Weihnachtsstern

Seit Jahren tippe ich um diese Jahreszeit dasselbe – aber dieses Jahr spare ich es mir, sondern verweise auf meinen mündlichen Vortrag (30 min exakt), in dem ich die wahre Geschichte des Weihnachtssterns erkläre und warum er wohl nichts mit der Jupiter-Saturn-Konjunktion zu tun hat.

Allerdings unbedingte Beobachtungsempfehlung: Dieses Jahr wird eine besonders enge Jupiter-Saturn-Konjunktion eintreten, das ist auf jeden Fall ein Himmelsschauspiel 🙂 … auch und vor allem ohne Weihnachtsmythologie. 

Der Stern ist ein Symbol und steht in einer langen Tradition, die Religionswissenschaften längst erörtert hat (gleiches für Elemente der Ostergeschichte, die Offenbarung des Johannes etc. pp). Wer es noch immer nicht glaubt, hier die rein astronomiehistorische Perspektive. 

Folgende Anmerkungen dazu: 
1) am Anfang hab ich mich etwas verhaspelt mit den Aposteln und Evangelisten. Das würde zu einer Nebendiskussion führen, die völlig irrelevant ist fürs Thema: bitte um Verzeihung, das möchte ich nicht diskutieren. 

2) Oft höre ich nach meinem Vortrag den Einwand, dass Ereignisse von 2 bzw. 3 v.Chr. nicht zur Chronologie passen (König Herodes starb 4 v.Chr.). 

Ich hatte das bereits 2012 hier im Blog als Gegenargument ausführlicher beschrieben, da ich damals noch alle Theorien ungewertet nebeneinander stellte und mit der Botschaft herumlief “wir wissen’s nicht und werden es vermutlich nie erfahren”. Diese Botschaft habe ich immer noch, begleitet von der Botschaft “keiner weiß, ob der Stern genau in der Nacht von Jesu Geburt erschien und es spielt für die Geschichte überhaupt keine Rolle”.

Inzwischen bin ich aber der Ansicht, dass es völlig egal ist, welcher Herodes gerade regierte, weil Jesu Kindheit und Jugend überhaupt nicht historisch belegt ist, sondern erst Jahrzehnte später als Gemisch aus “Oral History” und Selektion von relevant Erachtetem plus gewiss einigen Ausschmückungen und Verschweigungen aufgeschrieben und mithin kanonisiert wurde.

Ich sehe die Sache als Missionsgeschichte. Der Stern sollte die Missionsarsbotschaft legitimieren (und eine Jupi-Sat-Konj. hätte das nicht). Darum muss er a) zur babylonischen Astrologie passen und b) zur römischen Propaganda, die im Gedächtnis der damaligen Zuhörer war. c) Er muss nicht zu einer bestimmten Zeit aufgeleuchtet sein, weil niemand weiß, wann genau Jesus geboren wurde – und das war damals übrigens nicht anders, weil Geburtstage nicht aufgeschrieben wurden (und in vielen Ländern ist das bis heute so, besonders denen mit schwächerer Infrastruktur und Verwaltung). 

Die Historizität des Berichts würde ich gänzlich abstreiten.
Die Bibel ist keine historische Quelle.
Sie ist ein Buch des Glaubens und der Sitte.
Die Erzählungen darin sind voller Symbole und Metaphern und kein Forschungsgegenstand der Astronomie, sondern der Religionswissenschaften.

3) In diesem Zusammenhang noch die Bemerkung:
Babylon lag damals im Partherreich, d.i. bis zur Pax Augustae der römische Staatsfeind Nr 1. Aufgrund des damaligen Eisernen Vorhangs war der Kontakt lange abgebrochen und ganz sicher sind keine Magi aus Babylon ins gerade friedliche Feindesreich gewandert, um einem für beide Großmächte (Parther, Römer) unbedeutenden Volk einen neuen eigenen König zu verheißen.
Das Gestirn gehört zum Messias wie der Himmel zu Gott – und “legitimiert” wird das Gestirn – für die damaligen Menschen – durch die “NASA der Antike”, d.i. babylonische Astralwissenschaftler.

Nebenbei bemerkt: Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass wir diese “drei Könige” nennen? Wieviele Könige gab es, glauben Sie, gleichzeitig in Babylon? Es ist ein Bild, wenn fremde Könige (i.S.v. Würdenträgern) vor Jesus niederknien: Das bedeutet etwas – aber nichts astrologisches!

Darum denke ich, dass das ganze Narrativ bei Matthäus im augusteischen Kontext betrachtet werden sollte. Und das dürfen wir einem modernen Publikum auch im Planetarium zumuten – auch wenn der Papst persönlich zuhören würde, denn es ändert nichts am Glauben an Jesus Christus als dem Erlöser – als Licht der Welt, Friedensbringer und als Büßer für die Sünden anderer. 
Für den modernen Christen ist der Stern völlig egal – nur für manche zu Missionierenden damals war er aus den besagten Gründen relevant. 

4) Neben dem von mir erwähnten religionswissenschaftlich-historischen Buch von Söding (Hrsg) ergänzte ein Hörer meines Vortrags noch dieses Buch: 

Barthel, P. und van Kooten, G.: “The Star of Bethlehem and the Magi”, 2014, Groningen.

Danke! 

[ich wusste von der Konferenz; ein Kollege war damals dabei und hatte davon berichtet – aber hatte die Buchpublikation nicht weiter verfolgt, sorry]

Zusammenfassung: 

Die Frage “Was war der Stern von Bethlehem?” ist in dieser Form falsch gestellt.
Wissenschaftlich bearbeitet wird sie durch die Religionswissenschaft. 

Für die besonders bibeltreuen Astronomen müsste sie richtig lauten: “Woran, an welche Seh-Erfahrung, wollte Matthäus seine Zuhörer erinnern, als er ihnen sagte, dass ein Stern erschienen ist.” 

Antworten: 
 i) an den augusteischen Astrologie-Kult in vielerlei Hinsicht, astrale Symbole auf Münzen etc. pp. 
 ii) die Zeit (nicht eine konkrete Nacht), in der Jesus geboren wurde, also die Zeit der Eltern und Großeltern der Zuhörenden. 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

6 Kommentare

  1. Der Frühlingspunkt steht per definitionam fest – kann sich folglich nicht bewegen – die Sternbilder wandern aber rum: weswegen Regulus jetzt bekanntlich in der Jungfrau steht …

    Augustus stellte sein Mond-Zeichen dar, er war Mond im Steinbock – sonst nette show – Kepler hat mit der 3-fach Konjunktion meines Erachtens schon das Richtige getroffen, denken wir ans salomonische Siegel.

    Augustus siehe hier:

    https://www.astro.com/astro-databank/Augustus,_Roman_Emperor

    • d.i. Geschmackssache: Bewegungen sind immer relativ – und das ist eine Erkenntnis, die 115 Jahre alt ist – vor allem, da in der Antike es andersrum definiert war (zu der Zeit der Entdeckung)

      • Währen Bewegungen immer relativ, wie könnten wir sie messen? Geschmackssache ist das meines Erachtens nicht.

        Stelle man sich vor, der Frühlingspunkt würde sich tatsächlich bewegen; dann wäre auch keine Vermessung des Himmels möglich, denn der Frühlingspunkt würde sich wohl mit bewegen?

        “Zeit der Entdeckung” – von was? Der älteste mir bekannte Tierkreis wird auf 10 000 Jahre a. Chr. datiert (Höhlenzeichnung) – und da gibt´s noch viel ältere Hinweise – die Sterne haben sich während dieser Zeit wohl immer relativ zu unserer Perspektive bewegt und wurden bestimmt nicht von Ptolemäus entdeckt? Dass die “Alten” solches nicht wussten, ist eine gewagte Hypothese.

  2. Es gab vom 22. bis 24. Oktober 2014 an der Universität Groningen eine interdisziplinäre Tagung mit dem Titel „The Star of Bethlehem and the Magi, Interdisciplinary Perspectives from Experts on the Ancient Near East, the Greco-Roman World, and Modern Astronomy“, https://www.rug.nl/research/portal/publications/the-star-of-bethlehem-and-the-magi(71e9b2f1-224e-4a82-bc0b-fb06e414dad1).html.
    Es ist auch ein Tagungsband mit den Vorträgen erschienen: https://brill.com/view/title/32550.

      • WEIHNACHTSSTERN UND STERNENWELT

        Ein kleines Gedicht

        Die Sonne, unser Heimatstern,
        sendet Licht und Wärme von fern.
        Sonst gäb es Homo sapiens nicht,
        und wohl auch kein Sternengedicht.

        Der Weihnachtsstern, in seiner Pracht,
        leuchtet uns zur Heiligen Nacht.
        Es grüßt uns, hoch vom Himmelszelt,
        das ganze Jahr die Sternenwelt.

        Deklination und Rektaszension
        bestimmen die Sternposition.
        Die Parallaxe indessen
        hilft uns beim Entfernung messen.

        Wir sehen Sterne blau und rot,
        neugeboren, auch kurz vorm Tod;
        oder uns’rer Sonne ähnlich,
        mittelalt und leuchtend gelblich.

        Da gibt es Riesen und Zwerge
        verschiedenster Leuchtstärke.
        All dieser Sterne Profession
        ist im Innern die Kernfusion.

        Sternenheimat sind Galaxien,
        die mit ihnen durchs Weltall zieh’n.
        Meist von Planeten umgeben,
        gibt’s ohne Sterne kein Leben.

        Die Sterne sind bis zum Ende
        Geburtsort der Elemente.
        Nach dem Eisen ist damit Schluss,
        von den Sternen ein letzter Gruß.

        Für Elemente superschwer
        muss eine Supernova her.
        Der Mensch, ein Kind der Sterne,
        betrachtet’s aus der Ferne.

        Rainer Kirmse , Altenburg

        Herzliche Weihnachtsgrüße aus Thüringen

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