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Gespräche mit forschenden Frauen
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Bei den Aufnahmen mit Petra Schwille haben wir ziemlich genau das erlebt, was sie im Interview bescheibt. Nein, nicht den „Einzelmolekülschmutz“ und zum Glück auch nicht das stundenlange Linsen-Schrubben. Sondern ihre Fähigkeit, sich genau auf das zu konzentrieren, was gerade ansteht, ganz egal, was ansonsten gerade um sie herumtobt. Kinder, Filmteam, Schneetreiben – spielt keine Rolle.

Wir kommen an und stellen praktisch ihr ganzes Büro auf den Kopf. Sie grüßt kurz, setzt sich ins Nachbarbüro und korrigiert Doktorarbeiten.

Wir sind fertig mit Umbauen und haben für neunzig Minuten ihre volle, freundliche und gutgelaunte Aufmerksamkeit.

Am Ende der neunzig Minuten verschwindet sie wieder ins Nachbarbüro, die Gedanken ganz eindeutig schon auf der nächsten “Baustelle”.

„Ich glaub, ich kann meine Zeit sehr gut einteilen“, sagt sie selbst. „Ich kann ziemlich auf den Punkt hin Dinge fertig stellen, auch wenn ich ganz viele andere Sachen noch gleichzeitig zu tun hab. Also im Privaten die Weihnachtsgeschenke kurz kaufen, Kuchen kurz backen, Faschingskostüm kurz nähen und dann trotzdem das Paper noch referieren und das und jenes. Das kriege ich meistens ganz gut hin. Und ich glaube, das ist eine gewisse Kunst. Das hab ich nicht gelernt, das kann ich einfach. Ich hab immer von meiner Mutter zu hören gekriegt, dass alles schnell und schlampig ist, aber es ist effizient.“

Von schnell und schlampig haben wir nicht viel gemerkt. Wohl aber von effizient!
Es war uns ein Vergnügen.

Mein Name ist Kerstin Hoppenhaus. Ich habe Biologie studiert und später Wirtschafts- und Wissenschaftsfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg. Neben zahlreichen Beiträgen für Wissenschaftsmagazine im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (SWR, 3sat, ZDF) habe ich Dokumentarserien für Arte und die ARD als Regisseurin realisiert. Seit dem Frühjahr 2011 bin ich außerdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leuphana Universität Lüneburg tätig. Die Aluscheibe am Schlüsselbund im Profilbild ist mein eigenes "signifikantes Detail": eine Spindmarke aus dem VEB Braunkohlekombinat Bitterfeld, die ich vor fast zwanzig Jahren gefunden habe, als ich als Werksstudentin am Bauhaus Dessau gearbeitet habe. Damals war ich noch Biologin und in meiner Arbeit ging es eigentlich um die Wasserkäferfauna in der Muldeaue. Aber die Muldeaue ist eingebettet in eine großartige Landschaft voller Widersprüche, mit Gärten und Parks, riesigen Braunkohlerestlöchern und Seen, Abraumhalden und zahllosen alten, oft sehr traditionsreichen Industrieanlagen. Und diese Landschaft interessierte mich mindestens so sehr wie die Käfer. Als ich anfing in Dessau zu arbeiten, waren die meisten der Industriebetriebe schon geschlossen. Übrig waren nur noch stillgelegte Maschinen, verlassene Werkhallen und kilometerlange Rohrleitungen in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Tagelang bin ich mit Kollegen vom Bauhaus durch diese "stalkereske" Szenerie gezogen und ich glaube, dass ich in dieser Zeit angefangen habe, mich für das Dokumentarische zu interessieren. Seltsamerweise habe ich aus dieser Zeit kaum Fotos und so ist die kleine Spindmarke eins meiner wenigen greifbaren Erinnerungsstücke aus dieser Zeit. Ich halte sie in Ehren.

2 Kommentare

  1. wunderbar

    Fr. Schwille schildert genau das, was mir auch widerfahren ist. Sie spricht mir aus der Seele. Wir arbeiten nicht schlampig (was ich mir auch anhören musste, nicht von meiner Mutter), wir haushalten mit unserer Zeit. Wir sind Multitaskerinnen und arbeiten effizient auf den Punkt!

  2. Wie kann

    eigentlich zur Zelle und zur Zellteilung derart vorgetragen werden ohne die Gendatenhaltung und dessen Wesen zu bemühen, zumindest mit einigen Worten?

    MFG
    Dr. W

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