Kühe zwischen Streicheln und Essen

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Es gab da eine Zeit in den Wochen meiner Semesterferien, in denen mir das Geflügel doch irgendwie ein Stück weit zum Hals raus hing – Zeit, sich mit anderen Themen wie zum Beispiel Kühen zu beschäftigen und das auf einer weniger tiermedizinischen oder landwirtschaftlichen Ebene, sondern eher persönlich, unter vier Augen sozusagen. Kühe, die ausschließlich zum Streicheln da sind, das kannte ich so auch noch nicht und stand eines Nachmittages recht gespannt auf einem kleinen gemütlichen Bauernhof. 

Während sich die beiden äußerst gemächlich von ihrer Weide bequemten, fiel mir gleich der erste Fehler auf. Das waren definitiv keine Kühe, sondern Bullen. Nicht, dass ich viel mit Bullen zu tun hätte – also weder noch – aber der Körperbau ist dann doch recht markant. Jetzt waren die beiden ja praktisch auf derlei Aktionen mit Besuchern spezialisiert und wirkten dann auch bei direktem Kontakt wenig aufgeregt und waren sogar zu Späßen aufgelegt. So stellte das Fotografieren eine echte Herausforderung dar, denn jedes Summen oder Piepsen veranlasste die beiden, das seltsame Gerät aus einem Zentimeter Entfernung zu begutachten. Auch der Smartphone-Trick funktionierte anfangs nur so leidlich. Außerdem möchte man es auch unbedingt vermeiden, dass einem so ein Bulle auf den Fuß tritt, das tut auch freundschaftlich weh. 

Und während ich das Verhalten der beiden Bullen belustigt beobachtete, musste ich plötzlich an ein Steak denken und fragte mich, wie man sowas denn essen könne. Irgendwie verflogen diese Gedanken aber schnell zwischen Unterhaltungen und galanten Ausweichmanövern. Überhaupt mussten die beiden ja auch wieder zurück auf die Weide und so ein Bulle steuert sich doch etwas anders als ein Schäferhund. Einige Tage später und etwas zur Ruhe gekommen erinnerte ich mich an das Mangalitza, ein ungarisches Woll- und Fettschwein, sehr robust und anpassungsfähig an verschiedenste Witterungen, aber Fleisch ansetzen können andere Rassen besser, weshalb diese Rasse schon kurz vor dem endgültigen Verschwinden stand. Erst die Wiederentdeckung alternativer Haltungsmethoden zur konventionellen Variante machte diese Rasse wieder interessant. Und so kann man sich auf den Speisekarten einiger Restaurants immer mal wieder vom Fortbestand überzeugen, was mich wieder zum Steak und dem sympathischen Bullen führt. Denn ohne ökonomische Grundlagen gäbe es diesen lustigen Zeitgenossen mit Model-Qualitäten gar nicht, wie überhaupt gar keine anderen Rassen, die im Laufe der Domestikation entstanden sind. Die Herausforderung: traditionelle Rassen wie auch das Mangalitza sind zwar nicht so leistungsfähig wie moderne Rassen, werden aber genau dann interessant, wenn es um neue Haltungsformen geht oder man den Problemen der Leistungszucht begegnen möchte. Das hat auch die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen erkannt und widmet sich genau diesem Thema. Dort finden sich dann auch Tipps zur Vermarktung der tierischen Produkte, denn wie gesagt: ohne finanzielle Grundlage gäbe weder die niedlichen noch die leistungsfähigen Rassen. Kuscheln für den Erhalt ist aber natürlich auch ein spannendes Modell.

Übrigens habe ich nicht nur keine Kühe gestreichelt, sondern auch keine Bullen. Es waren Ochsen, womit sie natürlich beim Erhalt ihrer Rassen aus dem Rennen sind. Der Grund für die Kastration ist simpel. Zuchtbullen müssen ausgelastet sein, sonst werden sie aggressiv, erklärte mir die Hof-Besitzerin. Das war mir jetzt nicht völlig unbekannt…


Informationen zur GEH gibt es hier und wer einer Kuh mal etwas näher kommen möchte, kann das beispielsweise hier tun. Hm, irgendwie glaube ich ja, dass ich schon mal einen ähnlichen Artikel verfasst habe…

 

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Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

10 Kommentare

  1. Appetit

    Und während ich das Verhalten der beiden Bullen belustigt beobachtete, musste ich plötzlich an ein Steak denken und fragte mich, wie man sowas denn essen könne. Irgendwie verflogen diese Gedanken aber schnell zwischen Unterhaltungen und galanten Ausweichmanövern.

    … kann so natürlich angeregt werden. Der Webbaer, aber auch Humankräfte, könnten hier angestachelt werden.
    Diese Niedrigkeit muss etwas Historisches referenzieren, im schlimmsten Fall in den Genen angelegt sein.

    Wir erinnern uns: Die Primaten haben sich erst kürzlich erhoben in Sprache, Schrift & Web Grundsätzliches zu erörtern; das Schnitzel oder Steak hängt ihnen aber weiterhin vor wie die Maus der Katze.

    Vielleicht darf dieser Artikel ganjz am Rande dafür genutzt werden, an die Vergangenheit des Erkenntnissubjekts zu erinnern, an ihre Niedrigkeit und an die Kultur, die sie erhoben hat oder zumindest erheben könnte.

    MFG
    Dr. Webbaer (hungrig atm btw)

  2. @Webbaer: Äh…

    Fasse ich das richtig zusammen, dass Du beim Anblick einer Kuh hungrig wirst? Also ich sehe da erstmal ein Tier. Worauf ich aber eigentlich hinaus wollte, war die Problematik, dass dieser sympatische Bulle (Ochse) nur deshalb so aussah und war, weil er so gezüchtet wurde im Laufe der Domestikation, die bei diesen Tieren schlicht auf wirtschaftlichen Interessen basierte. Das bedeutet, dass seine Vorfahren gegessen und gemolken wurden. Und – jetzt kommt der spannende Punkt – wenn ich ein Interesse am Erhalt habe, ist es dieser Rasse gar nicht geholfen, wenn die Nutzung auf Null fährt. Es sei denn, es fänden sich kurzerhand ein paar Reiche mit zuviel Geld und Land, dass sie eine ausreichend große Population nur so zum Spaß zusammenbekämen…

  3. Nutzung

    Und – jetzt kommt der spannende Punkt – wenn ich ein Interesse am Erhalt habe, ist es dieser Rasse gar nicht geholfen, wenn die Nutzung auf Null fährt.

    Da ist was dran.

    Gerade bei sogenannten Haustieren oder Zuchttieren. – Die es ja ansonsten schwer hätten nutzbar zu bleiben und sich gleichzeitig um ihren Bestand zu kümmern.

    Der strenge Ökologist arbeitet denn auch mit Konzepten, die den Menschen ausschließen. Die Welt ohne Erkenntnissubjekt sozusagen als Idealzustand.

    KA, was Sie genau mit Ihren Webnachrichten bezwecken, der Hunger jedenfalls bleibt. [1]

    MFG
    Dr. Webbaer (der sich nun langsam dem Kühlschrank annähern wird)

    [1] Leben verzehrt Leben, wie tragisch das auch sein mag.

  4. Du schießt mir da immer zuviel in extreme Richtungen. Man muss kein Öko sein, um über alternative Haltungen nachzudenken, bei denen das Tierwohl, aber auch die Energie-Versorgung einen wichtigen Teil beanspruchen. Und dafür braucht es eben auch mal robustere Rassen, deren Merkmale bei den “Leistungsträgern” irgendwie rausgezüchtet wurden.
    Und der Welthunger hängt von dramatisch mehr Faktoren ab als lediglich der produzierten Menge.

  5. Schewe

    Der Grund, warum sich der Webbaer bei Ihnen ein wenig kommentarisch bemüht, ist die Zusammenfassung des Ganzen, was die Ideenlehre betrifft.

    Nun kennt Sie der Schreiber dieser Zeilen als vernünftigen Menschen und hat denn auch diese Webnachricht als Suche nach dem Ist, als Brainstorming und als philophische Bemühung eingeschätzt oder dementsprechend bearbeitet.

    Positiv eingeschätzt, Sie bleiben also weiterhin gebeten über das Sein, den Verzehr von sich des Seiens Bewusstseienden und über das Tier allgemein ein- oder auszulassen.

    MFG
    Dr. Webbaer (der nur Haustiere pflegt, nicht zum Verzehr – spannendes Thema allerdings!)

  6. @Webbaer: Wirtschaft vs. Philosophie

    Oh, Philosophie ist toll, habe mich mit bio-ethischen Themen auch schon mal gern beschäftigt, zu schade, dass Kollege Edgar Dahl sich dessen thematisch nicht annimmt.

    Nur ist es in der Praxis eben eher so, dass die Philosophie ein wenig hinter wirtschaftlichen Aspekten zurückstehen muss, was aber gar nicht mal ein Problem darstellt (also nicht zwangsläufig). Trotzdem führt dies zu seltsamen Folgen wie dem Verzehr gegen das Aussterben zum Beispiel.

    Wenn das rübergekommen ist, freue ich mich und werde natürlich genau so weitermachen 😉

    PS: Ich fände es übrigens einigermaßen prächtig, wenn Deine durchaus interessanten Ausführungen etwas weniger gestelzt wirkten…

  7. Ethik

    Man könnte sagen, dass es die Aufgabe der Ethik ist, das Leid zu vermeiden, wo immer man es antrifft, und unabhängig davon, wer oder was das Leid verursacht hat.

    Im konsequenten Grenzfall bedeutet das synthetische Nahrung, Empfängnisregelung, und artgerechte künstliche Umgebung für absolut alle empfindungsfähigen Lebewesen.

    Die Details habe ich in meinen zahlreichen Kommentaren zu “Weg mit den Fleischfressern” beschrieben:

    https://scilogs.spektrum.de/…g-mit-den-fleischfressern

  8. Hallo Herr Bednarik,

    leider ist es genau dieser Teil der Ethik, der mich etwas an ihr verzweifeln lässt. Dieses hemmungslose Fabulieren ohne Realitätsbezug ist wenig zielführend, wobei natürlich auch noch zu klären wäre, wie sich ein solches von Ihnen geschildertes Szenario wirklich auswirkt, denn nicht alles verläuft so, wie es theoretisch angenommen wird.

    Mal ganz davon ab, dass wir gar nicht wissen können, wann für so ein Szenario denn alle Komponenten ausreichend entwickelt bzw. überhaupt entwickelt sind. Da ist es doch deutlich besser, wenn wir erstmal im vorhandenen System Fehler aufspüren und diese nach und nach ausbessern…

  9. Hallo Herr Schewe,

    Sie beschreiben den Weg, ich beschreibe das Ziel.

    Warum verabreicht man nicht den zu schlachtenden Tieren ein zur Gruppe der Barbiturate gehörendes Injektionsnarkotikum.

    Ich war beim Zahnarzt immer dankbar dafür.

    Weil die Kreislauffunktionen erhalten bleiben, kann man das zu schlachtende Tier auch problemlos ausbluten, bevor es das Bewußtsein wieder erlangt.

    Für Menschen wären die winzigen Mengen an Barbituraten, die im Fleisch verbleiben würden, völlig unschädlich.

    Die meisten Arten der großen Fleischfresser sind entweder ausgestorben, oder nur noch im Zoo zu finden, wo sie weder verhungern müssen, noch wo sie inhuman töten müssen.

    Die Empfängnisverhütung wurde meines Wissens bereits bei den Stadttauben, und bei mehreren schädlichen Insektenarten angewendet.

  10. Hallo Herr Bednarik,

    ich verstehe schon, worauf sie hinauswollen, aber auch jetzt schon bluten die Tiere nicht einfach so aus, sondern sie werden vorher betäubt, nicht mit Barbituraten, sondern wahlweise durch Strom oder Co2. Vom Ausbluten merken sie dann nichts mehr.

    Ihre Ansicht über im Zoo lebende Tiere finde ich übrigens hoch interessant 😉

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