• Von Reimund Schwarze
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Unheilvolle Verbindung von Coronakrise und Klimakrise

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Grenzgänger zwischen den Disziplinen
Umweltforsch

Wir stehen vor der größten wirtschaftlichen und sozialen Krise der Nachkriegszeit. Und das weltweit. Eine Folge ist ein drastischer Einbruch beim CO2-Ausstoß, weltweit. Aktuelle Schätzungen sprechen von gut 2 Gigatonnen (GT) in diesem Jahr (2020), entsprechend einer Minderung von minus 5,5% bezogen auf die aktuellen Emissionen von 38 GT. Das wäre nicht nur 4-mal so viel wie in der Finanzkrise 2008/2009, sondern auch mehr als doppelt so viel wie im 2. Weltkrieg oder während der großen Rezession der 1920-er Jahre. Es wäre der größte je dagewesene Einbruch der CO2-Emissionen in der Industriegeschichte. Und keiner kann sagen, ob es dabei bleibt! Alles hängt von der Dauer der Pandemie, d.h. letztlich vom Erfolg der weltweiten Bemühungen um einen Impfstoff und kluger politischer Steuerung der Schutzmaßnahmen ab. Es kann daher viel mehr oder auch viel weniger sein!    

Eins steht für mich fest: Dies ist nicht der Weg zur Erreichung der Treibhausgasneutralität und des  1,5°C-Ziels des Pariser Abkommens. Wenn ich auf den jetzt schon erkennbaren Schaden für die internationale Politik schaue, und damit meine ich nicht nur die internationalen Klimaverhandlungen, sonst generell die UN, Stichwort Trump und die WHO, aber auch das bisherige Versagen der EU, dann komme ich zu der Wertung, dass die politischen und ökonomischen Kosten einer „Klimapolitik mittels Lockdown“ höher wären als die Kosten einer Verfehlung der Ziele des Parisabkommens.

Die Kollegin Anita Engels von der Uni Hamburg hat dies kürzlich schlüssig dargelegt. Die Coronakrise stellt eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben für alle Menschen dieser Welt dar, während die Klimakrise daran gemessen als globales Risiko hintansteht. Die Pandemie verlangt nach sofortigem Abwehrhandeln, wenige Wochen machen hier den Unterschied, während die Klimakrise einer anhaltenden strategischen Vorsorge bedarf, auch mit tiefen Einschnitten in unser Leben und Wirtschaften, aber nicht im Handumdrehen und schon gar nicht mit unbegrenzten Beschränkungen der demokratischen Rechte, wie aktuell in Ungarn oder der Türkei. Ich habe angesichts dieser Entwicklungen erklärt, dass ich jedenfalls nicht mehr von einem Klimanotstand reden werde, der nur irgendwie vergleichbare Notstandspolitiken rechtfertigen könnte. Ich möchte daher auch weder ökologische Hoffnungen mit der Bekämpfung der Pandemiefolgen verbinden, sondern allenfalls Befürchtungen äußern, wenn es um die Abwägung der Maßnahmen im Rahmen des weltweiten Abwehrhandelns geht.

Mein wichtigster Gesichtspunkt ist dabei, den eingeschlagenen Kurs der Klimapolitik in der EU zu halten. Stichwort „Green Deal“. Der muss Teil unserer Verfassung werden, die langfristig nicht außer Kraft gesetzt werden kann. Die Grundidee der Verbindung von Wachstum und Klimaschutz des Green Deal scheint mir dabei sogar besonders geeignet, um langfristig aus den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise wieder herauszukommen. 

Damit zu den Folgen für die internationalen Klimaverhandlungen. Für die UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) ist die Corona-Krise aus meiner Sicht ein großes Unglück, das dazu führen wird, dass alle wichtigen politischen Meilensteine des Pariser Abkommens verfehlt werden. Und nicht nur das, denn die Grundlagen drohen zu erodieren. Beispiel CORSIA, also Emissionspolitiken im internationalen Flugverkehr: Ich höre bereits das Hufenscharren der Gegner von Einschnitten bei der Zunahme der CO2-Emissionen des internationalen Flugverkehrs angesichts der Lage der Flugzeugflotten am Boden im Jahr 2020. Bereits Beschlossenes wird wieder aufgemacht und damit gefährdet. Ähnliches sehe ich auch bei dem Pariser Abkommen voraus. Etwa bei den Finanzbeiträgen der Industrie- und Schwellenländer zum Green Climate Fund, die ja bereits in diesem Jahr auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr anwachsen müssten. Das ist finanziell und praktisch in einer eingefrorenen Weltwirtschaft nicht realisierbar. Damit werden Ausnahmetatbestände geschaffen, mit denen wir noch lange zu kämpfen haben werden, wenn wir hier keine scharfe Trennlinie ziehen.

Deshalb bitte weder „klammheimlich freuen“, noch daran irgendwelche Hoffnungen knüpfen, dass dieses Jahr alle Emissionsziele erreicht und sogar übererfüllt werden, sondern sich davon lösen und auf die langfristigen Effekte schauen. Und die bedeuten: Langfristig bleiben wir im Klimakrisen-Modus, dieses Jahr in Mitteldeutschland aller Voraussicht nach im Dürre- und Waldbrandmodus, und langfristig politisch müssen wir den Green Deal in den Verfassungen Europas verankern. 

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Reimund Schwarze ist Klimaexperte im Department Ökonomie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Als Professor für Volkswirtschaftslehre hält er Vorlesungen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Seine Forschungsschwerpunkte sind ökonomische und juristische Untersuchungen zur Klimapolitik. Er beobachtete in den letzten Jahren die Klimakonferenzen der UNO und berichtete davon im UFZ-Klimablog.