ich …!

    Und somit ist mir besonders klar: Glaube ohne Wissen ist schwierig und sollte stets dem Freien Willen und dem Verantwortungsbewusstsein zur zweifelsfrei-eindeutigen Vernunft / Wahrheit …

    Aber weil diese Welt- und “Werteordnung”, aufgrund ihrer heuchlerisch-oberflächlich interpretierten Glaubensbekenntnisse, ihr “aufklärerisches Wissen” mit einer unwahrheitlichen / UNMENSCHLICHEN Gesetzmäßigkeit zur absoluten Vernunft in zufälliger Einmaligkeit darauf aufgebaut / konfusioniert hat, gehört es jedem Wissenden, Erkennenden, oder einfach nur Wohlmeinenden zur Pflicht, den Widerstand gegen diese spalterisch-schmarotzende Sinnlosigkeit zu leisten.

  9. demolog:
    ” Ja es gibt Menschen die glauben, Geist würde heilen können…”
    Schon Friedrich Schiller war der Ansicht, dass der Geist den Körper formt. Was bedeutet, dass zum Bsp. Drogenabhängige/Alkoholiker mit ihrem Geist ihren Körper in den Sinne formen, dass er letztlich genau so krank wird wie der Geist, der in seiner Sucht einen gestörten Neurotransmitterhaushalt (krank) auf weist. Der Geist heilt also ,genau so wie er krank macht.

  10. @ Golzower

    Schiller ist aber auch jämmerlich verreckt.

    Das Problem, sich Vorbilder zu suchen, deren Leben vorzeitig geendet haben, ist ein vollkommen unbelichtetes Szenario.

    Die Linke Szene vergöttert Spartakus, der nur leider grandios gescheitert ist.

    Nietzsche als im fortgeschrittenem Alter geistig umnachteter. Die Frage, ob man seine Philosophie zum Vorbild macht, steht im Raum. Der Mann hat gelebt, was er philosophiert hat. Zumindest in seiner Innenwelt.

    Die Christen verherrlichen einen Jesus, der ebenso jämmerlich verreckt ist. Angeblich. Gerüchteweise zwar wieder auferstanden. Aber naja…

    Hilter, als Inkarnation einer oberflächlich eindeutig fehlgeschlagenen Ideenwelt ist aus gutem Grund vollkommen abzulehnen.

    Wir wissen nicht genau, wie es sich mit Mohamed als Gründer der muslimischen Regliion zugetragen hat. Aber wie man hört, ist er sehr alt geworden (für damalige Zeiten).

    Ok, was aber sagt es uns, dass Denkweisen/strukturen krank machen können?
    Irgendwas mit unserem Gehirn ist also dabei einflußreich und wirkt auf uns.

    Und was sagt es uns, dass man möglicherweise mit der Devise “Du must dein Leben ändern” und damit Denkweisen/strukturen, irgendwie “gesünder” bleiben/werden kann und wie weit es hinreicht, mit der ganzen Freiheitsideologie?

    Aber das sind letztlich Fragestellungen, die deswegen unausweichlich sind, weil vorher schon ganz spezielle Dinge dazu führen, dass die Situationen für viele Menschen unbeherrschbar aus dem Ruder laufen.
    Unter Anderem sind da zu nennen:
    Radioaktiver Fallout und die chemische Belastung der modernen Lebenswelt. Beides wirkt direkt auf unser Gehirn oder das Gehirn steuernde Funktionen (Hormonel). Und lössen viele Probleme erst aus, oder beschleunigt und dramatisiert pathologische Zustände.

    Sperre einen Wolf mit einem Löwen in ein Löwengehege/Käfig. Was werden wir sehen?
    Einen Wolf, der schlagartig psychotische Verhaltensweisen aufweisen wird.

    Schillers Löwe war wohl Goethe.

    Tiere, die zwar vielleicht in sozialen Strukturen leben, werden trotzdem, wenn die Populationen zu groß werden und zu eng aufeinander leben, psychotische Verhaltensweisen aufweisen.

    “Artgerecht” ist nicht, wenn man meint, das Menschen zusammengefercht werden können und dann von ihnen verlangt, sie sollen allesamt miteinander “harmonisch” auskommen und kooperieren.

    Es braucht die Wurzeln, die gewahrt bleiben und die akzeptiert werden. Nach mehreren Tausend Jahren sozialer Evolution ist das beim Menschen die (Kern)Familie.
    Diese wird aber in dieser modernen, westlichen Welt durch Einflüsse und konkretes Eingreifen in diese Strukturen beschädigt und zerstört. Was vor allem den Vater extrem benachteiligt, der nahezu immer zum Problemfall erklärt wird.

    Dabei ist die väterliche Erziehung und Weitergabe von Lebensweisheiten, aus denen er sein Leben bestritt, vor allem für Jungs wichtig, damit sie später selber souverän existieren können.

    Anyway, abgeschwiffen.

  11. hto,
    Selbsterfahrung ist gut und macht unabhängig. Wer genügend Selbsterfahrung gemacht hat, kann sich sein eigenes Weltbild formen.
    Wer keine eigenen Erfahrungen gemacht hat, kann sich nur auf das Urteil Anderer verlassen.
    Irgendwo dazwischen liegt Deine Idealvorstellung, denn deine Selbsterfahrung kannst du nur bedingt verallgemeinern.
    Also, Hyperhypose sei dein künftig Zauberwort.