Tür 11: Dreieck und Widder

Das Dreieck, in alten Sternkarten mitunter auch “die Triangel” genannt, ist ein Sternbild, bei dem sich viele Lehrkräfte und Moderatoren in Planetarien fragen, was das soll. Flapsiger Kommentar, den ich hin und wieder hörte “Geodreieck – hat da jemand liegen lassen”. Aber so war das natürlich nicht im Altertum!

Eratosthenes (-3./-2. Jh.) erklärt vielmehr, dass wir den griechischen Buchstaben Delta Δ erkennen sollen. Konsequenterweise heißt das Sternbild im Altertum bei Aratus (-4./-3. Jh.) und Co eben auch “das Schriftzeichen” oder Deltoton. Auch Eratosthenes weiß aber nicht, warum dieses Schriftzeichen – im Gegensatz zu den anderen 24 Buchstaben des griechischen Alphabets – an den Himmel versetzt wurde. Zwei hauptsächliche Vorschlage seien zitiert: Erstens könnte es sein, dass das Delta so wichtig ist, weil es der Anfangsbuchstabe des Göttervaters ist: “EK ΔIOΣ APX ΩMEΣΘA… Mit Zeus lasst uns beginnen,” beginnt auch Aratos seine einleitenden gottlobenden Verse, bevor das eigentliche Lehrgedicht beginnt (ΔIOΣ, Zeus). Zweitens könnte es aber auch sein, schreibt der Bibliothekar von Alexandria am Nil, dass das Schriftzeichen an “die Form Ägyptens” erinnert; wobei er wohl einen breiten Küstenstreifen mit einem “Wurmfortsatz” längs des Stroms im Landesinneren meinen könnte oder tatsächlich das, was wir heute das Nil-Delta nennen.

Door 11: Triangle and Aries

The Triangle, sometimes called “the triangle” in old star charts, is a constellation that has many teachers and presenters in planetariums wondering what it’s all about. A flippant comment I heard from time to time was “Geodreieck – someone left it there”. But of course that’s not how it was in ancient times!

Eratosthenes (3rd/2nd century) rather explains that we should recognise the Greek letter Delta Δ. Consequently, the constellation in antiquity is also called “the character” or deltoton by Aratus (-4th/3rd century) and Co. Even Eratosthenes, however, does not know why this character – in contrast to the other 24 letters of the Greek alphabet – was placed in the sky. Two main suggestions may be cited: First, it could be that the delta is so important because it is the initial letter of the father of the gods: “EK ΔIOΣ APX ΩMEΣΘA…. With Zeus let us begin,” Aratos also begins his introductory godly verses before the actual teaching poem begins (ΔIOΣ, Zeus). Secondly, however, it could also be, writes the librarian of Alexandria on the Nile, that the character recalls “the shape of Egypt”; whereby he could well mean a broad coastal strip with a “vermiform process” along the river inland, or indeed what we now call the Nile Delta.

Alexandria am Nil. Karte erstellt von mir mit Wolfram Mathematica 2014.

Das kleine Sternbild unter dem Herbstviereck fehlt ebenfalls (wie das Füllen auf dessen anderer Seite) auf dem Atlas Farnese. Wir haben also kein antikes Bild erhalten, das wir exakt auf die Sterne legen können (nur die zwei symbolischen Dreiecke auf den Globen Kugel und Mainz). Es dürfte allerdings in diesem Fall nicht schwer fallen, das Aussehen zu rekonstruieren, denn drei Sterne. die nicht auf einer Linie liegen, verbindet man nun einmal mit einem Dreieck. 

Widder

Wir sind im Tierkreis angekommen. Unter dem Herbstviereck befinden sich auch die schwachen Sterne des ersten Tierkreissternbildes. Das “erste” ist es, weil es im Jahreskreis das erste ist – keinesfalls das älteste. Im Gegenteil. Es ist unter den Sternbildern des Tierkreises dasjenige, das hinsichtlich seiner Herkunft die größten Rätsel aufgibt und wo sich die Forschung beim besten Willen nicht einigen kann.

Die Figur in den Sternkarten ist meist ein schlankes Lämmchen, weil es die Zeit der “Springe”, der Lämmergeburt markiert. In römischer Zeit wird das Lämmchen oft durch einen Ring hüpfend dargestellt, weil es den römischen Jahresbeginn (im Frühling) markiert. Dass der Ring auf dem Atlas Farnese (römische Zeit) fehlt, ist ein Indiz dafür, dass er – wie die meiste römische Kunst – die Kopie eines griechischen Originals ist.

The small constellation below the Autumn Quadrilateral is also missing (like the fill on its other side) on the Atlas Farnese. So we have not received an ancient image that we can place exactly on the stars (only the two symbolic triangles on the globes Kugel and Mainz). However, in this case it should not be difficult to reconstruct the appearance, because three stars that do not lie on a line are connected with a triangle. 

Aries

We have arrived at the zodiac. Under the autumnal quadrilateral are also the faint stars of the first zodiacal constellation. It is the “first” because it is the first in the zodiac – by no means the oldest. On the contrary. Among the constellations of the zodiac, it is the one that poses the greatest riddles as to its origin and where research cannot agree with the best will in the world.

The figure in the star charts is usually a slender little lamb because it marks the time of the “leap”, the birth of the lamb. In Roman times, the little lamb is often represented leaping by a ring because it marks the Roman beginning of the year (in spring). The fact that the ring is missing from the Atlas Farnese (Roman period) is an indication that it is – like most Roman art – a copy of a Greek original.

Das Schäfchen Aries auf dem Atlas Farnese zeigt dessen griechische Vorlage. Zeichnung SMH 2017.

Vielleicht war das griechische Bild ursprünglich ein syrisches oder griechisches Bild, das von den Mesopotamiern aufgenommen wurde – denkt z.B. Prof. John Wee (U Chicago). Vielleicht – und das ist m.E. wahrscheinlicher – ist diese Benennung aber auch ein babylonisches Wortspiel: und die Babylonier liebten Wortspiele!

 

Babylon

In babylonischen Himmelsbeschreibungen früheren Datum gab es an Stelle des Widders jedenfalls einen Lohnarbeiter. Der war freilich genauso unanschaulich in dieser sternarmen Gegend wie das Hornvieh, aber noch unklarer ist, wie aus einem Menschen ein Vierbeiner werden kann: Wahrscheinlich haben die Babylonier durch systematisches Abkürzen ein neues Wort gebildet: Das funktioniert ungefähr so als würde ich “Mesopotamien” systematisch mit “.pot.” abkürzen und irgendwann “Pott” schreiben, und ich hätte dann aus einem griechischen Lehnwort ein umgangssprachliches deutsches Wort mit anderer Bedeutung gemacht. – Anschaulich wird die Figur dadurch natürlich nicht.

Perhaps the Greek image was originally a Syrian or Greek image taken by the Mesopotamians – thinks e.g. Prof. John Wee (U Chicago). But perhaps – and this is more likely in my opinion – this naming is also a Babylonian play on words: and the Babylonians loved word games!

Babylon

In Babylonian descriptions of the heavens of an earlier date, there was in any case a wage-worker in place of the ram. This was, of course, just as obscure in this starless region as the horned cattle, but it is even more obscure how a human being can become a quadruped: The Babylonians probably formed a new word by systematically abbreviating it: This works roughly as if I were to systematically abbreviate “Mesopotamia” with “.pot.” and at some point write “pot”, and I would then have turned a Greek loanword into a colloquial German word with a different meaning. – Of course, this does not make the figure vivid.

Babylonische Sternbilder Alter Mann (Per), Lohnarbeiter (Ari) und Anunitu (And/Psc).

China

Auch dieses Sternbild strotzt nicht gerade vor Anschaulichkeit und ist daher in China in zahlreiche Asterismen zerpflückt. Es gibt hier keinen Grund menschlicher Wahrnehmungsphysiologie, diese Gegend in einer bestimmten Weise und nicht anders zu gruppieren – darum hat sich jede Kultur wirklich orts- und zeitabhängig stets etwas anderes vorgestellt.

China

This constellation, too, is not exactly brimming with vividness, and is therefore picked apart into numerous asterisms in China. There is no reason of human physiology of perception here to group this region in a certain way and not otherwise – that’s why every culture has really always imagined something different depending on place and time.

Chinesische Version der Region “Triangel” und “Aries, Widder”: Hier finden wir die Sternbilder “Band” (Ari) und Magen, die Förster und das Dreieck gehört zum “Großen General des Himmels”.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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