Hai unterwegs – Im ganz großen Kuhstall

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Ich hatte gewisse Sorgen, dass man mich auf der Rückfahrt im Zug nur allzu leicht als Agrarblogger hätte identifizieren können, aber half ja nix. Ich war im September 2017 bei Conny – das war eine der drei „Superkühe“, die der WDR im Rahmen seines Projektes zum Sensorjournalismus begleitete.

Tatsächlich waren meine olfaktorischen Sorgen unbegründet. Die Luft im Stall war super. Ich sah mir die Kühe genauer an. Während die einen vorne am Futtertisch fraßen, entspannten die anderen auf den hinteren Liegeflächen. Zwischendrin genossen einige den Luxus der angebotenen Kuhbürsten. Ich ließ meinen Blick einmal quer durch den Stall gleiten und sah dabei auch in den noch weiter hinten liegenden Bereichen – nix. Das war erfreulich. Andernfalls hätte ich in den Boxen stehende Tiere gesehen, was ein Hinweis auf nicht optimale Liegeflächen gewesen wäre. Hier war alles gut.

Bei den Kühen am Futtertisch bin ich immmer etwas gespalten. Ich will sie ja nicht nerven und schon gar nicht vom Fressen ablenken. Genau das lässt sich aber nicht vermeiden. Alle Kühe, die ich bisher getroffen habe, waren extrem neugierig ob des seltsamen Vogels vor ihnen. Ich erinnere mich noch lebhaft, welch freudiges Chaos ich auslöste, als ich mal in einem anderen Betrieb Kühe zu fotografieren versuchte. Das Experiment scheiterte völlig, aber die Kühe hatten großen Spaß. Dass die Tiere Zeit und Muße für derlei Unfug hatten, freute mich natürlich und sprach für die Arbeit des Landwirts. Um Irritationen für die Tiere zu vermeiden, versuche ich meine Stalldurchgänge bei Besuchen trotzdem so kurz wie möglich zu halten. Und wenn man weiß, wo es hinzuschauen gilt, klappt das auch ganz gut.
Mir gefiel das also alles – der große, luftige und helle Stall, die Tiere sowie das Management. Das alles musste passen, andernfalls hätte ich eine andere Momentaufnahme zu sehen bekommen. In der Zeit nach meinem Besuch wurde ich nachdenklicher. Was Ihr dabei noch nicht wisst: Superkuh Conny war eine von 750 Tieren des Betriebes. Das ist groß. Und voller Technik. Trotzdem wirkte das alles kaum anders als jene deutlich kleineren Betriebe, die ich bisher gesehen habe. An dieser Stelle Probs an den WDR und Anhang: während des Projektes wurde Conny als jene Kuh vom Großhof vorgestelllt. Besser hätte man das kaum lösen können.

Trotzdem sind Megaställe oder Massentierhaltung Wörter, die die schon seit Jahrzehnten andauernde Entwicklung in der landwirtschaftlichen Tierhaltung nicht gerade positiv beschreiben. Allerdings wird der Trend zu immer größeren Ställen so schnell nicht aufhören. Der Strukturwandel geht weiter. Dabei sind die Gründe für das Verschwinden vermeintlich kleiner Betriebe und die Expansion größerer Betriebe vielfältig: dazu gehört eine fehlende Nachfolge, wenn Kinder den elterlichen Hof nicht übernehmen wollen. Ebenso können aber auch gesetzlich geforderte Auflagen und damit einhergehende Investitionen besonders für kleine Betriebe das Ende bedeuten.

Und dann ist da noch der Begriff der industrialisierten Tierhaltung. Melkmaschinen sind da schon ein alter Hut. Heute übernehmen Roboter die Arbeit. Welche Herausforderungen hier lauern und ob derlei Hightech im Stall das Ende eines für die Tiere angenehmen Lebens besiegelt, möchte ich in den nächsten Artikel untersuchen. Spoiler: Nö.
Bis dahin lasse ich Euch mit dem Kommentar des Landwirts Daniel Bohl zu industrieller Tierhaltung allein. Fragen und Kommentare sind natürlich erwünscht.

Daniels Kommentar

In Bezug auf den Umgang mit Lebewesen von industrieller Produktion zu sprechen fällt mir sehr schwer. Dafür sind die Tiere zu unterschiedlich. Ein Mitarbeiter in einem Stall mit 400 Kühen kennt JEDE Kuh mit ihren Eigenarten und Besonderheiten. Das ist auch nicht verwunderlich, da er den ganzen Tag nichts anderes macht, als sich mit den Kühen zu beschäftigen. Bei ihm ist der Umgang mit den Kühen der Hauptberuf.
So ist aber auch jegliche landwirtschaftliche Produktion heute standardisiert, da man die Qualitätskriterien der aufnehmenden Hand und zahlreiche gesetzliche Bestimmungen (z.B. Hygieneauflagen) beachten muss.
Wenn man das nicht dem Zufall überlassen will, dann muss man seine Produktion standardisieren, egal ob sie in einem großen oder einem kleinen Betrieb stattfindet, egal ob weniger oder mehr Tiere gehalten werden.
Wenn industrielle Landwirtschaft ein Typ von Landwirtschaft mit der Verwendung industriespezifischer Produktionsweisen ist, dann betreibt jeder Milchproduzent industrielle Landwirtschaft.
Nach der Definition aus Wikipedia ist jeder Melkvorgang, sollte er nicht von Hand erfolgen, ein industrieller Prozeß, auch wenn nur 20 Kühe gemolken werden:

 

Kennzeichen agrarindustrieller Betriebe sind unter anderem:

  • ein hoher Spezialisierungsgrad: Die Spezialisten sind die Milchkühe, sie werden zur Milchproduktion gehalten, Zwei- oder Mehrnutzungsrinder sind die absolute Ausnahme.

  • die Verwendung technischer Verfahren: das ist in diesem Fall die Melkmaschine, mit Melkgeschirr, Meß- und Wiegeeinrichtungen, Vakuumpumpen und der Milchkühlung.

  • ein hoher Kapitaleinsatz: eine Melkmaschine ist nicht gerade billig, die Melktechnik erfordert einen hohen Kapitalbedarf, man könnte sich für das Geld auch ein Auto der gehobenen Klasse kaufen.

  • und der Übergang zu standardisierter Massenproduktion: Der Melkvorgang ist bei jeder Kuh gleich, also standardisiert: Euter reinigen, anrüsten, vormelken, Melkgeschirr ansetzen, melken.


Anmerkungen

Interessierte sowie neue Leserinnen und jene, die ihnen nachlaufen, können sich meine Artikelreihe „Tierwohl beim Milchvieh“ ansehen, die ich letztes Jahr für die DLG geschrieben habe.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

19 Kommentare

  1. Ja, industrialisiert und rationalisiert muss ein Grossbauernhof mit nur wenigen Angestellten sein und ohne diese Industrialisierung/Rationalisieurung wäre es gar nicht möglich, dass Deutschland eine fast selbstversorgende Landwirtschaft hat, aber weniger als ein 1% der Arbeitenden in der Landwirtschaft beschäftigt.
    Frage: Warum dann ist “industrialisiert” ein Schimpfwort, wenn man dieses Wort im Zusammenhang mit der Landwirtschaft erwähnt?
    Antwort: Weil der Konsument/Städter “industrialisisert” mit nicht tiergemäss und nicht naturgemäss identifiziert. Schliesslich sind Industrie und Natur ja Gegensatzpaare.
    Dabei wird vergessen, dass Menschen auch ohne industrielle Mittel nicht von vornherein tier- und naturfreundlich vorgehen, wenn sie Landwirtschaft betreiben. Umgekehrt kann ein automatisierter,industrialisierter Betrieb durchaus tier- und naturfreundlich sein, wenn er darauf ausgerichtet ist. Industrialisiert muss ja nicht tierignorant heissen, muss nicht heissen, dass zuerst der Profit und erst ganz am Schluss das Tier kommt – zumal nicht richtig behandelte Tiere auch keinen Profit abwerfen.
    Klar könnte man diese verbreitete Haltung der Konsumenten und Bevölkerung gegenüber der Landwirtschaft ändern. Dazu müsste man nur ein paar Fernsehsendungen machen in denen man die beiden Landwirtschaftsformen – industriell und öko – einander gegenüberstellt und zwar nicht nur mit Positivbeispielen, sondern auch mit Negativbeispielen und mit Negativbeispielen auch auf der Seite des Ökolandbaus. Doch wer will schon den Leuten ihre (Vor-)Urteile nehmen (?) – zumal sie anschliessen weniger Geld ausgeben würden.

    • Hallo Herr Holzherr,

      mal andersherum gefragt: warum muss überhaupt etwas gegenübergestellt werden? Ich halte diese Debatten, die sich maßgeblich um bio vs. konventionell und voce versa drehen für das maßgebliche Problem, zumal in diesem Rahmen immer das eine das Gute darstellt, während das andere faktisch anzulehnen ist. Was was ist, hängt dann wieder davon ab, auf welcher Seite jene stehen, die sich äußern.

  2. Off-Topic: Die geplante grosse Koalition aus SPD und CDU/CSU hat in ihren Sondierungsverhandlungen dazu zugestimmt, Glyphosphat aus dem Verkehr zu ziehen (Zitat SPON): Der Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in der Landwirtschaft soll drastisch reduziert werden. Ziel sei es, die Verwendung von Glyphosat grundsätzlich zu beenden.
    Dabei ist die Schädlichkeit von Glyphosphat für den Menschen nicht erwiesen. Das Verbot macht nur Sinn, wenn Deutschland sich nicht nur von Glyphosphat, sondern von allen Herbiziden verabschieden will, denn die meisten andern Herbizide haben mehr negative Auswirkungen als Glyphosphat. Ein Glyphosphatverbot wöre sinnvoll als Bekenntnis zu einer anderen Landwirtschaft so wie ein AKW-Verbot ein Bekenntnis zu einer anderen Energiepolitik und -versorgung ist.
    Für mich gilt aber: ob eine Landwirtschaft ohne Herbizide und ohne Gentech eine bessere ist, bezweifle ich so wie ich auch bezweifle, dass eine Energieversorgung ohne AKW besser ist. Oft stecken hinter solchen Technikverboten romantische Vorstellungen und Deutschland war ein Vorreiter in der Romantik und hat wohl auch heute noch viele „Vordenker“, die Idealen nachhängen, welche mit unserer modernen, technisierten und wissenschaftsorientierten Welt in Konflikt stehen.

  3. Die gesteckten Klimaziele können nicht erreicht werden, weil u.a. die großen Fleisch- und Milchkonzerne jede Menge klimaschädliches Treibhausgas produzieren. Zudem sorgt die maßlose Überdüngung durch die Landwirtschaft für eine übermäßig hohe Konzentration von Nitrat im Grundwasser. Gülle wird sogar aus den Niederlanden angekarrt, da es den dortigen Fleischproduzenten an Flächen fehlt sie auszubringen. Auf die Tiere wird kaum Rücksicht genommen, so wurde beispielsweise die jährliche Milchleistung von Kühen von 3328 Litern im Jahre 1960 auf 8395 Litern im Jahre 2016 gesteigert. Es geht also um mehr als um die Frage, ob sich Hochleistungskühe während ihres kurzen Lebens in einem großen Betrieb wohlfühlen. Trotz üppiger Agrarsubventionen müssen viele kleinere Betriebe aufgeben, weil sie mit den Großen nicht mehr mithalten können, denn wer viele Hektar bewirtschaftet erhält auch mehr Geld aus dem Steuertopf.

    Ein anderes Problem ist das Insektensterben. Dazu heißt es auf Frontal 21: Die Wissenschaftler machen dafür die intensive Landwirtschaft verantwortlich, die durch immer größere Ackerflächen, den massiven Einsatz von Pestiziden und maßlose Überdüngung den Lebensraum von Tieren und Pflanzen immer kleiner werden lässt. Der starke Druck, Lebensmittel so billig wie möglich anzubieten, führe zu der extremen Intensivierung der Landwirtschaft. Viele Forscher und Naturschützer fordern deshalb eine grundlegende Umorientierung der Agrarpolitik, um der fortschreitenden Zerstörung der biologischen Vielfalt Einhalt zu gebieten.

    Nun gibt es sicher Landwirte, die sich um die Umwelt sorgen und Naturschutzproramme unterstützen. Allerdings lässt sich eine nachhaltige Landwirtschaft nicht von heute auf morgen durchsetzen. Zumal vieles von den großen Konzernen abhängt, die über die landwirtschaftliche Produktion bestimmen und unsere Ernährungsgewohnheiten der industriellen Landwirtschaft angepasst haben. Angesichts der vielfältigen Probleme wird jedoch ein generelles Umdenken stattfinden müssen. Es braucht nicht nur eine Energiewende, sondern auch eine damit verzahnte Agrarwende, damit wir unsere Lebensgrundlagen nicht zerstören und auch künftige Generationen noch in einer halbwegs intakten Umwelt leben können.

    • @Mona (Zitat} : Die Wissenschaftler machen dafür die intensive Landwirtschaft verantwortlich, die durch immer größere Ackerflächen, den massiven Einsatz von Pestiziden und maßlose Überdüngung den Lebensraum von Tieren und Pflanzen immer kleiner werden lässt.
      Dass die Landwirtschaft durch immer grössere Ackerflächen immer weniger Natur übriglässt hat unter anderem mit dem im Rahmen der Energiewende geförderten Anbau von Energiepflanzen zu tun. Wie der WWF unter BIOENERGIE HOLZ- ODER KÖNIGSWEG? berichtet, gilt: Deutschland baut mittlerweile Energiepflanzen auf 2,2 Millionen Hektar Agrarfläche an. Das ist rund ein Fünftel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Den Großteil davon bestimmen Mais- und Rapspflanzen, um sie zu Biogas und Biodiesel zu verarbeiten.
      Dabei ist längst klar, dass der Nutzen dieser Energiepflanzen für die Energiewende, für die Vermeidung von CO2-Emissionen äusserst beschränkt ist. Dafür dann auch noch soviel Landfäche zu opfern, heisst nichts anderes als immer mehr Fläche, ja schliesslich jede Fläche irgend einem Nutzen zuzuführen. Naturschutz bedeutet für mich dagegen, dass man möglichst viele Flächen der Natur zurückgibt indem man nur das anbaut, was man unbedingt braucht und indem man den Flächenertrag möglichst erhöht (unter anderem mit ertragreichen Sorten und mit Dünger).

      • @Martin Holzherr

        In Bezug auf die Energiepflanzen gebe ich Ihnen recht. Den Naturschutzverbänden war der im Jahre 2009 eingeführte Landschaftspflegebonus, der es erlaubte landwirtschaftlich erzeugte Feldfrüchte in Biogasanlagen einzusetzen, immer ein Dorn im Auge. Mit Einführung des EEG 2014 gab es eine Deckelung der zu erzeugenden Strommenge und der garantierte Preis für Strom aus Biomasse wurde gesenkt. Was daran liegen mag, dass seine Klimabilanz nur halb so gut ist wie die von Windenergie, obwohl die Kilowattstunde doppelt so teuer ist. Trotzdem muss der Stromverbraucher wegen des EEG den Maisanbau für Biogasanlagen mit ca. 2000 Euro pro Hektar bezuschussen, während der Biolandbau gerade mal ein Viertel davon erhält. Da ist es nicht verwunderlich, dass es in Landkreisen mit hohen Pachtpreisen kaum noch Biobauern gibt.

    • @Mona (Zitat):

      Nun gibt es sicher Landwirte, die sich um die Umwelt sorgen und Naturschutzproramme unterstützen. Allerdings lässt sich eine nachhaltige Landwirtschaft nicht von heute auf morgen durchsetzen.

      Ein Landwirt bewirtschaftet sein Land. Wo Getreide und Futterpflanzen wachsen, dort wächst sonst fast nichts mehr und auch Die Tiervielfalt geht zurück (Vögel werden gar abgeschossen). Dass der Landwirt die Artenvielfalt fördern soll ist für mich ein Widerspruch in sich. Oder meint man damit, dass der Landwirt zwischen den bewirtschafteten Feldern ein paar unbebaute Streifen übriglässt? Dabei wäre der Naturerhalt ganz einfach zu erreichen. Nicht durch nachhaltige Landwirtschaft, sondern durch fehlende Landwirtschaft, also dadurch, dass es auch noch andere Flächen als bewirtschaftete gibt.

      • @Martin Holzherr

        In Amerika gibt es einerseits eine intensive Landwirtschaft und andererseits Nationalparks mit Natur pur. Viele Leute sind der Ansicht, dieses Modell ließe sich auch auf Deutschland übertragen und vergessen dabei wie klein unser Land im Verhältnis zu Amerika ist. Aus diesem Grund könnte sich Deutschland, die durch die US-amerikanische Landwirtschaft verursachte Bodenzerstörung gar nicht leisten. Wir müssen also einen Weg finden Landwirtschaft und Naturschutz unter einem Hut zu bekommen und dazu gehört auch, “dass der Landwirt zwischen den bewirtschafteten Feldern ein paar unbebaute Streifen übriglässt”.

        • Grüß Dich Mona,

          in den USA weiß man schon seit den 30ern des 20. Jahrhunderts, dass boden-zerstörende Praktiken keine gute Idee sind. Deshalb gehört die USA auch zu den größten Adaptoren der pfluglosen Bodenbearbeitung. Und wo wir gerade drüben sind: wenn es um die Vereinbarkeit von Landwirtschaft und Naturschutz geht, gibt es für mich derzeit kaum eine elegantere Variante als die Rinderhaltung auf Ranches. Dort herrscht eine hohe Biodiversität.

          • Hallo Sören,

            ja, auch die USA mussten lernen wie sie die Umweltzerstörung durch die Landwirtschaft in den Griff bekommen. Vor einiger Zeit las ich mal einen Artikel über die amerikanischen Bodenexpertin Jill Clapperton, die sich für ein besseres Bodenmanagement einsetzt. Ihre Erkenntnisse sind immer noch hochaktuell und eignen sich gut als kleine Bettlektüre. 😉
            https://www.dsv-saaten.de/export/sites/dsv-saaten.de/extras/dokumente/dsv-presse/geschichten-aus-dem-untergrund.pdf

          • Guten Morgen Mona,

            Clapperton ist nur eine von vielen…das ist mittlerweile eine ganze Bewegung. Auf der einen Seite jene, die den Pflug verbannt haben, und im großen Stil bodenkonservierende Methoden anwenden, auf der anderen jene, die sich den Ranches und dem dortigen grazing management angenommen haben. Gib mal “soil carbon cowboys” bei Google ein. Dann gibt es da noch diesen Verein: https://quiviracoalition.org/

        • @Mona: Wie soll es die Insektenvielfalt von früher geben, wenn es kaum noch Freiflächen gibt? Sollen nachhaltig wirtschaftende Bauern etwa Insekten Zuflucht gewähren – auf Wildwiesen, die von Bauern unterhalten werden?
          Dabei gibt es ja wenig bewirtschaftete Wälder in Deutschland. Auch Wildwiesen sollte es geben. Aber es gibt erstaunlicherweise gerade unter Grünen und Unterstützern der Erneuerbaren ein paar, die die Natur vor allem als “natürliche” Energiequelle sehen. Dort wo man keine Windturbinen und Solarpanels hinstellen kann und wo auch Landwirtschaft wegen der schlechten Bodenqualität nicht rentiert, dort wollen sie Energiepflanzen hochziehen. Mit dem Resultat, dass keine Landfläche mehr ungenutzt bleibt. Wenn aber alles unter der Kontrolle des Menschen ist, dann kommt es gar nicht mehr so drauf an ob Dünger und Pestizide eingesetzt werden, denn auch biologisch arbeitende Landwirte müssen Schädlinge und Unkräuter vernichten und alles was keinen Ertrag bringt, sondern den Ertrag sogar schmälert ist für einen Landwirt ein Schädling oder ein Unkraut.

          • @Martin Holzherr

            Wie soll es die Insektenvielfalt von früher geben, wenn es kaum noch Freiflächen gibt? Sollen nachhaltig wirtschaftende Bauern etwa Insekten Zuflucht gewähren – auf Wildwiesen, die von Bauern unterhalten werden?

            Manchmal muss man neue Wege gehen. So soll das kürzlich gegründete Verbundprojekt F.R.A.N.Z. Naturschutzmaßnahmen und landwirtschaftliche Bewirtschaftungskonzepte vereinen. Ziel ist es gemeinesame Lösungen zum Artenerhalt zu entwickeln, die sich in die betrieblichen Arbeitsabläufe integrieren lassen ohne die Rentabilität der Betriebe zu beinträchtigen. Momentan gibt es zehn Demonstrationsbetriebe deren Ergebnisse später auf landwirtschaftliche Betriebe bundesweit übertragen werden.

          • @Mona: Der Insektenschwund um bis zu 75% gegenüber 1990 wurde in deutschen Naturschutzgebieten festgestellt. Die Landwirtschaft in der Umgebung dieser Naturschutzgebiete scheint dabei eine Rolle zu spielen wie man in Wissenschaftler bestätigen dramatisches Insektensterben liest (Zitat): Bei den Untersuchungsflächen weisen nämlich 90 Prozent der Standorte im Umfeld intensive Landwirtschaft auf. Damit sind diese Standorte ganz typisch für Schutzgebiete der heutigen Kulturlandschaft Deutschlands.

            Etwa 60 Prozent aller Naturschutzgebiete sind hierzulande kleiner als 50 Hektar [Quadrat von 700 auf 700 Meter]. Die Gebiete werden durch ihre Insellage und durch ihre langen Außengrenze stark von ihrer Umgebung beeinflusst – äußere Einflüsse, wie der Eintrag von Pestiziden oder Nährstoffen (Eutrophierung) können nicht ausreichend abgepuffert werden. So liegt es nahe, dass durch Praktiken der intensiven Landwirtschaft der Erhaltungszustand vieler Schutzgebiete massiv beeinträchtigt wird – und nicht zuletzt der von Insekten.
            Meine eigene Schlussfolgerung ist eher, dass nicht die Landwirtschaft geändert werden muss, sondern dass Naturschutzgebiete grösser sein sollten. Ideal wären netzartig verbundene Naturschutzgebiete, denn dann könnten Tiere innerhalb dieser Gebiete wandern. Das Naturschutznetz müsste frei sein von Autostrassen und dürfte als einzige Bebauungen Forschungs- und Touristen/Besucherstationen besitzen. Ich bin überzeugt, schon 10% der deutschen Landesfläche [ also 35’000 Quadratkilometer] würden genügen um den meisten Tieren inklusive Insekten den nötigen Lebensraum zu geben. Diese 35’000 Quadratkilomter gesamtdeutsches Naturschutzgebiet entsprechen 100 Quadraten mit je einer Seitenlänge von 18 Kilometern. Diese Quadrate könnte man mehr oder weniger gleichmässig auf ganz Deutschland verteilen und sie mit Korridoren verbinden.

    • Der Autor des Whole Earth Catalogs, Stewart Brand, für den Genpflanzen, Städte und AKW’s grün sind, sagt folgendes (siehe TED: 4 environmental heresis):

      Die Menschen verlassen die Armutsfalle, eine ökologische Katastrophe der Subsistenzwirtschaft, und ziehen in die Stadt. Und wenn sie weg sind, kehrt die natürliche Umwelt sehr schnell wieder zurück. Und diejenigen, die im Dorf bleiben, können sich auf die Cash Crop-Kulturen umstellen, um Lebensmittel zu den neuen Wachstumsmärkten in der Stadt zu schicken. Wenn Sie also ein Dorf retten wollen, dann tun Sie es mit einer guten Straße, oder mit einem guten Handyanschluss, und idealerweise mit Strom aus dem Stromnetz.

  4. @Martin Holzherr

    Zitat: Meine eigene Schlussfolgerung ist eher, dass nicht die Landwirtschaft geändert werden muss, sondern dass Naturschutzgebiete grösser sein sollten. Ideal wären netzartig verbundene Naturschutzgebiete, denn dann könnten Tiere innerhalb dieser Gebiete wandern. Das Naturschutznetz müsste frei sein von Autostrassen und dürfte als einzige Bebauungen Forschungs- und Touristen/Besucherstationen besitzen.

    Ihre Schlussfolgerung hört sich auf den ersten Blick zwar gut an, lässt sich in der Praxis aber kaum durchsetzen. Zumal die einzelnen Grundstücke ja Besitzer haben, von denen sich nicht alle über ein neues Naturschutzgebiet freuen dürften, da sie finanzielle Verluste oder Einschränkungen befürchten müssten. Außerdem kam es ja gerade in jenen Naturschutzgebieten zu einem drastischen Insektenrückgang, in deren Nähe intensiv Landwirtschaft betrieben wurde. Landwirtschaft und Naturschutz sollten keine getrennten Wege gehen. Was wir brauchen ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.

    • @Mona: heute gibt es in Deutschland 8710 Naturschutzgebiete (4% der Landesfläche von D) und jedes davon als Quadrat idealisiert hat eine Seitenlänge von 700 Metern oder weniger. Das sind also kleine Inseln, die zwangsläufig vom umgebenden landwirtschaftlich genutzten Land stark beeinflusst werden. Mein Vorschlag sieht nur noch 100 Naturschutzgebiete vor auf insgesamt 10% der Landesfläche und jedes dieser Naturschutzgebiete davon als Quadrat idealisiert hat eine Seitenlänge von 18 Kilometern. Das gibt Tieren und Pflanzen dort weit mehr Chancen und Möglichkeiten.
      Ihr Vorschlag dagegen sieht vor Naturschutz im Rahmen der Landwirtschaft zu betreiben. Das ist möglich würde aber das Aus für sehr viele Tiere und Pflanzen bedeuten, die einfach mehr Lebensraum benötigen.

      • @Martin Holzherr

        Ihr Vorschlag dagegen sieht vor Naturschutz im Rahmen der Landwirtschaft zu betreiben. Das ist möglich würde aber das Aus für sehr viele Tiere und Pflanzen bedeuten, die einfach mehr Lebensraum benötigen.

        Ich denke, hier liegt ein Missverständnis vor. Ich plädiere dafür, dass Naturschutz auch im Rahmen der Landwirtschaft betrieben wird, also zusätzlich zu den bestehenden oder noch auszuweisenden Naturschutzgebieten. Siehe dazu die Projekte des Bundesprogramms, die z.T. auch die Verbindung von Lebensräumen zur Erhöhung der biologischen Vielfallt im Programm haben (S.25).

        • Ja, da muss ich ihnen recht geben. Auch die Landwirtschaft kann etwas zum Arten- und Biotoperhalt beitragen, aber sogar Städte können über die Art und Weise wie sie ihre Parks, Naherloungsgebiete und Freiflächen unterhalten, dazu beitragen.

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