Das Ding aus einer anderen Welt

Was wirkt denn einschüchternder und erschreckender auf die Menschheit als ein fremder Organismus und Virus, den man nicht wirklich in seiner Dynamik, Komplexität und Adaptivität versteht und den man weder verletzen noch gänzlich vernichten kann?

Das ist der explosive Sprengstoff aus dem apokalyptische Alpträume bestehen. Und ich rede hier nicht von Ridely Scotts Alien oder James Camerons Terminator, sondern vom Ding aus einer anderen Welt vom Regisseur John Carpenter aus dem Jahre 1982. Dieser Film ist erschreckender, bedrückender, verstörender und aktueller denn je, denn er zeigt nicht nur einen möglichen Weltuntergang, sondern lässt ihn uns auch äußerst intensiv psycho-physisch spüren. Und diesmal nicht wie gewöhnlich aus einem Zentrum kommend, sondern aus den Randzonen der Welt.

Hier ist das Zentrum des Geschehens eine Polarforschungshub am Südpol. Und das ist so vorteilhaft, braucht man die Wissenschaftler hier gar nicht erst zu rufen, weil sie selbst Teil des Formenwandler-Experiments sind. Nämlich in der Carpenter Verfilmung durch den eigenen Fund eines Raumschiffs unterhalb der meterdicken Eisdecke am Südpol. Und auch in der zehn Jahre älteren und weniger bekannten Film-Vorgängerversion mit dem Namen der Horror-Express wird das Virus nicht in einer Stadt, wie New York, London, Mexico oder gar Tokio entdeckt, sondern in einer chinesischen Provinz, in einer Höhle.  

Die Basis der Geschichte als Buchvorlage

Die erste Verfilmung war von Christian Nyby und Howard Hawks aus dem Jahr 1951 und spielte am Nordpol. Dabei gehen alle drei Verfilmungen von 1951, 1972 und 1982 auf die Buchvorlage von John W. Campbells Geschichte: Who goes there? zurück und schließen nahtlos an H.P. Lovecrafts Mountains of Madness an. Dieser Virusfilmstoff scheint so stark und süchtig nach psychologischen Alpträumen zu machen, dass ihn der renommierte Regisseur Guillermo del Toro (Regisseur von Crimson Peak, Pan’s Labyrinth und Shape of Water) seit Jahren verfilmen möchte. Leider erfolglos.

Ähnlich der massiven Potenzialstärke einer Nibelungensage, die einen Helden mit einem Drachen, einer Liebes- Feindschaft unter Menschen und den größten Schatz aller Zeiten im Rhein miteinander verknüpft,  enthält Campbells Geschichte tatsächlich alle Chemikalien einer spannenden und hochexplosiven Geschichte. So sind mitunter die besten Schöpfungen des Horrors, wie auch Ridley Scotts Alien  aus dem gleichen Ei geschlüpft. 

Wie aus dem Necronomicon entnommen

Sowohl Alien als auch das Ding aus einer anderen Welt schaffen dies mit einer brachialen und brutal nie gekannten emotionalen Intensität. Auf der einen Seite stark visuell inszenatorisch, auf der anderen Seite psychologisch unterschwellig. So werden beim Publikum neuronal feinnervig die fein verästelnde Fäden atmosphärisch zu Subräumen und einem packend berstenden Gesamtgewebe, also Netzwerksystem, gesponnen. Ein Horror-Alptraum, den man nicht vergisst. So werden die Mutationen des Virus mit dem Menschen so anschaulich visuell verschmelzend demonstriert, dass der dahinterliegende Gedanke -(ein Virus, der im Mensch mutiert, diesen bis in die feinste Zelle emuliert, eine analoge 1:1 Kopie biomorph erstellt und diese mimetisch neu erschafft)- tatsächlich vorstellbar wird. Gottähnlich.  

John Carpenter, der zu diesem Zeitpunkt damals zum ersten Mal mit einem Major Studio überhaupt zusammen arbeiten durfte -auch und gerade aufgrund seines Erfolgs der früheren Filme wie The Fog-Nebel des Grauens und Halloween- sagte in einem Interview, dass er von all seinen Werken sein Ding am meisten schätze und fügte hinzu: Es gibt nur zwei ernsthaft-wirkliche Horrorgeschichten: die eine heißt: das Böse ist da draußen und die andere lautet das Böse ist in uns.

Schauen wir auf die Männer in der Südpolstation des Films so sehen wir, dass beide Sichtweisen -das Böse außen und das Böse innen- Furcht, Angst und Paranoia auslösen. So herrscht in der Südpol-Station eine so beängstigend-bedrückende und paranoide Atmosphäre, welches dann auch in ein psychologisches Katz- und Mausspiel mündet. Das Grauen des unbekannten,  fremden Virus-Organismus legt sich nach und nach immer stärker und tiefer wie ein dunkler Schleier über alle Schauspieler des Films. So traut am Ende keiner mehr keinem. Kennen wir das aktuell irgend woher?

Was macht den Film so besonders?

Was den Film  so besonders auszeichnet, ist die Analogie zum Virus. So herrscht anstatt hektischer Betriebsamkeit, schleichende Hilflosigkeit. Der ankommende Feind hat wie das frühere Filmplakat kein Gesicht, keine Identität, kommt gesichtslos, schleichend und kriechend wie ein Krankheit daher. Das wirklich Erschreckende, das Bedrohliche und auch äußerst Verstörende am laufenden Film ist aber nicht das Virus selbst, sondern den Terror, die Furcht, die Basisängste und die Paranoia, die es in den Menschen auslöst. Aber, da das Ding ja adaptiv mutiert, lässt es sich weder fangen noch schnappen. Es ist eben nicht von dieser Welt.

 

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7 Kommentare

  1. Die erste Filmfassung des Stoffs ist “The Thing from Another World” (1951) von Christian Nyby und Howard Hawks. Hier spielt die Geschichte nicht in der Antarktis, sondern in der Arktis.

    • Ja genau Christian Nyby und Howard Hawks von 1951, letztere verehrte Carpenter. Ich wollte hier aber nicht zu sehr ausholen, denn es gibt ja auch noch eine Verfilmung nach 2010. Alle basieren auf Campbells Geschichte. Der Stoff, aus dem die (Alp-)Träume sind… Danke für Ihren wertvollen Beitrag hierzu.

  2. Auch interessant: wie das Böse von innen her aussieht.* Ist es dann noch Böse? Oder kann nur böse sein was nicht-wir ist (bei Freud als “Es” beschrieben)?

    * Peter Watts hat die Geschichte von The Thing genau so beschrieben.

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